Bundespatentgericht:
Urteil vom 9. Februar 2006
Aktenzeichen: 2 Ni 51/04

(BPatG: Urteil v. 09.02.2006, Az.: 2 Ni 51/04)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 650 620 (Streitpatent), das am 14. März 1994 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der schweizerischen Patentanmeldung CH 81993 vom 18. März 1993 und der französischen Patentanmeldung FR 9303821 vom 30. März 1993 angemeldet worden ist.

Das in der Verfahrenssprache Französisch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 694 01 634 geführt wird, betrifft ein "Verfahren zur Herstellung einer Karte, die mindestens einen elektronischen Baustein enthält, und (eine) nach einem solchem Verfahren hergestellte Karte". Es umfasst nach Durchführung des Einspruchsverfahrens vor dem Europäischen Patentamt 26 Ansprüche, von denen die Patentansprüche 1 und 24 in der deutschen Übersetzung gemäß Patentschrift folgenden Wortlaut haben:

1. Verfahren zum Herstellen einer Karte, umfassend eine erste Gruppe von Schritten mit den folgenden Schritten:

B) Aufbringen mindestens eines elektronischen Elements (8) auf eine Arbeitsoberfläche (2);

C) Aufbringen einer kompressiblen Positionierstruktur (6;34;48) auf die Arbeitsoberfläche derart, daß das elektronische Element und die kompressible Positionierstruktur zueinander überlagert sind;

D) Aufbringen eines Bindemittels (12;42) auf die Arbeitsoberfläche, welcher ersten Gruppe von Schritten eine zweite Gruppe von Schritten folgt, umfassend die nachstehenden Schritte:

G) Einwirkenlassen eines Druckes auf eine Baugruppe, umfassend das elektronische Element (8), die kompressible Positionierstruktur (6;34;48) und das Bindemittel (12;42), um einerseits das elektronische Element mindestens teilweise in die Positionierstruktur eindringen zu lassen, indem man diese Positionierstruktur durch dieses elektronische Element komprimiert um die Positionierung dieses letzteren zu sichern, und anderseits ein seitliches Fliessen des Bindemittels und eine Penetration der Positionierstruktur durch das Bindenmittel zu ermöglichen, wenn dieses letztere in einem flüssig viskosen Zustand ist, um eine Masse zu bilden, in der das elektronische Element und die Positionierstruktur eingebettet sind;

H) Verfestigung der Masse derart, daß diese Masse starr das elektronische Element (8) und die kompressible Positionierstruktur (6;34;48) verbindet und diese letztere in einer Konfiguration erstarren läßt, wie sie aus dem Schritt G herrührt.

24. Karte (20;26;30;56) mit mindestens einem elektronischen Element (8) und einer Schicht (22;28;32;58), gebildet durch ein Bindemittel (12;42), in dem das elektronische Element eingebettet ist, welche Karte dadurch gekennzeichnet ist, daß sie eine Positionierstruktur (6;34;48) für das elektronische Element umfaßt, die sich im Inneren der von dem Bindemittel gebildeten Schicht befindet, welche Positionierstruktur in einer inneren Zone (23) durch dieses elektronische Element komprimiert ist, in der teilweise das elektronische Element plaziert ist, wobei das Bindemittel die Positionierstruktur penetriert hat, und eine kompakte Masse bildet, in der das elektronische Element und die Positionierstruktur eingebettet sind.

Wegen der Patentansprüche 3 bis 23 und 25 bis 26 wird auf die Patentschrift Bezug genommen.

Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, da ihm gegenüber dem Stand der Technik die Neuheit fehle. Zumindest ergebe er sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik. Sie beruft sich hierzu auf folgende Unterlagen:

N1: DE 694 01 634 T2 (deutsche Übersetzung Streitpatent)

N2: DE 3029939 C2 N3: EP 0 350 179 B1 N4: Merkmalsanalyse Anspruch 1 N5: Merkmalsanalyse Anspruch 24 N6: Zwischenentscheidung EPA vom 22. November 2000 N7: DE 3338597 A1 N8: DE 2659573 C2 N9: US 4,751,126 N10: VOGEL-FACHBUCH "Kunststoff-Kompendium", 2. Aufl. 1988, Deckblatt + S. 5, 53-55, 98, 204-206 N11: RÖMMP CHEMIE LEXIKON, 9. Auflage 1990, S. 2439 (Laminate)

und S. 3611 (Prepregs)

