Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Juli 2006
Aktenzeichen: 5 W (pat) 3/06

(BPatG: Beschluss v. 04.07.2006, Az.: 5 W (pat) 3/06)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Juni 2005 abgeändert. Die der Anmelderin zu erstattenden Kosten werden auf 2.793,98 € festgesetzt.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

I.

Die Antragstellerin hat ein Löschungsverfahren gegen das Gebrauchsmuster 299 10 039 betrieben, das durch Beschluss des 5. Senats des Bundespatentgerichts vom 2. Juni 2004 gelöscht wurde. Die Verfahrenskosten beider Rechtszüge wurden der Antragsgegnerin und der Nebenintervenientin je zur Hälfte auferlegt. Nach Rechtskraft des Beschlusses hat die Antragstellerin beim Deutschen Patent- und Markenamt beantragt, die Kosten für das patentamtliche Löschungsverfahren nach der BRAGO auf der Basis eines Gegenstandswerts von 639.114,85 € auf 14.437,18 € festzusetzen. Hierin enthalten sind je eine Verhandlungs- und eine Vertretungsgebühr für die Vertretung gegenüber der Gebrauchsmusterinhaberin und gegenüber der Nebenintervenientin. Die Antragsgegnerin sowie die Nebenintervenientin sind dem Festsetzungsantrag mit der Auffassung entgegen getreten, dass die BRAGO im Löschungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt nicht anwendbar und der geltend gemachte Betrag überhöht sei.

Mit Beschluss vom 20. Juni 2005 hat die Gebrauchsmusterabteilung I die erstattungsfähigen Kosten auf 2.661,98 € festgesetzt und den weitergehenden Antrag zurückgewiesen. Anerkannt wurden die tarifmäßige Antragsgebühr, die Verfahrens- und die Verhandlungsgebühr auf der Grundlage der PAGO in Höhe von je 1.007,25 € sowie Auslagen für Fotokopien, Porto- und Telefongebühren, Reisekosten sowie das Abwesenheitsgeld gem. § 28 BRAGO. Abgesetzt wurden die geltend gemachten jeweils zweiten Verhandlungsgebühren mangels Rechtsgrundlage, da auch § 6 BRAGO eine Erhöhung der Gebühren (nur um 3/10) nur bei mehreren Auftraggebern, nicht bei mehreren Verfahrensgegnern vorsehe. Weiterhin wurde bei den Gebühren die Differenz von zweimal 2.438,75 € zwischen den nach der BRAGO geltend gemachten Gebühren in Höhe von jeweils 3.466,00 € zu der Verfahrens- und der Verhandlungsgebühr von je 1.007,25 € abgesetzt und die Differenz zwischen den ursprünglich geltend gemachten Kosten für 118 Kopien und den tatsächlich angefallenen 80 Kopien.

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Antragstellerin zunächst unbeschränkt Beschwerde eingelegt. Nach einem Hinweis des Senats beantragt sie nunmehr - ausgehend von einem Gegenstandswert von 120.000,00 € - die erstattungsfähigen Kosten auf 3.509,48 € festzusetzen, wobei sie neben der amtlichen Gebühr und Auslagen in Höhe von zusammen 647,08 € eine 10/10 Verfahrensgebühr und eine 10/10 Verhandlungsgebühr gem. § 118 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BRAGO von jeweils 1.431,00 € geltend macht. Sie ist der Auffassung, dass der Ansatz einer vollen Gebühr gerechtfertigt sei, da das Löschungsverfahren schwierige Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen habe, insbesondere habe das Risiko erheblicher Schadensersatzansprüche berücksichtigt werden müssen.

Weiterhin beantragt sie, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen, da das Deutsche Patent- und Markenamt die PAGO angewendet habe, die aber nach der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts nicht mehr geltende Rechtsgrundlage sei.

Die Nebenintervenientin hält nur eine 8/10 Gebühr für angemessen, da die Beschwerdeführerin keine Ausführungen zum Schwierigkeitsgrad, zur Bedeutung der Sache und zu den finanziellen Verhältnisse des Auftraggebers gemacht habe.

Die Antragsgegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber überwiegend nicht begründet. Ein Anlass, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen, besteht nicht.

