Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Mai 2006
Aktenzeichen: 11 W (pat) 326/02

(BPatG: Beschluss v. 04.05.2006, Az.: 11 W (pat) 326/02)

Tenor

1. Auf den Einspruch wird das Patent DE 100 55 523 widerrufen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird bezüglich der Zulässigkeit des Einspruchs zugelassen.

Gründe

I.

Auf die am 9. November 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das Patent 100 55 523 mit der Bezeichnung "Vorrichtung zur Filtration von und Zugabe von Kornfeinungsmitteln zu Metallschmelzen" erteilt und die Erteilung am 18. April 2002 veröffentlicht worden.

Gegen das Patent ist am 16. Juli 2002 Einspruch erhoben worden.

Die Einsprechende macht geltend, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Sie stützt ihr Vorbringen auf folgende Druckschriften:

(1) The Treatment of Liquid Aluminium-Silicon Alloys, American Foundrymen`s Society, Inc., 1990, S. 244 bis 246

(2) Stranggießen Schmelz - Gießen - Überwachen, Vortragstexte eines Symposiums der Deutschen Gesellschaft für Metallkunde, 1986, S. 57 und 76, 77

(3) An Evaluation of Metal Cleanliness and Grain Refinement of 5182 Aluminium Alloy DC Cast Ingot Using Al-3 % Ti-O.15 % C and Al-3 % Ti-1 % B Grain Refiners, A. J. Whitehead at all, The 128th TMS Annual Meeting & Exhibition, March 1-3, 1999, San Diego, CA, U. S. A., S. 1 bis 7

(4) Metals Handbook. Ninth Edition, Volume 15, Casting, ASM International, U. S. A., 1988, S. 487 bis 493

(5) JP 07 207357 A mit englischer Übersetzung der Zusammenfassung. Die Patentinhaberin hat dazu eine englische Übersetzung der JP 07 207357 A vorgelegt.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das angegriffene Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 10 vom 19. April 2004, eingegangen am 23. April 2004, weiter hilfsweise das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 9 und der Beschreibung Spalte 2 gemäß Hilfsantrag 1 vom 4. Mai 2006, ferner hilfsweise das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 7 und der Beschreibung Spalte 2 gemäß Hilfsantrag 2 vom 4. Mai 2006 sowie jeweils im Übrigen hinsichtlich der Beschreibung und der Zeichnung gemäß Patentschrift beschränkt aufrechtzuerhalten.

Die Patentinhaberin hält den Einspruch für nicht mehr zulässig, nachdem das am 27. April 2005 veröffentlichte, im Wesentlichen gleiche europäische Patent EP 1217084 erteilt worden ist und die Einspruchsfrist ohne Einlegung eines Einspruchs abgelaufen sei.

Der geltende Patentanspruch 1, eingegangen am 23. April 2004, lautet:

1. Vorrichtung zur Filtration von und Zugabe von Kornfeinungsmaterialien zu Metallschmelzen mit einem ersten Filter (10) und einer Zuführung für ein Kornfeinungsmaterial, wobei der erste Filter ein poröses Filtermedium aufweist, die Zuführung für das Kornfeinungsmaterial in Strömungsrichtung hinter dem ersten Filter (10) angeordnet ist, in Strömungsrichtung hinter der Zuführung für das Kornfeinungsmaterial ein zweiter Filter (16) angeordnet ist und der zweite Filter (16) ein poröses Filtermedium aufweist, dadurch gekennzeichnet dass der zweite Filter (16) einen Tiefbettfilter aufweist.

Auf diesen Anspruch 1 sind die Ansprüche 2 bis 9 rückbezogen, die Weiterbildungen der Vorrichtung betreffen. Anspruch 10 betrifft ein Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9.

Der Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag 1 vom 4. Mai 2006 lautet:

1. Vorrichtung zur Filtration von und Zugabe von Kornfeinungsmaterialien zu Metallschmelzen mit einem ersten Filter (10) und einer Zuführung für ein Kornfeinungsmaterial, wobei der erste Filter ein poröses Filtermedium aufweist, die Zuführung für das Kornfeinungsmaterial in Strömungsrichtung hinter dem ersten Filter (10) angeordnet ist, in Strömungsrichtung hinter der Zuführung für das Kornfeinungsmaterial ein zweiter Filter (16) angeordnet ist und der zweite Filter (16) ein poröses Filtermedium aufweist, dadurch gekennzeichnet, dassder zweite Filter (16) einen Tiefbettfilter aufweist und der Tiefbettfilter als Schüttbettfilter ausgebildet ist.

