Landgericht Köln:
Urteil vom 16. August 2005
Aktenzeichen: 33 O 132/05

(LG Köln: Urteil v. 16.08.2005, Az.: 33 O 132/05)

Tenor

Die einstweilige Verfügung vom 25.04.2005 - 33 O 132/05 - wird bestätigt.

Die weiteren Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Antragstellerin ist ein Telefonbuchverlag und verlegt in Zusammenarbeit mit der N GmbH "Das Telefonbuch", die "Gelben Seiten" sowie das "Örtliche" als Printausgaben für verschiedene Regionen im Großraum Köln. Zudem besteht zwischen der Antragstellerin und der N für die entsprechenden Onlineverzeichnisse eine Herausgeber- und Verlegergemeinschaft in Form einer BGB-Gesellschaft. Wegen der Einzelheiten der Zusammenarbeit wird auf die entsprechenden Ausführungen in dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 14.07.2005 (Bl. 80 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin ist die Muttergesellschaft der H GmbH. Die H GmbH betreibt im Internet unter der Domain www.H.de ein Portal, auf welchem sie die Suche nach Firmen, Personen oder Telefonnummern anbietet. Das Portal enthält insgesamt 38 Millionen Datensätze, insbesondere die Telefonnummern und Adressen von Privatpersonen, Gewerbetreibenden, Freiberuflern und sonstigen Firmen.

Auf der Internetseite der Antragsgegnerin ist unter der Kategorie "Pressemitteilungen" eine Pressemitteilung mit dem Titel "H verknüpft erstmals Privat- und Branchenauskunft: Jeden in Deutschland finden – genial einfach, schnell und kostenlos" veröffentlicht. Wegen des Inhalts der Pressemitteilung wird auf den als Anlage Ast 4 (Bl. 18 d.A.) eingereichten Ausdruck aus dem Internet Bezug genommen.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, die angegriffene Werbeaussage sei irreführend und daher gemäß §§ 5, 8 UWG zu unterlassen. Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags wird auf die entsprechenden Ausführungen in der Antragsschrift vom 22.04.2005 (Bl. 1 ff. d.A.) und in dem Schriftsatz vom 14.07.2005 (Bl. 83 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Antragstellerin hat am 25.04.2005 eine im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung der Kammer erwirkt, mit der der Antragsgegnerin untersagt worden ist,

in Bezug auf die H GmbH oder deren Produkte auszusagen oder aussagen zu lassen:

"Jeden in Deutschland finden, genial einfach, schnell und kostenlos",

und zwar wie nachstehend wiedergegeben:

- Es folgt ein einseitiger Werbetextauszug. –

Nachdem die Antragsgegnerin gegen diese einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt hat, beantragt die Antragstellerin nunmehr,

- wie erkannt -

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschlussverfügung vom 25.04.2005 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, es bestehe zwischen den Parteien kein Wettbewerbsverhältnis. Zudem sei eine irreführende Werbung gemäß § 5 UWG nicht gegeben. Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Antragsgegnerin wird auf die Ausführungen in dem Schriftsatz vom 20.05.2005 (Bl. 51 ff. d.A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung war zu bestätigen, da ihr Erlass auch nach dem weiteren Vorbringen der Parteien gerechtfertigt war.

Der Verfügungsantrag ist zulässig. Zugunsten der Antragstellerin streitet die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG. Konkrete Umstände, die darauf schließen lassen könnten, dass die Antragstellerin in dringlichkeitsschädlicher Zeit bereits Kenntnis von der Pressemitteilung erhalten hat, sind nicht vorgetragen.

Der Verfügungsanspruch folgt aus §§ 3, 5, 8 UWG unter dem Gesichtspunkt der irreführenden Werbung.