N12: Broschüre Oakwood Design - Lamination Presses for Bank Card & Printed Circuit Board Production N13: Broschüre Oakwood Design - Winter 91/92 Innovations N14: Anmeldung zu EP 0 570 784

(Streitpatent im Parallelverfahren 2 Ni 50/04 (EU)

N15: Merkmalsvergleich Streitpatent / N2 Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 650 620 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig. Zur Stützung Ihres Vorbringens bezieht sie sich auf folgende Unterlagen:

NB1: EP 0 650 620 B2 (Streitpatentschrift)

NB2: Zwischenentscheidung EPA vom 22. November 2000 NB3: Merkmalsanalyse Ansprüche 1 und 24

Gründe

Die Klage, mit der der in Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Absatz 1 lit a EPÜ i. V. m. Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist zwar zulässig, in der Sache aber unbegründet.

I 1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung der Karte, die mindestens einen elektronischen Baustein enthält und eine nach einem solchen Verfahren hergestellte Karte. In der Beschreibungseinleitung wird zum Stand der Technik auf die Druckschrift EP 0 350 179 Bezug genommen. Das aus dieser Druckschrift bekannte Verfahren wird insoweit als nachteilig betrachtet, als es zu einer hohen Dicke der herzustellenden Karte führe und es insoweit schwierig mache, die ISO-Norm zu erfüllen. Ferner werden dem bekannten Verfahren Probleme bezüglich Haftung von Zwischen- und Außenschicht und Positionierung der elektronischen Baugruppe zugeschrieben.

Demgegenüber sollen nach der Lehre des Streitpatents die mit dem Stand der Technik verbundenen Nachteile behoben und ein wenig kostspieliges Kartenherstellungsverfahren vorgeschlagen werden, das auch gut an die Kartenproduktion in Großserie angepasst ist.

Die diesbezügliche technische Lehre nach den nebengeordneten Ansprüchen 1 und 24 lautet (mit Gliederung nach Vorschlag durch die Beklagte) wie folgt:

Anspruch 1 Verfahren zum Herstellen einer Karte, umfassend eine erste Gruppe von Schritten mit den folgenden Schritten:

1.1 B) Aufbringen mindestens eines elektronischen Elements (8) auf eine Arbeitsoberfläche (2);

1.2 C) Aufbringen einer kompressiblen Positionierstruktur (6;34;48) auf die Arbeitsoberfläche derart, dass das elektronsiche Element und die kompressible Positionierstruktur zueinander überlagert sind;

1.3 D) Aufbringen eines Bindemittels (12;42) auf die Arbeitsoberfläche, welcher ersten Gruppe von Schritten eine zweite Gruppe von Schritten folgt, umfassen die nachstehenden Schritte:

1.4 G) Einwirkenlassen eines Druckes auf eine Baugruppe, umfassend das elektroniche Element (8), die kompressible Positionierstruktur (6;34;48) und das Bindemittel (12;42), um einerseits 1.4.1 das elektronische Element mindestens teilweise in die Positionierstruktur eindringen zu lassen, indem man diese Positionierstruktur durch dieses elektronische Element komprimiert um die Positionierung dieses letzteren zu sichern, und andererseits 1.4.2 ein seitliches Fliessen des Bindemittels und eine Penetration der Positionierstruktur durch das Bindemittel zu ermöglichen, wenn dieses letztere in einem flüssig viskosen Zustand ist, 1.4.3 um eine Masse zu bilden, in der das elektronische Element und die Positionierstruktur eingebettet sind;

1.5 H) Verfestigen der Masse derart, dass diese Masse starr das elektronische Element (8) und die kompressible Positionierstruktur (6;34;48) verbindet und diese letztere in einer Konfiguration erstarren lässt, wie sie aus dem Schritt G herrührt.

