Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Dezember 2004
Aktenzeichen: 23 W (pat) 315/03

(BPatG: Beschluss v. 16.12.2004, Az.: 23 W (pat) 315/03)

Tenor

Das Patent wird mit der Maßgabe beschränkt aufrechterhalten, daß der im Patentanspruch 1 zwei Mal vorkommende Begriff "Form" durch den Begriff "Spritzgießform" ersetzt wird.

Gründe

I Das angegriffene Patent 101 63 117 (Streitpatent) wurde mit der Bezeichnung "Verfahren zum Herstellen von lichtleitenden LED-Körpern in zwei zeitlich getrennten Stufen" am 24. Dezember 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Unter Berücksichtigung des im Prüfungsverfahren ermittelten Standes der Technik gemäß

1) japanische Offenlegungsschrift 1-69020 unddes vom Anmelder selbst genannten Standes der Technik gemäß

2) europäische Offenlegungsschrift 0 635 744 wurde das Patent mit Beschluß vom 19. August 2002 erteilt und dessen Erteilung am 16. Januar 2003 veröffentlicht.

Die Firma O... GmbH in R... hat mit ihrem Schriftsatz vom 16. April 2003, am gleichen Tag beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen, gegen das Patent Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, da das Verfahren gemäß den Patentansprüchen 1 bis 8 nicht neu sei bzw. nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Dabei stützt sie sich auf weiteren Stand der Technik gemäß

E1 US-Patentschrift 3 875 456, E2 US-Patentschrift 4 032 936, E3 europäische Offenlegungsschrift 0 854 523, E4 PCT-Offenlegungsschrift WO 99/31737 A2, E5 US-Patentschrift 4 152 624, E6 US-Patentschrift 4 560 901 und E7 US-Patentschrift 3 739 241.

In der mündlichen Verhandlung vertritt die Einsprechende die Auffassung, daß das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 sich in naheliegender Weise aus den Entgegenhaltungen E1, E2 und E5 bis E7 ergäbe.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

In der mündlichen Verhandlung verteidigt die Patentinhaberin ihr Patent in einer dadurch beschränkten Fassung, daß in dem erteilten Patentanspruch 1 der Begriff "Form" durch den Begriff "Spritzgießform" ersetzt wird.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit der Maßgabe beschränkt aufrechtzuerhalten, daß im Patentanspruch 1 der Begriff "Form" durch den Begriff "Spritzgießform" ersetzt wird.

Demnach hat der geltende Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut:

" Verfahren zum Herstellen von lichtleitenden LED-Körpern (10, 70) aus einem vor dem endgültigen Erstarren fließfähigen Werkstoff (33, 53), in einer Spritzgießform,

- wobei der einzelne LED-Körper (10, 70) mindestens einen lichtemittierenden Chip (6) und mindestens zwei elektrische - mit dem Chip (6) verbundene - Anschlüsse (1, 4) umfasst,

- wobei mindestens ein fließfähiger Werkstoff (33, 53) über wenigstens zwei verschiedene Stellen (31, 32, 51) in die Spritzgießform zueinander zeitlich versetzt eingebracht wird,

- wobei die erste Einbringung des fließfähigen Werkstoffes (53) zum Umströmen des Chips (6) und der Anschlüsse (1, 4) in diesem Bereich (42, 43) erfolgt, und - wobei die weiteren Einbringungen eines oder mehrerer fließfähiger Werkstoffe (33) in Bereichen erfolgen, die außerhalb des Chip- und Anschlußbereichs (42, 43) liegen."

Zu den Unteransprüchen 2 bis 8 und bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II 1) Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung in dieser Einspruchssache ergibt sich aus dem § 147 Abs 3 Nr 1 PatG. Abweichend vom § 61 Abs 1 Satz 1 entscheidet über den Einspruch nach § 59 PatG der (technische) Beschwerdesenat, wenn die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 beginnt und der Einspruch vor dem 1. Januar 2005 eingelegt worden ist.

