Verwaltungsgericht Minden:
Beschluss vom 12. Juni 2015
Aktenzeichen: 4 L 441/15

(VG Minden: Beschluss v. 12.06.2015, Az.: 4 L 441/15)

Ein Anspruch auf Übernahme in den juristischen Vorbereitungsdienst besteht nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 JAG NRW nicht, wenn der Bewerber der Zulassung nicht würdig ist. Bei dem Tatbestandsmerkmal der Unwürdigkeit handelt es sich um einen gerichtlich uneingeschränkt überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff, der im Lichte von Art. 12 Abs. 1 GG auszulegen ist.

Die für die Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst erforderliche Würdigkeit setzt voraus, dass der Bewerber nach dem Gesamtbild seiner Persönlichkeit charakterlich geeignet ist, in einen Ausbildungsgang aufgenommen zu werden, der ihm die Befähigung zum Richteramt verschafft.

An der Würdigkeit fehlt es, wenn dem Bewerber ein schwerer Verstoß gegen das Recht, das er bereits während des Vorbereitungsdienstes mitunter eigenverantwortlich pflegen soll, zum Vorwurf gemacht wird. Nach der gesetzlichen Wertung des § 30 Abs. 4 Nr. 1 Halbsatz 2 JAG NRW liegt ein schwerer Verstoß in diesem Sinne in der Regel vor, wenn der Bewerber wegen einer vorsätzlich begangenen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt und die Strafe noch nicht getilgt worden ist.

Bei § 30 Abs. 4 Nr. 1 Halbsatz 2 JAG NRW handelt es sich um ein Regelbeispiel. Eine Unwürdigkeit ist danach weder zwingend gegeben, wenn die genannten Voraussetzungen vorliegen, noch ist bei Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen ohne Weiteres von der Würdigkeit des Bewerbers auszugehen. Unter Berücksichtigung der konkreten Tat und ihrer Folgen, des Verhaltens des Bewerbers nach der Tat, der Gesamtpersönlichkeit und der Sozialprognose für das zukünftige Verhalten des Betroffenen sowie der seit der Tat verstrichenen Zeit kann unter besonderen Umständen sowohl die Einstellung versagt werden, wenn eine Freiheitsstrafe von weniger als einem Jahr verhängt worden ist, als auch eine Einstellung - ausnahmsweise - erfolgen, wenn die Freiheitsstrafe ein Jahr überschreitet.

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird in der Wertstufe bis 4.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der am geborene Antragsteller begehrt die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen im Bezirk des Oberlandesgerichts I.

Er war vom 1. Oktober 2009 bis zum 30. September 2014 für ein Studium der Rechtswissenschaft an der Universität C. eingeschrieben. Die erste juristische Prüfung bestand er im Juli 2014. Er war Mitglied der Vereinigung "K.", bis diese mit Verfügung des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahr 2012 verboten wurde. Er ist Mitglied des Landes- und Bundesvorstands der Partei "P." und war bis Januar 2015 Vorsitzender eines Kreisverbands dieser Partei.

Der Antragsteller ist mehrfach vorbestraft.

Im Oktober 2004 verurteilte das Amtsgericht I. den Antragsteller wegen Volksverhetzung zu einer Woche Jugendarrest.

Im Juni 2005 verurteilte das Amtsgericht I. den Antragsteller wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 6 Monaten. Deren Vollstreckung erledigte sich im Dezember 2006.

Im November 2006 verurteilte das Amtsgericht I. den Antragsteller wegen Nötigung zur Erbringung von Arbeitsleistungen nach dem Jugendstrafrecht.

Im Juli 2007 verurteilte das Amtsgericht I. den Antragsteller wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Jugendstrafe von 8 Monaten, die es zur Bewährung aussetzte. Die Bewährungszeit wurde zunächst zwei Mal verlängert und die Strafe schließlich im Juni 2014 erlassen.

Im September 2008 verurteilte das Amtsgericht I. den Antragsteller wegen Erschleichens von Leistungen zur Erbringung von Arbeitsleistungen nach Jugendstrafrecht.

Im Mai 2010 verurteilte das Amtsgericht I. den Antragsteller wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen.

Im Mai 2011 verurteilte das Amtsgericht I. den Antragsteller wegen Beleidigung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen.

Im Juni 2013 verurteilte das Amtsgericht T1. den Antragsteller wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen. Zum Sachverhalt stellte das Amtsgericht Folgendes fest: "Der Angeklagte nahm am [...] August 2012 als stellvertretender Versammlungsleiter an einem sog. "Trauermarsch" rechter Kräfte in C. teil. Der Demonstrationszug wurde von Polizeikräften in voller Einsatzmontur begleitet. Als sich der Aufzug aus Richtung X. in Richtung Bahnhof in Bewegung setzte, ging der eingesetzte Polizeibeamte und Zeuge L. I. auf der linken Seite des Angeklagten neben ihm her. Rechtsseitig vom Angeklagten marschierte der Zeuge und Veranstaltungsleiter N. T. . Trotz Sturmhaube und Helm fiel dem Angeklagten und dem Zeugen auf, dass der Zeuge L. I. dunkelhäutig war. Der Angeklagte und sein Begleiter sahen mehrfach zum Zeugen I. herüber. Dann äußerte der Angeklagte in die Richtung des Polizeibeamten I. und für den auch deutlich vernehmbar: "Schwarz auf schwarz geht nicht, aber Schwarze bei der Polizei geht überhaupt nicht!" Er tat dies, um den Zeugen herabzuwürdigen." Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft, die sie auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, hob das Landgericht C. das Urteil des Amtsgerichts T1. im Rechtsfolgenausspruch auf und verurteilte den Antragsteller im Oktober 2013 zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten, die es zur Bewährung aussetzte. Zur Strafzumessung führte das Landgericht unter anderem aus: "Das Gesamtbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Persönlichkeit des Angeklagten liegt im Durschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle." Mit Beschluss von März 2014 verwarf das Oberlandesgericht D. die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Antragstellers.

Im August 2013 verurteilte das Amtsgericht T2. den Antragsteller wegen Mitführens eines Gegenstandes, der zur Verletzung von Personen geeignet ist, nach dem niedersächsischen Versammlungsgesetz zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen.

Mit Urteil von Februar 2015 verurteilte das Amtsgericht C. den Antragsteller wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts T1. von Juni 2013 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts leistete der Antragsteller im Oktober 2013 mit Gewalt Widerstand gegen seine Ingewahrsamnahme durch Polizeibeamte. Das Urteil ist rechtskräftig.

Darüber hinaus sind ausweislich zweier Vorgangslisten der Staatsanwaltschaften E. und C. gegen den Antragsteller die folgenden Ermittlungs- bzw. Strafverfahren anhängig:

In dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft C. wegen Beleidigung beantragte die Staatsanwaltschaft C. im Dezember 2014 den Erlass eines Strafbefehls.

In dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft E. wegen Hausfriedensbruchs erhob die Staatsanwaltschaft im Mai 2015 Anklage vor dem Amtsgericht E. , Strafrichter.

Ein Ermittlungsverfahren wegen Verleumdung wurde im Dezember 2014 an eine andere Staatsanwaltschaft abgegeben.

Drei weitere Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft E. und C. wegen gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wurden im Mai 2015, Oktober 2014 und August 2014 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Ein weiteres Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft C. wegen Verstoßes gegen das Kunst- und Urhebergesetz sowie Verleumdung wurde im April 2015 gemäß § 154 Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt.

Mit Antrag vom 13. Oktober 2014 beantragte der Antragsteller die Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst zum nächstmöglichen Termin. Zu diesem Zweck veranlasste er die Übermittlung eines Führungszeugnisses an den Antragsgegner, in dem die Verurteilungen des Amtsgerichts T1. von Juni 2013 und des Amtsgerichts T2. von August 2013 eingetragen waren. Auf Anregung des Antragsgegners erklärte sich der Antragsteller mit Schreiben vom 19. November 2014 mit der Einsichtnahme in die betreffenden Strafakten einverstanden, die daraufhin durch den Antragsgegner beigezogen wurden. Der Antragsgegner zog ferner die Verbotsverfügung des Innenministeriums aus 2012 betreffend die Vereinigung "K." bei. Darüber hinaus übermittelte das Innenministerium dem Antragsgegner über das Justizministerium eine Liste aller vom Antragsteller in den letzten Jahren beim Polizeipräsidium I. angemeldeten Versammlungen, zwei vom Antragsteller verfasste Aufsätze sowie einen Ausdruck von Eintragungen und Bildern aus dem offenen Profil des Antragstellers in einem sozialen Netzwerk.