1. Die Gebühren für die patentanwaltliche Tätigkeit berechnen sich auch im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren vor der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts nach den für Rechtsanwälte gültigen Vorschriften. Die Antragstellerin hat sich in ihrem Kostenfestsetzungsantrag bezüglich der zu erstattenden Vertretergebühren zu Recht auf die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) gestützt.

In der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts ist die Anwendung der BRAGO für die patentanwaltliche Tätigkeit in patentamtlichen Verfahren für das Markenlöschungsverfahren anerkannt (vgl. 27 W (pat) 68/02 und 27 W (pat) 263/03). Der Senat schließt sich der dortigen Begründung an, wonach es nicht gerechtfertigt ist, im Markenbeschwerdeverfahren die patentanwaltlichen Gebühren nach der BRAGO abzurechnen, wie es seit der Entscheidung des 29. Senats vom 2. Dezember 1998 (BPatGE 41, 6) Spruchpraxis ist, im amtlichen Verfahren jedoch auf Grundlage der Patentanwaltsgebührenordnung, was zu teilweise erheblich höheren Gebühren führt (vgl. auch Senatsbeschluss vom 23. Februar 2006 - 5 W (pat) 5/06). Die in den genannten markenrechtlichen Entscheidungen angeführten Argumente sind auch für das Gebrauchsmusterlöschungsverfahren tragfähig. Hier wie dort ist zunächst für das gerichtliche Verfahren die Abrechnung nach der BRAGO eingeführt worden (5 W (pat) 433/04 bzw. BPatGE 41, 6), so dass eine kostenrechtliche Gleichbehandlung des amtlichen Löschungsverfahrens mit dem Löschungsbeschwerdeverfahren veranlasst ist. Angesichts der Vergleichbarkeit der Berufsstände des Rechtsanwalts und des Patentanwalts ist auch eine gebührenrechtliche Gleichstellung geboten. Es ist weder im Marken- noch im Gebrauchsmusterverfahren angemessen, einem Patentanwalt für seine Tätigkeit im patentamtlichen Verfahren höhere Gebühren (auf Grundlage der Patentanwaltsgebührenordnung) zuzusprechen, als ein damit befasster Rechtsanwalt sie nach der BRAGO trotz vergleichbarer Leistung geltend machen kann. Die Anwendung derselben Gebührensätze steht im Einklang mit der in § 140 Abs. 3 MarkenG, § 143 Abs. 3 PatG, § 27 Abs. 3 GebrMG, zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Absicht der Gleichstellung von Patent- und Rechtsanwälten im Rahmen der Kostenerstattung in Verletzungsstreitigkeiten.

Der 10. Senat hat zwar in seiner Entscheidung vom 24. Juni 2002 (BPatGE 45, 166) die Anwendung der BRAGO im patentamtlichen Gebrauchsmusterlöschungsverfahren abgelehnt und ausgeführt, dass die Erwägungen, die in den erstinstanzlichen Patentnichtigkeitsverfahren zur Anwendung der BRAGO als Berechnungsgrundlage für die Gebühren eines Patentanwalts geführt hätten, sich in Ermangelung eines der BRAGO vergleichbaren Streitwertsystems nicht auf das Gebrauchsmusterlöschungsverfahren vor dem Amt übertragen ließen. Auch habe sich die Abrechnungspraxis der Patentanwälte in Gebrauchsmusterlöschungsverfahren erster und zweiter Instanz offensichtlich nicht geändert. Dafür spreche die eingeholte Stellungnahme der Patentanwaltskammer vom 8. Mai 2001, die vom System der Teuerungszuschläge ausgehe. An dieser Auffassung hat der 10. Senat in seiner Entscheidung vom 17. November 2005 (10 W (pat) 46/04) in Kenntnis der o. g. Entscheidung des 27. Senats (27 W (pat) 263/03) festgehalten. Allerdings hat er in den Raum gestellt, dass einiges dafür spreche, das Inkrafttreten des RVG zum Anlass zu nehmen, aus Gründen des Gebots der Gleichbehandlung auch für Patentanwälte in patentamtlichen Gebrauchsmusterlöschungsverfahren eine Berechnung nach dem RVG vorzunehmen.

