Landgericht Aachen:
Beschluss vom 6. September 2007
Aktenzeichen: 41 O 85/07

(LG Aachen: Beschluss v. 06.09.2007, Az.: 41 O 85/07)

Tenor

1. Der Termin vom 11.9.2007 wird aufgehoben.

2. Es wird gemäß § 246a AktG festgestellt, dass die Erhebung der beim Landgericht B unter dem führenden Aktenzeichen 41 O 64/07 anhängigen Klagen gegen den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 3.5.2007 über die Zustimmung zu dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 16./19.3.2007 zwischen X1 und der Antragstellerin der Eintragung des Bestehens des genannten Vertrags in das Handelsregister nicht entgegenstehen und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen.

Die Gerichtskosten tragen die Antragstellerin zu 1/9 und die Antragsgegner zu 1. und 3-9. zu 8/9 als Gesamtschuldner.

Die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 2. trägt die Antragstellerin.

Die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin tragen die Antragsgegner zu 1.und 3.-9. zu 8/9 als Gesamtschuldner.

Im übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Gründe

Die Antragstellerin schloss mit der X1 (X2) am 16./19.3.2007 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (im Folgenden: Beherrschungsvertrag). Dieser sah u.a. eine Verlustausgleichsverpflichtung der X3 sowie eine Garantiedividende für die außenstehenden Aktionäre in Höhe von 0,339 € pro Aktie und Jahr vor. Des weiteren enthielt der Vertrag die Regelung, dass er mit Eintragung in das zuständige Handelsregister wirksam wird und Rückwirkung entfaltet für die Zeit ab dem 1.10. des Geschäftsjahres, in dem der Vertrag durch Eintragung wirksam wird.

Das Geschäftsjahr der Antragstellerin endet zum 30.9. eines jeden Jahres.

Nachdem die Antragstellerin zur Hauptversammlung auf den 03.05.2007 eingeladen hatte, wurde dort mit Mehrheit dem Beherrschungsvertrag zugestimmt.

Hiergegen haben die Antragsgegner vor dem erkennenden Gericht Klage erhoben. Die Antragsgegnerinnen zu 2. und 4. haben ihre Klage am 16.7.2007 und 31.8.2007 zurückgenommen.

Die Antragstellerin hat am 13.6.2007 eine Adhoc-Meldung nach § 15 WpHG veröffentlicht und mitgeteilt, dass für das Geschäftsjahr 2006/2007 mit einem Rückgang des operativen Konzernergebnisses (EBIT) auf - 1,8 bis - 2,6 Mil. Euro zu rechnen sei und diese Mitteilung am 27.7.2007 dahin aktualisiert, dass von einem Verlust von 3,0 bis - 4,0 Mill. Euro auszugehen sei.

Sie ist der Auffassung, dass die Klagen offensichtlich unbegründet seien, jedenfalls aber das Interesse der AG und ihrer Aktionäre an einer Eintragung des Vertrags in das Handelsregister vorrangig sei.

Mit am 17.07.2007 bei Gericht eingegangenem und unter dem 09.08.2007 erweitertem Antrag beantragt die Antragstellerin im Verfahren nach § 246a AktG,

wie erkannt.

Im Verhältnis zur Antragsgegnerin zu 4. liegen übereinstimmende Erledigungserklärungen vor.

Die Antragsgegner erkennen teilweise den Antrag an, teilweise erkennen sie nur das überwiegende Vollzugsinteresse der Antragstellerin i.S.d. § 246a II, 3. Altern. AktG .

Der zulässige Antrag ist in der Sache begründet. Gegen die Antragsgegnerin zu 4. ist das Verfahren erledigt, da diese im Hauptsacheverfahren ihre Klage zurückgenommen hat.

Die Voraussetzungen für die Feststellung nach § 246a I AktG liegen vor. Es kann im Verfahren nach § 246a III S. 1 AktG entschieden werden.

Die Feststellung nach der erstgenannten Vorschrift kann trotz wie hier erhobener Klage gegen den Beschluss erfolgen, wenn die Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist oder das alsbaldige Wirksamwerden des Beschlusses nach freier Überzeugung des Gerichts unter Berücksichtigung der Schwere der mit der Klage geltend gemachten Rechtsverletzungen zur Abwendung der vom Antragsteller dargelegten wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre vorrangig erscheint, § 246a II AktG.