Den Antrag des Antragstellers, ihn zeitnah in den juristischen Vorbereitungsdienst einzustellen, lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 15. April 2015 ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus:

Die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst sei zu versagen, da der Antragsteller derzeit der Zulassung nicht würdig sei. Eine Aufnahme in den Vorbereitungsdienst komme vor Ablauf einer Wohlverhaltensphase von drei Jahren ab dem Datum des Bescheides nicht in Betracht. Die Unwürdigkeit des Antragstellers ergebe sich aus einer Gesamtabwägung der Vorstrafen des Antragstellers und seiner verfassungsfeindlichen Betätigung. Von den Vorstrafen des Antragstellers seien wegen des Verwertungsverbots des § 51 Abs. 1 Bundeszentralregistergesetzes - BZRG - lediglich die beiden Verurteilungen des Amtsgerichts T2. und des Amtsgerichts T1. bzw. des Landgerichts C. in zweiter Instanz zu berücksichtigen. Zwar erfüllten beide Verurteilungen nicht die Voraussetzungen des in § 30 Abs. 4 Nr. 1, 2. Halbsatz JAG NRW enthaltenden Regelbeispiels, da der Antragsteller jeweils zu weniger als einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Ausweislich der Gesetzesbegründung könne aber unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände unter besonderen Umständen die Einstellung auch dann versagt werden, wenn eine Freiheitsstrafe von weniger als einem Jahr verhängt worden ist. Insoweit offenbare die der Verurteilung durch das Landgericht C. zugrundeliegende Beleidigung, die rassistisch motiviert gewesen und gegenüber einem zum Schutz des Antragstellers abgestellten Polizeibeamten ausgesprochen worden sei, erhebliche Persönlichkeitsdefizite, die darauf schließen ließen, dass der Antragsteller dem Berufsbild eines Juristen - dem es schon im Rahmen der Ausbildung obliege, Menschen unterschiedlicher Herkunft (vor dem Gesetz) gleich zu behandeln - nicht gerecht werde.

Der Antragsteller betätige sich auch gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Dies folge zum einen daraus, dass er sich aktiv für die Partei "P." einsetze und darin eine Führungsrolle übernehme. Ausweislich der Verfassungsschutzberichte des Landes Nordrhein-Westfalen der vergangenen Jahre handele es sich bei der Partei um eine solche, die die freiheitliche demokratische Grundordnung ablehne, eine "System"-Überwindung anstrebe und dabei eine kämpferischaggressive Haltung einnehme. Politische Gegner würden eingeschüchtert, und in Veröffentlichungen und Äußerungen der Partei werde zum Ausdruck gebracht, dass diese unter anderem den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Menschenwürde nicht anerkenne. Diese Bestrebungen seien dem Antragsteller als Mitglied des Landes- und Bundesvorstands und als Vorsitzendem des Kreisverbandes I. auch zuzurechnen. Auf Ebene des Kreisverbandes sei der Antragsteller seit Jahren die "prägende" Persönlichkeit gewesen. Er habe sich über seine Funktionärstätigkeit hinaus auch aktiv für die Ziele der Partei eingesetzt, etwa durch die Teilnahme an Versammlungen der Partei, mitunter auch als Versammlungsleiter. Ferner sei der Antragsteller jedenfalls bis Februar 2015 ausdrücklich auf der Homepage des Kreisverbandes I. als "presserechtlich Verantwortlicher" genannt gewesen, auf der zahlreiche Beiträge zu finden seien, die die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Partei zutage treten ließen.

Die verfassungsfeindliche Betätigung folge darüber hinaus auch aus der Betätigung des Antragstellers in der inzwischen verbotenen Vereinigung "K.". Diese sei wegen aggressivkämpferischer Bestrebungen gegen die verfassungsrechtliche Ordnung verboten worden. Berücksichtigung gefunden habe insoweit, dass der Antragsteller nachweisbar zu den "prägenden Persönlichkeiten" dieser Vereinigung gehört habe, der sich für die verfassungsfeindlichen Bestrebungen besonders verantwortlich gezeichnet habe. Er sei nämlich nicht bloßes Mitglied der Vereinigung gewesen, sondern auf einem der Vereinigung "K." zuzurechnenden Flugblatt als "V.i.S.d.P." (Verantwortlicher im Sinne des Pressegesetzes) benannt worden. Zudem habe sich der Antragsteller insoweit für organisatorische Belange der Vereinigung eingesetzt, als er eine - im Zusammenhang mit dem Verbot der Vereinigung von der Polizei durchsuchte - Gaststätte im eigenen Namen für diese angemietet habe. Er sei zudem wiederholt als Versammlungsleiter und Redner auf Versammlungen der Vereinigung in Erscheinung getreten.

Am 23. April 2015 hat der Antragsteller Klage erhoben (4 K 1153/15) sowie den hier zu entscheidenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung trägt er vor, er habe einen Anspruch auf Einstellung in den juristischen Vorbereitungsdienst, da er niemals wegen einer vorsätzlich begangenen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden sei, die Voraussetzungen des Regelbeispiels des § 30 Abs. 4 Nr. 1, Halbsatz 2 JAG NRW also nicht vorlägen. Die Tat, die der Verurteilung durch das Amtsgericht T1. zugrunde liege, stelle lediglich ein Bagatelldelikt dar. Zum Urteil des Landgerichts C. von Oktober 2013 sei anzumerken, dass er stets bestritten habe, die ihm zur Last gelegte Äußerung getätigt zu haben. Zudem sei es vertretbar, die inkriminierte Äußerung nicht als strafbare Beleidigung, sondern als "flapsige Äußerung" anzusehen, die der Meinungsfreiheit unterliege. Jedenfalls handele es sich um eine Äußerung im unteren Bereich der Strafbarkeit und das Landgericht sei von einer positiven Sozialprognose im Hinblick auf sein Berufsziel Strafverteidiger ausgegangen. Besondere Umstände, aus der seine Unwürdigkeit folgen könnte, obwohl er nur zu einer Freiheitsstrafe von weniger als einem Jahr verurteilt worden sei, lägen nicht vor. Es habe sich weder um ein Staatsschutz- oder Vermögensdelikt, noch um ein Delikt des Geheimnisverrats, die für die Begründung des Ausbildungsverhältnisses von besonderer Bedeutung sein könnten, gehandelt. Der Tatzeitpunkt liege zudem bereits fast drei Jahre zurück. Seitdem sei es lediglich zu einem Strafbefehl in Höhe von 20 Tagessätzen gegen ihn gekommen, der ebenfalls ein Bagatelldelikt betroffen habe.

Er habe sich auch nicht verfassungsfeindlich betätigt. Bei der Partei "P." handele es sich nicht um eine Partei, die die freiheitlich demokratische Grundordnung ablehne. Sie bekenne sich in der Präambel ihres Parteiprogramms "vollinhaltlich und ohne jeden Vorbehalt" zur freiheitlich demokratischen Grundordnung. Die Ausführungen in den Verfassungsschutzberichten des Landes Nordrhein-Westfalen der vergangenen Jahre stellten die subjektive Meinung des bzw. der Verfasser dar. Der Verfassungsschutz sei dem Innenministerium unterstellt, das von einem Minister der SPD geführt werde. Daher sei der Verfassungsschutzbericht nicht von einem politisch "neutralen" Standpunkt aus verfasst, sondern aus der Sichtweise eines sozialdemokratisch geführten Innenministeriums. Soweit der Verfassungsschutzbericht über konkrete politische Aussagen bzw. konkrete politische Aktivitäten berichte, seien ihm diese - sofern sie überhaupt zuträfen - nicht persönlich zuzurechnen. Die bloße Teilnahme oder auch Anmeldung öffentlicher Versammlungen könne dem Antragsteller nicht vorgeworfen werden, da es sich insoweit um ein von der Versammlungsfreiheit geschütztes Verhalten gehandelt habe. Darüber hinaus handele es sich hierbei offensichtlich um nachrichtendienstliche Erkenntnisse, die der Antragsgegner vom Verfassungsschutz erhalten haben müsse. Die Verwertung dieser Erkenntnisse sei im vorliegenden Verfahren nicht zulässig. Seit Januar 2015 sei er nicht mehr Vorsitzender des Kreisverbandes I. der Partei "P.". Er sei auch aktuell nicht mehr Verantwortlicher im Sinne des Telemediengesetzes für die Homepage des Kreisverbandes I. . Sofern dies zeitweise der Fall gewesen sei, sei dies lediglich geschehen, um damit der rechtlichen Impressumspflicht für Internetseiten nachzukommen. Dies bedeute daher nicht, dass er die dort eingestellten Texte selbst verfasst habe oder sich deren Inhalte zu eigen machen wolle. Er mache sich die dort eingestellten Aussagen - sofern sie nicht ausdrücklich als seine persönliche Stellungnahme gekennzeichnet seien - ausdrücklich nicht zu eigen. Die Vereinigung "K." sei bereits seit 2012 verboten. Rechtsmittel seien gegen das Verbot nicht eingelegt worden. Nach dem Verbot der Vereinigung "K." habe er sich dazu entschieden, sich nicht weiter in (anderen) entsprechenden Vereinigungen politisch zu engagieren.

