Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. August 2007
Aktenzeichen: 29 W (pat) 80/05

(BPatG: Beschluss v. 08.08.2007, Az.: 29 W (pat) 80/05)

Tenor

1. Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Januar 2005 und vom 23. Mai 2005 werden aufgehoben.

2. Das Verfahren wird an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarke 302 56 741.0 iKommsoll für die Dienstleistungen der Klassen 38 und 42

"IT-Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen: Beraten, Planen und Installieren branchenneutraler individueller Komplettlösungen; Beraten, Planen und Installieren von Systemplattformen NT/2000/XP, IBM AS400, Linux, div. Unix Derivate; individuelle Programmierung und Anwendersupport; Outsourcing von Firmen EDV's; Sicherheitsberatung (Firewall, Backup, VPN, Virenschutz); Netzwerktechnik, Router, Internetlösungen; Consulting, Projektmanagement; Kundenspezifische Anwendungsprogrammierung; sonstige Serviceleistungen"

in das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung des Zeichens mit Beschluss vom 21. Januar 2005 zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Erinnerung wurde durch Beschluss vom 23. Mai 2005 ebenfalls zurückgewiesen. Die Markenstelle vertritt die Auffassung, das angemeldete Zeichen "iKomm" werde im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen von den überwiegenden Teilen des Verkehrs nur inhaltsbezogen als Bezeichnung für "Internet-Kommunikation" verstanden, nicht aber als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen. Auf dem einschlägigen Dienstleistungssektor stehe der Buchstabe "i" häufig für Internet und sei dem Verkehr in den Abkürzungen "iRadio", "iBanking", "iLearning" geläufig. "Komm" sei dagegen die übliche Abkürzung für "Kommunikation". Das Gesamtzeichen werde daher ohne gedankliche Zwischenschritte als "Internet-Kommunikation" oder "Kommunikation im Internet" verstanden.

Die Anmelderin hat dagegen mit Schreiben vom 22. Juni 2005 Beschwerde eingelegt und begründet, dem angemeldeten Begriff lasse sich kein eindeutig beschreibender Begriffsinhalt entnehmen. Es handle sich um eine vieldeutige Angabe, die sowohl "internationale Kommunikation", "informative Kommunikation", "Internetkommunikation", aber auch "intensive Kommunikation" bedeuten könne. Allenfalls handle es sich um die Abwandlung einer beschreibenden Angabe, die ihrerseits aber weder als Fachwort, noch als selbständig beschreibende Angabe bekannt sei.

Die Anmelderin beantragt daher (sinngemäß), die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 vom 21. Januar und 23. Mai 2005 aufzuheben.

Das Ergebnis der vom Senat durchgeführten Recherche zur Verwendung des Zeichens "ikomm" wurde der Anmelderin übersandt.

II.

Die gem. § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 ist aus formalen Gründen aufzuheben und gem. § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG zur Klärung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses zurückzuverweisen, da das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt an einem wesentlichen Mangel leidet. Die Rechtsauffassung des Gerichts zur Schutz(un)fähigkeit des angemeldeten Zeichens ist dabei zu berücksichtigen.

1. Die Zurückweisung erfolgt gem. § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG. Das gem. § 32 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG mit der Anmeldung vorgelegte Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen entspricht nicht den Vorgaben der §§ 19, 20 MarkenV. Die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Januar und 23. Mai 2005 gehen insoweit nicht auf einen Mangel am Verzeichnis ein, sondern erschöpfen sich unter Herausgreifen weniger Dienstleistungen in der Feststellung, dass die "angemeldeten" Dienstleistungen insgesamt nicht schutzfähig seien. Es fehlt insoweit an einer nachprüfbaren Begründung, inwieweit "ikomm" konkret in Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen beschreibenden Charakter besitzt bzw. ihm die Unterscheidungskraft fehlt. Grundlage für die Beurteilung der Schutzfähigkeit eines Zeichens ist ein genau festgelegtes Waren- und Dienstleistungsverzeichnis, zu dessen Klarstellung das Deutsche Patent- und Markenamt gem. §§ 36 Abs. 4, 32 Abs. 3 MarkenG i. V. m. §§ 19, 20 MarkenV angehalten ist. Andernfalls ist es ihm nicht möglich, sich in der Beschlussbegründung konkret mit den einzelnen Waren und Dienstleistungen auseinanderzusetzen (BPatG MarkenR 2006, 422 - Rätsel total; BPatG Mitt. 1997, 371, 372 - TURBOCLEAN). Diese gesetzliche Verpflichtung wird nicht dadurch reduziert, dass sich die zuständige Behörde nach Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) auf eine globale Begründung für alle betroffenen Waren und Dienstleistungen beschränken kann, sofern dasselbe Eintragungshindernis für eine Kategorie oder Gruppe von Waren und Dienstleistungen gilt (EuGH, Urteil vom 25. Oktober 2007, Rs. C-238/06 P - Rn. 91 - Develey; Urteil vom 15. Februar 2007, Rs. C-239/05 - Rn. 37 - The Kitchen Company). Der EuGH äußert sich insoweit nicht zu der der Begründung zeitlich vorgelagerten Festlegung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses. Erst, wenn die einzelnen Waren und Dienstleistungen einzeln definiert und klassifiziert sind, kann die Frage nach einer gruppenmäßigen Kategorisierung aktuell werden. Ein verworrenes Verzeichnis kann daher nicht insgesamt zurückgewiesen werden.