Dies ist vorliegend der Fall, weil die Einspruchsfrist am 16. Januar 2003 begann und der Einspruch am 16. April 2003 eingelegt wurde.

III Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig, jedoch insoweit unbegründet, als nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung das Verfahren gemäß dem geltenden, beschränkten Patentanspruch 1 sich als patentfähig erweist.

1) Ausweislich der geltenden Beschreibung sieht es die Patentinhaberin bei einteiligen spritzgegossenen LED-Körpern als nachteilig an, daß bei einem Großteil der mittels einteiligem Spritzgießen gefertigten Lumineszenzdioden ein Abreißen der für die Chipkontaktierung vorgesehenen Drähte durch die große Einspritzmenge und -geschwindigkeit des Vergußkunststoffs kaum zu verhindern sei, vergleiche Abschnitt [0004].

Daher liegt der vorliegenden Erfindung als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zum Herstellen von lichtleitenden LED-Körpern zu entwickeln, bei dem nahezu alle hergestellten Lumineszenzdioden die gleichen optischen Eigenschaften aufweisen und ein Ausschuß durch Beschädigen der einzelnen LED-Elektroniken vermieden wird, vergleiche Abschnitt [0005].

Die Lösung ist im einzelnen im geltenden Patentanspruch 1 angegeben.

Dabei ist wesentlich, daß ein montierter LED-Chip mit seinen elektrischen Anschlüssen in einer Spritzgießform über wenigstens zwei verschiedene Stellen zeitlich zueinander versetzt derart vergossen wird, daß zunächst der LED-Chip mit seinen Anschlüssen vergossen wird und dann der Rest des lichtleitenden LED-Körpers, d.h. der Bereich außerhalb des LED-Chips und dessen Anschlüsse gegossen wird.

Mit der Einschränkung auf Spritzgießformen im geltenden Patentanspruch 1 ist es klar, daß das Einspritzen von Duro- oder Thermoplasten in eine geschlossene zweiteilige Spritzgießform erfolgt und danach das Spritzgut aus der Form ausgeworfen wird.

Vorteilhaft ist bei dem Verfahren nach Patentanspruch 1, daß durch Verwendung von beim Spritzgießen üblichen Thermoplasten als fließfähigem Werkstoff hohe Taktzeiten erreicht werden, vergleiche Abschnitt [0017].

2) Der geltende Patentanspruch 1 ist zulässig, weil die Ersetzung des Begriffs "Form" durch den Begriff "Spritzgießform" durch die Abschnitte [0004], [0007] und [0020] des angegriffenen Patents bzw. durch die ursprüngliche Beschreibung Seite 2, Abs 1 und 4 sowie Seite 5, Abs 2 gedeckt ist. Im übrigen wurden während des Prüfungsverfahrens am Patentanspruch 1 sowie den Patentansprüchen 2 bis 8 lediglich redaktionelle Änderungen vorgenommen.

3) Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 ist neu (§ 3 PatG), weil - wie es sich aus der nachfolgenden Abhandlung zur erfinderischen Tätigkeit ergibt - der nachgewiesene Stand der Technik kein Verfahren zum Herstellen von lichtleitenden LED-Körpern in Spritzgießformen mit räumlich und zeitlich versetzten Einspritzvorgängen offenbart.

Das zweifelsohne gewerblich anwendbare (§ 5 PatG) Verfahren gemäß Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG) des zuständigen Fachmanns, eines berufserfahrenen, mit der LED-Fertigung betrauten Diplom-Ingenieurs als Fertigungstechniker mit Fachhochschulabschluß.

