Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 13. März 2000
Aktenzeichen: 20 W 506/99

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 13.03.2000, Az.: 20 W 506/99)

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Gründe

Mit Beschluss vom 27. Mai 1999 setzte das Amtsgericht auf Antrag des Beteiligten zu 1) für dessen Tätigkeit als Betreuer in der Zeit vom 01. Januar bis 31. März 1999 eine Vergütung von 2.670,-- DM zuzüglich 427,20 DM Mehrwertsteuer und Auslagenersatz für Telefon, Porto, Fahrtkosten und Kopien in Höhe von 557,80 DM fest, der bis auf einen einzusetzenden Betrag von 687,78 DM aus der Staatskasse zu erstatten ist. Gegen diesen ihm am 04. Juni 1999 zugestellten Beschluss legte der Betreuer am 08. Juni 1999 "Beschwerde" ein, mit der er auch die Erstattung der Mehrwertsteuer auf die Aufwendungen begehrte. Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts bestimmte unter dem 10. Juni 1999, dass die Beschwerde gemäß § 56 g Abs. 5 FGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen werde und legte die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vor. Mit Beschluss vom 31. August 1999 änderte das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts dahingehend ab, dass dem Betreuer auf seinen Antrag zusätzlich die Erstattung der auf die Auslagen entfallenden Umsatzsteuer in Höhe von 89,25 DM bewilligt wurde und ließ die weitere Beschwerde zu.

Gegen diesen ihr nicht förmlich zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 2) mit der am 12. Oktober 1999 bei Gericht eingegangenen weiteren Beschwerde, mit der sie im wesentlichen geltend macht, § 1 BVormVG sehe die Erstattung von Umsatzsteuer nur für die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung des Berufsbetreuers vor, woraus zu schließen sei, dass die Mehrwertsteuer auf Auslagenersatz wie bereits nach bisherigem Recht nicht erstattungsfähig sei. Der Betreuer verteidigt die angefochtene Entscheidung des Landgerichts und macht insbesondere geltend, die Nichterstattung der Mehrwertsteuer würde zu einer Ungleichbehandlung gegenüber anderen freiberuflich Tätigen führen.

Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 2 aufgrund der Zulassung im landgerichtlichen Beschluss statthaft und auch im übrigen zulässig.

Der Senat beabsichtigt, die sofortige weitere Beschwerde zurückzuweisen, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§§ 27, 550 ZPO). Er ist an dieser Entscheidung jedoch gehindert, da er hierdurch von der auf sofortige weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden vom 08. September 1999 - 15 W 1444/99 (BtPrax 2000, 35 = Rpfleger 2000, 16) abweichen würde. Deshalb ist die sofortige weitere Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 und 3 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen. Entscheidungserheblich ist die Rechtsfrage, ob der Auslagenersatzanspruch des umsatzsteuerpflichtigen Berufsbetreuers gemäß § 1835 Abs. 1 BGB auch die Erstattung der von ihm zu zahlenden Umsatzsteuer umfasst. Der Senat bejaht dies in Übereinstimmung mit der Entscheidung des OLG Hamm vom 19. Oktober 1999 - 15 W 264/99 (BtPrax 2000, 37).