Auf diesen Anspruch 1 sind die Ansprüche 2 bis 9 rückbezogen, die Weiterbildungen der Vorrichtung und ein Verfahren betreffen.

Der Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag 2 vom 4. Mai 2006 lautet:

1. Vorrichtung zur Filtration von und Zugabe von Kornfeinungsmaterialien zu Metallschmelzen mit einem ersten Filter (10) und einer Zuführung für ein Kornfeinungsmaterial, wobei der erste Filter ein poröses Filtermedium aufweist, die Zuführung für das Kornfeinungsmaterial in Strömungsrichtung hinter dem ersten Filter (10) angeordnet ist, in Strömungsrichtung hinter der Zuführung für das Kornfeinungsmaterial ein zweiter Filter (16) angeordnet ist und der zweite Filter (16) ein poröses Filtermedium aufweist, dadurch gekennzeichnet, dassder zweite Filter (16) einen Tiefbettfilter aufweist, wobei der Tiefbettfilter als Schüttbettfilter ausgebildet ist und der erste Filter als ein auf einer Kuchenfiltration basierender Filter ausgebildet ist, wobei der erste Filter (10) eine Platte (11) aus keramischem Schaum aufweist.

Auf diesen Anspruch 1 sind die Ansprüche 2 bis 7 rückbezogen, die Weiterbildungen der Vorrichtung und ein Verfahren betreffen.

Es liegt die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung zur Filtration von und Zugabe von Kornfeinungsmaterialien zu Metallschmelzen anzugeben, die es ermöglicht, mit einfachen Filtersystemen eine hohe Filtereffektivität zu ermöglichen.

II.

1. Der Einspruch ist zulässig.

Der Einspruch ist von seiner Erhebung an gemäß § 59 Abs. 1 PatG statthaft und zulässig gewesen, wie die Patentinhaberin zu Recht nicht in Frage stellt.

Die Ansicht der Patentinhaberin, infolge der mittlerweile eingetretenen Wirkungslosigkeit des angegriffenen deutschen Patents auf Grund des Doppelschutzverbots gemäß Art. II § 8 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG sei der Einspruch gegenstandslos und in der Hauptsache erledigt, somit also unzulässig geworden, trifft jedoch nicht zu (vgl. dazu. BGH GRUR 1994, 439 bis 441 - Sulfonsäurechlorid; Busse/ Keukenschrijver, PatG, 6. Auflage, Art. II § 8 IntPatÜG (S. 1807 ff.) Rdn. 2, 4, 7; Schulte, PatG, 7. Auflage 2005, § 9 Rdn. 82 ff.; Singer/Stauder, EPÜ, 2. Auflage 2000, Art. 139 Rdn. 14). Vielmehr muss weiterhin in der Sache über Aufrechterhaltung oder Widerruf des Patents entschieden werden (§ 61 PatG i. V. m. § 147 Abs. 3 PatG).

Denn der Gegenstand des Einspruchsverfahrens, nämlich der Rechtsbestand des angegriffenen deutschen Patents, wird durch das bestandskräftig erteilte europäische Patent auch insoweit nicht berührt, als es dieselbe Erfindung schützt (vgl. Busse a. a. O. S. 1808 Rdn. 4; BGH a. a. O. S. 440 re. Sp.). Es besteht kein Doppelpatentierungsverbot (vgl. Busse a. a. O. Rdn. 7). Das Doppelschutzverbot führt aber nicht zum Erlöschen des deutschen Patents an sich, sondern lediglich zum Wegfall der Schutzwirkung für die Zukunft, und dies auch nur im Umfang seiner Übereinstimmung mit dem europäischen Patent. Die Regelung in Art. II § 8 IntPatÜG soll sicherstellen, dass der Inhaber eines deutschen und eines gleichrangigen, im Wesentlichen identischen europäischen Patents nur aus dem europäischen Patent Rechte ausüben kann (BGH a. a. O.). Da das deutsche Patent gemäß Art. II § 8 IntPatÜG zwar seine Wirkung verliert, aber rechtlich - anders als etwa im Falle des Verzichts (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG) - noch existiert, kann der Einspruch, der darüber hinaus auf die Vernichtung durch Widerruf abzielt, schon deshalb nicht als gegenstandslos und in der Hauptsache erledigt angesehen werden.