Schließlich komme die Ablehnung seines Gesuches um Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst einem Berufsverbot gleich, was einen gravierenden Eingriff in die Berufsfreiheit darstelle, sodass die Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 JAG NRW eng auszulegen seien.

Ein Anordnungsgrund bestehe insoweit, als ihm ein Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache im Hinblick auf die seit Antragstellung am 13. Oktober 2014 bereits verstrichene Zeit unzumutbar sei.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller zeitnah in den juristischen Vorbereitungsdienst im Bezirk des Oberlandesgerichts I. aufzunehmen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung nimmt er im Wesentlichen Bezug auf die Gründe des angefochtenen Bescheides vom 15. April 2015. Ergänzend trägt er vor, von der Verurteilung des Antragstellers durch das Amtsgericht C. mit Urteil von Februar 2015 habe er erst im Mai 2015 durch den Vorsitzenden des für die vom Antragsgegner gegen das Urteil eingelegte Revision zuständigen Strafsenats des Oberlandesgerichts erfahren. Die Tatsache, dass der Antragsteller das insoweit gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren und die Verurteilung verschwiegen habe, obwohl für ihn erkennbar gewesen sei, dass eine solche Verurteilung von wesentlichem Interesse für die Beurteilung seiner Würdigkeit war, spreche in besonderem Maße dafür, dass der Antragsteller nicht die charakterlichen Mindestanforderungen erfülle, die an einen Referendar zu stellen seien. Soweit der Antragsteller bei Antragstellung noch keine Kenntnis von dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren gehabt habe, sei er jedenfalls mit Kenntniserlangung durch Übersendung der Anklageschrift nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, ihn hierüber zu informieren. Die mittlerweile rechtskräftige Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung durch das Amtsgericht C. von Februar 2015 spreche ebenfalls für die Unwürdigkeit des Antragstellers, zumal es sich hierbei um eine Straftat handele, die eine tätliche Auseinandersetzung betroffen habe. Darüber hinaus habe ihn der Antragsteller über die derzeit gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren weder bei Antragstellung noch danach in Kenntnis gesetzt. Von den Ermittlungsverfahren habe er - der Antragsgegner - daher erst durch Mitteilung der Staatsanwaltschaften E. und C. auf entsprechende Anfrage erfahren. Auch diesbezüglich hätte ihn der Antragsteller spätestens dann informieren müssen, als er Kenntnis von den Verfahren erlangte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte des Verfahrens 4 K 1153/15 und der zum Eilverfahren vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Er ist zwar zulässig und das angerufene Gericht örtlich zuständig. Einschlägig ist insoweit § 123 Abs. 2 i.V.m. § 52 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -, der auf Klagen, die auf die Begründung eines öffentlichrechtlichen Ausbildungsverhältnisses sowie für Klagen aus diesem Ausbildungsverhältnis nach Auffassung der Kammer analog anzuwenden ist.

Vgl. VG Minden, Urteil vom 8. Mai 2014 - 4 K 2692/13 -, juris, Rdn. 18.

Demnach ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger bzw. Antragsteller (bei Klageerhebung) seinen dienstlichen Wohnsitz bzw. in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Der private Wohnsitz des Antragstellers befand sind im Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und Erhebung der Klage im Verfahren 4 K 1153/15 in C. , also im Bezirk des erkennenden Gerichts.

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Antragsteller hat dazu sowohl die Eilbedürftigkeit der gerichtlichen Entscheidung (den Anordnungsgrund) als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO. Dabei darf, da einstweilige Anordnungen lediglich der Sicherung und nicht schon der Befriedigung von Rechten dienen, die Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Wenn - wie hier - der Erlass der begehrten Anordnung zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führt, sind hohe Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen zu stellen. Diese sind nur dann erfüllt, wenn das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache zu unzumutbaren und anders nicht abwendbaren Nachteilen führt und ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Januar 2015 - 12 B 1304/14 -, juris, Rdn. 3-5, m.w.N.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Es fehlt im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs. Der Antragsteller hat nach der im vorliegenden Eilverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung aller Wahrscheinlichkeit nach derzeit keinen Anspruch auf Einstellung in den juristischen Vorbereitungsdienst.

Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Juristenausbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen - JAG NRW - hat grundsätzlich jeder, der die "erste Prüfung" im Sinne des JAG bestanden hat, einen Anspruch auf Übernahme in den als öffentlichrechtliches Ausbildungsverhältnis zum Land ausgestalteten juristischen Vorbereitungsdienst. Dieser Anspruch besteht indes nicht, wenn ein Fall nach Abs. 4 der Norm vorliegt. Nach der hier allein in Betracht kommenden Nr. 1 dieser Vorschrift "ist" die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst zu versagen, wenn die Bewerberin oder der Bewerber der Zulassung nicht würdig ist. Dies ist nach der gesetzlichen Wertung des § 30 Abs. 4 Nr. 1 Halbsatz 2 in der Regel anzunehmen, wenn die Bewerberin oder der Bewerber wegen einer vorsätzlich begangenen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt und die Strafe noch nicht getilgt worden ist. Der Antragsgegner ist hier zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller der Zulassung zum Vorbereitungsdienst derzeit nicht würdig ist.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Regelung des § 30 Abs. 4 Nr. 1 JAG NRW, auf den die Ablehnung der Übernahme des Antragstellers in den Vorbereitungsdienst (zum jetzigen Zeitpunkt) gestützt ist, ihrerseits keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.

Die erfolgreiche Absolvierung des juristischen Vorbereitungsdienstes ist nicht nur Voraussetzung für den Eintritt in den öffentlichen Dienst etwa als Richter oder Staatsanwalt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 JAG NRW), sondern auch für den Zugang zu anderen juristischen Berufen (vgl. etwa §§ 1, 4 Satz 1 BRAO). Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, dass der Zugang zum juristischen Vorbereitungsdienst als Ausbildungsstätte im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG grundrechtlich geschützt ist.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 -, juris, Rdn. 111; und vom 5. Oktober 1977 - 2 BvL 10/75 -, juris, Rdn. 39 ff.; BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 1979 - 2 B 38.78 -, Buchholz, 238.5 § 5 DRIG Nr. 1, S. 2, m.w.N.

Dieser Zugang kann aber zur Gewährleistung zwingender Gründe des Gemeinwohls, zu denen auch die Gewährleistung einer geordneten Rechtspflege zählt, von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, die in der Person des Bewerbers begründet liegen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 1979 - 2 B 38.78 -, Buchholz, 238.5 § 5 DRIG Nr. 1, S. 2, m.w.N.; BVerfG, Urteil vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 -, juris, Rdn. 105 im Hinblick auf die Berufung der Referendare in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf; BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober 1977 - 2 BvL 10/75 -, juris, Rdn. 39 ff, im Hinblick auf den Vorbereitungsdienst ohne Berufung in ein Beamtenverhältnis.

Vor diesem Hintergrund ist die von § 30 Abs. 4 Nr. 1 JAG NRW vorgesehene grundsätzliche Möglichkeit, einem Bewerber die Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst wegen seiner Unwürdigkeit zu versagen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Im Übrigen gilt: Bei dem Tatbestandsmerkmal der Unwürdigkeit handelt es sich um einen gerichtlich uneingeschränkt überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung der Einstellungsbehörde weder ein Ermessensspielraum noch ein Beurteilungsspielraum zukommt.

Vgl. zum beamtenrechtlichen Begriff der Unwürdigkeit BVerwG, Urteil vom 15. Januar 1960 - 6 C 229.58 -, DÖV 1960, S. 840, 841; BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1966 - 2 C 116.65 -, juris (nur Leitsatz); BayVGH, Urteil vom 16. Juni 1993 - 3 B 92.2995 -, juris, Rdn. 11; Schütz/Maiwald (Maiwald), BeamtR, Kommentar Bd. 1, 129. AL November 2012, § 12 BeamtStG, Rdn. 59, m.w.N.; zur €persönlichen Ungeeignetheit€ im Sinne des niedersächsischen Juristenausbildungsgesetzes OVG Lüneburg, Urteil vom 27. November 2002 - 5 LB 114/02 -, juris, Rdn. 36; zur Unwürdigkeit i.S.d. § 46 Abs. 2 Nr. 3 Soldatengesetz OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 1999 - 12 A 5024/98 -, juris, Rdn. 3; a.A. noch OVG NRW, Urteil vom 16. Juni 1978 - VI A 898/76 -, DÖD 1979, S. 36, betreffend die "besondere charakterliche Eignung" eines Beamtenbewerbers.

Die Auslegung des Begriffs der Unwürdigkeit im Sinne von § 30 Abs. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 JAG NRW muss allerdings im Lichte von Art. 12 Abs. 1 GG erfolgen und den Wertungen dieses Grundrechts auf freie Wahl des Berufes und der Ausbildungsstätte Rechnung tragen.

