Anwaltsgerichtshof Celle:
Urteil vom 22. September 2014
Aktenzeichen: AGH 5/14, AGH 5/14 (II 1/20

(AGH Celle: Urteil v. 22.09.2014, Az.: AGH 5/14, AGH 5/14 (II 1/20)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

3. Der Streitwert für das Verfahren wird auf € 12.500 festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin ist seit 1991 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und hat ihren Kanzleisitz in S.. Die Klägerin ist Fachanwältin für Familienrecht.

Die Klägerin nahm im Zeitraum vom 09.02. bis zum 30.06.2012 am Fachanwaltslehrgang €Erbrecht€ teil und hat in diesem Zusammenhang drei jeweils fünfstündige Klausuren mit Erfolg bestanden. Mit Antrag vom 10.07.2013, der am 11.07.2013 bei der Beklagten einging, beantragte die Klägerin die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung €Fachanwältin für Erbrecht€. Die Klägerin legte zum Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen eine Liste vor, die insgesamt 25 von ihr bearbeitete rechtsförmliche Verfahren beinhaltete. Außerdem legte die Klägerin eine Liste vor, die 67 von ihr bearbeitete außergerichtliche Fälle beinhaltete. Die Listen bezogen sich auf Fälle, deren Bearbeitung ab dem 11.08.2010 bzw. ab dem 17.09.2010 begann.

Der für die Vorprüfung des Antrages zuständige Berichterstatter des gemeinsamen Fachausschusses der Rechtsanwaltskammern Celle, Braunschweig und Oldenburg teilte der Klägerin mit Schreiben vom 05.08.2013 mit, dass Bedenken hinsichtlich der geforderten Anzahl von 20 rechtsförmlichen Verfahren bestünden. Von den in der Liste aufgeführten Fällen seien neun Fälle möglicherweise deshalb nicht zu berücksichtigen, weil es sich dort um Fragen der Vergütung des jeweils bestellten Nachlasspflegers gehandelt habe und weil insoweit Zweifel an dem erbrechtlichen Bezug dieser Fälle bestünden. Mit Schreiben vom 08.08.2013 erklärte die Klägerin, dass ihres Erachtens auch die Überprüfung des Nachlasspflegers zum Erbrecht gehöre.

Der gemeinsame Fachausschuss hat in seiner Sitzung am 06.09.2013 die im Schreiben seines Berichterstatters vom 08.08.2013 bereits aufgezeigten Bedenken bestätigt. Der Berichterstatter des Fachausschusses teilte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 09.09.2013 mit, dass nach Auffassung des Fachausschusses in insgesamt neun Fällen, in denen es um die Vergütung des Nachlasspflegers ging, der erforderliche erbrechtliche Bezug nicht zu erkennen sei. Der Klägerin wurde zugleich Gelegenheit gegeben, bis zum 15.10.2013 eine Liste mit weiteren Fällen vorzulegen. Die Klägerin reichte sodann mit Schreiben vom 14.10.2013 eine Nachtragsliste mit sieben weiteren Fällen zu rechtsförmlichen Verfahren sowie eine Liste mit acht weiteren außergerichtlichen Fällen, die sie jeweils bearbeitet hat, ein.