Die Entgegenhaltung E1 offenbart anhand der dortigen Figuren 3 und 5 implizit ein Verfahren, bei dem in einer verlorenen Form (metal casing 1) zwei LED-Chips (infrared luminescent diodes 7, 8; red light emitting diode A' and infrared luminescent diode B') zusammen mit ihren Anschlüssen (metal wires 3A, 5A) montiert werden, und dann beide LED-Chips (7, 8/ Figur 3) bzw. ein LED-Chip (B' / Figur 5) mit ihren jeweiligen Anschlüssen (3A, 5A) mittels einer außermittig angeordneten Harzspenderdüse vergossen werden und so mit den Harzschichten (resin layers 9, 10; flourescent layer 10 / Figur 5) abgedeckt werden und danach diese vergossenen LED-Chips (7, 8; B') zur Erzeugung von weiteren Abdeckschichten (light scattering layer 2, transparent resin layer 6) mittels einer mittig angeordneten Harzspenderdüse übergossen werden, vergleiche dort die Figuren 2 bis 5 mit der ganzen Figurenbeschreibung.

Somit werden dort in einem Reflektor (1) als verlorener Form mindestens ein fließfähiger Werkstoff (2, 6, 9, 10) wenigstens an zwei verschiedenen Stellen, d.h. von zwei verschiedenen Positionen der Harzspenderdüsen, in die Form (1) zueinander zeitlich versetzt eingebracht, wobei die erste Einbringung des fließfähigen Werkstoffs (9, 10) die LED-Chips (7, 8; B') und deren Anschlüsse (3A, 5A) umströmt, während die weiteren Einbringungen von fließfähigen Werkstoffen (2, 6) außerhalb des LED-Chips- (7, 8; B') und Anschlußbereichs liegen.

Bei dem Verfahren gemäß der Entgegenhaltung E1 handelt es sich jedoch nicht um ein Spritzgießverfahren, bei dem der fließfähige Werkstoff in eine Spritzgießform eingebracht wird. Daher vermag diese Druckschrift dem Fachmann keinerlei Hinweis auf die Lehre des eingeschränkten Patentanspruchs 1 geben, weil Spritzgießtechnik und ein bloßes, vor allem druckloses Vergießen von Halbleiterbauteilen völlig verschiedene Techniken mit sehr unterschiedlichem apparativen Aufwand darstellen.

Die Entgegenhaltung E2 offenbart ein Verfahren, bei dem ein LED-Chip mit dessen Anschlüssen auf einem Leiterrahmen befestigt und dieser zunächst außerhalb einer Spritzgießform mit einer Kunststoffabdeckung (inner core 20 of rubberlike silicone rubber) versehen wird und dann erst das teilweise beschichtete Bauteil in eine Spritzgießform eingebracht wird, um mittels Spritzgießen das äußere Gehäuse (outer cured plastic core 32) herzustellen, vergleiche dort die Figuren 1 bis 4 mit zugehöriger Beschreibung, besonders in Spalte 3, Zeilen 6 bis 25.

Daher enthält diese Entgegenhaltung entgegen der Auffassung der Einsprechenden keinen Hinweis, beim Spritzgießen von lichtleitenden LED-Körpern räumlich und zeitlich versetzte Einspritzvorgänge in einer Spritzgießform vorzusehen.

In der Entgegenhaltung E5 ist ein Verfahren offenbart, bei dem in eine beidseitig offene Form (device housing 15) auf einem Leiterrahmen montierte und kontaktierte LED-Chips (LED die 57) eingesetzt werden und danach diese so bestückte Form (15) in eine weitere Gießform (mold insert 107) eingesetzt wird, um danach diese Gießform mit Spritzen (syringes) oder Pipetten (pipettes) mit Vergußmasse vollständig zu füllen, vergleiche dort insbesondere das anhand der Figuren 5 bis 7 erläuterte Herstellungsverfahren gemäß insbesondere Spalte 9, Zeile 19 bis Spalte 10, Zeile 47.

Somit gilt auch für diese Entgegenhaltung, daß diese mit der Herstellung von lichtleitenden LED-Körpern mittels Spritzgießen nicht zu tun hat, so daß diese Entgegenhaltung ebensowenig ein Verfahren gemäß dem klargestellten und eingeschränkten Patentanspruch 1 anregen kann.