Nach der Intention des Gesetzgebers soll die von § 30 Abs. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 JAG NRW geforderte Würdigkeit sicherstellen, dass der Bewerber nach dem Gesamtbild seiner Persönlichkeit würdig, d.h. auch charakterlich geeignet ist, in einen Ausbildungsgang aufgenommen zu werden, der ihm die Befähigung zum Richteramt verschafft.

Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 13/3197, S. 99.

Charakterlich geeignet ist ein Bewerber dann, wenn er bereits bei Beginn der Ausbildung die Mindestanforderungen erfüllt, die die Erwartung begründen, er werde dem Berufsbild eines Volljuristen auch von seiner Persönlichkeit her im Verlauf der Ausbildungszeit gerecht werden können.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. August 1979 - 2 BvR 374/79 -, S. 5 (zitiert nach dem Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 13/3197, S. 99).

Diese Mindestanforderungen sind daher unter Berücksichtigung des Ziels der nordrheinwestfälischen Juristenausbildung sowie der im Verlaufe der Ausbildung zu erfüllenden Anforderungen zu bestimmen. Nach § 39 Abs. 1 JAG NRW ist es Ziel des zweijährigen Vorbereitungsdienstes, dass die Referendare "lernen, auf der Grundlage ihrer im Studium erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten eine praktische Tätigkeit in Rechtsprechung, Verwaltung und Rechtsberatung aufgeschlossen für die Lebenswirklichkeit im Geiste eines demokratischen und sozialen Rechtsstaates und unter Berücksichtigung der fortschreitenden Integration innerhalb der Europäischen Union eigenverantwortlich wahrzunehmen". Referendare sollen durch den Vorbereitungsdienst auf richterliche, staatsanwaltschaftliche, rechtsanwaltliche und weitere der Rechtspflege dienende Tätigkeiten vorbereitet werden. Hierzu bestimmt § 40 Abs. 1 JAG NRW, dass sich Referendare "durch kontinuierliche, fortschreitend selbstständiger werdende Mitarbeit an ausbildungsgeeigneten Aufgaben der Ausbilderin oder des Ausbilders darin üben [sollen], praktische juristische Aufgaben wahrzunehmen und selbstständig zu erledigen. Zum Zwecke der Ausbildung können ihnen, sofern nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, Geschäfte von Beamtinnen und Beamten des höheren oder des gehobenen Dienstes, bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften auch die einer Urkundsbeamtin oder eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, zur selbstständigen Wahrnehmung übertragen werden".

Referendare erwerben durch die (erfolgreiche) Absolvierung des juristischen Vorbereitungsdienstes also nicht nur die Befähigung zum Richteramt, zum höheren allgemeinen Verwaltungsdienst (§ 1 Abs. 1 Satz 1 JAG NRW) sowie zum Beruf des Rechtsanwaltes als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§§ 1, 4 Satz 1 BRAO). Sie werden vielmehr bereits während des Vorbereitungsdienstes faktisch für die ausbildenden Gerichte, Staatsanwaltschaften, Behörden und Rechtsanwälte auch nach außen hin tätig, indem sie deren Aufgaben - soweit nach Ausbildungsstand und gesetzlichen Vorgaben möglich - eigenverantwortlich wahrnehmen. Hierzu zählen etwa die in § 40 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5, Abs. 3 JAG NRW beispielhaft aufgeführte Leitung der mündlichen Verhandlung des ausbildenden Zivilgerichts, die Vertretung der Staatsanwaltschaft im Sitzungsdienst und die Vertretung des ausbildenden Rechtsanwalts in mündlichen Verhandlungen, wobei Referendare nach § 142 Abs. 2 StPO auch als Pflichtverteidiger in erstinstanzlichen Strafsachen bestellt werden können.

Vor diesem Hintergrund fehlt es zum einen an der von § 30 Abs. 4 Nr. 1 JAG NRW vorausgesetzten Würdigkeit, wenn dem Bewerber ein schwerer Verstoß gegen das Recht, das er bereits während des Vorbereitungsdienstes mitunter eigenverantwortlich pflegen soll, zum Vorwurf gemacht wird.

Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 13/3197, S. 99, unter Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 1979 - 2 B 38.78 -, Buchholz, 238.5 § 5 DRIG Nr. 1, S. 2-3.

§ 30 Abs. 4 Nr. 1 Halbsatz 2 JAG NRW konkretisiert diesen Grundsatz dahingehend, dass ein schwerer Verstoß in diesem Sinne regelmäßig dann vorliegt, wenn der Bewerber wegen einer vorsätzlich begangenen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Strafe noch nicht getilgt worden ist. Da es sich hierbei indes (nur) um ein Regelbeispiel handelt, ist eine Unwürdigkeit i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 JAG NRW weder zwingend gegeben, wenn diese Voraussetzungen vorliegen, noch ist bei Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen ohne Weiteres von der Würdigkeit des Bewerbers auszugehen. Unter Berücksichtigung der konkreten Tat und ihrer Folgen, des Verhaltens des Bewerbers nach der Tat, der Gesamtpersönlichkeit und der Sozialprognose für das zukünftige Verhalten des Betroffenen sowie der seit der Tat verstrichenen Zeit kann hiernach unter besonderen Umständen sowohl die Einstellung versagt werden, wenn eine Freiheitsstrafe von weniger als einem Jahr verhängt worden ist, als auch eine Einstellung - ausnahmsweise - erfolgen, wenn die Freiheitsstrafe ein Jahr überschreitet.

Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 13/3197, S. 99; vgl. zum niedersächsischen Juristenausbildungsgesetz OVG Lüneburg, Urteil vom 27. November 2002 - 5 LB 114/02 -, juris, Rdn. 43 ff.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob der Bewerber nur einmalig oder gar mehrfach verurteilt worden ist, da sich auch aus der Anzahl und dem zeitlichen Abstand strafrechtlicher Verurteilungen Rückschlüsse auf die charakterliche Eignung für die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst ziehen lassen. Es liegt auf der Hand, dass die wiederholte Begehung von Straftaten - selbst wenn diese für sich genommen nicht die Voraussetzungen des Regelbeispiels des § 30 Abs. 4 Nr. 1 Halbsatz 2 JAG NRW erfüllen - dagegen sprechen kann, dass der Bewerber die charakterlichen Mindestanforderungen für die Ausbildung zum Volljuristen erfüllt, im Verlaufe derer er die oben dargelegten Aufgaben im Bereich der Rechtspflege übernimmt.

An der von § 30 Abs. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 JAG NRW vorausgesetzten charakterlichen Eignung fehlt es darüber hinaus, wenn sich der Bewerber verfassungsfeindlich betätigt. Das JAG NRW geht insoweit vom "Leitbild" eines Juristen aus, der aufgeschlossen ist "für die Lebenswirklichkeit im Geiste eines demokratischen und sozialen Rechtsstaates", und zwar unabhängig davon, welche Tätigkeit der vollausgebildete Jurist später ausübt und welche Schranken dafür gelten.

Vgl. zum hamburgischen Recht BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober 1977 - 2 BvL 10/75 -, juris, Rdn. 42; zum niedersächsischen Recht OVG Lüneburg, Urteil vom 27. November 2002 - 5 LB 114/02 -, juris, Rdn. 40.

Im Hinblick darauf, dass der juristische Vorbereitungsdienst in NRW nicht als Beamtenverhältnis auf Widerruf, sondern als öffentlichrechtliches Ausbildungsverhältnis eigener Art ausgestaltet ist, setzt die Würdigkeit im Sinne des § 30 Abs. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 JAG NRW zwar nicht voraus, dass der Bewerber die Gewähr dafür bietet, er werde jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintreten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist aber auch eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst außerhalb des Beamtenverhältnisses, einschließlich einer vorübergehenden Beschäftigung im öffentlichen Dienst zum Zwecke der Berufsausbildung, nicht völlig unbeschränkt jedermann zugänglich. Insoweit verbietet es sich jedenfalls, Bewerber, die darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, in die praktische Ausbildung zu übernehmen. Die in diesen Konstitutionsprinzipien unserer Verfassung enthaltenen Wertentscheidungen schließen es aus, dass "der Staat seine Hand dazu leiht, diejenigen auszubilden, die auf die Zerstörung der Verfassungsordnung ausgehen".

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober 1977 - 2 BvL 10/75 -, juris, Rdn. 39.

Nach diesen Maßstäben ist die Annahme des Antragsgegners, der Antragsteller sei derzeit der Aufnahme in den Vorbereitungsdienst unwürdig, nicht zu beanstanden. Die Unwürdigkeit des Antragstellers ergibt sich bereits aus seinen Vorstrafen (dazu 1.), sodass es einer abschließenden Entscheidung der Frage, ob die Unwürdigkeit des Antragstellers auch aus seiner Betätigung für die Partei "P." und zuvor für die mittlerweile verbotene Vereinigung "K." folgt, im vorliegenden Eilverfahren nicht bedarf (dazu 2.).

1.