Auch im öffentlichen Interesse muss es grundsätzlich möglich sein, ein formelles Recht mit dem vorgesehenen Rechtsbehelf anzugreifen und aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit löschen zu lassen, wenn die Voraussetzungen für seinen formellen Bestand fortgefallen sind. Die Beendigung des Einspruchsverfahrens gegen das deutsche Patent auf Grund des Doppelschutzverbots widerspräche dem gesetzgeberischen Zweck, in einem kostengünstigen Verfahren die Patentfähigkeit überprüfen und nicht schutzfähige Patente beseitigen zu lassen (vgl. BGH a. a O. S. 441 re. Sp. - Sulfonsäurechlorid).

Außerdem entfällt ein Rechtsschutzinteresse auch deswegen nicht, weil sich der sowohl zeitliche als auch materielle Umfang der Wirkungslosigkeit des deutschen Patents gemäß Art. II § 8 IntPatÜG nicht mit der vollständigen, auf den Zeitpunkt der Anmeldung rückbezogenen Wirkungslosigkeit deckt, die gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 PatG mit dem Widerruf eintritt, den der Einspruch anstrebt. Denn der Verlust der Wirkung des deutschen Patents nach Art. II § 8 Abs. 1 IntPatÜG erfasst gegenständlich nur den Bereich der Erfindung, der mit dem europäischen Patent übereinstimmt, und setzt zeitlich - nach Abs. 1 Nr. 1 und 2 - erst ein, wenn das europäische Patent - wie hier - bis zum Ablauf der Einspruchsfrist nicht angegriffen oder nach Abschluss des Einspruchsverfahrens rechtskräftig aufrechterhalten worden ist.

Im Einspruchsverfahren steht es weder dem Patentamt noch dem Patentgericht zu, Feststellungen zum Schutzbereich des Patents zu treffen (vgl. BGH a. a. O. S. 441 li. Sp.). Aufgabe des Einspruchsverfahrens kann es daher auch nicht sein, die deutsche und europäische Patentschrift einer vergleichenden Analyse zu unterziehen, um einen gegebenenfalls vorhandenen Überschuss des Schutzumfanges des deutschen Patents festzustellen. Aber selbst dann, wenn die deutsche und europäische Patentschrift offensichtlich identisch sein sollte, wie es hier trotz der Abweichungen im Wortlaut inhaltlich der Fall sein mag, lässt sich nach Ansicht des Senats ein berechtigtes - auch öffentliches - Interesse an der Sachentscheidung nicht ausschließen (offen gelassen in BGH a. a. O. S. 441 li. Sp. u. - Sulfonsäurechlorid). Es bleiben nämlich erhebliche Zeiträume vom Tag der Offenlegung bis zum Tag der Veröffentlichung der Patenterteilung sowie von da an bis - im vorliegenden Falle - zum Ablauf der Einspruchsfrist des europäischen Patents, in denen die rechtlichen Wirkungen der Anmeldung und nachfolgend des deutschen Patents bestanden, die noch geltend gemacht werden können (§ 33, §§ 9, 10 i. V. m. § 58 Abs. 1 PatG).

Das prozessuale Verhalten der Patentinhaberin spricht auch eindeutig dafür, dass sie trotz des Eintritts der Wirkungslosigkeit gemäß Art. II § 8 Abs. 1 IntPatÜG und des Ausschlusses des Wiederauflebens gemäß Art. II § 8 Abs. 2 IntPatÜG Rechte aus dem angegriffenen deutschen Patent beanspruchen will. Denn sonst wäre es nicht verständlich, weshalb die Patentinhaberin nicht auf das deutsche Patent verzichtet, sondern es sogar noch bis zum Ende der mündlichen Verhandlung verteidigt hat.