1. 1. Das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis muss in Ausfüllung der o. g. Vorschriften der MarkenV nach Ziffer 4.4. der Richtlinien für die Prüfung von Markenanmeldungen (BlPMZ 2005, 245 ff.) nicht nur eine eindeutige Klassifizierung ermöglichen, sondern auch die Waren und Dienstleistungen so hinreichend klar bestimmen, dass der Schutzumfang der Marke - auch im Registerverfahren - eindeutig feststellbar ist. Die Richtlinie (a. a. O.) sieht daher vor, dass die Markenstelle den Anmelder aufzufordern hat, "unbestimmte, erläuterungsbedürftige oder unzulässige Begriffe" zu klären und die Mängel zu beseitigen, und zwar so, "dass eine Beurteilung der absoluten Schutzfähigkeit möglich ist". Eine klare Begriffsfassung mag dabei aufgrund der hohen Technizität in den Klassen 38 und 42 besonders schwierig sein. Aus diesem Grund sind Ungereimtheiten des Verzeichnisses unter Mithilfe des Anmelders aufzuklären. Die Mitwirkung des Anmelders am Verfahren ist dabei ein wichtiger Bestandteil beim Erlass des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakts. Sie dient zum einen der Durchsetzung seiner Rechte, zum andern ist sie auch Mittel der Sachaufklärung. Es ist daher seine Pflicht am Verfahren und zu dessen Förderung mitzuwirken.

Inwieweit die eher "summarische" Prüfung und Nichtbehebung von Mängeln für den Fall, dass die Anmeldung "wahrscheinlich nicht eintragbar ist" (vgl. Richtlinie, a. a. O.), im Interesse der Verfahrensökonomie in Übereinstimmung mit dem Markengesetz und der Markenverordnung steht, mag dahinstehen. Sie steht auf jeden Fall im Widerspruch einerseits zur Rechtsprechung von EuGH (a. a. O. , Rn. 30, 31 - The Kitchen Company) und Bundesgerichtshof, andererseits zum Rechtsanspruch des Anmelders auf die Eintragung, sofern kein absolutes Schutzhindernis vorliegt. Der EuGH hat mehrfach ausdrücklich klargestellt (GRUR 2004, 428 ff. - Rn. 31 - Henkel; MarkenR 2004, 99, 103 - Rn. 33 - Postkantoor; GRUR 2003, 604 ff. - Rn. 76 - Libertel), dass die Prüfung der Schutzfähigkeit "konkret", und zwar auch in Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen zu erfolgen hat. Dies erfordert zwingend, dass klar und eindeutig sein muss, um welche Waren und Dienstleistungen es sich im Einzelnen handelt, da andernfalls die entsprechende Prüfung überhaupt nicht vorgenommen werden kann. Gleiches kommt in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu BerlinCard (GRUR 2005, 417, 419) zum Ausdruck, wenn er fordert, dass die Annahme eines hinreichend engen beschreibenden Bezugs zu allen angemeldeten Waren und Dienstleistungen in generalisierender Weise nicht ausreichend ist, sondern in concreto für die einzelne angemeldete Ware und für die einzelne angemeldete Dienstleistung zu prüfen ist. Der Anmelder hat gem. § 33 Abs. 2 MarkenG einen Anspruch auf Eintragung der angemeldeten Marke, sofern die Anmeldungserfordernisse erfüllt sind und keine absoluten Eintragungshindernisse entgegenstehen. Dem Anmelder steht - und zwar für jede der angemeldeten Waren und Dienstleistungen - ein subjektives öffentliches Recht auf Eintragung zu (BGH GRUR 1977, 717, 718 - Cokies). Im Anmeldeverfahren hat er damit eine eigentumswerte Anwartschaft auf eine Rechtsposition im Sinne von Art. 14 GG (Grabrucker in: Fezer, Handbuch der Markenpraxis, Bd. 1, Rn. 594; EGMR, Urteil vom 11.01.2007, Nr. 73049/01 - Anheuser Busch/Portugal). Eine "summarische Prüfung" verbietet sich unter diesem Gesichtspunkt. Auch deshalb muss das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis klar, eindeutig und unmissverständlich sein.