Anspruch 24 Karte (20;26;30;56) mit 24.1 mindestens einem elektronischen Element (8) und 24.2 einer Schicht (22;28;32;58), gebildet durch ein Bindemittel (12;42), in dem das elektronische Element eingebettet ist, welche Karte dadurch gekennzeichnet ist, dass sie 24.3 eine Positionierstruktur (6;34;48) für das elektronische Element umfasst, die sich im Inneren der von dem Bindemittel gebildeten Schicht befindet, 24.4 welche Positionierstruktur in einer inneren Zone (23) durch dieses elektronische Element komprimiert ist, in der teilweise das elektronische Element platziert ist, 24.5 wobei das Bindemittel die Positionierstruktur penetriert hat, 24.6 und eine kompakte Masse bildet, in der das elektronische Element und die Positionierstruktur eingebettet sind.

Die technische Lehre der Ansprüche 1 und 24 wird der Fachmann, ein FH-Ingenieur der Fachrichtung Verfahrenstechnik mit mehrjähriger einschlägiger Berufserfahrung, wie folgt verstehen:

Nach der Lehre des Anspruchs 1 werden zunächst benötigt eine Arbeitsoberfläche 2, ein elektronisches Element 8, eine kompressible Positionierstruktur 6 sowie ein Bindemittel 12 (z. B. in Gestalt einer Folie, S. 10, le. Abs.). Die elektronische Einheit 8 wird auf der Arbeitsoberfläche 2 platziert, danach die kompressible Positionierstruktur 6 und anschließend das Bindemittel 12 aufgebracht. Nach Anspruch 15 (vgl. zusätzlich Fig. 6) kann die kompressible Positionierstruktur auch in der Weise ausgebildet sein, dass sie eine erste Partie 50 und eine zweite Partie 52 umfasst, welche ersten und zweiten Partien (durch eine geänderte Aufbringreihenfolge) sich beidseits des elektronischen Elements 8 befinden. Nachfolgend wird auf das bisher erstellte Gebilde Druck ausgeübt, und zwar mit dem Ziel, dass das elektronische Element zumindest teilweise in die Positionierstruktur eindringt und dass das Bindemittel in seinem "flüssig viskosen" Zustand (Merkmal 1.4.2) sowohl zur Seite fließt als auch die Positionierstruktur penetriert, wodurch letztendlich elektronisches Element und Positionierstruktur im Bindemittel eingebettet sind. Danach härtet das Bindemittel aus und bildet somit eine starre Masse, die das elektronische Element in seiner Lage und die vorher kompressibel gewesene Positionierstruktur in ihrer zuletzt angenommenen Konfiguration fixiert. Die so gefertigte Karte ist in Figur 8 (i. V. m. S. 13, 2. u. 3. Abs.) dargestellt.

Der Fachmann ergänzt diese beanspruchte Lehre selbstredend um Maßnahmen, die eine problemlose Ablösung der ausgehärteten Karte von der Arbeitsoberfläche und der zur Druckausübung notwendigen Gegenfläche gestatten.

Der nebengeordnete Anspruch 24 bezieht sich auf eine Karte, zu der eine aus einem Bindemittel 12 gebildete Schicht 22, eine Positionierstruktur 6 und ein elektronisches Element 8 gehören. Die Positionierstruktur ist im Inneren der von dem Bindemittel gebildeten Schicht angeordnet, vom Schichtmaterial durchdrungen und befindet sich in einer inneren Zone durch teilweise Plazierung des elektronischen Elementes in der Positionierstruktur im komprimierten Zustand. Die von dem Bindemittel herrührende Schicht bildet schließlich eine kompakte Masse, in der das elektronische Element und die Positionierstruktur eingebettet sind.

2. Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 24 sind neu.