Der gemeinsame Fachausschuss hat sich nach Prüfung der nachgereichten Fälle dafür ausgesprochen, den Antrag der Klägerin zurückzuweisen, da auch weiterhin lediglich in 17,5 Fällen rechtsförmliche Verfahren bearbeitet worden seien.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 10.01.2014, der der Klägerin am 14.01.2014 zugestellt wurde, den Antrag auf Gestattung zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung Erbrecht ab. Die Beklagte verwies zur Begründung darauf, dass die eingereichte Liste von Fällen insgesamt 77 außergerichtliche und 29 rechtsförmliche Verfahren umfasst habe. Aus der ursprünglichen Liste hätten die Fälle Nr. 3, 3a, 4, 4a, 5, 8, 9, 12, 14 und 20 nicht berücksichtigt werden können, da es an dem erforderlichen erbrechtlichen Bezug fehle. In all diesen Fällen sei es um die Überprüfung der Vergütung eines Nachlasspflegers gegangen. Diese Fälle seien nicht zu berücksichtigen, da für die argumentative Auseinandersetzung erbrechtliche Fragen keine Rolle gespielt hätten. Bei dem Fall Nr. 1 der €Nachtragsliste der gerichtlichen Fälle€ scheide eine Berücksichtigung aus, da lediglich die Eröffnung eines Testaments beantragt worden sei und hierin keine Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren liege. Die dort genannten Fälle Nr. 3 und 7 könnten nur als außergerichtliche Fälle anerkannt werden, da jeweils lediglich ein Vorgespräch geführt und der Entwurf einer Ausschlagungserklärung bzw. eines Erbscheinantrags gefertigt worden sei. Darüber hinaus sei der Fall Nr. 10 der ursprünglichen Fallliste nicht zu berücksichtigen, weil gegen einen Steuerbescheid kein Rechtsmittel eingelegt wurde und es sich deshalb nicht um ein rechtsförmliches Verfahren handle. Insgesamt verblieben daher nur 17,5 Fälle mit rechtsförmlichen Verfahren, von denen acht Fälle den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit beträfen. Der Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen könne auch nicht durch ein Fachgespräch geführt werden, da hierdurch die eindeutige Regelung des § 5a Abs. 1 Satz 1 lit. m) FAO unterlaufen werde.

Die Klägerin erhob gegen den Bescheid der Beklagten vom 10.01.2014 mit Schriftsatz vom 04.02.2014, der am 10.02.2014 beim Niedersächsischen Anwaltsgerichtshof eingegangen ist, Klage. Die Klägerin macht geltend, dass die nicht anerkannten Fälle, in denen es um die Überprüfung der Vergütung des Nachlasspflegers gehe, zu berücksichtigen seien. Es sei dort nicht um die Höhe der Vergütung, sondern um die Frage, ob die Tätigkeit, für die der Nachlassverwalter die Vergütung begehrt, in sein Aufgabengebiet fällt, gegangen. Zu prüfen sei auch immer, ob die geltend gemachte Forderung überhaupt noch durchsetzbar ist oder ob diese schon verjährt ist. In dem Fall Nr. 12 der ursprünglichen Liste sei auch gerügt worden, dass der Nachlasspfleger erklären müsse, ob die Tätigkeit für den Nachlass der Erblasserin oder für den gleichzeitig von ihm betreuten Nachlass des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin erfolgt sei. Die Vergütung des Nachlasspflegers stelle sich als Prüfung einer Nachlassforderung dar und betreffe sehr wohl das materielle Erbrecht mit Bezug zum Schuldrecht, sodass ein konkreter erbrechtlicher Bezug im Hinblick auf den jeweiligen Nachlassfall gegeben sein. Die Argumentation der Beklagten sei auch in sich nicht stringent, denn in dem Fall Nr. 13 sei es um die Aufhebung der Nachlasspflegschaft wegen Untätigkeit des Nachlasspflegers gegangen. Dieser Fall der Untätigkeit sei von der Beklagten akzeptiert worden, während die Prüfung der Berechtigung der Tätigkeit und der damit einhergehenden Vergütung nicht akzeptiert werde. In dem Fall Nr. 10 sei die Tätigkeit in einem rechtsförmlichen Verfahren zu Unrecht abgelehnt worden, denn mit Schreiben vom 24.07.2012 sei ein Einspruch eingelegt worden. Bei den nachträglich gemeldeten Fällen Nr. 1, 3 und 7 der Liste der rechtsförmlichen Verfahren werde die Beanstandung durch die Beklagte nicht angegriffen. Bei Berücksichtigung der gerügten Fälle zur Vergütung des Nachlassverwalters sowie des Falles Nr. 10 seien die besonderen praktischen Erfahrungen in 20 rechtsförmlichen Verfahren aber nachgewiesen, so dass sich die ablehnende Entscheidung der Beklagten als rechtswidrig erweise.