2. Der Einspruch ist auch begründet.

2.1 Hilfsweise beantragt die Patentinhaberin die Aufrechterhaltung mit den Patentansprüchen 1 bis 9 vom 19. April 2004, eingegangen am 23. April 2004.

Die Ansprüche sind formal zulässig.

Der Anspruch 1 leitet sich her aus den ursprünglichen Ansprüchen 1, 7 und 8 bzw. den erteilten Ansprüchen 1, 8 und 9. Die übrigen Ansprüche entsprechen bis auf ihre angepassten Ordnungszahlen im Inhalt sowohl den ursprünglichen als auch den erteilten Ansprüchen, wobei in dem letzten Anspruch, der ein Verfahren betrifft, gegenüber der ursprünglichen und der erteilten Fassung die fakultative Bezugnahme durch Streichung des Wortes "insbesondere" zur zwingenden Bezugnahme auf die vorangehenden Ansprüche wurde.

Der Gegenstand nach dem geltenden Anspruch 1 ist zwar neu, aber mangels erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig.

Fachmann ist ein Ingenieur des Maschinenbaus mit mindestens Fachhochschulabschluss, der besondere Kenntnisse in der Konstruktion und dem Betrieb von Filtereinrichtungen für Metallschmelzen und den zugehörigen Filtern besitzt.

Zum Fachwissen des hier maßgeblichen Fachmanns gehört auch der Inhalt des Fachbuches (4). Unter der Überschrift "Metallschmelzenfiltration" auf S. 487 ff. sind auf S. 488 mögliche Einschlüsse in Metallschmelzen erwähnt wie Oxide, Carbide, Nitride, intermetallische Verbundausscheidungen usw., die herausgefiltert werden sollen, darunter auch zugesetzte Kornfeinungsmaterialien; vergl. S. 488 mittlere Spalte. Danach werden die Filtrationsmethoden erwähnt, darunter die Abscheidung an Filteroberflächen sowie die Bettfiltration. Auf S. 489 ff. werden dann die Filter-Typen genannt und in Fig. 86, S. 490 die Effektivitäten von Keramikfiltern und Bettfiltern gegenüber gestellt, wonach die Bettfilter-Effektivität stets deutlich besser ist.

Aus Fig. 84, S. 489 ist in Übereinstimmung mit dem geltenden Anspruch 1 eine Vorrichtung zur Filtration von Metallschmelzen mit einem ersten Filter und in Strömungsrichtung dahinter einem zweiten Filter als Bettfilter bekannt, wobei der erste und der zweite Filter je ein poröses Filtermedium aufweisen. In diesem Beispiel sind beide Filter Tiefbettfilter, denen nach S. 490, "bed filters" mittlere Spalte, höchste Filter-Effektivität zugeschrieben wird. Obwohl nach (4) hinsichtlich der Metallschmelzenfiltration vor dem Gießen in S. 488 mittlere Spalte auch Einschlüsse durch Kornfeinungszusätze genannt sind, ist die Kornfeinungsmaterialzuführung im Beispiel nach Fig. 84, S. 489 nicht explizit dargestellt.

Aus der Entgegenhaltung (5) mit Patentabstrakt in englischer Fassung - im Einspruchsverfahren ist auch eine englische Übersetzung der JP 07 207357 A vorgelegt worden - ist als technische Lehre nach deren Anspruch 1 bekannt, die Zuführung für ein Kornfeinungsmaterial in Strömungsrichtung zwischen zwei hintereinander angeordneten porösen Filtern vorzunehmen, also die Zuführung für das Kornfeinungsmaterial in Strömungsrichtung hinter dem ersten Filter anzuordnen und in Strömungsrichtung hinter der Zuführung für das Kornfeinungsmaterial einen zweiten Filter anzuordnen.

Dieser vorbekannten Lehre folgt und gehorcht auch der Gegenstand und das Verfahren nach den geltenden Ansprüchen 1 und 10 vom 19. April 2004 des Streitpatents.

