Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Juli 2006
Aktenzeichen: 6 W (pat) 316/03

(BPatG: Beschluss v. 05.07.2006, Az.: 6 W (pat) 316/03)

Tenor

Das Patent wird in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gründe

I.

Gegen das Patent 196 48 548 mit der Bezeichnung "Verfahren zur Qualitätssicherung von Injektionsverfahren oder von Düsenstrahlverfahren", dessen Erteilung am 26. September 2002 veröffentlicht wurde, ist am 20. Dezember 2002 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch stützt sich auf die Widerrufsgründe der fehlenden Patentfähigkeit des Patentgegenstandes und der unvollständigen Offenbarung der Erfindung. Hinsichtlich der geltend gemachten fehlenden Patentfähigkeit führt die Einsprechende folgende Druckschriften als relevanten Stand der Technik an:

E1: DE 43 13 476 A1, E2: DE 195 21 639 A1, E3: DE 71 19 195 U1, E4: DE 35 14 522 A1 und E5: WO 87/03319.

Davon waren die Entgegenhaltungen E1 bis E3 bereits im Prüfungsverfahren in Betracht gezogen worden.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise für unbegründet zu erklären und das Patent unverändert aufrechtzuerhalten.

Sie führt aus, dass der Vortrag der Einsprechenden bezüglich des Widerrufsgrundes der unzureichenden Offenbarung einer Lehre unsubstantiiert und der Einspruch daher unzulässig sei. Hinsichtlich der Patentfähigkeit des Patentgegenstandes wird den Ausführungen der Einsprechenden widersprochen und dargelegt, dass der Gegenstand des Patents gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu sei und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Nachdem beide Beteiligte ordnungsgemäß zu einer mündlichen Verhandlung geladen waren, hat die Einsprechende mit Eingabe vom 9. Juni 2006 auf Wahrnehmung des Verhandlungstermins verzichtet. Bei der gegebenen Aktenlage sah es der Senat daraufhin als sachdienlich und der Verfahrensökonomie förderlich an, die mündliche Verhandlung abzusetzen und im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.

Bezüglich weiterer Äußerungen der Beteiligten im Einzelnen sei auf den Akteninhalt verwiesen.

Das Patent betrifft nach dem Wortlaut des erteilten Patentanspruchs 1 ein

"Verfahren zur Qualitätssicherung von Injektionsverfahren, oder zur Qualitätssicherung beim Düsenstrahlverfahren, bei dem Messpegel (4, 5, 6) an Eckpunkten von mindestens einem Polygon in den Baugrund getrieben werden, Sender und Empfänger in die Messpegel (4, 5, 6) abgesenkt werden, mindestens eine Bohrung (8) innerhalb des mindestens einen Polygons in den Baugrund getrieben wird, Injektionsgestänge mit mindestens einer Austrittsdüse in die mindestens eine Bohrung (8) abgebohrt oder abgesenkt werden, ein mit Injektionsgut vermischter Strahl pro Austrittsdüse erzeugt und in den Baugrund gerichtet wird, unddie Austrittsdüse in Drehung versetzt wird, gekennzeichnet durch Emittieren von Radarstrahlen oder Ultraschallwellen durch die in den Messepegeln (4, 5, 6) enthaltenen Sender in den Baugrund, Aufnehmen der vom Baugrund übertragenen Strahlen oder Wellen von den in den Messpegeln (4, 5, 6) enthaltenen Empfängern und Auswerten der Messwertaufnahme".

Gemäß der in Abs. [0005] der Patentschrift angegebenen Aufgabe soll damit ein Verfahren zur Qualitätssicherung von Injektionsverfahren, insbesondere zur Qualitätssicherung beim Düsenstrahlverfahren geschaffen werden, bei dem Messpegel in deutlich geringerer Anzahl als Bohrungen zu einer genauen Lagebestimmung aller Bohrungen ausreichen, auch wenn die Abstände der Messpegel zu den Bohrungen variieren und bei dem die Ausbreitung von Injektionsgut oder die Ausbreitung der Düsenstrahlkörper zerstörungsfrei geprüft werden kann.