Auf Anforderung des Senates legte die Klägerin zum Nachweis der Erfüllung der Fortbildungspflicht gemäß § 4 Abs. 2 FAO mit Schriftsatz vom 04.09.2014 eine Bestätigung über die Teilnahme an dem Seminar €Familien-/und Erbrechtliche Fragen bei Trennung und Scheidung unter Berücksichtigung der Einkommen € und des Erbschaftsteuerrechts€ am 19.04.2013 in einem Umfang von 6 Zeitstunden vor. Außerdem erklärte die Klägerin, sie habe im Jahr 2013 einen juristischen Fachaufsatz mit dem Titel €Die Versöhnung der Ehegatten € Risiken und Nebenwirkungen€ geschrieben, der auch erbrechtliche Fragen berücksichtige und dessen Erstellung einen Umfang von 7 € 10 Stunden in Anspruch genommen habe. Dem Schriftsatz war ein Ausdruck des Aufsatzes beigefügt, der einen Umfang von fünfeinhalb Seiten mit einem Abstand von 1,5 Zeilen bzw. insgesamt 162 Zeilen aufweist. Der Aufsatz wurde im Jahr 2014 veröffentlicht. Des Weiteren war eine Anmeldung für das Seminar €Erbrecht 2014€ am 19.09.2014 beigefügt. Mit weiterem Schriftsatz vom 17.09.2014 erklärte die Klägerin sodann, die Abfassung des Aufsatzes habe einen wesentlich längeren Zeitaufwand in Anspruch genommen und führt dies näher aus, ohne den Umfang genauer zu konkretisieren. Zum Inhalt des Seminares im Jahre 2013 erklärte die Klägerin, es könne nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass auf die erbrechtlichen Bezüge einerseits und die familienrechtlichen Bezüge andererseits jeweils 3 Stunden entfallen seien und bestritt, dass auf die Fortbildung im Erbrecht nur drei Stunden angerechnet werden können, der Schwerpunkt habe auf dem Erbrecht gelegen. Konkrete Angaben zum zeitlichen Umfang der erbrechtlichen Inhalte erfolgten nicht. Die Klägerin fügte Ihrem Schriftsatz das Inhaltverzeichnis des zum Seminar ausgeteilten Skriptes bei.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 10.01.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin das Führen der Fachanwaltsbezeichnung €Erbrecht€ zu gestatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der zunächst beanstandete Fall Nr. 10 der von der Klägerin eingereichten Liste der rechtsförmlichen Verfahren werde nunmehr anerkannt, da die Klägerin einen Einspruch eingelegt hat. Auch bei Anerkennung dieses Falles seien dann aber nur in 18,5 Fällen besondere praktische Erfahrungen in rechtsförmlichen Verfahren nachgewiesen. Die Ablehnung der neun Fälle, in denen es um die Vergütung des Nachlasspflegers gegangen sei, sei zu Recht erfolgt. Der für die Anerkennung erforderliche Schwerpunkt im Fachgebiet Erbrecht fehle. Die argumentative Auseinandersetzung mit erbrechtlichen Fragen müsse eine Rolle spielen. In den Fällen, in denen es darum gehe, in welchem Umfang der Nachlasspfleger sein Honorar zu bekommen habe, sei dies gerade nicht der Fall. Auch in dem Fall Nr. 12 der Liste für die rechtsförmlichen Verfahren sei keine andere Beurteilung möglich. Aus dem erstmals im Klagverfahren vorgelegten Schriftsatz vom 21.08.2012 ergebe sich lediglich, dass aus dem Vergütungsantrag nicht erkennbar gewesen sei, für wen die Nachlasspflegerin tätig geworden war. Hieraus ergebe sich noch nicht eine erbrechtliche Problematik des Bearbeitungsschwerpunktes. Die Beurteilung durch die Beklagte sei auch im Hinblick auf die Anerkennung des Falles Nr. 13 der Liste für die rechtsförmlichen Verfahren nicht widersprüchlich. Die Tätigkeit der Klägerin sei dort weit darüber hinausgegangen, lediglich die Höhe der beantragten Vergütung zu prüfen. Es sei um die Beanstandung der Untätigkeit des Nachlasspflegers gegangen. Selbst wenn man nach alledem den Fall Nr. 10 der ursprünglichen Liste zugunsten der Klägerin noch berücksichtige, habe die Klägerin lediglich in 18,5 Fällen eine Tätigkeit in rechtsförmlichen Verfahren nachgewiesen. Anlass für ein Fachgespräch habe nicht bestanden, zumal auch der BGH in seiner Entscheidung vom 16.12.2013 entschieden habe, dass kein Fachgespräch durchgeführt werden müsse, wenn die in § 5 Abs. 1 FAO vorgesehene Fallzahl verfehlt werde. Es fehle nach alledem an der Voraussetzung des Nachweises der Bearbeitung von 20 Fällen in rechtsförmlichen Verfahren, so dass der Antrag der Klägerin abzulehnen gewesen sei.

