Bundesgerichtshof:
Urteil vom 22. März 2016
Aktenzeichen: X ZR 17/14

(BGH: Urteil v. 22.03.2016, Az.: X ZR 17/14)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 27. November 2013 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 679 028 (Streitpatents), das am 12. April 1995 unter Inanspruchnahme von zwei Prioritäten vom 22. April 1994 angemeldet wurde. Es umfasst 17 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 lautet:

"Apparatus for processing time division multiplexed packeted signal program components, respective packets including a program component payload and a header containing a signal component identifier SCID including a source (11) of said time division multiplexed packeted signal; characterized by a common buffer memory (18); a plurality of program component processing apparatus (21-24) having respective input ports coupled to a data output port of said common buffer memory; a SCID detector (13-15) coupled to said source for detecting packets respectively identified by one of a plurality of predetermined SCID's; means for applying respective payloads of packets identified by said plurality of predetermined SCID's to a data input port of said common buffer memory; addressing (17) circuitry responsive to detection of ones of said plurality of predetermined SCID's for generating write addresses for storing respective program component payloads in respective blocks of said common buffer memory, and responsive to data requests from said plurality of program component processing apparatus for reading corresponding program component payloads from said respective blocks of said common buffer memory to the requesting processing apparatus."

Die Klägerin, die von der Beklagten wegen einer Verletzung des Streitpatents in Anspruch genommen wird, hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Mit ihrer Berufung verteidigt die Beklagte das Streitpatent in der erteilten Fassung und in der Fassung von sieben Hilfsanträgen, die sie bereits in erster Instanz gestellt hat, sowie eines weiteren Hilfsantrags. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Gründe

I. Die zulässige Berufung hat Erfolg.

1. Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung - insbesondere einen reziproken Transportprozessor - zum Verarbeiten von in Paketen übertragenen Fernsehsignalen mit deren Programmkomponenten wie den Audio-, Video- und Programmdaten zum Extrahieren der darin enthaltenen Nutzdaten.

Für die Übertragung von Fernsehsignalen können komprimierte Videosignale im Wege des Multiplexens in Paketen übertragen werden, die auch eine gewisse Fehlerkorrektur ermöglichen. Gemäß der Beschreibung des Streitpatents übertragen die im Stand der Technik bekannten Systeme ein einziges Fernsehprogramm, wenngleich mit mehreren Programmkomponenten (Video, Audio, Teletext der jeweiligen Übertragungskanäle). Diese Systeme nutzen reziproke Transportprozessoren, um die Videosignalkomponenten aus den Programmsignalen zu extrahieren und diese Signale für eine Wiedergabe aufzuarbeiten. Hierfür werden die Programmkomponenten mit einem einfachen Demultiplexer in Abhängigkeit der Daten im Header eines Pakets separiert, anhand deren die Signalkomponenten voneinander unterschieden werden können. Die abgetrennten Videodaten werden an einen Pufferspeicher weitergegeben, während die anderen Signalkomponenten direkt an die jeweilige Verarbeitungseinheit weitergeleitet werden.

Bei komprimierten Programmkomponenten ist nach der Beschreibung des Streitpatents eine Pufferung der Signale erforderlich, bevor diese einer Dekomprimierung zugeführt werden. Es sei wünschenswert, die meisten, wenn nicht alle Bauteile mit dem Pufferspeicher zu verbinden. Weil die verschiedenen Programmkomponenten unterschiedliche Datenraten aufwiesen, sei es vorteilhaft, jede Komponente getrennt zu puffern. Der Aufwand für Pufferspeicher sei hingegen bedeutsam und könne merklich zu den Kosten eines Empfängers beitragen. Es sei daher wünschenswert, denselben Pufferspeicher für die Pufferung der verschiedenen Programmkomponenten zu verwenden.

Demnach liegt die Aufgabe der Lehre des Streitpatents in der Bereitstellung eines reziproken Transportprozessors mit einem verbesserten Pufferspeicher und geringeren Herstellungskosten.

2. Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor (in eckigen Klammern die Gliederung des Patentgerichts):

1. Vorrichtung zum Verarbeiten von im Zeitmultiplex stehenden paketierten Programmkomponentensignalen (Apparatus for processing time division multiplexed packeted signal program components). [M1]

2. Die Pakete enthalten jeweils ein Programmkomponenten-Nutzsignal und einen Header mit einer Signalkomponentenkennung (SCID) (respective packets including a program component payload and a header containing a signal component identifier SCID). [M1.1]

3. Die Vorrichtung umfasst 3.1 eine Signalquelle (11) (a source of said time division multiplexed packeted signal), [M2]

3.2 einen gemeinsamen Pufferspeicher (18) (a common buffer memory), [M3]

3.3 eine Mehrzahl von Programmkomponenten verarbeitenden Einrichtungen (21-24) (a plurality of program component processing apparatus) [M4]

3.3.1 mit Dateneingängen (having respective input ports), [M4.1]

3.3.2 die mit einem Datenausgang des Pufferspeichers verbunden sind (coupled to a data output port of said common buffer memory), [M4.2]

3.4 einen SCID-Detektor (13-15) (a SCID detector), [M5]

3.4.1 der mit der Signalquelle verbunden ist (coupled to said source), [M5.1]

3.4.2 zur Erfassung von durch eine von mehreren vorbestimmten Kennungen (SCID) identifizierbaren Paketen (for detecting packets respectively identified by one of a plurality of predetermined SCID's), [M5.2]

3.5 Mittel zum Zuführen der durch die Kennung (SCID) identifizierten Nutzsignale der Pakete zu einem Dateneingang des Pufferspeichers (means for applying respective payloads of packets identified by said plurality of predetermined SCID's to a data input port of said common buffer memory), [M6]

3.6 eine Adressierschaltung (17) (addressing circuitry), [M7]

3.6.1 die in Reaktion auf die Erfassung einer Kennung (SCID) eine Schreibadresse erzeugt, um die jeweiligen Programmkomponenten-Nutzsignale in einem entsprechenden Block des Pufferspeichers abzulegen (responsive to detection of ones of said plurality of predetermined SCID's for generating write addresses for storing respective program component payloads in respective blocks of said common buffer memory), [M7.1]

3.6.2 in Reaktion auf Datenanforderungen der Programmkomponenten verarbeitenden Einrichtungen entsprechende Programmkomponenten-Nutzsignale aus den Pufferspeicherblöcken ausliest und der anfordernden Einrichtung zuleitet (responsive to data requests from said plurality of program component processing apparatus for reading corresponding program component payloads from said respective blocks of said common buffer memory to the requesting processing apparatus). [M7.2]

3. Einige Merkmale bedürfen näherer Erläuterung:

a) Die Pakete und die Signale gemäß Merkmal 2 sind nicht Teil der mit Patentanspruch 1 definierten Vorrichtung. Merkmal 2 bestimmt in Verbindung mit Merkmal 1 lediglich, dass die unter Schutz gestellte Vorrichtung geeignet sein muss, Pakete zu verarbeiten, die sich aus einem Nutzsignal und einem Header mit einer die in dem Paket enthaltene Signalkomponente kennzeichnenden Kennung (SCID) zusammensetzen.

b) Unter Programmkomponenten versteht das Streitpatent die unterschiedlichen Signaltypen, die in einem Fernsehsignal zusammengefasst sein können, insbesondere Video-, Audio- und Programmdaten. Jeweils einer dieser Signaltypen stellt eine Programmkomponente dar, wobei beispielsweise Audiodaten eine Mehrzahl von Programmkomponenten hervorrufen können, wenn eine Sendung in mehreren Sprachen ausgestrahlt wird.

c) Der gemeinsame Pufferspeicher dient der Ablage sämtlicher Nutzsignale, gleich zu welcher Programmkomponente sie zählen.

d) Bei den Programmkomponenten verarbeitenden Einrichtungen gemäß Merkmal 3.3 handelt es sich insbesondere um Decodiereinrichtungen, die beispielsweise das Videosignal oder das Audiosignal für eine Wiedergabe im Fernsehgerät dekomprimieren und decodieren.

e) Das Ablegen der Nutzsignale im Pufferspeicher gemäß Merkmal 3.6.1 erfolgt - entgegen der Auffassung des Patentgerichts - in jeweils zusammenhängenden Blöcken, deren Lage im Pufferspeicher vorbestimmt ist und in die die Nutzsignale einer Programmkomponente gespeichert werden. Die dahingehende Beschreibung in der Zusammenfassung der Erfindung (Sp. 2 Abs. 7, Z. 20 bis 33) zeigt nicht lediglich eine besondere Ausgestaltung der Erfindung auf, sondern stellt eine Konkretisierung der im Patentanspruch angesprochenen jeweiligen Programmkomponenten-Nutzsignale ("respective program component payloads") dar, die in entsprechende Blöcke ("respective blocks") gespeichert werden. Das Ablegen der Nutzsignale vollzieht sich demnach in jeweils zusammenhängenden Speicherbereichen, die homogen anhand ihrer Zuordnung zu ihrer Programmkomponente belegt werden, so dass für jede Programmkomponente jeweils ein bestimmter Speicherbereich als Block besteht.

