Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Juni 2004
Aktenzeichen: 32 W (pat) 103/03

(BPatG: Beschluss v. 30.06.2004, Az.: 32 W (pat) 103/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 24. August 1999 angemeldete und am 30. November 1999 in das Markenregister eingetragene Marke 399 51 638 siehe Abb. 1 am Endeist für folgende Waren und Dienstleistungen bestimmt:

Geräte und Behälter für Haushalt und Küche; Glaswaren, Porzellan und Steingut, nämlich Behälter für die Aufbewahrung von Tee, Teeservices komplett, Einzelteile zum Bereiten und Genießen von Tee; Kaffee; Tee, nämlich Früchtetee, schwarzer Tee, grüner Tee aller Art, insbesondere Teemischungen mit spezieller Aromatisierung; Kakao und Getränke daraus; Zucker; feine Back- und Konditoreiwaren; Speiseeis; Schokolade; Pralinen; Verpflegung, nämlich Ausschank von Kaffee und Tee; Betrieb von Teestuben; Beherbergung von Gästen.

(das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis in der angemeldeten und registrierten Form enthält offensichtliche, vom Deutschen Patent- und Markenamt anscheinend nicht bemerkte Fehler in der Zuordnung der mit "nämlich" eingeleiteten Waren bzw. Dienstleistungen in den Klassen 30 und 42; diese Fehler sind im vorstehend wiedergegebenen Waren- und Dienstleistungsverzeichnis berichtigt).

Gegen die Eintragung der vorgenannten Marke ist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren deutschen Marke 396 55 437 Blaues Wunder, die u.a. für folgende Waren und Dienstleistungen Schutz genießt:

Kaffee und Kaffeegetränke; Kakao und Kakaogetränke; Tee und Teegetränke; feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Schokoladen und Schokoladenwaren; Pralinen; Beherbergung und Verpflegung von Gästen.

Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem ersten Beschluss vom 16. Juli 2001 den Widerspruch zurückgewiesen. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei unterdurchschnittlich. Zwar handele es sich bei der Bezeichnung "Blaues Wunder" um eine sprichwörtliche Redensart, mit der eine große, unangenehme Überraschung bezeichnet werde. Spätestens seit der Wiedervereinigung Deutschlands werde dieser Begriff aber mit einem Dresdener Wahrzeichen in Verbindung gebracht, nämlich einer Elbbrücke, die seit ihrer Erstellung als technisches Meisterwerk angesehen werde und deren Anstrich unter Witterungseinflüssen in die Farbe blau umgeschlagen sei. Die Bezeichnung stelle daher eine mittelbare Herkunftsangabe dar; "Blaues Wunder" könne als Synonym für die sächsische Landeshauptstadt Dresden verstanden werden. Innerhalb der jüngeren Marke seien die Wortbestandteile nicht selbständig kollisionsbegründend. Somit bestehe weder eine Verwechslungsgefahr unmittelbarer Art, noch infolge gedanklichen In-Verbindung-Bringens.

Die Erinnerung des Widersprechenden hat die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle durch Beschluss vom 21. Januar 2003 zurückgewiesen. Die Widerspruchsmarke weise eine durchschnittliche Kenzeichnungskraft auf. Angesichts der teilweisen Warenidentität sei zwar ein strenger Maßstab an den Markenabstand anzulegen, aber selbst unter diesen Anforderungen bestehe keine Verwechslungsgefahr. Vom jeweiligen Gesamteindruck her wiesen die Vergleichsmarken deutliche Unterschiede auf. In der jüngeren Marke dürfe der kennzeichnungskräftige Bildbestandteil nicht vernachlässigt werden. Die Wörter seien kennzeichnungsschwach. "Dresdner" stelle eine ohne weiteres verständliche geographische Herkunftsangabe dar, "Wunder" beinhalte einen beschreibenden Anklang im Sinne von wunderbar und sei somit als Qualitätsangabe aufzufassen, "blau" stehe im Zusammenhang mit der Verpackung der Waren.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Widersprechenden. Er beantragt (sinngemäß), die angegriffenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die jüngere Marke hinsichtlich aller identischen und ähnlichen Waren und Dienstleistungen zu löschen.

Die graphische Ausgestaltung der jüngeren Marke sei bei der Beurteilung des Gesamteindrucks nicht so erheblich, dass ihr eine nahezu alleinprägende Bedeutung zukomme. Durchschnittliche Kennzeichnungskraft habe nur der Wortbestandteil "Blaues Wunder". Es sei fernliegend, hierin eine Qualitäts- und Farbangabe zu sehen. Dem die geographische Herkunft beschreibenden Wort "Dresdner" komme keine Kennzeichnungskraft zu, so dass zwischen den Vergleichsmarken hochgradige Ähnlichkeit bestehe. Regelmäßig neige der verständige Verbraucher zu Abkürzungen von Marken und assoziiere sowohl mit der bildlichen Darstellung der Brücke als auch mit der Bezeichnung "Dresdner Blaues Wunder" die Widerspruchsmarke "Blaues Wunder".

