Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. August 2005
Aktenzeichen: 34 W (pat) 702/03, 34 W (pat) 382/03

(BPatG: Beschluss v. 08.08.2005, Az.: 34 W (pat) 702/03, 34 W (pat) 382/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss entschieden, dass das Patent widerrufen wird. Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen. Der Entscheidung liegt ein Einspruchsverfahren gegen das deutsche Patent 198 06 374 zugrunde. Die Einspruchsparteien haben argumentiert, dass das Patent nicht patentfähig sei, da es nicht mehr neu ist und nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Die Patentinhaberin hat die Bearbeitung der Einspruchssache durch das Bundespatentgericht beantragt und hat das Patent in einer geänderten Fassung verteidigt. Der neu gefasste Patentanspruch wurde vom Gericht jedoch als unzulässig angesehen, da der Schutzbereich des Patents dadurch erheblich erweitert wurde. Da die Patentinhaberin an ihrem geänderten Antrag festgehalten hat, wurde das Patent widerrufen, ohne dass die erteilte Fassung des Patents geprüft wurde. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde wurde aufgrund von PatG § 100 Abs. 2 Nr. 1 Entscheidung des Gerichts getroffen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 08.08.2005, Az: 34 W (pat) 702/03, 34 W (pat) 382/03


Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Gegen das am 1. Juli 1999 veröffentlichte deutsche Patent 198 06 374 mit der Bezeichnung "Vollmantel-Schneckenzentrifuge mit mehrstufigem Umlaufgetriebe" haben die Einsprechende I am 30. September 1999 und die Einsprechende II am 1. Oktober 1999 Einspruch eingelegt.

Die Einsprüche werden darauf gestützt, dass der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig sei, insbesondere nicht mehr neu sei und nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Die Einsprechende I verfolgt eine zunächst geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung nicht weiter.

Die Patentinhaberin hat mit Eingabe vom 26. Mai 2003 (eingegangen am 27. Mai 2003) die Bearbeitung der Einspruchssache durch das Bundespatentgericht beantragt.

Sie hat ihr Patent mit Schriftsatz vom 16. Juni 2005 geteilt.

Die Einsprechenden beantragen, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit einem schriftsätzlich am 16. Juni 2005 eingereichten Patentanspruch, Beschreibung und Zeichnung gemäß Patentschrift.

Sie rügt, der Einspruch der Einsprechenden I sei unzulässig.

Sie regt an, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.

Der Senat hat darauf hingewiesen, dass der geltende Patentanspruch unzulässig geändert ist.

Dieser Patentanspruch lautet:

"Vollmantel - Schneckenzentrifuge mita) einer an beiden Stirnseiten gelagerten, um eine horizontale Achse drehbaren, antreibbaren Trommelb) und einer horizontal darin drehbar gelagerten, mit einer Differentdrehzahl gegenüber der Trommel antreibbaren Förderschnecke."

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

Vollmantel-Schneckenzentrifuge mit einer an beiden Stirnseiten gelagerten, um eine horizontale Achse drehbaren, antreibbaren Trommel und einer koaxial darin drehbar gelagerten, mit einer Differenzdrehzahl gegenüber der Trommel antreibbaren Förderschnecke, wobei der Antrieb ein mehrstufiges Umlaufgetriebe aufweist, dessen Gehäusemantel mit dem Trommelmantel und dessen Abtriebswelle mit der Förderschnecke verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass das getriebeseitige Trommellager (5) zwischen zwei Getriebestufen (7, 8) des mehrstufigen Umlaufgetriebes vorgesehen ist.

Diesem Anspruch sind drei Unteransprüche nachgeordnet.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.

II.

1. Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 PatG.

Der Senat kann im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil die Patentinhaberin ihren zunächst hilfsweise gestellten Teminsantrag nicht mehr aufrecht hält.