1. 2. Widersprüchlich und daher klärungsbedürftig im Sinn von §§ 20 Abs. 2, 19 Abs. 2, 21 Abs. 1 MarkenV ist vorliegend fast das gesamte Verzeichnis. Dies wurde auch bei der Prüfung der Anmeldung vom Mitarbeiter der Auszeichnungsstelle durch seine vielfältigen Unterstreichungen und Fragezeichen zu erkennen gegeben. Dessen Beanstandungen haben sich jedoch lediglich im Erstbescheid in dem Satz, das Verzeichnis bedürfe "noch der Klärung" niedergeschlagen, nicht aber zu einer tatsächlichen Überarbeitung des Verzeichnisses zusammen mit der Anmelderin geführt.

Bei der Angabe "IT Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen" handelt es sich weder um eine Ware, noch um eine Dienstleistung, sondern um einen bloßen Hinweis auf das Marktsegment, in dem ein Unternehmen tätig sein soll. Es ist nicht zu verstehen, worum es sich bei der Formulierung "Beraten, Planen und Installieren branchenneutraler individueller Komplettlösungen" handelt. Gleiches gilt für die Dienstleistungen "Outsourcing von Firmen EDV's" oder "sonstige Serviceleistungen". Da "Router" Geräte sind, und damit eine Ware, müssten sie in Klasse 9 ausgezeichnet sein, was jedoch nicht geschehen ist. Insgesamt verbleibt es bei einer vagen Vorstellung, dass es sich um Dienstleistungen im Rahmen der Telekommunikation, des Internets handeln dürfte. Dies ist keine Grundlage für eine rechtsstaatlichen Grundsätzen genügende Überprüfung der Anmeldung nach Art. 20 Abs. 3 GG.

2. Hinsichtlich der Schutzfähigkeit der angemeldeten Wortfolge bei Dienstleistungen der Klasse 38, kann das Deutsche Patent- und Markenamt davon ausgehen, dass der Buchstabe "i" für verschiedene Bedeutungen als Abkürzung stehen kann, u. a. für "interest", "information", "international", aber auch "Internet" (www.acronymfinder.com). "Komm" steht im Zusammenhang mit Telekommunikation häufig als Kurzform von "Kommunikation" (http://tkit.verdi.de/publikationen/kommdownload; www.google.de Stichwort: *komm s. www.soldankomm.de; www.istkomm.de). Das Gesamtzeichen ist daher eine verständliche Abkürzung für "Internet-Kommunikation", und zwar insbesondere im Bereich der Klasse 38, die sich mit Telekommunikation beschäftigt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs reicht es aus, dass ein beschreibender Begriffsgehalt vorliegt, um die Schutzfähigkeit zu verneinen (EuGH, MarkenR 2004, 450 ff. - DOUBLEMINT). "iKomm" kann deshalb bei entsprechenden Dienstleistungen, die sich im engeren Sinn mit der Telekommunikation in Klasse 38 beschäftigen, in seiner verständlichen begrifflichen Bedeutung und nicht als Herkunftshinweis aufgefasst werden. Der Verkehr kennt bereits weitere ähnlich gebildete Zeichen mit "i", die die Bedeutung "Internet" nahe legen, wie z. B. die von der Markenstelle aufgeführten Begriffe "iLearning", "iBanking", "iRadio". Aber auch den "iworker" (www.iworker.de/) als Bezeichnung für eine Person, die sich beruflich als Grafiker, Texterin, Programmierer oder Fotografin mit dem Internet beschäftigt. Ebenfalls beschreibend wird die Bezeichnung "iScout 2007" verwendet mit dem Hinweis: "Der Reiseführer zu aktuellen Trends im Internet." (www.edublog.ch/web_2-0/). Das angemeldete Zeichen "iKomm" findet außerdem Verwendung für ein Kommunikationsportal der Universität Osnabrück ("ikomm - Informations- und Kommunikationsportal"www2.uniosnabrueck.de/00217110/00094045.htm).

Sollte das klargestellte Verzeichnis Dienstleistungen der Klasse 42 ergeben, dürfte zu prüfen sein, ob "ikomm" eine im Vordergrund stehende Sachaussage für die dort einzuordnenden Dienstleistungen sein kann. Dienstleister von technologischen Dienstleistungen oder solchen, die Computerhard- und -software entwerfen und entwickeln, kennzeichnen ihre Dienstleistungen häufig mit Phantasienamen, bieten sie jedoch nicht unter inhaltsbeschreibenden, produktbezogenen Zeichen an. Hier sollten durch die Markenstelle nochmals die Marktgewohnheiten und Bezeichnungsgepflogenheiten geprüft werden.

Für die in Frage kommende Ware der Klasse 9 ist mit zu berücksichtigen, dass dem Verkehr insoweit eine markenmäßige Kennzeichnung von Waren bekannt ist, die ebenfalls aus "i" und einem weiteren Begriff gebildet sind, wie z. B. "iPod", "iPhone" oder "iglasses" (www.iglasses.de/).

Grabrucker Richterin Fink ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhindert.

Grabrucker Dr. Mittenberger-Huber Ko






BPatG:
Beschluss v. 08.08.2007
Az: 29 W (pat) 80/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/6bf8fc27e29f/BPatG_Beschluss_vom_8-August-2007_Az_29-W-pat-80-05




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share