Die Beklagte führte aus, dass die Klägerin die Erfüllung der Fortbildungspflicht gem. § 4 Abs. 2 FAO in einem Umfang von 10 Stunden für das Jahr 2013 nicht nachgewiesen habe. Das 2013 besuchte Seminar könne allenfalls mit einem Umfang von 3 Stunden auf die Fortbildungsverpflichtung im Erbrecht angerechnet werden, die weiteren 3 Stunden entfielen auf das Familienrecht. Der juristische Fachaufsatz beschäftige sich nur untergeordnet mit erbrechtlichen Inhalten. Von insgesamt fünfeinhalb Seiten entfalle nur eine halbe Seite auf erbrechtliche Inhalte. Für den erbrechtlichen Teil seien allenfalls 1 € 2 Stunden anzurechnen und insgesamt seien für 2013 maximal 5 Stunden Pflichtfortbildung nachgewiesen.

Sowohl die Klägerin (Schriftsatz vom 20.02.2014, Blatt 21 der Gerichtsakten) als auch die Beklagte (Schriftsatz vom 17.04.2014, Blatt 29 der Gerichtsakten) haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Dem Senat lagen die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, betreffend den Antrag der Klägerin auf Verleihung der Bezeichnung €Fachanwältin für Erbrecht€ vor; sie waren Gegenstand der Beratung und Entscheidung.

II.

Die Klage ist zulässig. Die mit Schriftsatz vom 04.02.2014 erhobene Klage gegen den am 14.01.2014 zugestellten Bescheid der Beklagten ist am 10.02.2014 beim Niedersächsischen Anwaltsgerichtshof eingegangen, sodass die Klagefrist von einem Monat gewahrt ist.

Die Klage ist allerdings unbegründet. Die Beklagte hat die Gestattung zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung €Erbrecht€ zu Recht abgelehnt, da die Klägerin die in § 2 Abs. 1 FAO festgelegten Anforderungen im Hinblick auf den Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen nicht erfüllt; ebenso hat sie den ihr gemäß § 4 Abs. 2 FAO obliegende Nachweis der Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung nach § 15 FAO nicht in dem erforderlichen Umfang geführt.

1. Voraussetzung für die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung ist der Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse und besonderer praktischer Erfahrungen (§ 2 Abs. 1 FAO) sowie eine dreijährige Zulassung und Tätigkeit innerhalb der letzten 6 Jahre vor Antragstellung. (§ 3 FAO). Der Erwerb der erforderlichen besonderen theoretischen Kenntnisse setzt in der Regel die erfolgreiche Teilnahme an einem auf die Fachanwaltsbezeichnung vorbereitenden Lehrgang voraus (§ 4 Abs. 1 FAO). Ferner muss der Bewerber drei schriftliche Aufsichtsarbeiten mit einer Gesamtdauer von mindestens 15 Zeitstunden erfolgreich absolviert haben (§ 4a FAO). Der Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen für das Fachgebiet Erbrecht setzt gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 lit. m) FAO voraus, dass innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung 80 Fälle im Erbrecht, davon mindestens 20 rechtsförmliche Verfahren, persönlich und weisungsfrei bearbeitet wurden.

Die Klägerin hatte diese Voraussetzungen bei Antragstellung im Wesentlichen erfüllt, was zwischen den Parteien auch unstreitig ist. Streitig ist alleine, ob die Klägerin 20 Fälle in rechtsförmlichen Verfahren bearbeitet hat. Durch die Nachtragsliste ergibt sich ein maßgeblicher Zeitraum vom 16.10.2010 bis zum 15.10.2013. Fälle der ursprünglichen Liste entfallen durch die Nachtragsliste nicht, da deren schon vor dem 16.10.2010 begonnene Bearbeitung in den neuen maßgeblichen Zeitraum hineinreicht.