Diese naheliegende Nacharbeitung der sich aus den beiden Schriften (4) und (5) ergebenden Lehre zur Metallschmelzenfilterung durch Verwendung zweier Bettfilter einerseits und zur Kornfeinungsmaterialzugabe zwischen den beiden Filtern andererseits durch das Streitpatent beruht für den Fachmann nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Demgegenüber können die Argumente der Patentinhaberin nicht durchgreifen. Sie macht u. a. geltend, dass bekanntermaßen Plattenfilter kostengünstiger seien und der Fachmann sie deshalb vorziehen würde. So lehre auch die Entgegenhaltung (5) in Anspruch 4 als ersten porösen Filter einen Patronen- bzw. Röhrenfilter und als zweiten porösen Filter einen Plattenfilter zu verwenden, was der Fachmann aufgreife und ausführe. Das widerspreche aber der Lehre des Streitpatents, so dass diese nicht nahegelegt sei und auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Sie beruhe vielmehr auf der überraschenden neuen Erkenntnis, dass die Filtereffektivität durch die beanspruchte Anordnung in überraschender Weise gesteigert werden. Poröses Filtermedium wie nach Anspruch 4 von (5) bewirke Kuchenbildung und reagiere hinsichtlich der Filtereffektivität empfindlich auf die Zugabe von Kornfeinungsmaterial, so dass die Lehre von (5) zu geringer Filtereffektivität führe. Die Anordnung nach (4) mit zwei Schüttbettfiltern verursache hohe Kosten und sei daher für den Fachmann nicht nahegelegt. Außerdem betreffe sie keine Zuführung von Kornfeinungsmaterial. Erst mit dem Streitpatent sei die Erkenntnis hoher Filtereffektivität verwirklicht trotz Zugabe von Kornfeinungsmaterial und mit einer preisgekrönten Filterkombination.

Diese Argumente können nicht überzeugen.

Dem Fachmann sind die Eigenschaften und Parameter von Platten-, Patronen- und Bettfilter hinreichend bekannt, wie Kosten und Filtereffektivität. Er hat somit stets diesbezüglich eine Auswahl nach seinen Bedürfnissen zu treffen und sofern notwendig durch einfache Routinevergleichsversuche zu optimieren. Vorliegend führt aber bereits die einfache und naheliegende Zusammenschau von (4) und (5) zur Lehre nach den geltenden Ansprüchen 1 und 10 des Streitpatents. Der Fachmann folgt daher auch nicht ohne weiteres dem Anspruch 4 von (5), weil ihm dabei zwar der Preisvorteil, aber auch eine verminderte Filtereffektivität z. B. nach Fig. 86, S. 490 von (4) bekannt sind. Will er hohe Filtereffektivität, greift er gemäß (4) zu Tiefbettfiltern. Auch die Verwendung von zwei Tiefbettfiltern schließt der angefochtene Anspruch 1 nicht aus.

Die Ansprüche 1 und 10 sind somit mangels Patentfähigkeit ihrer Gegenstände nicht bestandsfähig.

Die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 9 fallen schon formal mit dem Hauptanspruch und enthalten auch nichts selbständig Erfinderisches. Dies ist so auch nicht geltend gemacht worden.

2.2 Die Patentinhaberin beantragt weiter hilfsweise die Aufrechterhaltung mit den Patentansprüchen 1 bis 9 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrag 1.

Diese Ansprüche sind formal zulässig.

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 leitet sich wie der geltende Anspruch 1 vom 19. April 2004 her aus den ursprünglichen Ansprüchen 1, 7 und 8 bzw. den erteilten Ansprüchen 1, 8 und 9, ergänzt durch die zusätzliche Festlegung, dass der Tiefbettfilter als Schüttbettfilter ausgebildet ist, wie das im ursprünglichen Anspruch 9 bzw. im erteilten Anspruch 10 zu finden war. Die übrigen Ansprüche entsprechen bis auf ihre angepassten Ordnungszahlen im Inhalt sowohl den ursprünglichen als auch den erteilten Ansprüchen, wobei - wie oben bereits ausgeführt - im letzten ein Verfahren betreffender Anspruch gegenüber der ursprünglichen und der erteilten Fassung die fakultative Bezugnahme durch Streichung des Wortes "insbesondere" zur zwingenden Bezugnahme auf die vorangehenden Ansprüche wurde.

Der Gegenstand nach dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist zwar neu, aber mangels erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig.