2. Die Einsprüche sind zulässig. Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin sind von der Einsprechenden I entsprechend § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG innerhalb der Einspruchsfrist die Tatsachen im Einzelnen vorgetragen worden, die den Einspruch rechtfertigen sollen. Das sind datierte Lieferungen von Schlammzentrifugen an namentlich benannte Kunden. Beweismittel müssen nicht innerhalb der Einspruchsfrist genannt, Zeugen können nachgebracht werden.

3. Die Teilungserklärung ist wirksam abgegeben (vgl. BPatG PMZ 2003, 293 Programmartmitteilung).

3 a. Die Patentinhaberin verteidigt ihr Schutzrecht nur noch in einer geänderten Fassung. Der neu gefasste Patentanspruch enthält nur die beiden ersten Merkmale aus dem Obergegriff des erteilten Patentanspruchs 1. Alle weiteren Merkmale sind gestrichen. Damit ist der Schutzbereich des Patents ganz erheblich erweitert worden. Eine solche Änderung ist patentrechtlich nicht zulässig (BGH BlPMZ 1998, 282, 283 - Polymermasse).

b. Wird das Schutzrecht ausschließlich mit geänderten Ansprüchen verteidigt, kann es im Einspruchsverfahren nur aufrechterhalten werden, wenn es auch mit dem neuen Inhalt patentrechtlich zulässig ist. Ist das - wie ausgeführt - nicht der Fall, muss das Patent widerrufen werden, ohne dass geprüft wird, ob dem Patent in der erteilten Fassung Widerrufgründe entgegenstehen: BPatG GRUR 1997, 48; Schulte, PatG 7. Aufl. § 59 Rdn. 162; Haugg, Die Entwicklung des Einspruchsverfahrens im deutschen und europäischen Patentrecht 1999, S. 243 ff. Eine Prüfung auch der erteilten Fassung des Patents verlangen: Schwendy in Busse, PatG, 6. Aufl, § 21, Rdn. 107; Keukenschrijver in Busse a.a.O. § 59 Rdn. 157; Keukenschrijver in GRUR 2001, 571, 576; Krasser, Lehrbuch des Patentrechts, 5. Aufl S. 631. Der BGH hat die Frage in seiner Entscheidung GRUR 2002, 49, 50 - Drehmomentübertragungseinrichtung offengelassen.

c. Die Patentinhaberin hat trotz eines Hinweises des Senats an dem unzulässig geänderten Patentanspruch festgehalten. An diesen Antrag ist der Senat gebunden. Die Entscheidung darüber, welchen Inhalt das Schutzrecht letztlich haben soll, muss demjenigen überlassen sein, der es wirtschaftlich nutzen will. Es ist deshalb allein Sache der Patentinhaberin, bei der Formulierung ihres Schutzbegehrens Überlegungen hinsichtlich der technischen Verwertbarkeit der geschützten Erfindung und der Durchsetzbarkeit seines Patents auf dem Markt anzustellen, insbesondere sich Gedanken über die Behauptung seines Schutzrechts gegenüber Mitbewerbern zu machen und mögliche Verletzungsformen einzuschätzen. Es ist allein Sache der Patentinhaberin, derartige Erwägungen anzustellen, zumal sie allein die Folgen einer für sie ungeeigneten Formulierung ihres Schutzbegehrens tragen muß (BGH GRUR 1989, 103, 104 - Verschlußvorrichtung für Gießpfannen).

Daran ändert auch nichts, dass die Patentinhaberin im Einspruchsverfahren keinen Antrag stellen muss (Keukenschrijver in Busse a.a.O § 59 Rdn. 156 unter Verweis auf BPatGE 42, 147 - Markensache). Entschließt sie sich, Anträge zu stellen, dann muss sie, wenn sie die erteilte Fassung des Patents noch verteidigen will, die volle Aufrechterhaltung auch förmlich beantragen (regelmässig als Hauptantrag neben weiteren, auf beschränkte Aufrechterhaltung gerichteten Hilfsanträgen). Das ist hier nicht der Fall.