In der älteren Anmeldung gemäß N14 (EP 0 570 784 A1) ist in den Ansprüchen 18, 19, 24 und 25 (i. V. m. Fig. 10, 11; Sp. 11, Z. 31 ff. und Sp. 16, Z. 1 ff.) ein Verfahren zum Herstellen einer Karte angegeben, bei dem - mit Schritt IB ein elektronisches Element auf eine Arbeitsoberflächeaufgebracht wird,

- mit Schritt IC ein flüssig viskoses Bindemittel 10 auf die Arbeitsoberfläche aufgebracht wird,

- mit Schritt IF eine Positionierstruktur 112 aufgebracht wird, mit welcher eine interne Zone 118 bestimmt wird, in deren Innerem das elektronische Element 2 positioniert wird,

- mit Schritt IE auf die Baugruppe, umfassend das elektronische Element 2, die Positionsstruktur 112 und das Bindemittel 10, Druck ausgeübt wird,

- wobei das Bindemittel im Bereich der Pyramiden 114 teilweise in die Positionierstruktur eindringt und eine durch Aushärtung sich verfestigende Masse bildet, in der das elektronische Element 2 und die Positionierstruktur 112 eingebettet sind.

Nach Sp. 16, Z. 9, 10 kann Schritt IF - Aufbringung der Positionierstruktur - auch vor Schritt IC - Aufbringung des Bindemittels - erfolgen.

Nach Figur 11 besteht die Positionierstruktur 112 aus einer Basis 110 und Pyramiden 114, die auf dieser Basis derart angeordnet sind, dass eine pyramidenfreie innere Zone 118 zur Aufnahme des elektronischen Elementes 2 und eine ebenfalls pyramidenfreie Zone in Ringform zur Aufnahme der Spule 108 gebildet wird. Somit erfolgt die Positionierung von elektronischem Element 2 und Spule 108 durch entsprechende Aussparungen auf der Basis 110. Im Unterschied hierzu wird beim Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents eine kompressible Positionierstruktur verwendet (Merkmal 1.2), in die das elektronische Element bei Druckausübung eindringt (Merkmal 1.4) und auf diese Weise eine sichere Positionierung erfährt (Merkmal 1.4.1).

Diese Vorgehensweise der Positionierung mittels kompressibler Positionierstruktur ist N14 nicht zu entnehmen, da dort, wie bereits dargestellt, im Ausführungsbeispiel nach den Figuren 10, 11 und auch nach der sonstigen diesbezüglichen Offenbarung die Positionierstruktur immer entsprechende Aussparungen zur Positionssicherung von elektronischem Element und Spule aufweist.

Entgegen der klägerseitigen Ansicht liegt auch beim Ausführungsbeispiel nach den Figuren 6 und 7 keine kompressible Positionierstruktur im Sinne des Streitpatents vor. Zu der in diesen Figuren dargestellten Positionierstruktur in Gestalt eines flächigen Rechteckringes mit gegensinnig orientierten Pyramiden wird zwar in Sp. 14, Z. 26-32 angeben, dass die Punkte 70 der Pyramiden 68 der Positionierstruktur 62 während des Pressens eingedrückt werden. Dieser Vorgang des Eindrückens steht allerdings in Zusammenhang mit der Anbringung der äußeren Schichten 4 und 6. Auf die Positionierung von elektronischem Element 2 und Spule 12 wird hierdurch kein Einfluss genommen; diese erfolgt vielmehr durch die rechteckförmige Aussparung im Innenbereich der Positionierstruktur 62.

Bei dem durch die ältere Anmeldung gemäß N14 offenbarten Verfahren zum Herstellen einer Karte wird somit keine kompressible Positionierstruktur eingesetzt; folglich ist das Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents gegenüber dieser älteren Anmeldung neu.

Die Karte nach dem selbständigen Anspruch 24 des Streitpatents weist entsprechend den Merkmalen 24.3 und 24.4 ebenfalls eine komprimierbare Positionierstruktur auf, in der teilweise das elektronische Element platziert ist. Dieser Sachverhalt ist an einer die Merkmale des Anspruchs 24 aufweisenden Karte durch entsprechende Schnittuntersuchungen feststellbar, da bei einer entsprechenden Analyse in jenem Bereich der Positionierstruktur, in dem das elektronische Element platziert ist, ein stärkerer Kompressionsgrad der Struktur als in den äußeren Bereichen ersichtlich wird.

Die zwischen N14 und dem Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents aufgezeigten Unterschiede bestehen somit in vergleichbarer Weise auch zur Karte nach Anspruch 24 des Streitpatents; letztere ist somit bezüglich N14 ebenfalls neu.