Für den Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 gelten die vorstehend zum Anspruch 1 vom 19. April 2004 genannten Gründe mangelnder erfinderischer Tätigkeit bereits soweit der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 mit diesem übereinstimmt. Einziger Unterschied ist nach dem Hilfsantrag 1 die weitergehende beschränkende Festlegung, dass der Tiefbettfilter nun ein Schüttbettfilter ist. Bekanntermaßen ist diese Art Tiefbettfilter aufwendiger, größer und teurer gegenüber anderen Filtertypen, bietet dafür aber bekanntermaßen hohe Filtereffektivität und hohe Schmelzenreinheit sowie längere Nutzungsdauer durch höhere Filterkapazität.

Es liegt damit im Ermessen des Fachmanns nach den ihm vorgegebenen Bedingungen des Schmelzenmetalls, dessen Verunreinigungen nach Art, Größe und Menge sowie den Vorgaben für den abzugießenden Werkstoff und das herzustellende Gussprodukt hinsichtlich Qualität, Gleichförmigkeit und Reinheit einerseits und den Kosten andererseits, aus den bekannten Arten von Tiefbettfiltern den dafür am besten geeigneten Typ auszuwählen. Dabei ist die Verwendung von Schüttbettfiltern für gute Schmelzenqualität bekannt und durchaus üblich, wie beispielsweise aus § 76 der Veröffentlichung (2) hervorgeht, wonach sogar zwei teure Schüttbettfilter für hohe Metallqualität hintereinander angeordnet sind.

Das Fehlen einer Kornfeinungsmaterialzugabe nach (2) ist dabei entgegen der Ansicht der Patentinhaberin nicht entscheidend für die Wahl eines Schüttbettfilters als geeigneten Tiefbettfilter zum Erreichen hoher Schmelzen- und Produktqualität, weil sowohl die zulaufende Schmelze als auch das Kornfeinungsmaterial stets vielfältige heraus zu filternde Verunreinigungen mit sich bringen können. Die bloße Auswahl des an sich bekannten Schüttbettfilters als Tiefbettfilter nach dem Hilfsantrag 1 begründet daher auch in Verbindung mit den übrigen Merkmalen des Anspruchs 1 bzw. 9 keine erfinderische Tätigkeit.

Die Ansprüche 1 und 9 nach dem Hilfsantrag sind somit nicht bestandsfähig.

Die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 8 fallen auch hier formal mit dem Hauptanspruch und enthalten ebenfalls nichts selbständig erfinderisches, wie bereits vorstehend festgestellt wurde. Dies ist auch nicht vorgetragen worden.

2.3 Schließlich beantragt die Patentinhaberin weiter hilfsweise die Aufrechterhaltung mit den Patentansprüchen 1 bis 7 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrag 2.

Die Ansprüche sind formal zulässig.

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 leitet sich wie der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 7 bis 9 bzw. den erteilten Ansprüchen 1 und 8 bis 10 her, ergänzt durch die zusätzliche Festlegung, dass der erste Filter als ein auf einer Kuchenfiltration basierender Filter ausgebildet ist, wobei der erste Filter eine Platte aus keramischem Schaum aufweist, wie das in den ursprünglichen und den erteilten Ansprüchen 2 und 3 festgelegt war.

Die übrigen Ansprüche entsprechen bis auf ihre angepassten Ordnungszahlen im Inhalt sowohl den ursprünglichen als auch den erteilten Ansprüchen, wobei auch hier im letzten, ein Verfahren betreffenden Anspruch gegenüber der ursprünglichen und der erteilten Fassung die fakultative Bezugnahme durch Streichung des Wortes "insbesondere" zu einer zwingenden Bezugnahme auf die vorangehenden Ansprüche wurde.

Der Gegenstand nach dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist zwar neu, aber mangels erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik ebenfalls nicht patentfähig.

Für den Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 gelten die vorstehend zum Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 genannten Gründe mangelnder erfinderischer Tätigkeit bereits soweit der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 mit dem des Hilfsantrages 1 übereinstimmt. Der einzige Unterschied ist nach dem Hilfsantrag 2 die weitergehende beschränkende Festlegung jetzt für den ersten porösen Filter, wonach der als ein auf einer Kuchenfiltration basierender Filter ausgebildet ist und der erste Filter eine Platte aus keramischem Schaum aufweist.