d. Weil das Gericht an die Anträge der Patentinhaber gebunden ist, findet z.B. auch in einem vom Patentinhaber betriebenen Einspruchsbeschwerdeverfahren nach PatG § 99, ZPO §§ 528, 557 keine Prüfung des erteilten Patents mehr statt, wenn der Patentinhaber sein Patent nur unzulässig beschränkt verteidigt (BGH Mitt 2000, 455, 456 - Verglasungsdichtung).

e. Sogar im Nichtigkeitsverfahren, bei dem der Senat, gemessen am auf Vernichtung des Patents gerichteten Klageantrag an sich jedes Weniger zusprechen kann (Keukenschrijver in GRUR 2001, 571, 577), hat der BGH Zweifel angemeldet, ob der Nichtigkeitssenat im Weg einer teilweisen Vernichtung dem Patent eine beschränkte Fassung geben darf, auf die der Beklagte keinen förmlichen Antrag richten muss (BGH GRUR 1997, 272, 273 - Schwenkhebelverschluss). In seinem Urteil vom 10. Februar 2004 - X ZR 55/00 hat der BGH es dahinstehen lassen, ob der Patentanspruch 1 in einer geändert verteidigten Fassung zulässig ist. Er hat dann aber nicht mehr (wie noch in seiner Entscheidung GRUR 2004, 579, 583 - Imprägnieren von Tintenabsorbierungsmitteln) geprüft, ob dem Patent in seiner erteilten Fassung Nichtigkeitsgründe entgegenstehen.

f. Gegen einen Widerruf allein wegen unzulässiger Änderung des Patents wird eingewandt, das sei kein in PatG § 21 Abs. 1 aufgeführter Widerrufsgrund. Diese Widerrufsgründe sind jedoch nicht abschließend. Das Einspruchsverfahren kennt über die dort aufgeführten Gründe hinaus verschiedene weitere Fälle, in denen ein Patent widerrufen wird. So wird nach einer zulässigen beschränkenden Änderung der nicht mehr verteidigte Teil des erteilten Patents auch ohne Prüfung, ob ein Widerrufsgrund vorliegt, (bei einer beschränkten Aufrechterhaltung implizit) widerrufen. Denn auch bei einer Beschränkung ist das erteilte Patent und nicht die beschränkte Fassung Gegenstand der Entscheidung (Keukenschrijver in: Busse, PatG, 6. Aufl, § 59 Rdn. 157; a.A. Stortnik GRUR 2000, 111, 113). Ähnlich ist die Situation nach einer Teilung des Patents nach PatG § 60. Wird das Patent nur wegen der Teilung nicht aufrechterhalten (PatG § 21 Abs. 3 Satz 2 2. HS), ist das implizit ein Widerruf, ohne dass Widerrufsgründe nach PatG § 21 geprüft werden.

Der Widerruf ist gemäß PatG § 61 Abs. 1 Satz 1 die negative Entscheidung im Einspruchsverfahren (vgl. Senat in PMZ 2004, 344 - Rundum - Etikettiermaschine), unabhängig davon, auf welche Gründe er gestützt wird.

g. Dass eine Prüfung der erteilten Fassung des Patent nicht stattfindet, ist gegenüber der Patentinhaberin auch nicht "unnötig streng" und "unter Übermaßgesichtspunkten bedenklich"(so Keukenschrijver in GRUR 2001, 571, 576, 577). Denn die Patentinhaberin hat es in der Hand, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Im vorliegenden Fall konzentriert sie sich offensichtlich ganz auf das Verfahren in der Trennanmeldung und nimmt den Widerruf des Stammpatents bewusst in Kauf.

4. Die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf PatG § 100 Abs. 2 Nr. 1.

Dr. Ipfelkofer Hövelmann Dr. Frowein Pontzen Hu






BPatG:
Beschluss v. 08.08.2005
Az: 34 W (pat) 702/03, 34 W (pat) 382/03


Link zum Urteil:
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