Die bearbeiteten Fälle müssen sich auf alle in § 14f Nr. 1 bis 5 FAO bestimmten Bereiche beziehen und dabei aus drei Bereichen mindestens jeweils fünf Fälle beinhalten. Für den Erbrechtsbezug ausreichend, aber auch erforderlich ist es, dass erbrechtliche Fragen für die argumentative Auseinandersetzung €eine Rolle spielen€ (ständige Rechtsprechung des BGH, Urteil vom 08.04.2013 € AnwZ (Brfg) 54/11 Rz 15 mit Hinweis auf den Beschluss vom 12.07.2010 AnwZ (B) 85/09). Weitere Voraussetzung ist, dass der Antragsteller bzw. die Antragstellerin den Erbrechtsbezug in den bearbeiteten Fällen darlegt (BGH, Beschluss vom 12.07.2010, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Die von der Klägerin zunächst eingereichte Fallliste zu den rechtsförmlichen Verfahren beinhaltet insgesamt nicht lediglich 22 Fälle, wie von der Beklagten angenommen, sondern 25 Fälle. Die von der Klägerin nachgereichte Liste der rechtsförmlichen Verfahren beinhaltet weitere 7 Fälle, sodass insgesamt 32 Fälle vorgelegt wurden. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass aus der nachgereichten Liste die Fälle Nr. 1, 3 und 7 nicht zu berücksichtigen sind und dass der Fall Nr. 10 der ursprünglichen Liste nunmehr doch zu berücksichtigen ist, da ein Einspruch gegen den Steuerbescheid eingelegt wurde, sodass zunächst 29 Fälle verbleiben. Von diesen 29 Fällen betreffen die Fälle Nr. 3, 3a, 4, 4a, 5, 9, 12, 14 und 20 der ursprünglich eingereichten Liste der rechtsförmlichen Verfahren, insgesamt also 9 Fälle, jeweils die Überprüfung der Vergütung der Tätigkeit des Nachlasspflegers, Fall Nr. 8 die Überprüfung der Kündigung einer bestimmten Vermögensanlage durch den Nachlasspfleger. Wenn die vorgenannten insgesamt 10 Fälle nicht berücksichtigungsfähig sind, würden maximal 19 bearbeitete Fälle verbleiben. Damit wären die Voraussetzungen von 20 Fällen in rechtsförmlichen Verfahren nicht erfüllt. Die Beklagte hat außerdem die Fälle Nr. 1 und Nr. 1 a zusammen nur als 1,5 Fälle und nicht als zwei Fälle gewertet, sodass sogar nur 18,5 Fälle berücksichtigungsfähig wären. Die von der Beklagten vorgenommene Gewichtung ist nach der Grundsatzentscheidung des BGH vom 08.04.2013 - AnwZ(Brfg) 54/11 - zwar grundsätzlich möglich. Der Gewichtung lag mutmaßlich zugrunde, dass die Klägerin in einem einheitlichen Lebenssachverhalt zunächst erstinstanzlich und sodann in der Berufungsinstanz tätig war. Ob dies tatsächlich der entscheidende Grund für die vorgenommene Gewichtung war, ergibt sich aus der Begründung der Entscheidung der Beklagten allerdings nicht, sodass der Senat insoweit Zweifel an der ordnungsgemäßen Begründung der ablehnenden Entscheidung der Beklagten hat. Letztlich kommt es hierauf aber nicht maßgeblich an, denn selbst wenn der von der Beklagten vorgenommene Abzug unberücksichtigt bliebe, hätte die Klägerin bei Außerachtlassung der vorgenannten zehn Fälle lediglich 19 Fälle in rechtsförmlichen Verfahren nachgewiesen. Ebenso wenig kommt es hier darauf an, ob der Fall Nr. 10 der ursprünglichen Liste der rechtsförmlichen Verfahren (Einspruch gegen Steuerbescheid) tatsächlich mit dem Faktor 1,0 bewertet werden kann. Auch insoweit bestehen Zweifel, denn aus den Akten ergibt sich lediglich, dass ein Einspruch gegen einen Steuerbescheid eingelegt wurde. Ob der Einspruch auch begründet wurde, ist nicht dargelegt worden und der Senat neigt in diesem Zusammenhang zu der Auffassung, dass ein lediglich fristwahrend eingelegter Einspruch ohne inhaltliche Begründung wohl allenfalls mit dem Faktor 0,5 zu bewerten wäre, solange nicht andere Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Wenn die Klägerin insoweit eine höhere Gewichtung geltend machen will, hätte sie die dafür notwendigen Tatsachen prüfbar darlegen müssen.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist nach alledem ausschließlich ausschlaggebend, ob die vorgenannten zehn Fälle, in denen es jeweils um die Vergütung der Tätigkeit des Nachlasspflegers ging, als Fälle mit erbrechtlichem Bezug zu werten sind. Sollte dies der Fall sein, dann hätte die Klägerin jedenfalls mehr als 20 Fälle in rechtsförmlichen Verfahren nachweislich bearbeitet, ohne dass es im Einzelnen dann darauf ankäme, ob die Fälle Nr. 3 und 3a sowie Nr. 4 und 4a jeweils mit dem Faktor 1,0 zu berücksichtigen sind.