II. Das Patentgericht erachtet den Gegenstand des Streitpatents für nicht patentfähig.

Aus der US-amerikanischen Patentschrift 5 227 876 (D10) seien dem Fachmann, bei dem es sich um einen Diplomingenieur der Nachrichtentechnik mit Hochschulausbildung - Schwerpunkt digitale Fernsehtechnik - und Kenntnissen über die für die Übertragung von digitalen Fernsehsignalen und -geräten relevanten Standardisierungsvorschriften handele, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Verarbeitung und Übertragung der Signale von verschiedenen Quellen bekannt. Auf der Senderseite würden die Signale von den verschiedenen Quellen kommend auf verschiedene Verarbeitungspfade aufgeteilt. Auf diesen Pfaden würden sie codiert, zu Paketen zusammengefasst und mit einem Header versehen, der die Quelle und den Zielpfad kennzeichne. Die Pakete würden in Puffern zwischengespeichert, sodann einem Multiplexer zugeführt und über ein Übertragungsmedium übertragen. Statt der Verwendung jeweils eines Pufferspeichers für jeden Verarbeitungspfad könne auch ein gemeinsamer Pufferspeicher genutzt werden.

Für die Empfängerseite offenbare die D10 den Empfang der Pakete von der Übertragungsleitung sowie das Demultiplexen der Pakete. Anschließend würden die Daten in Abhängigkeit ihrer Headerdaten in einzelne Verarbeitungspfade aufgeteilt und einer Decodierung zugeführt. Dabei sei die Decoderseite entsprechend der Senderseite aufgebaut und verarbeite die Daten reziprok zu deren Encoder. Auch dabei steuere ein Puffercontroller den Füllstand der Pufferspeicher, womit dem Fachmann mitgeteilt sei, dass auch auf der Decoderseite nur ein (Gesamt-)Pufferspeicher zum Einsatz kommen könne.

Damit seien dem Fachmann sämtliche Merkmale des Gegenstands von Patentanspruch 1 offenbart. Insbesondere zeige die D10 in ihrem Patentanspruch 11, dass nach der Verarbeitung der Daten mehrerer Quellen, zu denen auch Audio- und Videodaten gehörten, die Ablage in einem gemeinsamen Pufferspeicher vorgesehen sei.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des erstinstanzlich gestellten Hilfsantrags I, bei dem für jede Programmkomponente die Nutzsignale in einem anderen zusammenhängenden Block des gemeinsamen Pufferspeichers abgespeichert werden, beruhe in Ansehung der Lehre der D10 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Unabhängig von der Frage, ob mit der Hinzufügung dieses Merkmals überhaupt ein technisches Problem mit technischen Mitteln gelöst werde, werde damit nur in einem gemeinsamen Pufferspeicher ein dem Fachmann bereits bekanntes Prinzip abgebildet, nämlich die getrennte Behandlung der jeweiligen Programmkomponentenarten. Die D10 lehre ihn, dass ein gemeinsamer Pufferspeicher besser genutzt werden könne, andererseits aber mit einer erhöhten Komplexität verbunden sei. Der Fachmann werde im Einzelfall eine Balance zwischen der Komplexität der Puffersteuerung und einer Optimierung der Pufferkapazität einstellen.

III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.

1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu.

a) Die Entgegenhaltung D10 nimmt den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht vorweg.

aa) Entsprechend den zutreffenden und von den Parteien nicht angegriffenen Ausführungen des Patentgerichts offenbart die D10 die Merkmale 1, 3 bis 3.1, 3.3 bis 3.3.1 sowie 3.4 bis 3.4.2.