Das Landgericht hatte über die sofortige Beschwerde in materieller Hinsicht zu entscheiden, da diese nicht unzulässig war. Zwar hatte die Rechtspflegerin des Amtsgerichts in ihrem Festsetzungsbeschluss, mit dem die Erstattung der Mehrwertsteuer auf Auslagen abgelehnt worden war, zunächst die sofortige Beschwerde nicht zugelassen. Da der streitgegenständliche Betrag der Mehrwertsteuer hier 300,-- DM nicht übersteigt, war gegen diese Entscheidung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG binnen der für die sofortige Beschwerde geltenden Frist die Erinnerung statthaft, weil nach der allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 56 g Abs. 5 Satz 1 FGG aufgrund des dortigen Ausschlusses der sofortigen Beschwerde ein Rechtsmittel nicht gegeben war. Diese befristete Erinnerung hat der Betreuer hier mit seinem als "Beschwerde" bezeichneten Rechtsbehelf fristgerecht eingelegt. Die Rechtspflegerin hatte somit gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 RPflG über die Abhilfe zu entscheiden. Sie hat zwar inhaltlich dem Begehren des Betreuers auf Erstattung der Mehrwertsteuer bezüglich der Auslagen nicht stattgegeben, ihre vorausgegangene Entscheidung jedoch dahingehend abgeändert, dass sie nunmehr von der in § 56 g Abs. 5 Satz 1 FGG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die sofortige Beschwerde zuzulassen. Der Senat hält dies aufgrund der dem Rechtspfleger im Rahmen des Erinnerungsverfahrens eingeräumten Abhilfebefugnis für zulässig. Inhaltlich handelt es sich um eine Entscheidung, mit welcher der Erinnerung zwar nicht in vollem Umfange, jedoch zumindest teilweise abgeholfen wird. Hierzu ist der Rechtspfleger ebenso befugt wie der Richter, dem er die Sache im Falle der vollständigen Nichtabhilfe gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 RPflG vorzulegen hätte (vgl. hierzu Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 56 g Rn. 28). Zwar wird einhellig die Auffassung vertreten, dass in den Fällen, in welchen das Gesetz eine weitere Beschwerde nur im Falle der Zulassung durch das Beschwerdegericht wie etwa in § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG und § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO zulässt, eine Nachholung der Zulassungsentscheidung nicht möglich ist, sondern vom Beschwerdegericht bereits in dem in der Sache selbst ergehenden Beschluss ausgesprochen werden muss (vgl. BGH NJW 1981, 2755 ff und NJW 1999, 290; Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 56 g Rn. 32; OLG Karlsruhe FG Prax 1999, 183; OLG Zweibrücken, NJW 1999, 2125; BayObLG JurBüro 1989, 1135; Rohs/Wedewer, KostO, 3. Aufl., § 14 Rn. 36). Dies beruht jedoch auf der Rechtskraftwirkung, die den landgerichtlichen Entscheidungen in diesen Fällen zukommt und weder durch eine Nachholung der fehlenden Zulassung noch durch eine Anfechtung der Nichtzulassung überwunden werden kann. Anders verhält es sich demgegenüber bei der hier vorliegenden Entscheidung des Rechtspflegers, da diese gerade einer Rechtskraftwirkung nicht unterliegt, sondern wegen § 11 Abs. 2 Satz 2 und 3 RPflG einer Abänderung im Wege der Abhilfe sowohl durch den Rechtspfleger, als auch durch den Amtsrichter zugänglich ist, die auch darin bestehen kann, nachträglich die sofortige Beschwerde zuzulassen.

Das Landgericht vertritt in seiner Entscheidung die Auffassung, der Aufwendungsersatzanspruch des Berufsbetreuers nach §§ 1835 Abs. 1 Satz 1, 670 BGB umfasse auch die von diesem auf die verauslagten Beträge zu entrichtende Umsatzsteuer, da nach § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG zu dem die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer bildenden Entgelt nach einhelliger steuerrechtlicher Rechtsprechung und Literatur auch solche Auslagen gehören, die der Unternehmer für Rechnung seines Auftraggebers im eigenen Namen aufgewendet hat, insbesondere für Telefongebühren, Reisekosten, Porto und Fotokopien. Aus der Umsatzsteuerpflichtigkeit des Aufwendungsersatzes folge, dass der diesbezügliche Ersatzanspruch des Betreuers auch die auf die Auslagen entfallende und von ihm abzuführende Umsatzsteuer einschließe, da diese Steuer in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Betreuertätigkeit stehe.

Der Senat teilt diese Auffassung, wonach der Aufwendungsersatzanspruch auch die auf die Auslagen entfallende Umsatzsteuer umfasst. Die vorgenannten Auslagen wendet der Betreuer allein im Interesse des Betreuten auf. Die hiermit verbundenen Verbindlichkeiten geht er in eigenem Namen nur mit Rücksicht auf den Erstattungsanspruch gegen den Betreuten oder die Staatskasse ein. Der nach §§ 1835 Abs. 1 Satz 1, 670 BGB vom Gesetz vorgesehene Ersatzanspruch umfasst deshalb auch diese Steuern, die infolge der Erledigung der fremden Angelegenheiten zu leisten sind. Denn sie stehen in untrennbarem Zusammenhang mit dem Auftrag bzw. der Betreuung und sind deshalb als notwendige Folgekosten einzuordnen (vgl. KG RPfleger 1983, 150 sowie zum Auftrag: BGH WM 1978, 115; Palandt/Sprau, BGB, 59. Aufl., § 670 Rn. 2).