Der Antragsteller ist mehrfach vorbestraft. Der Antragsgegner hat bei seiner Entscheidung über die Würdigkeit des Antragstellers zunächst lediglich die beiden aus dem von diesem vorgelegten Führungszeugnis ersichtlichen rechtskräftigen Verurteilungen des Antragstellers durch das Amtsgericht T1. wegen Beleidigung und durch das Amtsgericht T2. wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz des Landes Niedersachsen berücksichtigt.

Bereits diese beiden Verurteilungen begründen erhebliche Zweifel an der Würdigkeit des Antragstellers, in den juristischen Vorbereitungsdienst aufgenommen zu werden. Dies ergibt sich zum einen im Hinblick darauf, dass der Antragsteller nicht nur einmalig - gewissermaßen als "Ausrutscher" - eine Straftat begangen hat, sondern innerhalb von 10 Monaten gleich zwei Mal strafrechtlich in Erscheinung trat. Zum anderen handelte es sich bei der durch das Amtsgericht T1. abgeurteilten Beleidigung um ein Delikt, das nicht nur erkennbar einen rassistischen Hintergrund hatte, sondern auch einen Polizisten betraf, der als staatlicher Beamter gerade den Antragsteller bei der Ausübung seines Versammlungsrechts schützte. Der Antragsgegner hat insoweit zutreffend festgestellt, dass gerade diese Tat Anlass zu der Besorgnis gibt, dass der Antragsteller der Pflicht, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln - eine der grundlegendsten Anforderungen, die an (angehende) Volljuristen zu stellen sind - nicht gerecht wird.

Vor diesem Hintergrund gehen die Versuche des Antragstellers, die von ihm begangene Tat als "flapsige Äußerung" zu bagatellisieren, die im "unteren Bereich der Strafbarkeit liege" und bei der es sich weder um ein Staatsschutzdelikt noch um ein Vermögensdelikt oder Delikt des Geheimnisverrats handele, fehl. Zwar trifft es zu, dass das Landgericht C. in seinem Berufungsurteil davon ausging, dass das Gesamtbild der Tat im Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle liege. Diese Wertung des Landgerichts erfolgte aber ausschließlich im Rahmen der Strafzumessung, bei der es darum geht, unter Berücksichtigung der Schwere der Tat die zur Einwirkung auf den Täter notwendige und angemessene Strafhöhe zu ermitteln. Aber weder die strafrechtliche Einordnung der Schwere der Tat noch die vom Landgericht getroffene strafrechtliche Sozialprognose sind von entscheidender Bedeutung im Hinblick auf die Frage der Würdigkeit eines Bewerbers im Sinne des § 30 Abs. 4 Nr. 1 JAG NRW. Die Kammer berücksichtigt insoweit, dass es sich bei den vom Antragsteller begangenen Straftaten nicht um solche handelt, die dem Bereich schwerer Kriminalität zuzuordnen sind. Sie geht aber davon aus, dass bei einem vorbestraften Bewerber, der unter anderem wegen einer rassistisch beleidigenden Äußerung gegenüber einem zu seinem Schutz bestellten Polizisten rechtskräftig verurteilt wurde und diese Tat als "flapsige Äußerung" zu bagatellisieren sucht, erhebliche Zweifel bestehen, dass er es mit der Einhaltung der Rechtsordnung, deren Pflege er während des Referendariats zum Teil eigenverantwortlich übernehmen soll, hinreichend genau nimmt und insoweit die charakterlichen Voraussetzungen für die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst erfüllt.

Im Hinblick auf diese Erwägungen ist es auch unschädlich, dass die vom Amtsgericht T2. und Landgericht C. ausgeurteilten Strafen von 20 Tagessätzen Geldstrafe und 3 Monaten Freiheitsstrafe deutlich hinter der von § 30 Abs. 4 Nr. 1 Halbsatz 2 JAG NRW vorausgesetzten einjährigen Freiheitsstrafe zurück bleiben, insbesondere da es sich hierbei lediglich um ein Regelbeispiel handelt, das - wie dargelegt - nicht zwingend erfüllt sein muss, um von einer Unwürdigkeit ausgehen zu können.

Es kann dahinstehen, ob bereits diese beiden Verurteilungen die Feststellung der Unwürdigkeit des Antragstellers tragen, da nach Auffassung der Kammer auch die weiteren im Bundeszentralregister eingetragenen Verurteilungen des Antragstellers zu berücksichtigen sind. Denn nach § 51 Abs. 1 Bundeszentralregistergesetz

- BZRG - darf eine Tat und die Verurteilung dem Betroffenen nur dann im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden, wenn die Eintragung der Verurteilung im Register getilgt worden oder zu tilgen ist. Diese Voraussetzungen liegen für die Eintragungen, die sowohl das Landgericht C. in seinem Berufungsurteil von Oktober 2013 als auch zuletzt das Amtsgericht C. in seinem Urteil von Februar 2015 berücksichtigt haben, nicht vor. Unter diesen Eintragungen befinden sich die oben unter I. im Einzelnen aufgeführten Verurteilungen.

Diese Verurteilungen waren wegen § 38 Abs. 2 Nr. 3 BZRG zwar nicht in das vom Antragsteller beantragte Führungszeugnis aufzunehmen, da die beiden Verurteilungen des Landgerichts C. und des Amtsgerichts T2. , die nach § 38 Abs. 1 BZRG eine (Wieder-)Aufnahme auch der vorherigen Verurteilungen in das Führungszeugnis hätten bewirken können, die erforderlichen "Schwellenwerte" des § 38 Abs. 2 Nr. 3 BZRG nicht überschritten. Sie waren aber weder getilgt noch tilgungsreif, da nach § 47 Abs. 3 Satz 1 BZRG in Fällen, in denen im Register mehrere Verurteilungen eingetragen sind, die Tilgung einer Eintragung erst zulässig ist, wenn für alle Verurteilungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen (Grundsatz der Unteilbarkeit des Registerinhalts bei Verurteilungen).

Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 10 C 4/14 -, juris, Rdn. 15.

Die Tilgungsfrist für die letzte Eintragung (Verurteilung durch das Amtsgericht T2. von August 2013) beträgt gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 2 lit. a BZRG zehn Jahre, da der Antragsteller zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist und die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Nr. 1 lit. a BZRG im Hinblick auf die bereits vorhandenen Eintragungen von Jugendstrafen und Freiheitsstrafen nicht vorliegen. Eine Tilgung der vorangegangenen Verurteilungen kommt insoweit nach § 47 Abs. 3 Satz 1 BZRG frühestens nach Ablauf dieser Frist in Betracht.

Ein Verwertungsverbot besteht auch nicht wegen rechtswidriger Kenntniserlangung. Dabei kann dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Einstellungsbehörden Verurteilungen, von denen sie auf rechtswidrige Weise Kenntnis erlangt haben, bei ihren Entscheidungen außer Acht lassen müssen

- vgl. zur Frage eines entsprechenden Verwertungsverbots im Staatsangehörigkeitsrecht BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 10 C 4/14 -, juris, Rdn. 23, i. E. offen gelassen -,

denn der Präsident des Oberlandesgerichts I. hat von den nicht im Führungszeugnis aufgeführten Verurteilungen des Antragstellers auf rechtmäßige Weise Kenntnis erlangt.

Der Umstand, dass der Präsident des Oberlandesgerichts I. als zuständige Einstellungsbehörde (§ 30 Abs. 2 JAG NRW) nicht zum Kreis der nach § 41 Abs. 1 BZRG unbeschränkt auskunftsberechtigten Stellen zählt und daher nicht selbst einen unbeschränkten Bundeszentralregisterauszug anfordern konnte, aus dem die vorgenannten Verurteilungen des Antragstellers ersichtlich gewesen wären, steht einer rechtmäßigen Kenntniserlangung auf anderem Wege nicht entgegen.

Vgl. zu § 41 Abs. 3 BZRG BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 10 C 4/14 -, juris, Rdn. 24.

Denn § 41 Abs. 1 BZRG enthält im Gegensatz zu § 51 Abs. 1 BZRG lediglich eine abschließende Aufzählung der unbegrenzt auskunftsberechtigten Stellen, nicht aber ein Verwertungsverbot, wenn auf andere Weise Kenntnis von den nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmenden Eintragungen erlangt wird. Ziel des § 51 Abs. 1 BZRG ist es, eine Verwertung zum Nachteil des Betroffenen zu verhindern, wenn auf andere Weise Kenntnis von getilgten oder tilgungsreifen Eintragungen erlangt wurde.

Vgl. Götz, Bundeszentralregistergesetz, 1972, § 49 a.F., Rdn. 4.

Hier hat der Präsident des Oberlandesgerichts I. als Einstellungsbehörde nicht von der Registerbehörde, sondern aus den von ihm beigezogenen Strafakten der Amtsgerichte T1. und T2. , die jeweils eine Ablichtung des rechtskräftigen erstinstanzlichen bzw. zweitinstanzlichen Urteils (Landgericht C. ) enthielten, Kenntnis von den Verurteilungen des Antragstellers erlangt. Die Beiziehung war auch rechtmäßig, da der Antragsteller zuvor eine entsprechende schriftliche Einwilligungserklärung abgegeben hatte, vgl. § 4 Abs. 1 i.V.m § 4 a Abs. 1 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz - BDSG -.