Die Markeninhaberin erstrebt die Zurückweisung der Beschwerde.

Sie könne "aus der praktischen Sicht des Teefachhändlers" nicht sehen, dass ein verständiger Durchschnittsverbraucher außerhalb von Dresden die Teesorte "Dresdner Blaues Wunder" mit dem Logo des Blauen Wunders erwarten werde.

II.

Die zulässige Beschwerde des Widersprechenden ist nicht begründet, weil die sich gegenüberstehenden Marken keiner Gefahr der Verwechslung im Verkehr nach § 9 Abs 1 Nr 2, § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG unterliegen. Nach diesen Vorschriften ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2002, 626 - IMS).

1. Für beide Marken sind gleiche Dienstleistungen in Klasse 42 registriert. Auch die Waren in Klasse 30 sind weitgehend identisch; "Zucker" ist mit den Waren der Widerspruchsmarke ähnlich. Demgegenüber sind die für die jüngere Marke geschützten Erzeugnisse in Klasse 21 (Haushaltswaren) unter keinem Gesichtspunkt ähnlich mit den Genuss- und Lebensmitteln, für welche die Widerspruchsmarke Schutz genießt.

2. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist von Hause aus durchschnittlich. Anhaltspunkte für eine Schwächung wegen eines warenbeschreibenden Anklangs oder für eine Stärkung infolge intensiver Benutzung sind nicht vorhanden.

3.a) Schriftbildlich sind beide Marken einander nicht ähnlich, weil die jüngere Wort-Bild-Marke die Abbildung einer Teeblüte sowie von Brückenpfeilern aufweist, welche in der Widerspruchsmarke als reiner Wortmarke keine Entsprechung finden. Außerdem enthält die jüngere Marke zusätzlich das Wort "Dresdner".

b) Die Marken sind auch phonetisch nicht verwechselbar. Es ist nämlich nicht zu erwarten, dass bei einer Benennung der angegriffenen Marke das an erster Stelle stehende Wort "Dresdner" weggelassen würde. Unbeschadet der zweizeiligen Anordnung wirkt "Dresdner Blaues Wunder" schon äußerlich, von der einheitlichen Schrifttype her als zusammengehöriger Begriff, der nicht auf die letzten beiden Wörter verkürzt werden wird. Für Teile des Verkehrs - nicht nur für Bewohner Dresdens, sondern auch für viele Besucher dieser Stadt - gilt dies schon deshalb, weil ihnen bekannt ist, dass mit dieser - nicht amtlichen, aber allgemein verbreiteten - Bezeichnung die als technische Meisterleistung geltende Elbbrücke vom Ende des 19. Jahrhunderts benannt wird, welche die Stadtteile Loschwitz und Blasewitz verbindet und deren Metallteile eine hellblaue Färbung aufweisen.

Aber auch für den weiteren, im Hinblick auf den Markenschutz in ganz Deutschland mutmaßlich größeren Teil des Verkehrs, dem diese besondere Bedeutung nicht bekannt ist, stellt sich "Dresdner Blaues Wunder" als Gesamtbegriff dar, im Sinne einer unangenehmen Überraschung, die man in Dresden erleben kann; die vorangestellte Ortsangabe spezifiziert gleichsam das blaue Wunder der Art nach. Demgegenüber ist nicht zu erwarten, dass "Dresdner" als geographische Herkunftsangabe aufgefasst wird, weil "Blaues Wunder" eben keine warenbeschreibende Angabe (etwa einer bestimmten Teesorte) darstellt. Dass es sich hierbei um einen Gattungsbegriff handelt, ist in keiner Weise belegt.

c) Aus diesen Gründen stellt "Blaues Wunder" kein Synonym für "Dresdner Blaues Wunder" dar, so dass die Marken auch keiner begrifflichen Verwechslungsgefahr unterliegen.

d) Es besteht auch nicht die Gefahr, dass die sich gegenüberstehenden Marken gedanklich in Verbindung gebracht und unter diesem Gesichtspunkt - mittelbar - verwechselt würden. Der Widersprechende hat nichts dafür vorgetragen, dass er über eine Zeichenserie mit dem Bestandteil "Blaues Wunder" verfügt. Ein halbwegs aufmerksamer Verbraucher (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rdn. 470) hat deshalb keine Veranlassung, in dieser Wortfolge einen Stammbestandteil mit Hinweiskraft auf das Unternehmen des Widersprechenden zu sehen.

Für die Auferlegung von Verfahrenskosten (gem. § 71 Abs 1 MarkenG) besteht kein Anlass.

Winkler Kruppa Viereck Hu Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/D34635.3.gif






BPatG:
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Az: 32 W (pat) 103/03


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