Aus den von der Beklagten dargelegten Gründen scheidet eine Berücksichtigung dieser Fälle jedoch aus, denn es fehlt an dem erbrechtlichen Schwerpunkt. Ob eine Vergütungsforderung des Nachlasspflegers möglicherweise verjährt ist, ist im Schwerpunkt eine schuldrechtliche Frage, jedenfalls keine erbrechtliche. Gleiches gilt für die Frage, ob der abgerechnete Aufwand für Tätigkeiten außerhalb des Aufgabengebietes eines Nachlasspflegers entstanden ist. Gemäß §§ 1960 Abs. 1 und 2 BGB ist ein Nachlasspfleger dann zu bestellen, wenn dies zur Sicherung des Nachlasses für denjenigen, der Erbe wird, erforderlich ist. Für die Beurteilung, ob ein Nachlasspfleger zu bestellen ist, spielen in der argumentativen Auseinandersetzung auch erbrechtliche Fragen eine Rolle. Für die Beurteilung, ob die durch den Nachlasspfleger entfalteten Tätigkeiten zur Sicherung des Nachlasses erforderlich waren, sodass deshalb die Vergütungsforderung berechtigt ist, spielen erbrechtliche Fragen in der argumentativen Auseinandersetzung indessen keine Rolle. Maßgeblich sind vielmehr tatsächliche Fragen im Hinblick auf konkrete Handlungen des Nachlasspflegers. Ob der Nachlasspfleger Tätigkeiten entfaltet hat, die seinen Vergütungsanspruch auslösen, beurteilt sich primär nach schuldrechtlichen Gesichtspunkten. Die Klägerin hat überdies trotz der ihr mitgeteilten Bedenken weder außergerichtlich noch im gerichtlichen Verfahren dargelegt, welche konkreten Handlungen unter erbrechtlichen Gesichtspunkten in welchen der beanstandeten Fälle möglicherweise nicht erforderlich waren, sodass aus diesem Grunde der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht bzw. nicht in der geltend gemachten Höhe entstanden ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die ablehnende Entscheidung der Beklagten auch nicht in sich widersprüchlich, weil der Fall Nr. 13 der ursprünglich vorgelegten Liste zugunsten der Klägerin berücksichtigt wurde, während der Fall Nr. 12 keine Berücksichtigung gefunden hat. Der Fall Nr. 13 betraf die Abberufung eines Nachlasspflegers. Für die Abberufung eines Nachlasspflegers sind ebenso wie für die Bestellung eines Nachlasspflegers jedenfalls auch erbrechtliche Fragen von nicht unerheblichem Gewicht. Insoweit unterscheidet sich der Fall Nr. 13 von dem Fall Nr. 12, denn nach den Ausführungen der Klägerin ist auch unter Berücksichtigung des im gerichtlichen Verfahren in Abschrift vorgelegten Schriftsatzes vom 21.08.2012 (Blatt 10 der Gerichtsakten) der erbrechtliche Bezug in der argumentativen Auseinandersetzung nicht erkennbar. Die Klägerin hat lediglich eine Spezifizierung der Tätigkeit für die Erblasserin einerseits und den vorverstorbenen Erben andererseits erbeten. Hierin liegt kein erbrechtlicher Bezug.