Zwischen der Antragstellerin und der Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin besteht ein Wettbewerbsverhältnis. Dieses besteht nach Auffassung der Kammer bereits dann, wenn man auf die von der Antragstellerin verlegten Verzeichnisse als Printmedien auf der einen Seite und das Online-Verzeichnis der Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin auf der anderen Seite abstellt. Denn sowohl die Antragstellerin als auch die H GmbH bieten Auskunftsdienstleistungen hinsichtlich Telefonnummern und Adressen von Privatpersonen und Gewerbetreibenden an. Dass die Leistungen über unterschiedliche Medien angeboten werden, ändert am Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses nichts. Denn die Märkte Internetauskunft und Auskunft im Printmedium sind nicht streng voneinander getrennt, nicht wenige Kunden dürften vielmehr beide Medien nutzen. Überdies stehen die Antragstellerin und die H GmbH bei den Online-Verzeichnissen in unmittelbarem Wettbewerb.

Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin gemäß § 8 Abs. 1 UWG Unterlassung der angegriffenen Werbeaussage verlangen, da die Antragsgegnerin mit der beanstandeten Pressemitteilung § 3 UWG zuwidergehandelt hat. Danach sind unlautere Wettbewerbshandlungen unzulässig, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Unlauter im Sinne von § 3 UWG handelt gemäß § 5 UWG insbesondere, wer irreführend wirbt. Dies ist vorliegend der Fall.

Eine Werbung ist irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Für diese Beurteilung ist der Gesamteindruck der Werbung maßgeblich; es sind alle Bestandteile zu berücksichtigen, § 5 Abs. 2 UWG. Dabei ist auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten der streitgegenständlichen Werbung abzustellen, der die Werbung mit einer der Situation entsprechend angemessenen Aufmerksamkeit zur Kenntnis nimmt (vgl. dazu BGH WRP 2005, 474, 475 – "Direkt ab Werk", BGH WRP 2005, 480, 483 – "Epson-Tinte").

Bei der rechtlichen Beurteilung ist auf die gesamte Aussage "Jeden in Deutschland finden – genial einfach, schnell und kostenlos" in der konkreten Form abzustellen. Eine Zergliederung der Aussagen kommt - anders als die Antragsgegnerin meint - nicht in Betracht. Ferner ist für das Verkehrsverständnis nicht nur auf Pressekreise abzuheben, sondern zumindest auch auf die Endverbraucher, da die Pressemitteilung – wie bereits geschehen und mit Pressemitteilungen im allgemeinen auch beabsichtigt – von Presseunternehmen aufgegriffen wird und an die Allgemeinheit gelangen kann.

Die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der Kammer zählen, verstehen die angegriffene Aussage dahingehend, dass jeder in Deutschland in dem Verzeichnis der H GmbH enthalten ist und gefunden werden kann. Dieser Umstand trifft jedoch nicht zu, da in dem Verzeichnis nur diejenigen Privatpersonen und Firmen enthalten sind, die über einen Telefonanschluss verfügen und zudem einer Eintragung in das Telefonverzeichnis nicht widersprochen haben. Diese Einschränkung wird jedoch weder in der angegriffenen Aussage selbst mitgeteilt noch wird sie aus dem Gesamtzusammenhang, in dem die Aussage steht, ausreichend deutlich. Anders als die Antragsgegnerin meint, erfolgt über die Angabe der Anzahl der Einträge keine ausreichende Aufklärung. Auch über die Einleitung, dass H "erstmals" Privat- und Branchenauskunft verknüpfe, erfolgt keine Einschränkung. Denn die Begriffe "Privat- und Branchenauskunft" beinhalten für den Verkehr nicht eindeutig, dass in dieser Auskunft lediglich Personen enthalten sind, die über einen Telefonanschluss verfügen und zudem einer Eintragung in das Telefonverzeichnis nicht widersprochen haben. Ein derartiger Inhalt der Begriffe ist nach Auffassung der Kammer auch nicht allgemein bekannt.

Die Irreführung ist auch relevant, da für die angebotene Auskunftsleistung die Anzahl der eingetragenen Personen und Gewerbetreibenden ganz maßgebliche Bedeutung hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus Sinn und Zweck der einstweiligen Verfügung.






LG Köln:
Urteil v. 16.08.2005
Az: 33 O 132/05


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