Soweit in der Entscheidung des 10. Senats vom 24. Juni 2002 die BRAGO als Berechnungsgrundlage mit der Begründung eines fehlenden Streitwertsystems im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren abgelehnt wird, vermag dies letztlich nicht zu überzeugen, weil bei Tätigkeit eines Rechtsanwalts im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren auch nach dem Gegenstandswert abgerechnet werden muss. Soweit auf die Abrechnungspraxis der Patentanwälte abgestellt wird, sind außer der angeführten Stellungnahme der Patentanwaltskammer vom 8. Mai 2001 keine weiteren Angaben ersichtlich, auf die sich die Entscheidung stützt. Angesichts des Zeitablaufs von nahezu 5 Jahren und der inzwischen geänderten Praxis des Bundespatentgerichts zur Abrechnung im Gebrauchsmusterbeschwerdeverfahren kann nicht davon ausgegangen werden, dass nach wie vor überwiegend nach der Patentanwaltsgebührenordnung abgerechnet wird. Dies lässt sich beispielsweise auch dem Beschluss vom 17. November 2005 im Verfahren 10 W (pat) 46/04 entnehmen, in dem der Patentanwalt für das amtliche Löschungsverfahren nach der BRAGO abgerechnet hat.

Die besseren Argumente sprechen somit dafür, in Abkehr von der bisherigen Praxis auch im amtlichen Gebrauchsmusterlöschungsverfahren die Patentanwaltsgebühren nach der BRAGO zu bestimmen.

2. Nach der Übergangsregelung des § 61 Abs. 1 RVG bemisst sich im vorliegenden Fall für das patentamtliche Löschungsverfahren die Vergütung nach den Vorschriften der BRAGO, da der unbedingte Auftrag zur Erledigung der Angelegenheit vor dem 1. Juli 2004 erteilt wurde, wie sich aus dem Löschungsantrag vom 8. Januar 2001 ergibt.

2.1. Da es sich beim Löschungsverfahren vor der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts nicht um ein gerichtliches Verfahren handelt, bestimmen sich die Gebühren des Patentanwalts nicht nach dem 3. bis 11. Abschnitt der BRAGO, also insbesondere nicht nach § 31 BRAGO, sondern nach § 118 i. V. m. § 12 Abs. 1 BRAGO. Danach kann die Beschwerdeführerin für ihren Patentanwalt eine Geschäftsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO und eine Besprechungsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO beanspruchen.

Diese Gebühr bewegt sich nach § 118 Abs. 1 S. 1 BRAGO zwischen einer 5/10- und einer 10/10-Gebühr, ist also eine Rahmengebühr im Sinne von § 12 BRAGO. Sie wird durch den Anwalt unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen bestimmt, § 12 Abs. 1 BRAGO. Eine derartige Bestimmung unter Berücksichtigung der im Gesetz genannten Kriterien, nämlich der Bedeutung der Angelegenheit, ihres Umfangs und ihrer Schwierigkeit und den Vermögens- und Einkommensverhältnissen hat vorliegend nicht stattgefunden, worauf die Nebenintervenientin zu Recht hinweist.

Soweit die Antragstellerin für die Höhe von 10/10-Gebühren darauf hinweist, dass das Löschungsverfahren mit schwierigen Sach- und Rechtsfragen beschäftigt war und das Risiko abgeschätzt werden musste, aus dem Gebrauchsmuster in erheblichem Umfang in Anspruch genommen zu werden, ist dieser pauschale Vortrag zu unsubstantiiert, um die volle Gebühr zu rechtfertigen. Es ist weder vorgetragen noch aufgrund der Aktenlage erkennbar, inwieweit sich vorliegend die patentanwaltliche Tätigkeit von der in derartigen Gebrauchsmusterlöschungsverfahren üblichen unterscheidet (vgl. Hartmann, Kostengesetze 26. Aufl. 1995, § 12 BRAGO, Rn. 5, 6; ders. Kostengesetze 34. Aufl. 2004, § 14 RVG, Rn. 3, 4).