Aus den nach alledem zu berücksichtigenden weiteren Verurteilungen des Antragstellers folgt ohne weiteres, dass er jedenfalls derzeit der Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst unwürdig ist. Denn die Verurteilungen stellen zum Teil für sich genommen, jedenfalls aber in ihrer Gesamtheit einen schweren Verstoß gegen das Recht dar, das dem Antragsteller während des Vorbereitungsdienstes zur mitunter eigenverantwortlichen Pflege anvertraut werden würde. Danach verbietet es sich, den Antragsteller derzeit in den Vorbereitungsdienst aufzunehmen.

Die Verurteilungen ergeben das Bild eines über viele Jahre hinweg in regelmäßigen Abständen von etwa ein bis maximal zwei Jahren immer wieder strafrechtlich erheblich in Erscheinung tretenden Bewerbers, den bislang weder vorangegangene Verurteilungen, noch laufende Bewährungsstrafen oder sein Studium der Rechtswissenschaft zur Einhaltung der Rechtsordnung bewegen konnten. In dieses Bild fügt sich die Eintragung des Antragstellers in seinem Profil in einem sozialen Netzwerk von Juli 2013 ein, in der er - gekennzeichnet als Zitat, aber ohne Angabe des Urhebers - ausführt:

"In Erwägung unserer Schwäche machtet

ihr Gesetze, die uns knechten soll'n.

Die Gesetze seien künftig nicht beachtet

in Erwägung, daß wir nicht mehr Knecht sein woll'n.

In Erwägung, daß ihr uns dann eben

mit Gewehren und Kanonen droht,

haben wir beschlossen, nunmehr schlechtes Leben

mehr zu fürchten als den Tod."

Danach bestehen erhebliche Zweifel daran, dass der Antragsteller gewillt ist, die Rechtsordnung als für sich verbindlich anzuerkennen und sein Verhalten daran auszurichten. Bezeichnend ist daher auch die weitere, inzwischen rechtskräftig gewordene Verurteilung des Antragstellers wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung durch das Amtsgericht C. von Februar 2015, die erst im Verlaufe des vorliegenden Verfahrens bekannt wurde. Vor dem Hintergrund der kontinuierlichen Begehung der Straftaten kann dem Antragsteller auch nicht entscheidend zu Gute gehalten werden, dass einige der Verurteilungen bereits mehrere Jahre zurückliegen.

Die Bandbreite der von Antragsteller begangenen Straftaten ist erheblich. Sie reicht von Staatsschutzdelikten (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen), über eine Straftat gegen die öffentliche Ordnung (Volksverhetzung) und mehrfache Beleidigung bis hin zu Straftaten, die die Anwendung von körperlicher Gewalt beinhalteten (Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte). Dabei zeigt die Begehung der zuletzt genannten Straftaten durch den Antragsteller, dass er in Konfliktsituationen im Zweifel auch nicht davor zurückschreckt, Gewalt anzuwenden.

Im Übrigen lässt auch der Umstand, dass der Antragsteller entgegen seiner prozessualen Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) in seiner Antragsschrift vom 21. April 2015 behauptete, seit der Verurteilung durch das Amtsgericht T1. wegen Beleidigung sei es lediglich zu einem Strafbefehl wegen Verstoßes gegen das niedersächsische Versammlungsgesetz gekommen - obwohl er zwischenzeitlich durch das Amtsgericht C. wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung verurteilt worden war - darauf schließen, dass er die charakterlichen Mindestanforderungen, die an einen Referendar im juristischen Vorbereitungsdienst zu stellen sind, nicht erfüllt. Dieses Verhalten des Antragstellers zeigt, dass er um seines Vorteils willen nicht vor Rechtsverletzungen zurückschreckt. Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob der Antragsteller bereits gegenüber dem Antragsgegner verpflichtet gewesen wäre, auf das gegen ihn geführte Strafverfahren, von dem er spätestens seit der Übersendung der Anklageschrift aus November 2014 Kenntnis erlangt hatte, oder jedenfalls auf die erstinstanzliche Verurteilung, hinzuweisen.

Dies gilt gleichermaßen für die weiteren, gegen den Antragsteller derzeit geführten Ermittlungs- bzw. Strafverfahren. Auch insoweit kann dahinstehen, ob der Antragsteller verpflichtet gewesen wäre, den Antragsgegner nach Kenntniserlangung über die Verfahren zu informieren. Denn die Verfahren lassen auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich weder um rechtskräftige Verurteilungen handelt noch feststeht, ob es überhaupt zu einer Verurteilung kommen wird, Rückschlüsse in Bezug auf die Unwürdigkeit des Antragstellers insoweit zu, als sich daraus tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, dass sich der Antragsteller nach wie vor mit seinem Verhalten jedenfalls im Grenzbereich zur Strafbarkeit bewegt und daher keine deutliche Abkehr von dem Verhalten erkennen lässt, das € wie soeben dargelegt € seine Unwürdigkeit begründet.

2.

Da nach alledem bereits die Vorstrafen des Antragstellers dessen Unwürdigkeit im Sinne von § 30 Abs. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 JAG NRW begründen, bedarf es keiner abschließenden Entscheidung über die Frage, ob sich diese auch aus der Betätigung des Antragstellers für die mittlerweile verbotene Vereinigung "K. " und die Partei "P." folgern lässt. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung spricht jedoch viel dafür, diese Frage zu bejahen.

Die aktive Betätigung des Antragstellers für die Ziele der Partei "P." und die Vereinigung "K." bietet erhebliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass er als Mitglied dieser Vereinigungen darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, sodass es sich mit dem Bundesverfassungsgericht verbietet, dass der Staat "seine Hand zu seiner Ausbildung leiht".

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober 1977 - 2 BvL 10/75 -, juris, Rdn. 39.

Die freiheitliche demokratische Grundordnung lässt sich "als eine Ordnung bestimmen, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition."

Vgl. BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 - 1 BvB 1/51 -, juris, Rdn. 38.

Dabei kommt es - in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 3 Abs. 1 VereinsG - nicht darauf an, dass die Vereinigung bzw. ihre Mitglieder ihre gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Ziele gerade durch die Anwendung von Gewalt oder durch sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen sucht. Wesentlich ist vielmehr, dass sich die Tätigkeit der Vereinigung kämpferischaggressiv gegen die verfassungsmäßige Ordnung wendet, d.h. diese Ordnung fortlaufend untergraben will.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rdn. 48.

Denn ein "Ausgehen" darauf, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, setzt nicht notwendiger Weise ein gewaltsames Vorgehen voraus. Vielmehr verbietet sich die Übernahme eines Bewerbers in den juristischen Vorbereitungsdienst, der diesem die verantwortungsvolle Aufgabe der (eigenverantwortlichen) Pflege der Rechtsordnung bereits während der Ausbildung überträgt, auch dann, wenn der Bewerber die grundlegenden Prinzipien unserer verfassungsmäßigen Ordnung gewaltfrei, aber doch kämpferischaggressiv zu beseitigen sucht.

Insoweit hat der Antragsgegner unter Auswertung der Feststellungen der Verfassungsschutzberichte des Landes Nordrhein-Westfalen der letzten Jahre, der Inhalte der Homepage des Ortsverbandes I. der Partei "P." sowie der Verbotsverfügung des Innenministeriums betreffend die Vereinigung "K." umfangreich dargelegt, dass es sich sowohl bei der mittlerweile nach § 3 Abs. 1 VereinsG verbotenen Vereinigung "K." als auch bei der Partei "P." um Vereinigungen handelt, die in diesem Sinne darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, und dass der Antragsteller dieses Ziel aktiv unterstützt.

Nach der rechtskräftigen Verbotsverfügung des Innenministeriums aus dem Jahr 2012 handelt es sich bei der "K." um eine Vereinigung mit einer fremdenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Grundeinstellung, die in einer die Menschenwürde verachtenden Weise politische Gegner als "Minusmenschen" herabwürdigt, die aufgrund einer "Rassenlehre" zu suggerieren sucht, eine Ungleichbehandlung von Menschen unterschiedlicher Herkunft könne naturgesetzlich gerechtfertigt werden, und darüber hinaus zum "Nationalen Widerstand" gegen den Feind - das "liberalkapitalistische System" - aufruft.

Diese Feststellungen basieren auf offiziellen Stellungnahmen, Artikeln, Liedtexten und sonstigen (Internet-)Veröffentlichungen der Vereinigung "K.", die in der Verbotsverfügung jeweils im Einzelnen belegt und überzeugend begründet werden.