Auch in Bezug auf die vorveröffentlichten Druckschriften gemäß N2 und N3 sowie N7 bis N13 ist die Neuheit der Gegenstände der Ansprüche 1 und 24 des Streitpatents gegeben.

In N2 (DE 30 29 939 C2) wird die Herstellung mehrschichtiger Ausweiskarten mit IC-Baustein unter Einsatz der Heißkaschiertechnik beschrieben. Hierbei befindet sich der IC-Baustein 5 in einem mit Kontaktflächen 7 ausgestatteten Trägerelement 6 (Sp. 3, Z. 16 ff; Fig. 1). Dieses Trägerelement 6 wird von einem Karteninlett 11 aufgenommen, das für diesen Zweck mit einer eng angepassten Aussparung versehen ist und das von Deckfolien 12, 13 umhüllt wird. Bei der nachfolgenden Wärmepressung des Kartenverbundes werden zunächst die beiden Deckfolien 12, 13 und danach das Karteninlett 11 erwärmt, wodurch schließlich das Trägerelement 6 allseitig und ganzflächig in die herzustellende Ausweiskarte einlaminiert wird (Sp. 3, Z. 29 bis Sp. 4, Z. 14; Fig. 2a, 2b).

Der Kartenverbund kann auch mit Schutzzonen ausgestattet sein, die beispielsweise durch Beschichten der Deckfolien mit Kaschierkleber 17 gebildet werden. Der beim Kaschiervorgang auf Erweichungstemperatur erhitzte Kaschierkleber 17 fließt hierbei in den zwischen der Oberfläche des Trägerelements 6 und der Deckfolie 12 gebildeten Hohlraum 14 (Sp. 3, Z. 65-67) und bildet dabei eine homogene Ummantelung des Trägerelements 6 (Sp. 4, Z. 33-61).

Die von der Klägerin als N3 in das Verfahren eingeführte Patentschrift EP 0 350 179 B1 ist am 19. Januar 1994 publiziert worden und somit nachveröffentlicht, da im Streitpatent die Prioritäten CH 819/93 vom 18. März 1993 und FR 9303821 vom 30. März 1993 in Anspruch genommen werden. Es ist stattdessen die Offenlegungsschrift EP 0 350 179 A1 zu berücksichtigen, die am 19. Januar 1990 und somit vor den zeitrangbestimmenden Anmeldetagen der o. g. Prio-Anmeldungen veröffentlicht wurde und auf die in der zum Streitpatent gehörenden Anmeldung (vgl. die korrespondierende WO 94/22110 A1, S. 2, Z. 19) eingegangen wird.

Die nach N3 (EP 0 350 179 A1), Anspruch 1, hergestellte Karte enthält zwei Abdeckungen aus Material mit hoher Zugfestigkeit, zwischen denen sich u. a. ein elektronische Element (IC-Baustein 1) und Vorrichtungen für den Daten-Ein/Ausgang befinden (Spule 4), die in Plastikmaterial eingehüllt sind. Zur Herstellung selbst werden die beiden Abdeckungen in eine Form eingebracht, die elektronischen Elemente und Daten-Ein/Ausgangsvorrichtungen dazwischen positioniert und nachfolgend Plastikmaterial eingebracht. Die Karte wird dann nach Aushärtung des Plastikmaterials der Form entnommen (Anspruch 1; Fig. 1).

Die Abdeckungen können z. B. aus Polyester, Polycarbonat oder Polyimide (Sp. 2, Z. 43, 44) und das Plastikmaterial aus Polyurethan oder Epoxy (Sp. 2, Z. 55) bestehen.

Zum Schutz vor Beschädigungen durch Biegen der Karte sind die elektronischen Komponenten mit starren Umhüllungen 3 (Fig. 1; Sp. 2, Z. 34-38) ausgestattet.