Die Beklagte hat nach alledem die fraglichen 10 Fälle aus der ursprünglich vorgelegten Liste über Tätigkeiten in rechtsförmlichen Verfahren zu Recht nicht berücksichtigt, sodass die Klägerin den erforderlichen Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen in 20 rechtsförmlichen Verfahren nicht geführt hat. Dementsprechend hat die Beklagte den Antrag der Klägerin im Ergebnis zu Recht abgelehnt, sodass allein deshalb die Klage abzuweisen ist.

2. Die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung scheidet außerdem auch deshalb aus, weil die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 FAO nicht erfüllt sind. Wird der Antrag auf Verleihung der Fachanwaltschaft nicht in dem Kalenderjahr gestellt, in dem der Lehrgang begonnen hat, ist ab diesem Jahr Fortbildung in Art und Umfang von § 15 FAO nachzuweisen, wobei Lehrgangszeiten anzurechnen sind. Die Klägerin hat den Fachanwaltslehrgang im Jahre 2012 begonnen und abgeschlossen und den Antrag im Jahre 2013 gestellt. Die Klägerin musste mithin für das Jahr 2013 im Erbrecht eine Fortbildung nach § 15 FAO in einem Umfang von 10 Zeitstunden absolvieren und die Erfüllung dieser Verpflichtung nachweisen.

Die Fortbildung kann durch wissenschaftliche Publikation oder die hörende oder dozierende Teilnahme an anwaltlichen Fortbildungsveranstaltungen erfolgen.

Diesen Anforderungen genügt die von der Klägerin nachgewiesene Fortbildung nicht.

Das von ihr am 19.04.2013 besuchte Seminar €Familien-/und Erbrechtliche Fragen bei Trennung und Scheidung unter Berücksichtigung der Einkommen € und des Erbschaftsteuerrechts€ hatte insgesamt einen Umfang von 6 Zeitstunden. Die Beklagte hat sich bereit erklärt, diese Fortbildung, die die Klägerin eigentlich schon für das Fachgebiet Familienrecht (überobligationsmäßig) nachgewiesen hatte, grundsätzlich nunmehr dem Fachgebiet €Erbrecht€ zuzuordnen, soweit dies vom Inhalt her möglich ist.

Die Klägerin hat sinngemäß geltend gemacht, dass der erbrechtliche Inhalt einen Umfang von mehr als 3 Stunden gehabt und der Schwerpunkt auf dem Erbrecht gelegen habe. Konkrete Angaben zum zeitlichen Umfang der erbrechtlichen Inhalte hat die Klägerin allerdings nicht gemacht. Das Inhaltsverzeichnis des von ihr vorgelegten Skriptes umfasst für das Skript einen Umfang von 184 Seiten. Davon beinhalten die Seiten 91 € 98, 107 sowie 126 € 164 erbrechtliche Inhalte, wobei die Seiten 126 € 164 steuerrechtliche Schwerpunkte (Einkommensteuer und Erbschaftssteuer) aufweisen und neben den steuerrechtlichen Bezügen des Erbrechts auch die steuerrechtlichen Bezüge des Familienrechts beinhalten. Bei großzügiger Betrachtung ergibt sich aus dem Skript ein erbrechtlicher Inhalt von weniger als einem Drittel des Gesamtumfangs. Ein Umfang von mehr als drei Stunden lässt sich hieraus auch unter Berücksichtigung des nicht näher konkretisierten Vortrags der Klägerin jedenfalls nicht ableiten, so dass mit dem Besuch dieses Seminars maximal 3 Stunden Fortbildung nachgewiesen sind.