Der Antragsgegner hat dargelegt, dass sich der Antragsteller auch persönlich für die Ziele der "K." engagiert hat, indem er seit 2005 bis zum Verbot der Vereinigung im Jahr 2012 insgesamt neun Aufzüge und Kundgebungen der "K." im eigenen Namen anmeldete, auf einem der "K." zuzurechnenden Flugblatt als "V.i.S.d.P." (Verantwortlicher im Sinne des Pressegesetzes) auftrat und darüber hinaus eine im Zusammenhang mit dem Verbot der "K." durchsuchte Gaststätte im eigenen Namen für die "K." anmietete.

Diesen Feststellungen ist der Antragsteller nicht überzeugend entgegen getreten. Insoweit hat er sich lediglich gegen die Verwertung "nachrichtendienstlicher Erkenntnisse" - gemeint war wohl u.a. die dem Antragsgegner vom Innenministerium über das Justizministerium übermittelte Auflistung durch den Antragsteller angemeldeter Versammlungen - im vorliegenden Verfahren gewandt, die Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht aber nicht bestritten. Hinsichtlich der durch den Antragsteller nicht näher begründeten Auffassung, "nachrichtendienstliche Erkenntnisse" dürften im vorliegenden Verfahren nicht verwertet werden, genügt die Feststellung, dass Erkenntnisse des Verfassungsschutzes durchaus gerichtsverwertbar sind.

Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2009 - 5 C 24/08 -, juris, Rdn. 28 ff., und Beschluss vom 21. Januar 2009 - 5 B 51/08 -, juris, Rdn. 7-11, in denen das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls ersichtlich von der Verwertbarkeit von in den Verfassungsschutzberichten veröffentlichten Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ausgeht.

Ein Verwertungsverbot käme allenfalls dann in Betracht, wenn die zu verwertenden Erkenntnisse in rechtswidriger Weise erlangt worden wären. Anhaltspunkte dafür sind aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Verfassungsschutzgesetz NRW - VSG - ist die Verfassungsschutzbehörde befugt, Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, zu sammeln und auszuwerten, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen und Tätigkeiten vorliegen. Diese Voraussetzungen lagen hinsichtlich der "K." und der Betätigung des Antragstellers als deren Mitglied vor dem Hintergrund des soeben Gesagten ersichtlich vor. Dass etwa bereits die Beobachtung der "K." und ihrer Mitglieder durch den Verfassungsschutz unzulässig gewesen wäre, hat auch der Antragsteller nicht behauptet. Da die hier fraglichen Erkenntnisse - die Liste der vom Antragsteller angemeldeten Versammlungen - nicht den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel im Sinne des § 5 Abs. 2 VSG erforderten, sondern durch schlichte Anfrage bei der zuständigen Behörde - hier dem Polizeipräsidium I. - erlangt werden konnten, ist auch insoweit nicht ersichtlich, dass diese in rechtswidriger Weise erlangt wurden. Auch die Übermittlung der Auflistung an den Präsidenten des Oberlandesgerichts I. war nach § 17 Abs. 2 Satz 1 VSG zulässig, da dieser als Einstellungsbehörde tätig wurde und die übermittelten Erkenntnisse zur Erfüllung seiner Aufgaben, hier der Prüfung der Würdigkeit des Antragstellers für die Übernahme in den juristischen Vorbereitungsdienst, erforderlich waren.

Vor diesem Hintergrund geht das pauschale Bestreiten des Antragstellers, dass er sich als "prägende Persönlichkeit" der "K." für deren verfassungsfeindliche Bestrebungen "besonders verantwortlich zeichne", fehl. Dies ist schon deshalb der Fall, weil es sich hierbei um Schlussfolgerungen handelt, die der Antragsgegner auf der Grundlage der Feststellungen aus der Verbotsverfügung des Innenministeriums betreffend die "K." getroffen hat, die wiederum - wie bereits dargelegt - auf Erkenntnissen beruht, die der Antragsteller weder als Adressat der Verbotsverfügung noch im vorliegenden Verfahren bestritten hat. Die Schlussfolgerung des Antragsgegners ist im Übrigen auch zutreffend. Denn die aktive Förderung der politischen Ziele der "K.", insbesondere durch das regelmäßige Anmelden öffentlicher Versammlungen und Kundgebungen und die Übernahme offizieller presserechtlicher Verantwortung für Druckerzeugnisse der Vereinigung, spricht zum einen dafür, dass sich der Antragsteller deren Bestrebungen in besonderem Maße zu eigen machte. Zum anderen verdeutlichen diese Tatsachen, dass er nicht nur einfaches Mitglied der "K." war. Dieser Schlussfolgerung steht nicht entgegen, dass es sich bei der Anmeldung der Versammlungen und ggfs. der Teilnahme daran um ein durch Art. 8 Abs. 1 GG geschütztes Verhalten handelte. Denn die Tatsache, dass die Anmeldung, Organisation und Teilnahme an diesen Versammlungen grundrechtlich geschützt war, bedeutet nicht, dass diese nicht als Anhaltspunkt dafür gewertet werden dürfen, dass der Antragsteller hierdurch die verfassungsfeindlichen Ziele der "K." aktiv unterstützte.

Die Tatsache, dass der Antragsteller seit nunmehr drei Jahren nicht mehr Mitglied der "K." ist und sich eigenen Angaben zufolge seither auch nicht in anderen vergleichbaren Vereinigungen politisch betätigt, führt nicht dazu, dass die Würdigkeit des Antragstellers hinsichtlich seiner verfassungsfeindlichen Bestrebungen anders zu bewerten ist. Denn zum einen beruhte die Beendigung der Mitgliedschaft des Antragstellers in der "K." nicht etwa auf einem freien Entschluss des Antragstellers, sondern vielmehr auf deren rechtskräftigem Verbot. Im Anschluss daran schied eine weitere Mitgliedschaft notwendigerweise aus. Zum anderen spricht viel dafür, dass der Antragsteller seine verfassungsfeindliche Betätigung nahtlos als Mitglied im Landes- und Bundesvorstand sowie bis Januar 2015 als Vorsitzender des Kreisverbandes I. der Partei "P." fortsetzte.

Den Verfassungsschutzberichten des Landes NRW für die letzten Jahre lassen sich die folgenden Erkenntnisse über die Partei "P." entnehmen:

Entgegen dem plakativen Bekenntnis des Parteiprogramms der Partei "P." zur freiheitlich demokratischen Grundordnung ergibt sich aus der Gesamtheit ihrer öffentlichen Aktivitäten, ihrer Webseiten und Facebook-Profile, dass es sich bei der Partei um eine extremistische, gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Vereinigung handelt.

Bereits das Parteiprogramm selbst spricht von einer "..., natürlich[en] ... Ordnung" eines jeden Volkes und stellt so die demokratische Gestaltbarkeit einer gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung in Abrede.

Darüber hinaus werden bei öffentlichen Kundgebungen der Partei immer wieder demokratiefeindliche Parolen skandiert. Hierzu zählen etwa " ... " oder " ... ". Mit " ... " sei dabei die rechtsstaatlich verfasste Demokratie in Deutschland gemeint.

Die rechtsstaatliche Demokratie ist nach Ansicht der Partei "P." auch nicht geeignet, gesellschaftliche Konflikte angemessen zu lösen und müsse schon deshalb überwunden werden. Der Kreisverband I. schreibt dazu in einem Beitrag auf seiner Homepage zur Einwanderung von Sinti und Roma: " ... "

Das Ziel der "System"-Überwindung geht auch aus einem vom Antragsgegner in seinem Ablehnungsbescheid vom 15. April 2015 auszugsweise wiedergegebenen Bericht über eine Rede des Antragstellers anlässlich der Gründung des Kreisverbandes N. der Partei "P." hervor. In dem auf der Homepage des Kreisverbandes N. veröffentlichten Bericht heißt es: "In seinem 45-minütigen Vortrag mit dem Thema €Revolution des Bewußtseins€ setzte er sich kämpferisch mit dem Nationalen Widerstand für ein anständiges Deutschland auseinander. Dabei ging L1. auch ausführlich auf den drohenden Volkstod ein. Parteien sollten, so L1. , als Werkzeug des politischen Kampfes verstanden werden. Dabei stellte er die Schaffung einer €nationalen Gegenkultur€ als Alternative zum BRD-System in den Vordergrund."

Die Partei "P." richtet sich darüber hinaus gegen den tragenden Pfeiler der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, die Achtung der Menschenwürde. Dies wird unter anderem in einem Artikel auf der Webseite des Kreisverbandes I. von Januar 2013 deutlich, in dem es um den integrativen Unterricht geistig behinderter Schüler und nicht behinderter Schüler geht. Die behinderten Schüler werden darin als "Klassendümmste" herabgewürdigt. Einer solchen Sichtweise liegt ein im Nationalsozialismus vertretenes sozialdarwinistisches Gesellschaftsverständnis zugrunde, bei dem das Recht des Stärkeren gilt. Ähnlich menschenverachtend äußert sich der Kreisverband I. über Homosexuelle. Aus Anlass eines Wahlkampfauftrittes eines Politikers der Partei "X." im September 2013 wird dieser als " ... " bezeichnet und damit dessen sexuelle Orientierung als Krankheit herabgewürdigt.