Zu den sich daran anschließenden Unteransprüchen 2 bis 12 wird auf die Patentschrift verwiesen.

II.

1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 (3) PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist substantiiert auf Widerrufsgründe gem. § 21 PatG gegründet und daher zulässig.

Dies gilt insbesondere auch für die von der Patentinhaberin bezweifelte Substantiierung der behaupteten unzureichenden Offenbarung einer Lehre. So hat die Einsprechende in ihrem Einspruchsschriftsatz unter dem Punkt "3.1 Offenbarung der Erfindung" unter Verweis auf mehrere Stellen der Patentschrift im Einzelnen dargelegt, weshalb nach ihrer Auffassung der Fachmann keine hinreichenden Hinweise dazu finde, die dort angegebenen Anweisungen wie "Herstellen von zylindrischen Injektions- und Düsenstrahlkörper", "Erkennen von Lageungenauigkeiten", "Vermessung von Bohrungen" etc. auszuführen.

Damit sind die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen sollen, innerhalb der Einspruchsfrist im Einzelnen angegeben. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob diese Tatsachen die begehrte Rechtsfolge objektiv rechtfertigen; maßgeblich ist vielmehr eine hinreichende Substantiierung der Gründe aus der Sicht der Einsprechenden, welche hier zweifellos gegeben sind.

3. Der Einspruch ist jedoch nicht erfolgreich, da der Patentgegenstand gegenüber dem angeführten Stand der Technik patentfähig ist und das Patent die Erfindung für den Fachmann deutlich und vollständig offenbart.

3.1 Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem angeführten Stand der Technik neu.

Bei allen Verfahren nach dem angeführten Stand der Technik (E1 bis E5) werden keine Messpegel an Eckpunkten eines Polygons in den Baugrund getrieben. Vielmehr sitzt dort jeweils ein Messpegel mit Sender- und Empfangsvorrichtung im Bereich des Injektionsgestänges bzw. der Injektionsdüse, d. h. im Bereich des zu überwachenden Bohrloch (Hohlraums) selbst.

Beim Gegenstand der DE 195 21 639 A1 (E2) fehlt darüber hinaus auch das Merkmal eines Senders, da dort lediglich ein Empfänger in Form eines "Geophons" zur Erfassung von Erderschütterungen eingesetzt wird.

3.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Das wesentliche Funktionsprinzip zur Lösung der dem Patentgegenstand zugrunde liegenden Aufgabe ist darin zu sehen, dass im Gegensatz zum Stand der Technik, wo für jede zu überwachende Bohrung ein eigener Messpegel erforderlich ist, eine Vielzahl von Bohrungen (ggf. auch gleichzeitig) von nur wenigen (mindestens drei), auf den Eckpunkten eines Polygons liegenden Messpegeln zur Auswertung abgetastet werden können. Hierzu lehrt der Patentanspruch 1 in seinen beiden ersten kennzeichnenden Merkmalen:

"Emittieren von Radarstrahlen oder Ultraschallwellen durch die in den Messpegeln (4, 5, 6) enthaltenen Sender in den Baugrund"

und

"Aufnehmen der vom Baugrund übertragenen Strahlen oder Wellen von den in den Messpegeln (4, 5, 6) enthaltenen Empfängern".

Dies impliziert auch die Möglichkeit, dass ggf. Sender und Empfänger in verschiedenen Messpegeln aktiv sind, d. h. dass das von einem Pegel A ausgesandte Messsignal nach Durchtritt durch den Baugrund bzw. die zu überwachende Bohrung von einem anderen Pegel B empfangen wird. Dies findet seine Stütze u. a. in Spalte 4, Zeilen 53 bis 60 der Patentschrift.