Auszugehen ist daher vom Mittelwert (vgl. Hartmann a. a. O., § 12, Rn. 13 und § 14, Rn. 14), also von 7,5/10. Soweit Bühring, GbmG, 6. Aufl. 2002, § 17 Rn. 126, davon ausgeht, dass der Anwalt in einem Gebrauchmusterlöschungsverfahren 8/10-Gebühren beanspruchen kann, ist diese nicht näher begründete Ansicht durch die in Bezug genommene BGH-Entscheidung GRUR 1965, 621 ff. - Patentanwaltskosten nicht gedeckt. Dort wird vom BGH lediglich die vorangegangene Entscheidung des BPatG referiert, wonach der 5. Senat es im dortigen Verfahren als der Billigkeit entsprechend angesehen hatte, dem Anwalt 8/10 der vollen Gebühr zuzuerkennen und sich im Übrigen nicht weiter mit dem Gebührensansatz befasst.

2.2. Die Gebührenhöhe richtet sich nach dem Gegenstandswert des Löschungsverfahrens, § 8 BRAGO. Dieser ist vorliegend entsprechend den Ausführungen der Antragstellerin wie im Parallelverfahren mit 120.000,00 € anzusetzen. Bei diesem Gegenstandswert beträgt eine 7,5/10-Gebühr 1.073,25 €, so dass - nachdem die weiter geltend gemachte Antragsgebühr sowie die Kosten für Fotokopien, die Porto- und Telefongebühren, die Reisekosten des Vertreters zur mündlichen Verhandlung und das Abwesenheitsgeld im angefochtenen Beschluss in der beantragten Höhe zuerkannt worden und damit nicht Gegenstand der Beschwerde waren - sich der Betrag der der Antragstellerin zu erstattenden Kosten von 2.661,98 € auf 2.793,98 €

erhöht.

Im Übrigen, also in Höhe der Differenz zu den jeweiligen 10/10 Gebühren, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

2.3. In ihrer Beschwerdebegründung vom 20. April 2006 hat die Antragstellerin die weiteren, von der Gebrauchsmusterabteilung zu Recht nicht anerkannten jeweils zweiten Gebühren in Höhe von zusammen 6.892,00 € nicht mehr geltend gemacht, ebenso nicht mehr die sich aus dem ursprünglich zugrunde gelegten höheren Gegenstandswert von 639.114,00 € ergebenden Differenzbeträge. Hierüber war daher nicht mehr zu entscheiden, insoweit hat die Anmelderin ihre Beschwerde in zulässiger Weise zurückgenommen.

3. Billigkeitsgründe, die eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr nach § 18 Abs. 2 GebrMG i. V. m. § 80 Abs. 3 PatG rechtfertigen würden, bestehen nicht. Hierfür müssten gravierende Umstände vorliegen, beispielsweise eine vollkommen neben der Sache liegende Begründung oder Verfahrensfehler im patentamtlichen Verfahren, auf Grund derer es unbillig erschiene, den Betroffenen mit der Gebühr zu belasten (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl. 2003 Rn. 58 ff. zu § 71). Dies ist hier nicht der Fall. Insbesondere lag die Senatsentscheidung vom 23. Februar 2006 - 5 W (pat) 5/06, mit der über die Anwendbarkeit der BRAGO für die Gebühren eines Patentanwalts auch im patentamtlichen Gebrauchsmusterlöschungsverfahren entschieden wurde, bei Beschlussfassung der Gebrauchsmusterabteilung am 20. Juni 2005 noch nicht vor.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG und i. V. m. §§ 92 Abs. 1, Abs. 2, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Antragstellerin hat mit ihrer Beschwerde den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle zunächst in vollem Umfang angegriffen und erst nach dem Hinweis des Gerichts vom 12. April 2006 ihre Forderung reduziert. Der Umfang des Obsiegens der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren in Höhe von 132,00 € ist gegenüber dem ursprünglichen Betrag von 11.775,20 € mit etwas über einem Prozent so gering, dass es unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht gerechtfertigt ist, die Beschwerdegegner mit Kosten zu belasten (§ 84 Abs. 2 S. 1 PatG).






BPatG:
Beschluss v. 04.07.2006
Az: 5 W (pat) 3/06


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