Der von der Klägerin verfasste Fachaufsatz hat einen Umfang von fünfeinhalb Seiten bzw. 162 Zeilen und beschäftigt sich im Schwerpunkt mit scheidungsrechtlichen Fragestellungen. Die Seite 4 des Ausdrucks behandelt in den Zeilen 105 € 119 in einem Umfang von 15 Zeilen erbrechtliche Auswirkungen einer Versöhnung in einem Scheidungsverfahren. Der Umfang umfasst weniger als 10 % des Gesamtumfangs und ist insoweit in der Gesamtbetrachtung von untergeordnetem Gewicht. Die Klägerin hat den für die Abfassung dieses Aufsatzes erforderlichen Aufwand zunächst mit 7 € 10 Stunden angegeben und erst nachträglich auf den Schriftsatz der Beklagten, die hieraus einen erbrechtlich relevanten Anteil von 1 € 2 Stunden abgeleitet hat, einen erheblich höheren Gesamtaufwand behauptet. Eine Konkretisierung erfolgte allerdings nicht. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin für die Abfassung des Aufsatzes einen Aufwand von insgesamt 15 Stunden zugrunde legt und für den erbrechtlichen Anteil nicht lediglich 10 % entsprechend der Anzahl der Zeilen sondern 1/5 entsprechend dem Seitenumfang berücksichtigt, ergibt dies einen Anteil von maximal 3 Stunden. Der Senat ist überdies der Überzeugung, dass unabhängig von diesen rechnerischen Überlegungen unter Berücksichtigung des Inhaltes der erbrechtlichen Ausführungen in dem von der Klägerin verfassten Aufsatz ein Anteil von maximal 3 Stunden für den Nachweis der Erfüllung der erbrechtlichen Fortbildungsverpflichtung berücksichtigt werden kann.

Die Klägerin hat damit maximal einen Umfang von 6 Zeitstunden für das Jahr 2013 nachgewiesen, so dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 FAO nicht erfüllt sind.

Die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung war deshalb auch aus diesem Grund abzulehnen.

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Umstand, dass sich die Klägerin für den 19. und 20.09.2014 zu zwei Seminaren mit erbrechtlichen Inhalten angemeldet hat. Die Fortbildungspflicht ist in jedem Kalenderjahr aufs Neue zu erfüllen; ist ein Jahr verstrichen, kann sich der Fachanwalt in diesem Jahr nicht mehr fortbilden (BGH, Beschl. vom 05.05.2014 - AnwZ (Brfg) 76/13). Mit Ablauf des Jahres steht die Verletzung der Fortbildungspflicht unumkehrbar fest (BGH, Urt. vom 08.04.2013 - AnwZ (Brfg) 16/12 = NJW 2013, 2364). Eine die Verletzung der Fortbildungspflicht rückwirkend heilende Nachholung der Fortbildung im Folgejahr kommt deshalb nicht in Betracht (BGH Beschluss vom 05.05.2014, AnwZ (Brfg) 76/13). Die im Jahr 2014 absolvierte Fortbildung hat deshalb nicht zur Folge, dass damit die Erfüllung der Fortbildungspflicht für das Jahr 2013 nachgewiesen werden kann.

Diese auf die Fälle des Widerrufs der Fachanwaltszulassung wegen Verletzung der Fortbildungspflicht nach § 15 FAO zugeschnittene Rechtsprechung muss nach Ansicht des Senats auch auf die vorverlagerte Fortbildungspflicht nach § 4 Abs. 2 FAO angewandt werden, da der Zweck der Vorschrift der gleiche ist wie bei § 15 FAO. Allerdings wirkt sich die Nichterfüllung der vorverlagerten Fortbildungspflicht ungleich schärfer aus, da deren Erfüllung eine Tatbestandsvoraussetzung für die Zuerkennung der Fachanwaltsbezeichnung ist, während die Nichterfüllung der nachgelagerten Fortbildungspflicht eine Ermessensentscheidung bei der Frage des Widerrufs der Erlaubnis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung zur Folge hat. Die Frage, ob sich etwa unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten (Gleichbehandlung, Verhältnismäßigkeit im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 GG) Anlass für eine mildere Konsequenz der nicht (ausreichend) erfüllten Fortbildungspflicht nach § 4 Abs. 2 FAO ergibt, könnte zwar eine grundsätzliche Bedeutung haben; die Frage stellt sich hier letztlich aber nicht, da der Klägerin schon aus anderen Gründen die Fachanwaltsbezeichnung nicht zuerkannt werden kann.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 112c Abs. 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 112c Abs. 1 BRAO in Verbindung mit §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§§ 112 e BRAO, 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.






AGH Celle:
Urteil v. 22.09.2014
Az: AGH 5/14, AGH 5/14 (II 1/20


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