Entgegen der Auffassung des OLG Dresden (a.a.O.) steht auch die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 3 BVormVG der Erstattung der auf den Auslagenersatz entfallenden Umsatzsteuer nicht entgegen. Durch diese Vorschrift wird lediglich geregelt, dass eine auf die Vergütung des Berufsbetreuers entfallende Umsatzsteuer zusätzlich zu ersetzen ist. Hieraus kann jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, damit solle für die Auslagen eine Erstattung der Umsatzsteuer ausgeschlossen werden. Zwar hat der BGH eine gesonderte Erstattung der Mehrwertsteuer für die Vergütung des Vormundes ausgeschlossen, da es sich insoweit um dessen persönliche Steuerschuld handelt (BGH NJW 1975, 210). Soweit die Vergütung des Betreuers nach altem Recht der Mehrwertsteuer unterlag, war diese Belastung somit bei der Bemessung der Höhe der Vergütung des Betreuers zu berücksichtigen (vgl. BayObLG RPfleger 1987, 67 und 1988, 529; Senatsbeschluss in FamRZ 1994, 1333; so jetzt auch BVerfG, Beschluss vom 15.12.1999 - 1 BvR 1032/96 veröffentlicht bei Juris). Gerade weil für die aus der Staatskasse festzusetzende Betreuervergütung aufgrund der festen Stundensätze des § 1 BVormVG insoweit keine Erhöhungsmöglichkeit gegeben ist, sollte die sich hieraus nach früherer Rechtslage ergebende Streitfrage der Mehrwertsteuererstattung durch die nunmehrige gesetzliche Regelung geklärt werden. Keinesfalls wollte der Gesetzgeber hiermit jedoch die Erstattung der Umsatzsteuer für den Auslagenersatz ausschließen. Vielmehr ergibt sich gerade aus der Begründung des Gesetzesentwurfes, dass der Gesetzgeber von der Erstattungspflichtigkeit der Umsatzsteuer für die Aufwendungen ohnehin ausging und deshalb eine diesbezügliche Regelung nur hinsichtlich der aus der Staatskasse zu zahlenden Betreuervergütung für erforderlich hielt (vgl. BT-Drucksache 13/7158 S. 28). Es war gerade die Absicht des Gesetzgebers, eine Benachteiligung der umsatzsteuerpflichtigen Betreuer gegenüber den nicht der Umsatzsteuerpflicht unterliegenden Betreuern auszuschließen.

Eine derartige Benachteiligung und sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung würde im Falle einer Ablehnung der Erstattungsfähigkeit der auf den Aufwendungsersatz entfallenden Umsatzsteuer jedoch eintreten. Denn einerseits erhielten dann Berufsbetreuer im Ergebnis einen geringeren Aufwendungsersatz als ehrenamtlich tätige Betreuer. Darüber hinaus wären die Berufsbetreuer - worauf das Landgericht zutreffend hinweist - gegenüber anderen freiberuflich Tätigen, insbesondere Rechtsanwälten und gerichtlich bestellten Sachverständigen benachteiligt, da deren Aufwendungsersatzanspruch die entfallende Umsatzsteuer umfasst (vgl. §§ 25 Abs. 2, 1 Abs. 1 BRAGO, 8 Abs. 2 Ziffer 4 ZSEG). Das Landgericht hat somit zutreffend die Entscheidung des Amtsgerichts dahingehend abgeändert, dass zusätzlich die Erstattung der auf die Auslagen entfallenden Umsatzsteuer in Höhe von 89,25 DM aus der Staatskasse bewilligt wurde.

An der Bestätigung dieser landgerichtlichen Entscheidung ist der Senat durch die eingangs genannte Entscheidung des OLG Dresden, die in bezug auf die entscheidungserhebliche Rechtsfrage abweicht, gehindert, so dass eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2 und 3 FGG geboten ist.






OLG Frankfurt am Main:
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