In den Ansprüchen 1 vom 19. April 2004 und nach dem Hilfsantrag 1 ist speziell der zweite Filter festgelegt worden als Tiefbett- und dann als Schüttbettfilter.

Nach Hilfsantrag 2 erfolgt nun für den ersten Filter eine Festlegung der Filter als Keramikschaumplattenfilter mit Kuchenfiltration.

Dass Platten- und Patronen- bzw. Röhrenfilter auf Kuchenfiltration basieren, ist der einschlägigen Fachwelt allgemein bekannt, so dass der Hilfsantrag 2 speziell die beschränkende Festlegung der Bauart des ersten Filters gegenüber den vorangehenden Anträgen enthält und sich dadurch unterscheidet, dass der erste Filter nun als Keramikschaumplattenfilter festgelegt ist. Dieser Filtertyp ist für Metallschmelzen bekannt und nach (4), S. 490 am Ende der rechten Spalte der meistbenutzte Filtertyp für Nichteisenguss. Er ist, wie auch die Patentinhaberin in ihrer Beschreibungseinleitung erwähnt, schon ganz allgemein als besonders preiswert und Platz sparend bei der Metallschmelzenfiltration bekannt.

Bei Tandemfiltersystemen bestimmt bekanntermaßen in erster Linie und überwiegend der zweite, selbstverständlich als feinerer Filter letztlich die Filtereffektivität und Schmelzenqualität, zumal bei Zugabe von Kornfeinungsmaterial zwischen den beiden Tandemfiltern. Deshalb wurde im Streitpatent als zweiter Filter in nahe liegender Weise - wie dargelegt - ein spezieller Tiefbettfilter für hohe Filtereffektivität gewählt, der auch gute Schmelzenqualität verspricht, jedoch aufwendig, groß und teuer ist. Will man gegenüber dem z. B. aus (4) bekannten Tandembettfiltersystem zu einem preiswerteren Tandemfiltersystem kommen, ist es offensichtlich für die Filtereffektivität und -qualität besser, nur für den ersten Filter eine preiswertere Filterart zu wählen wie beispielsweise den üblichen, als kostengünstig bekannten Keramikschaumplattenfilter.

Diese Wahl eines Keramikschaumplattenfilters für den ersten der beiden hintereinander geschalteten Tandemfilter geht aufgrund der bekannten, vorstehend genannten Auswahlkriterien über eine einfache übliche, im Ermessen des Fachmanns liegende Auswahlmaßnahme nicht hinaus. Eine erfinderische Tätigkeit ist damit, auch in Verbindung mit den übrigen Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 nicht verbunden, zumal dem Fachmann bei Zweifeln Routineversuche als übliche Hilfsmittel zur Abklärung seiner Auswahl zu Verfügung stehen.

Der Hinweis der Patentinhaberin, die Entgegenhaltung (2) offenbare eine Hintereinanderschaltung von Schüttbettfilter und Schaumkeramikfilter ohne die Zugabe von Kornfeinungsmaterial, vermag an den dargelegten Sachverhalten und Bewertungsgründen nichts zu ändern, weil auch das Kornfeinungsmaterial zu Schmelzenverunreinigungen vielfältiger Art und Größe führt, die es gilt mit herauszufiltern.

Nach alledem ist der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 mangels erfinderischer Tätigkeit nicht bestandsfähig, was auch für den Verfahrensanspruch 7 und rein formal auch für die Unteransprüche 2 bis 5 gilt.

Das Patent ist somit zu widerrufen.

III.

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit des Einspruchs gemäß § 100 i. V. m. § 147 Abs. 3 Satz 5 PatG zugelassen, weil der Bundesgerichtshof die Zulässigkeit des Einspruchs im Falle der Übereinstimmung des deutschen und europäischen Patents in seiner Entscheidung vom 22. Februar 1994 (GRUR 1994, 439, 441 - Sulfonsäurechlorid) hat dahinstehen lassen, wenn ein schutzwürdiges Interesse an einer Überprüfung der Schutzwirkungen des deutschen Patents nicht erkennbar ist.






BPatG:
Beschluss v. 04.05.2006
Az: 11 W (pat) 326/02


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