Beim mehrschichtigen Datenträger (=Kredit-, Ausweis- oder Identifikationskarte, vgl. S. 5, Z. 16) nach N7 (DE 33 38 597 A1), Fig. 4 bis 7, werden eine obere Deckschicht 14, eine untere Deckschicht 15 und eine dazwischen liegende Kernschicht 13 verwendet, wobei letztere eine Aussparung 16 enthält, von welcher der IC-Baustein 3 eines Trägerelementes 2 aufgenommen wird. Das Trägerelement 2 besteht im Übrigen aus dem Substrat 10, den Leiterbahnen 4 und den Kontaktflächen 9, wobei letztere zur oberen Deckschicht 14 orientiert sind. Zwischen der anderen Seite des Trägerelements 2 und der Kernschicht 13 befindet sich eine Klebefolie 19. Bei der Kartenherstellung wird der geschilderte Aufbau mit Hilfe zweier Stahlplatten 21, 22 unter Einwirkung von Wärme und Druck (S. 12, Z. 1-5 und Z. 12 ff.) zusammengepresst, wobei der IC-Baustein 3 in die Aussparung 16 der Kernschicht 13 gedrückt wird (S. 12, Z. 33 ff.). Bei diesem Pressvorgang verformt sich auch die obere Deckschicht (S. 12, Z. 29-33) und verbindet sich (teilweise) mit der Kernschicht 13 (Fig. 7; S. 13, Z. 16-22; Fig. 10, S. 15, Z. 18-21).

Die Karte nach N8 (DE 26 59 573 C2) besteht aus einer Folie 12 mit Hohlraum 20, in welchen ein Plättchen 30, bestehend aus Substrat 28 und Chip 22, eingesetzt wird. Der Hohlraum wird dann von der einen Seite mit elektrisch isolierendem Füllmaterial 36 aufgefüllt und ist auf der anderen Seite durch die Außenseite des Substrates 28 abgedeckt. In der Folie befinden sich Bohrungen 34, durch welche die auf dem Substrat 28 befindlichen Kontaktbereiche 26 (= Anschlüsse für den Chip 22) zugänglich sind (Fig. 1, 2 mit Sp. 5, Z. 20 ff.). Bei der Ausführungsform nach Figur 6 wird die Kartenseite mit dem Substrat 28 noch durch die zweite Folie 64 abgedeckt.

Bei der Betrachtung des Standes der Technik wird in N8 (Sp. 3, Z. 53 ff.) auf ein Herstellverfahren Bezug genommen, bei dem sich auf einer Folie, die auf einer ihrer Flächen mit einem Netz von in äußeren Kontaktbereichen endenden Leitern versehen ist, eine Anordnung mit integrierten Schaltungen (Sp. 3, Z. 15) befindet. Mit einer weiteren Folie wird die Anordnung abgedeckt. Beide Folien bestehen aus einem Werkstoff, der bei hoher Temperatur weich wird, so dass durch Erwärmung auf diese Temperatur die beiden Folien verschweißt und die Anordnung mit den integrierten Schaltungen in sie eingeschlossen wird.

N9 (US 4 751 126) beschäftigt sich mit der Herstellung von gedruckten Leiterplatten aus minimal zwei Substraten mit Mehrschichten - oder räumlicher Verdrahtung (Abstract; Sp. 1, Z. 64 ff.). Bei dem in Figur 3 A (Sp. 4, Z. 31 ff.) dargestellten Beispiel werden drei harzhaltige Substrate 30, 31, 32 mit zugehörigen, aus Harz und Metallpulver bestehenden Leiterbahnen 301, 303; 314, 311 - 312, 315; 321, 323, 324, 325 (Sp. 3, Z. 28 ff.) und Durchgangslöchern 302, 313, 322 verwendet, wobei zwischen den jeweiligen Substraten die benötigten elektrischen bzw. elektronischen Bauelemente eingebracht werden. Im konkreten Fall sind dies der Widerstand 33 zwischen den Substraten 30, 31 und die Diode 34 zwischen den Substraten 31, 32: Bei der eigentlichen Kartenherstellung erhalten die Substrate dann durch Wärmepressung (d. h. Einwirkung von Druck und Wärme) ihre endgültige Gestalt nach Figur 3B, wobei durch Verformung der Substrate Raum für die elektrischen Bauelemente entsteht und durch entsprechendes Fliessen der Leiterbahnen in die Durchgangslöcher die Kontakte innerhalb der Substrate und nach außen hergestellt werden.