Ein zentrales Element der Politik der Partei "P." stellt die Fremdenfeindlichkeit dar. Das Parteiprogramm bringt Migranten überwiegend mit dem Begehen von Straftaten in Zusammenhang und schürt dadurch fremdenfeindliche Vorurteile. Dies greift auch das Kommunalwahlprogramm des Kreisverbandes E. auf, das ein Kapitel mit dem Titel " ... " enthält, in dem unterstellt wird, dass Migranten generell kriminell seien.

Das Ziel, Ausländer auszugrenzen und ein ethnisch homogenes Deutschland zu schaffen, tritt auch im Hinblick auf die unter anderem im März 2013 in T. skandierte Parole "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!" offen zutage.

Ausweislich der Erkenntnisse des Verfassungsschutzes verfolgt die Partei "P." ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch in aggressivkämpferischer Weise. Dies ergibt sich bereits aus den nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes bei Demonstrationen üblichen Rufen " ... ".

Darüber hinaus gehört die Einschüchterung des politischen Gegners zum Aktionsrepertoire der Partei. So hat der Kreisverband E. Kundgebungen veranstaltet, die vor den privaten Wohnungen einiger hochrangiger Politiker stattfanden.

Die aggressivkämpferische Haltung wird auch durch ein Freund-Feind-Denken belegt, nach dem politische Gegner Feinde sind, gegen die man alle zur Verfügung stehenden Mittel zur Bekämpfung einzusetzen habe. Insoweit hat der Kreisverband I. im März 2014 einen Beitrag auf seiner Homepage veröffentlicht, in dem ausgeführt wird: " ... ".

Die vom Antragsgegner gezogene Schlussfolgerung, dass es sich auch bei der Partei "P." um eine Partei handelt, die in aggressivkämpferischer Weise darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, ist vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat insoweit ebenfalls zutreffend festgestellt, dass diese Bestrebungen dem Antragsteller auch zuzurechnen sind. Denn der Antragsteller ist nicht lediglich einfaches Mitglied der Partei, sondern sowohl Mitglied des Landes- als auch des Bundesvorstands und war eigenen Angaben zufolge jedenfalls bis Januar 2015 Vorsitzender des Kreisverbandes I. . Bereits hieraus folgt, dass sich der Antragsteller in besonderem Maße für die Partei einsetzt und deren Ziele nicht nur unterstützt, sondern auch mitgestaltet. Darüber hinaus war der Antragsteller auf der Homepage des Kreisverbandes I. jedenfalls bis Februar 2015 als "presserechtlich Verantwortlicher" genannt. Auf dieser Homepage waren u.a. die oben genannten Beiträge zum integrativen Unterricht behinderter und nicht behinderter Kinder sowie zur Einwanderung von Sinti und Roma veröffentlicht.

Auch diesen Feststellungen hat der Antragsteller keine durchgreifenden Einwendungen entgegenzusetzen vermocht. Hinsichtlich der in den Verfassungsschutzberichten getroffenen Feststellungen und Schlussfolgerungen verweist der Antragsteller lediglich darauf, dass diese aus der Sichtweise des sozialdemokratisch geführten Innenministeriums, mithin nicht von einem politisch neutralen Standpunkt aus verfasst seien. Die in den Verfassungsschutzberichten verwerteten Aktivitäten und Veröffentlichungen der Partei "P." und ihrer Mitglieder, insbesondere die oben genannten und auch vom Antragsgegner in seinem Bescheid zugrunde gelegten Berichte und Äußerungen gerade auch des Kreisverbandes I. und seiner Mitglieder, hat der Antragsteller in tatsächlicher Hinsicht im Einzelnen jedoch nicht bestritten; es sind auch ansonsten keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Verfassungsschutzberichte auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage beruhen. Insoweit vermag die Kammer nicht erkennen, dass die in den Verfassungsschutzberichten gezogenen Schlussfolgerungen in irgendeiner Weise ideologisch "eingefärbt" wären, wie es der Antragsteller suggeriert.

Soweit der Antragsteller einwendet, dass sich aus seiner Nennung als "presserechtlich Verantwortlicher" nicht ableiten lasse, dass er sich die auf der Homepage des Kreisverbandes I. veröffentlichten Inhalte auch zu eigen machen wolle, geht die Kammer dessen ungeachtet davon aus, dass er die in den Inhalten zum Ausdruck kommenden Überzeugungen teilt. Denn zum einen hätte es nahegelegen, dass sich der Antragsteller in diesem Falle von den Inhalten, die er offiziell €presserechtlich verantwortete€, ausdrücklich distanziert. Die Aussage, dass er sich die Inhalte der auf der Homepage veröffentlichten Beiträge "ausdrücklich nicht zu eigen" mache, stellt keine derartige Distanzierung dar. Zum anderen sind - abgesehen von der Auffassung des Antragstellers, der Antragsgegner habe ihm nicht hinreichend nachgewiesen, dass er sich die von ihm €presserechtlich verantworteten€ Beiträge auch tatsächlich zu eigen mache - keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem nicht so ist. Vielmehr spricht schon die Führungsrolle des Antragstellers in der Partei und insbesondere auch im Kreisverband I. dafür, dass er die auf deren Homepage dokumentierten verfassungsfeindlichen Ansichten vertritt. Darüber hinaus ist etwa die kämpferischaggressive demokratiefeindliche Haltung des Antragstellers auch in schriftlichen Äußerungen dokumentiert, die unmittelbar dem Antragsteller zugeordnet werden können. Insoweit wird lediglich exemplarisch auf den folgenden Eintrag von August 2013 im Profil des Antragstellers in einem sozialen Netzwerk verwiesen:

"Unsere Partei sind nur die Stiefel, der Tornister, der Helm und der Geist, unter dem wir in die deutsche Zukunft marschieren. Das brauchen wir wie ein Soldat im Krieg seinen Befehl und seine Ausrüstung. Ohne das ist er wertlos im Feuer. Die Partei ist das Mittel zum Zweck, nicht der Zweck selber."

Danach erachtet der Antragsteller die politische Betätigung im Parteiensystem lediglich als Mittel zum Zweck - gewissermaßen als notwendiges Übel - zur Erreichung des eigentlichen Ziels, einer "deutschen Zukunft". Die aggressivkämpferische Einstellung des Antragstellers ergibt sich auch aus einem Eintrag von Juli 2013, in dem es heißt:

"Wenn and€re mutlos weichen und müd€ wie Laub verweh€n,

Dann woll€n wir wie die Eichen im rauen Sturme steh€n.

Uns lockt nicht satte Stille, uns reizt der Widerstand,

und Sturmbock sei der Wille: Mit dem Schädel durch die Wand."

Die Tatsache, dass diese Einträge jeweils in Anführungszeichen gefasst sind, spricht zwar dafür, dass es sich möglicherweise um Zitate handelt. Dass der Antragsteller diese aber unter seinem eigenen Namen wiedergibt, ohne den Urheber zu bezeichnen und ohne einschränkende oder sich vom Inhalt distanzierende Anmerkungen dazu zu verfassen, belegt dessen ungeachtet, dass es sich hierbei um Inhalte handelt, mit denen sich der Antragsteller identifiziert. Auch das oben beschriebene Freund-Feind-Denken dokumentiert der Antragsteller in einem Eintrag von Juni 2013, in dem er Aussteiger aus der rechtsextremen Szene als "Verräter" bezeichnet.

Danach ist weder die Ablehnung des Antrags auf Aufnahme in den Vorbereitungsdienst noch die "Festsetzung" einer Wohlverhaltensphase von drei Jahren ab dem Datum des ablehnenden Bescheids rechtlich zu beanstanden. Mit der Festsetzung der Wohlverhaltensphase bringt der Antragsgegner zum Ausdruck, dass aus seiner Sicht eine Aufnahme des Antragstellers in den juristischen Vorbereitungsdienst frühestens nach Ablauf dieser Frist in Betracht kommt, etwaige vor Ablauf dieser Frist gestellte Aufnahmeanträge des Antragstellers mithin voraussichtlich nicht positiv beschieden werden würden. Dies begegnet insoweit keinen Bedenken, als bereits angesichts der erheblichen Zahl der Vorstrafen des Antragstellers, zu der erst im Februar dieses Jahres eine weitere Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe hinzugekommen ist, die Einhaltung einer Frist von drei Jahren ohne weitere Verstöße gegen Strafgesetze keine unverhältnismäßige Forderung an einen potentiellen Rechtsreferendar darstellt.

Der Antrag war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt die Vorläufigkeit des Verfahrens.






VG Minden:
Beschluss v. 12.06.2015
Az: 4 L 441/15


Link zum Urteil:
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