Die Entgegenhaltung E6 offenbart ein LED-Bauelement, dessen auf einem Leiterrahmen (support 3) montierte und kontaktierte LED-Chips (semiconductor crystals 1, 2) mit einer transparenten Umhüllung aus Epoxid (transparent envelope 7 of epoxy resin) umgeben sind, wobei diese Umhüllung (7) einen unteren Teil (7a) aus mit einem Grünfiltermaterial versetzten Epoxid (filled with a filtering substance of green color) und einem oberen Teil (7b) aus mit einem Rotfiltermaterial versetzten Epoxid (filled with a substance of red color) besteht, vergleiche die einzige Figur mit zugehöriger Beschreibung, besonders in Spalte 4, Abs 2.

Es ist dort nicht offenbart, daß diese Umhüllung (7, 7a, 7b) durch Spritzgießen hergestellt ist. Die Teile (7a) und (7b) der Umhüllung (7) müssen zwar zwangsläufig nacheinander eingebracht oder eingespritzt werden, jedoch ist dort nicht offenbart, daß diese Umhüllungsteile (7a, 7b) mittels zweier unterschiedlicher Einbring- oder Einspritzstellen hergestellt werden.

Somit vermag auch diese Entgegenhaltung den Fachmann nicht zum Verfahren gemäß dem klargestellten und eingeschränkten Patentanspruch 1 anzuregen.

Schließlich offenbart die Entgegenhaltung E7 eine LED-Vorrichtung mit einem LED-Chip (first semiconductor single crystal 1 with a luminescent junction J1) und mit einer Diode (second semiconductor single crystal 4 with a rectifying junction J2), die auf Leiterstiften (pins 8, 9) gelötet und mit einem Draht (connection wire 10) verbunden werden, wobei die Leiterstifte (8, 9) von einem Sockelstück (bottom portion 11) aus opakem Kunststoff (black thermal setting epoxy resin) gehalten werden, vergleiche dort die Figur 1 mit zugehöriger Beschreibung.

Die Funktion des Sockelstücks (11) liegt darin, die Leiterstifte (8, 9) in Position zu halten, so daß nach dem Auflöten der Halbleiterchips (1, 4) diese noch getestet und gegebenenfalls ausgetauscht werden können, vergleiche dort Beschreibung Spalte 2, Zeilen 24 bis 34.

Die Oberfläche (surface 12) des Sockelstücks (11) wird dann mit einem transparenten Kunststoff (thesmosetting insulating transparent material, insulating coating 13) abgedeckt und zwar mittels Gießen (cast) oder Anformen (moulded), vergleiche Beschreibung Spalte 3, Zeilen 31 bis 38. Von Spritzgießtechnik ist dort nirgends die Rede, so daß diese Entgegenhaltung dem Fachmann keinen Hinweis geben kann, die LED-Vorrichtung in einer Spritzgießform durch räumlich und zeitlich versetzte Einspritzvorgänge zu umhüllen.

Somit vermögen die Entgegenhaltungen E1, E2 und E5 bis E7 weder einzeln noch in einer Kombination untereinander, das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 dem Fachmann nahezulegen.

Weil die übrigen Entgegenhaltungen von dem Verfahren gemäß Patentanspruch 1 weiter wegliegen als die vorstehend abgehandelten, ist das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 patentfähig.

4) Die Unteransprüche 2 bis 8 betreffen nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Verfahrens nach Patentanspruch 1, deren Patentfähigkeit von derjenigen des Verfahrens gemäß Hauptanspruch getragen wird.

5) Die Beschreibung gibt den Stand der Technik an, von dem die Erfindung ausgeht und erläutert hinreichend anhand der Figuren 1 bis 5 das patentierte Verfahren. Daher erfüllt die Beschreibung die an sie zu stellenden Anforderungen.

Richter Dr. Meinel ist krankheitsbedingt verhindert, den Beschluß zu unterschreiben. Dr. Gottschalk Dr. Gottschalk Knoll Lokys Be






BPatG:
Beschluss v. 16.12.2004
Az: 23 W (pat) 315/03


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