In N10 ("Kunststoff-Kompendium", VOGEL-Verlag, 2. Aufl., 1988) werden beschrieben - auf den Seiten 53 bis 55 die Eigenschaften von thermoplastischen und duroplastische Kunststoffen,

- auf Seite 98 das Kunststoffschweißen von Thermoplasten und - auf den Seiten 204 bis 206 glasfaserverstärkte Kunstharze nach Herstellung, Eigenschaften und Verarbeitung.

N11 ("RÖMPP CHEMIE LEXIKON", Georg Thieme Verlag, 9. Aufl. 1990) behandelt auf Seite 2439 "Laminate" und auf Seite 3611 "Prepegs".

In N12 (Druckschrift der Firma Oakwood "Lamination Presses for Bank Card & Printed Circuit Board Production") werden diverse Pressen für die Herstellung von Karten und gedruckten Leiterplatten beschrieben.

In N13 (Druckschrift der Firma Oakwood "Innovations", Winter 91/92) ist auf Seite 13 im Abschnitt "New Literature" eine Kurzbeschreibung der Druckschrift N12 enthalten.

Keine der betrachteten Druckschriften zeigt somit ein Verfahren zum Herstellen einer Karte bzw. eine Karte mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 bzw. des Anspruchs 24 des Streitpatents.

3. Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 24 beruhen auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Bei dem in N9 beschriebenen Karten-Herstellverfahren werden, wie bereits aufgezeigt, mindestens zwei harzgetränkte, durch Thermokompression verbindbare Substrate verwendet, wobei bei einem Substrat auf jener Oberfläche, die zum anderen Substrat benachbart ist, Leiterbahnen angeordnet sind und sich zwischen beiden Substraten ein Schaltkreiselement befindet, das auch als Diode (Sp. 2, Z. 11) und somit als ein Halbleitereffekte nutzendes, elektronisches Element realisierbar ist und das von den Substraten durch deren plastische Deformation bei der Wärmepressung eingehüllt wird (Sp. 1, Z. 64 bis Sp. 2, Z. 15; Fig. 3A). Die beim Verfahren nach N9 als Ausgangsmaterialien verwendeten Substrate enthalten bereits zu Beginn Harz, das durch die nachfolgende Wärmepressung erweicht und durch die damit ermöglichte Verformung das Schaltkreiselement zwischen beiden Substraten einbettet.

Das streitpatentgemäße Verfahren in seiner Ausgestaltung nach Anspruch 15 mit zweigeteilter Positionierstruktur stimmt mit dem aus N9 hervorgehenden Verfahren demzufolge insoweit überein, dass in der Ausgangslage beider Verfahren ein elektronisches Element zwischen zwei Komponenten angeordnet ist, die nach Verfahrensende dieses elektronische Element in gesicherter Position einhüllen. Im Unterschied zu den gemäß N9 eingesetzten, bei Verfahrensanfang festen Substraten wird nach Anspruch 1 des Streitpatents (Merkmale 1.2, 1.4, 1.5) eine bereits bei Verfahrensbeginn kompressible Positionierstruktur eingesetzt, in die das elektronische Element mindestens teilweise eindringen kann (Merkmal 1.4.1) und die die außerdem durch ihren Aufbau eine Penetration durch das Bindemittel (Merkmal 1.4.2) ermöglicht.

Zu dieser Vorgehensweise erhält der Fachmann durch N9 keine Anregung. Demzufolge beruht das Verfahren nach Anspruch 15 mit zweigeteilter kompressibler Positionierstruktur gegenüber diesem Stand der Technik auf erfinderischer Tätigkeit. Dieses gilt konsequenterweise auch für das Verfahren nach Anspruch 1, da bei diesem Verfahren eine einteilige Positionsstruktur Verwendung findet und sich somit diesbezüglich der Abstand zu N9 vergrößert.