bb) Des Weiteren offenbart die D10 dem Fachmann, den das Patentgericht zutreffend definiert hat, eine Vorrichtung, die geeignet ist, paketierte Signale mit Headern zu verarbeiten, die entsprechend Merkmal 2 unterschiedliche Programmkomponenten der mit ihnen verbundenen Nutzsignale definieren. Die D10 beschreibt ein System, das mehrere verschiedene Signalquellen wie Video-, Audio- und weitere Daten zu verarbeiten in der Lage (Sp. 1, Z. 45 bis 54) und dabei an die spezifischen Eigenschaften dieser Daten angepasst ist (Sp. 2, Z. 21 bis 31). Dementsprechend ist - entgegen der Berufung - auch die in der D10 beschriebene Vorrichtung auf der Empfängerseite (Sp. 8, Z. 54 bis 61) geeignet, solche Signalpakete mit Nutzsignalen verschiedener Signaltypen zu verarbeiten.

cc) Die D10 offenbart indessen keinen gemeinsamen Pufferspeicher zur Ablage sämtlicher Nutzsignale.

Die Entgegenhaltung befasst sich mit der Codierung und Übermittlung von Signalen, die aus einer Mehrzahl von Quellen stammen, wie insbesondere Video- und Audiosignalquellen. Nach der D10 sollen die Signale aus jeder Quelle unter Verwendung einer Mehrzahl von Prozesspfaden verarbeitet werden, von denen jeder Pfad als individuelle Datenquelle mit über die Zeit variierender Geschwindigkeit arbeitet (Sp. 1, Z. 49 bis 54); die Daten von den Prozesspfaden werden sodann durch einen Multiplexer auf einem einzigen Übertragungspfad übermittelt (Sp. 1, Z. 58 f.). Im Einzelnen wird dies für ein Farbvideosignal anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels näher erläutert. Dabei wird als vorzugswürdig herausgestellt, nicht nur die Codierung (und reziprok die Decodierung auf Empfängerseite) für einen erhöhten Durchsatz in mehrere parallel verarbeitende Pfade aufzutrennen, sondern diesen Verarbeitungspfaden jeweils auch getrennte Pufferspeicher bereitzustellen, wie es in der nachfolgenden Figur 1 der D10 für den Pfad 1 mit dem Puffer B(6) zeichnerisch dargestellt ist.

Soweit die D10 die Alternative anspricht, einen gemeinsamen Pufferspeicher vorzusehen, bezieht sich dies allein auf die Mehrzahl der die Videosignale verarbeitenden Pfade. Entsprechend der vorstehenden Figur 1 wird auf der Senderseite allein das Videosignal von der Schnittstelle IF(2) in n Pfade mit Videosignalen aufgetrennt (Sp. 2, Z. 63 bis Sp. 3, Z. 7). Anhand dieses Ausführungsbeispiels wird die Alternative erörtert, für die n Encoder einen gemeinsamen Pufferspeicher einzusetzen (Sp. 5, Z. 14 bis 22), womit ein solcher gemeinsamer Pufferspeicher auf die die Videosignale verarbeitenden Pfade begrenzt ist.

Das Audiosignal wird dem Multiplexer über den Eingang UD(19) zugeführt (Sp. 8, Z. 15 bis 18) und nicht näher behandelt.

Mit diesem Verständnis ist die weitere Stelle in der Beschreibung der D10 zu lesen, nach der bei Nutzung eines einzigen Pufferspeichers für alle verarbeitenden Pfade ("all processing paths") die Steuerungskriterien ähnlich wie bei der Verwendung von mehreren Pufferspeichern ausgestaltet sein können (Sp. 7, Z. 50 bis 53). Dabei hebt die Beschreibung hervor, dass die Verwendung eines gemeinsamen Pufferspeichers sich nachteilig auf die Modularität auswirke und die Eingabe der Information in den Pufferspeicher konkurrierend durch die "n Verarbeitungspfade" erfolge (Sp. 7, Z. 64 bis Sp. 8, Z. 4). Auch insoweit wird auf die n Pfade abgestellt, die in Figur 1 die Gesamtzahl der die Videosignale verarbeitenden Pfade bezeichnet.

Die Erstreckung eines gemeinsamen Pufferspeichers auch auf die Audiosignale oder Signale einer anderen Programmkomponente wird damit nicht offenbart. Entsprechend fehlt es deshalb auch für die Empfängerseite, die grundsätzlich entsprechend der für die Sendeseite offenbarten Anordnung organisiert sein soll (Sp. 8, Z. 54 bis 61), an einer Offenbarung, einen gemeinsamen Pufferspeicher für andere als Videosignale zu verwenden.