Ob die Voraussetzungen der beiden erstgenannten Alternativen vorliegen, kann im Fall dahin stehen.

Jedenfalls sind die Bedingungen der letztgenannten Möglichkeit erfüllt.

In diesem Zusammenhang sind die Interessen der Antragstellerin und ihrer Aktionäre am alsbaldigen Wirksamwerden des Beherrschungsvertrags (vgl. hierzu die genannte Vertragspassage, § 6.2, und § 294 AktG) auf der einen Seite abzuwägen mit dem Interesse der Antragsgegner am Aufschub auf der anderen Seite, wobei die Schwere der geltend gemachten und zu diesem Zweck zu unterstellenden ( vgl.: OLG Karlsruhe, ZIP 2007, 270ff. mit weiteren Nachweisen) Verletzung den Nachteilen der Gesellschaft und ihrer Aktionäre gegenüberzustellen ist (der. ebenda).

Dabei ist die Wertung des § 246a AktG zu beachten, wonach die Durchführung eines rechtswidrigen Hauptversammlungsbeschlusses selbst durch eine begründete Anfechtungsklage nicht gehindert wird.

Diese Durchführung soll lediglich bei massiver Verletzung elementarer Aktionärsrechte unmöglich werden ( vgl.: Begründung zum Regierungsentwurf, BT- Drucksache 15/5092, Seite 29 ), was bedeutet, dass ohne schwerwiegenden Rechtsverstoß das Interesse des Kleinaktionärs im Regelfall zurücktreten soll (derselbe,daselbst).

Bei Anwendung dieser Grundsätze folgt hier, dass die Interessen der Antragsgegner zurückstehen müssen, was die Antragsgegner selbst auch anerkennen.

Auf der einen Seite ist nämlich bei dem zu unterstellenden Regelverstoß davon auszugehen, dass dieser relativ gering ist. Wesentliche Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte sind nicht verletzt. Die Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung wurde gewahrt. Soweit Einladungsfehler gerügt werden, ist anzumerken, dass die Einladung den gesetzlichen Vorgaben des § 123 III S. 3 AktG entspricht, die maßgebend sind und eventuelle anderen Vorgaben der Satzung verdrängen.

Hinsichtlich anderer geltend gemachter Verstöße ergibt sich schon aus dem Gesetz selbst, dass der Gesetzgeber derartige Verstöße als geringfügig einschätzt, da er entsprechende Rechte einschränkt (vgl.: § 131 III, 243 IV AktG).

Dem stehen gewichtige Nachteile auf seiten der Gesellschaft und der außen stehenden Aktionäre entgegen, falls es nicht zur Eintragung kommt.

Es droht der Gesellschaft im laufenden, am 30.9.2007 endenden Geschäftsjahr ein Verlust von mehreren Millionen Euro (vgl. die Gewinnwarnungen). Diesen Verlust hat die X2 zu übernehmen, aber nur dann, wenn es bis zum 30.9.2007 zur Handelsregistereintragung kommt (vgl. § 6.2 des Vertrags und § 294 Akt).

Wenn der Beherrschungsvertrag durch Eintragung nicht bis zum 30.9.2007 wirksam wird, entsteht darüber hinaus ein finanzieller Nachteil für die außen stehenden Aktionäre. Sie erhalten nämlich für den Fall der Eintragung trotz Verlustes im operativen Geschäfts eine Garantiedividende von 0,34 € pro Aktie, was insgesamt fast einen Betrag von 400.000,00 € ausmacht.

Diese Nachteile sind insgesamt so gravierend, dass die auf seiten der Antragsgegner zu befürchtenden Nachteile im Fall der Eintragung zurück treten müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91a ( im Verhältnis zur Antragsgegnerin zu 4. ), 92, 269 ZPO.

Soweit die Antragstellerin keinen Kostenantrag stellt, ist dies im Hinblick § 308 ZPO prozessual ohne Belang, jedoch als Verzicht auf Stellung eines Kostenausgleichungsantrags im Rahmen des Kostenerstattungsverfahrens von Bedeutung.

HandelsrichterJ

ist ortsabwesend und

gehindert zu unterschreiben.

D D I






LG Aachen:
Beschluss v. 06.09.2007
Az: 41 O 85/07


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