Ein derartiges Verfahren ist aber in keiner der angeführten Entgegenhaltungen vorgezeichnet. Vielmehr sind bei den Gegenständen der DE 43 13 476 A1 (E1), DE 71 19 195 U1 (E3), DE 35 14 522 A1 (E4) und WO 87/03319 (E5) jeweils Sender und Empfänger innerhalb eines einzigen Messpegels aktiv, so dass das ausgesandte Messsignal lediglich als reflektiertes Signal in demselben Messpegel empfangen wird.

Das Verfahren nach der DE 195 21 639 A1 (E2) liegt noch weiter ab vom Patentgegenstand, da hier lediglich die durch die Bohr- bzw. Injektionsarbeiten selbst erzeugten Erderschütterungen über ein oder mehrere Geophon(e) empfangen und ausgewertet werden, ohne dass von einem Sender ein Messsignal ausgesendet wird.

Da schon keine der angeführten Druckschriften für sich einen Hinweis auf die für die patentierte Lehre wesentliche Merkmalskombination eines auf mehrere Sender und Empfänger in unterschiedlichen Messpegeln verteilten Signalaustauschs enthält, kann auch eine Zusammenschau einzelner dieser Entgegenhaltungen nicht in nahe liegender Weise zum Patentgegenstand hinführen.

Der Patentanspruch 1 ist daher bestandsfähig.

3.3 Mit dem bestandsfähigen Patentanspruch 1 sind auch die hierauf rückbezogenen, auf vorteilhafte Weiterbildungen von dessen Gegenstand gerichteten Unteransprüche 2 bis 12 bestandsfähig.

3.4 Das Patent offenbart die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Die Einsprechende bezieht sich hinsichtlich der diesbezüglichen geäußerten Zweifel lediglich auf Stellen der Beschreibung, wo jeweils Teilaspekte der Erfindung als vorteilhaft beschrieben sind, und bezweifelt, dass der Fachmann diese Schritte ohne weitergehende, in der Patentschrift nicht enthaltene Anweisungen ausführen kann. Zu den Merkmalen des Patentanspruchs 1 macht die Einsprechende diesbezügliche Zweifel nicht geltend. Damit erkennt die Einsprechende aber implizit an, dass die Lehre des Hauptanspruchs, welche ja die Erfindung am umfassendsten angibt, für den Fachmann nacharbeitbar ist. Schon von daher geht der Einwand der unvollständigen Offenbarung ins Leere.

Im Übrigen findet der hier zuständige Fachmann, ein Dipl.-Bauingenieur mit vertieften Kenntnissen im Bereich von Bodengründungen und Boden-Messtechnik, auch im Rahmen der Beschreibung genügend Anhaltspunkte, um mit Hilfe seines Fachwissens die patentierte Lehre auszuführen. So ist dem fachnotorischen Können des oben definierten Fachmanns nicht nur zuzurechnen, wie eine Verfestigung von Baugründungen mit Injektions- oder Düsenstrahlverfahren grundsätzlich durchzuführen ist, sondern auch wie Messpegel in geeigneter Weise mit Sende- und Empfangsanlagen zu versehen und in entsprechende Bohrlöcher abzusenken sind. Zumindest unter Zuziehung eines auf dem Gebiet der Signalverarbeitung kundigen Kollegen ist dieser Fachmann außerdem ohne weiteres in der Lage, die empfangenen Signale auszuwerten und i. S. der zu lösenden Aufgabe weiterzuverarbeiten.

4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus Gründen der Gewährung rechtlichen Gehörs war nicht erforderlich, nachdem die unterliegende Einsprechende durch Verzicht auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung konkludent ihren Hilfsantrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat und die Verfahrensbeteiligten ausreichend Gelegenheit hatten, ausführlich schriftsätzlich zur Sach- und Rechtslage Stellung zu nehmen.






BPatG:
Beschluss v. 05.07.2006
Az: 6 W (pat) 316/03


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