Die Angabe in Patentanspruch 11 der D10, womit ein System gemäß dem vorangegangenen Patentanspruch 10 beansprucht wird, das einen gemeinsamen Pufferspeicher für alle in Patentanspruch 10 genannten Verarbeitungspfade aufweist, ist aufgrund des Zusammenhangs mit der Beschreibung gleichfalls dahin zu verstehen, dass jeweils nur die Verarbeitungspfade eines Signaltyps, also einer Programmkomponente, in einem gemeinsamen Pufferspeicher abgespeichert werden. Denn Patentanspruch 10 lehrt in Übereinstimmung mit der Beschreibung, die von der Schnittstelle für jede Datenquelle empfangenen Signale auf eine Mehrzahl von Pfaden aufzuteilen und für jeden Pfad einen Encoder und einen eigenen Puffer vorzusehen. Die auf jeden Pfad ("each of said paths") bezogenen Merkmale sind in Patentanspruch 10 durch die Anknüpfung an das erste, die Schnittstellen betreffende und quellenbezogen formulierte Merkmal ("an interface for each source for receiving data input from said source and for dividing said data into a plurality of paths") jeweils auf die Gesamtheit aller einer Datenquelle zugeordneten Pfade bezogen. Wenn Patentanspruch 11 dieses System dahin abwandelt, dass ein einziger Puffer die Pakete von allen Pfaden speichert ("a single buffer stores said packages from all of said paths"), bietet dies keinen Anhalt für ein weiteres Verständnis als die auch in der Beschreibung aufgezeigte Speicherung sämtlicher, auf den einer Datenquelle zugeordneten Pfaden verarbeiteten Signale in einem einzigen Puffer.

Die D10 offenbart folglich keine Vorrichtung, die vollständig den Merkmalen des Gegenstands von Patentanspruch 1 entspricht.

b) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 wird weiterhin nicht von der europäischen Patentanmeldung 663 774 (D3) vorweggenommen. Diese Druckschrift wurde vor dem Streitpatent angemeldet und nimmt eine südkoreanische Priorität vom 18. Januar 1994 in Anspruch; die D3 wurde jedoch erst am 19. Juli 1995, mithin nach den Prioritäten und nach der Anmeldung des Streitpatents, veröffentlicht. Sie ist deshalb allein für die Neuheit gemäß Art. 54 Abs. 3, Art. 89 EPÜ in Betracht zu ziehen.

aa) Die D3 beschreibt ein System zum Demultiplexen der Signalpakete aus einem Signalstrom mit digitalen und komprimierten Video- und Audiosignalen unter anderem anhand der nachfolgenden Figur 1:

Hierfür kommen die Signale aus einem digitalen Speichermedium (10) und treffen zunächst auf einen ersten Eingangspuffer (FIFO-I). Sie werden weitergeleitet zur Mikroprozessoreinheit, wo sie im RAM-Baustein (34) gemeinsam zwischengespeichert werden, bis schließlich die Videosignale auf den FIFO-V (60) und die Audiosignale auf den FIFO-A (80) weitergeleitet werden, um von dort von den jeweiligen Decodern abgerufen zu werden. Die Flagzustandsdetektoren (110, 120, 130) wachen über den Status der FIFO-Puffer, um so den reibungslosen Ablauf des Demultiplexens und die Verteilung der Pakete an die FIFO-Bausteine nebst Decodermodule zu ermöglichen. Die FIFO-Bausteine vermögen jeweils ein Paket des Signalstroms zu speichern (D3, S. 3, Z. 44 bis 45).

Für den RAM-Baustein (34) führt die D3 aus, er speichere die Video- und die Audiosignale jeweils in einer Warteschlange (S. 4, Z. 54 bis 57).

bb) Unabhängig von der Frage, ob die Bausteine FIFO-V und FIFO-A als Eingangsbausteine den jeweils sich anschließenden Decodermodulen zuzurechnen sind und damit der RAM-Baustein (34) zusammen mit dem Mikroprozessor (36) und dem FIFO-I (20) den einzigen gemeinsamen Pufferbaustein im Sinne des Merkmals 3.2 darstellt, offenbart die D3 nicht das Merkmal 3.6.1, wonach die Programmkomponenten-Nutzsignale zusammenhängend in vorbestimmten Blöcken entsprechend ihrer Zuordnung zu einem der Programmkomponenten im gemeinsamen Pufferspeicher abgelegt werden.