Die Karte nach Anspruch 24 ist ebenfalls mit einer kompressiblen Positionierstruktur ausgestattet, die in einer inneren Zone durch das zur Karte gehörende elektronische Element komprimiert ist, in der teilweise das elektronische Element platziert ist und die durch das Bindemittel penetriert ist. Diese Gestaltung der Karte ist, wie bereits im vorhergehenden Abschnitt ausgeführt, durch Untersuchungen feststellbar und verschafft der beanspruchten Karte aus vergleichbaren Gründen, wie sie vorstehend zum Verfahren nach Anspruch 1 bzw. 15 dargelegt sind, zu N9 erfinderischen Abstand.

Der in N8 (DE 26 59 573 C2) in Sp. 3, Z. 53 ff. betrachtete Stand der Technik bezieht sich auf die Herstellung einer Karte mit zwei Folien, wobei sich auf einer ersten Folie, die auf einer ihrer Flächen mit einem Netz von in äußeren Kontaktbereichen endenden Leiter versehen ist, eine Anordnung mit integrierten Schaltungen (Sp. 3, Z. 15) befindet. Die zweite Folie dient zur Abdeckung der Anordnung. Beide Folien bestehen aus einem Werkstoff, der bei hoher Temperatur weich wird, so dass durch Erwärmung auf diese Temperatur die beiden Folien verschweißt und die Anordnung mit den integrierten Schaltungen somit in diese Folien eingeschlossen wird. Dieses Verfahren, das wegen der erforderlichen hohen Temperaturen als nachteilig für die integrierten Schaltungen angesehen wird, lässt die Methode offen, mit der die integrierten Schaltungen auf der ersten Folie platziert werden. Somit vermag auch dieser Stand der Technik keine Anregungen dazu geben, beim Verfahren zur Herstellung einer Karte gemäß N9 eine für die Platzierung des elektronischen Elements kompressible und von Bindemittel penetrierbare Positionsstruktur einzusetzen. Folglich beruhen die Gegenstände der Ansprüche 1 und 24 des Streitpatents auch bei zusätzlicher Betrachtung des in N8, Sp. 3, Z. 53 ff. abgehandelten Standes der Technik auf erfinderischer Tätigkeit.

Das gemäß N8 patentierte und die weiteren in den Druckschriften N2, N3 und N7 beschriebenen Verfahren zur Herstellung von Karten können dem Fachmann den Einsatz kompressibler Positionierstrukturen mit den vorstehend genannten Eigenheiten auch bei gemeinsamer Betrachtung nicht nahelegen, da nach der Lehre der Druckschriften N2, N7, N8 für die Positionierung der jeweiligen elektronischen Einheit Zwischenschichten mit entsprechenden Aussparungen und nach N3 eine starre Umhüllung vorgesehen sind.

Der diesbezüglich relevante Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen:

N2: Fixierung des elektronischen Elements durch Karteninlett 11 mit Aussparung, Einsatz von Deckfolien 12,13, beispielsweise aus PVC (Sp. 3, Z. 60), die beim Heißkaschiervorgang schmelzen und die Aussparung füllen.

N3: Platzierung des elektronischen Elements (IC 1) innerhalb einer starren Umhüllung 3, danach Einbringen von Binder und Härter, Einsatz von Außenschichten 6.

N7: Fixierung des Substrates 10 mit elektronischem Element 3 durch Kernschicht 13 mit Aussparung 16, Einsatz von Deckschichten 14, 15, die unter Einsatz von Wärme und Druck (Heißkaschiervorgang) schmelzen und schließlich die Aussparung ausfüllen (S. 13, 1. Abs.).

N8: Fixierung des Plättchens 30 mit elektronischem Element 22 in einem Hohlraum der Folie 12, Ausfüllen des verbleibenden Hohlraums mit Füllmaterial 36.

Die Druckschriften N10 bis N14 zeigen ebenfalls keine patenthindernden Sachverhalte.

Somit sind die Ansprüche 1 und 24 rechtsbeständig.

Mit diesen Ansprüchen haben auch die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 23 sowie 25 und 26 Bestand, ohne dass es hierzu weiterer Feststellungen bedurfte (BPatGE 34, 215).

II Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.






BPatG:
Urteil v. 09.02.2006
Az: 2 Ni 51/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/744241cbfe6c/BPatG_Urteil_vom_9-Februar-2006_Az_2-Ni-51-04




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