Zum RAM-Baustein (34) führt die D3 lediglich aus, dass er eine Audio- und eine Videowarteschlange aufweist, die für das zeitweilige Speichern und Auslesen des demultiplexten Audio- und Videosignalstroms reserviert sind, wobei jede der Audio- und Videowarteschlangen zwei Pointer aufweist, die jeweils den Anfang und das Ende der Warteschlange anzeigen (S. 4, Z. 54 bis 57). Dieser Offenbarung ist lediglich zu entnehmen, dass die Audio- und die Videosignale jeweils in Warteschlangen abgelegt werden und hierfür zwei Pointer anzeigen, wo sich der Anfang und das Ende der jeweiligen Schlange im RAM-Speicherbaustein (34) befinden. Damit ist indessen nicht aufgezeigt, dass diese Warteschlangen die Audio- beziehungsweise die Videodaten zusammenhängend abspeichern und insbesondere die entsprechenden Datenpakete nicht als verkettete Elemente abgespeichert werden, die mithilfe einer Liste eine Warteschlange bilden. Im Falle einer solchen verketteten Liste, die im Stand der Technik als eine der Varianten für eine Warteschlange bekannt war, sind die Nutzsignale einer Programmkomponente nicht notwendig zusammenhängend in einem Block abgespeichert, sondern können im RAM-Baustein - unterbrochen von anderen Nutzsignalpaketen - ihren Speicherort finden.

c) Die weiteren Entgegenhaltungen liegen noch weiter ab vom Gegenstand des Streitpatents.

2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.

a) Der D10 ist keine Anregung für den Fachmann zu entnehmen, eine Vorrichtung zum Empfangen und Demultiplexen von digital codierten Fernsehsignalen mit einem gemeinsamen Pufferspeicher so herzustellen, dass in diesem Speicher sowohl Video- als auch Audiosignale abgelegt werden.

Die D10 hebt den Gedanken hervor, ein modulares System mit mehreren Verarbeitungspfaden vorzusehen, um damit die Geschwindigkeitsprobleme bei der Codierung und Decodierung von digitalen Fernsehsignalen bewältigen zu können (Sp. 1, Z. 11 bis 54). In den konkreten Ausführungsbeispielen beschreibt sie deshalb nur solche Vorrichtungen, die eine Mehrzahl von Modulen für die Mehrzahl an Verarbeitungspfaden aufweisen. Dabei ist diesen Modulen ein einzelner, von den anderen jeweils getrennter Pufferspeicher zugewiesen.

Soweit die D10 die Alternative anspricht, einen gemeinsamen Pufferspeicher vorzusehen, betont sie zugleich, welche Nachteile damit verbunden sind. Ein solcher Speicher führt zu einer höheren Komplexität für die Speichersteuerung (Sp. 5, Z. 17 bis 22), senkt den mit der Modularität verbundenen Leistungszuwachs und wird in seiner Leistung durch einen konkurrierenden Zugriff der Verarbeitungspfade eingeschränkt (Sp. 7, Z. 64 bis Sp. 8, Z. 2). Angesichts dieser Nachteile hatte der Fachmann keine Veranlassung, über eine Weiterentwicklung dieser lediglich als Alternative dargestellten Möglichkeit nachzudenken. Eine mit den genannten Nachteilen verbundene Lösung auch auf solche Verarbeitungspfade auszudehnen, die Audiosignale oder andere Programmkomponenten verarbeiten, war daher nicht naheliegend.

b) Andere Entgegenhaltungen liegen weiter ab vom Gegenstand des Streitpatents und zeigen insbesondere keinen gemeinsamen Pufferspeicher und/oder ein Ablegen der Programmkomponenten-Nutzsignale in jeweils zusammenhängenden Blöcken des Pufferspeichers. Der Gegenstand des Streitpatents hat deshalb weder von diesen Entgegenhaltungen ausgehend noch in Kombination mit der D10 für den Fachmann nahegelegen.

3. Aus der Rechtsbeständigkeit von Patentanspruch 1 folgt die Rechtsbeständigkeit der weiteren Ansprüche des Streitpatents, bei denen es sich sämtlich um Unteransprüche von Patentanspruch 1 handelt.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 91 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck Grabinski Hoffmann Schuster Deichfuß Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 27.11.2013 - 5 Ni 21/12 (EP) -






BGH:
Urteil v. 22.03.2016
Az: X ZR 17/14


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/6c97e2679761/BGH_Urteil_vom_22-Maerz-2016_Az_X-ZR-17-14




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share