Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Dezember 2004
Aktenzeichen: 33 W (pat) 104/03

(BPatG: Beschluss v. 07.12.2004, Az.: 33 W (pat) 104/03)

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Markeninhabers wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 1 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Januar 2003 insoweit aufgehoben, als die Löschung der Marke 398 21 044 für die Waren "technische Öle, Fette, Schmierstoffe, Aerosole" angeordnet worden ist.

2. Hinsichtlich der unter Ziff. 1. genannten Waren wird der Widerspruch aus der Marke 1 102 937 zurückgewiesen.

3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Wort-/Bildmarke 398 21 044 für Kl. 1: Klebstoffe für gewerbliche Zwecke;

Kl. 4: technische Öle, Fette, Schmierstoffe, Aerosoleist Widerspruch erhoben worden aus der Wortmarke 1 102 937 FLOCKSIL für Kl. 1: chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke; Klebstoffe für gewerbliche Zwecke.

Mit Beschluss vom 17. Januar 2003 hat die Markenstelle für Klasse 1 durch ein Hilfsmitglied des Patentamts die Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs angeordnet. Nach Auffassung der Markenstelle besteht zwischen den beiderseitigen Marken eine Gefahr von Verwechslungen i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Der Widerspruchsmarke komme mangels anderweitiger Anhaltspunkte eine normale Kennzeichnungskraft zu. Die Waren der Klasse 1 der angegriffenen Marke seien mit den entsprechenden Waren der Widerspruchsmarke identisch. Außerdem seien die Waren der Klasse 4 der angegriffenen Marke mit den für die Widerspruchsmarke geschützten "chemischen Erzeugnissen für gewerbliche Zwecke" ähnlich. Zwar seien die entsprechenden Waren der angegriffenen Marke Endprodukte, während für die Widerspruchsmarke Zwischenprodukte oder zur Weiterverarbeitung bestimmte Hilfsmittel eingetragen seien. Die beiderseitigen Waren richteten sich jedoch an identische Verkehrskreise, wiesen Übereinstimmungen in der stofflichen Beschaffenheit auf, außerdem seien Überschneidungen bei den Herstellern und dem Anwendungsbereich vorstellbar. Es seien daher zumindest durchschnittliche Anforderungen an den Markenabstand zu stellen, den die jüngere Marke jedoch nicht einhalte. In klanglicher Hinsicht werde die jüngere Marke allein durch ihren Wortbestandteil geprägt. Die Ähnlichkeit der beiden Markenwörter "Lockseal" und "Flocksil" werde wesentlich durch die Gemeinsamkeiten der Lautfolgen bestimmt. Die Marken stimmten in Wortaufbau, Sprech- und Betonungsrhythmus und Silbenzahl überein. Auch die Schlusssilben seien klanglich identisch, da "SEAL" erkennbar englischen Ursprungs sei und deshalb mit einem langen Vokal "i" gesprochen werde. Der nur in der Widerspruchsmarke vorhandene Anfangskonsonant "F" sei klangschwach und beeinflusse das Klangbild nicht maßgeblich. Auch ein etwaiger unterschiedlicher begrifflicher Anklang kompensiere nicht die klangliche Ähnlichkeit, da er Verwechslungen nicht verhindern könnte.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke. Mit am 4. Juli 2003 eingegangenen Schriftsatz hat er hinsichtlich der 1987 eingetragenen Widerspruchsmarke die Einrede der Nichtbenutzung für die Waren "chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke" erhoben. Zur Begründung der Beschwerde führt er aus, dass die Markenstelle die begrifflichen Unterschiede der Marken in Abhängigkeit von den angesprochenen Verkehrskreisen bei der Beurteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr nicht ausreichend gewürdigt habe. Von den Waren der beiderseitigen Marken würden ausschließlich Fachkreise angesprochen, was auch aus den tatsächlichen Benutzungsverhältnissen hervorgehe. Die Widerspruchsmarke werde ausweislich des Internetauftritts der Widersprechenden für Beflockungsklebstoffe, und damit für ausgesprochen spezielle Anwendungen, benutzt. Die Widersprechende führe selber an, dass der Begriff "Flock" eine beschreibende Angabe für kurz geschnittene Fasern aus z.B. Polyamid oder Polyester sei. Die Endung "sil" sei eine für Marken der Widersprechenden typische Endung, die sie etwa auch bei "Chemosil" oder "Persil" einsetze. Die Endung "sil" diene dabei als beschreibender Hinweis auf im Produkt enthaltene Silikate. Der Markeninhaber vertreibe über sein Unternehmen ausschließlich Produkte der Klebe- und Dichtungstechnik als professionelle Industrieprodukte. Für die damit ausschließlich angesprochenen Fachkreise sei der Bestandteil "SEAL" leicht als englischer Fachbegriff mit der Bedeutung "dichten, abdichten" verständlich, wofür der Markeninhaber Auszüge aus dem Internet vorlegt. Außerdem sei der Begriff "lock" für den Fachmann auf dem Gebiet der Klebe- und Dichtungstechnik ein bekannter Begriff der englischen Sprache mit der Bedeutung "Schloss, verschließen, festklemmen, blockieren", der bei der Verbindung von Bauteilen regelmäßig verwendet werde. Damit weise die jüngere Marke den Begriffsinhalt "Verschlussdichtung, dichte Verriegelung" auf bzw. lasse Anklänge an diesen erkennen, während die Widerspruchsmarke auf einen Beflockungsklebstoff mit einem Silikatanteil hinweise. Auf Grund dieser unterschiedlichen begrifflichen Anklänge werde der fachlich versierte Verkehr die Marken auseinander halten können.

Der Markeninhaber beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss im Umfang der Löschung der angegriffenen Marke aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke 1 102 937 zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie trägt vor, dass die jüngere Marke wie "LOCKSIL" ausgesprochen werde. Damit seien sich die beiderseitigen Marken nach dem klanglichen Gesamteindruck so ähnlich, dass etwaige Sinngehalte deutlich zurücktreten würden. Ergänzend verweist sie auf verschiedene Beispiele aus der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts. Außerdem sei der Hinweis des Markeninhabers, der Verkehr werde "seal" im Sinne von Dichtung verstehen, irreführend, da dieses englische Wort für Klebstoffe nicht beschreibend sei. Insofern liege u.U. sogar eine Täuschung des Verkehrs vor. Die Waren seien identisch, da die Klebstoffe der Widerspruchsmarke auch Klebstoffe für gewerbliche Zwecke seien. Eine klangliche Verwechslungsgefahr sei damit unausweichlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die zulässige Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke ist nur teilweise begründet.

1. Auf die nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG zulässige beschränkte Nichtbenutzungseinrede des Markeninhabers hat die Widersprechende keine Benutzungsunterlagen vorgelegt, aus denen die rechtserhaltende Benutzung der von der Nichtbenutzungseinrede erfassten Waren "chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke" innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke und innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch hervorgehen könnte. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG können daher auf Seiten der Widerspruchsmarke nur die von der Einrede nicht erfassten Waren "Klebstoffe für gewerbliche Zwecke" berücksichtigt werden.

2. (Nur) hinsichtlich der Waren "Klebstoffe für gewerbliche Zwecke" besteht eine Gefahr von Verwechslungen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Warenidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2001, 544, 545 = WRP 2002, 537 - BANK 24, m.w.N.; GRUR 2002, 1067 - DKV/OKV).

a) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist insgesamt normal. Zwar ist ihr Bestandteil "Flock" im Hinblick auf den unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Markeninhabers und der von ihm vorgelegten Ausdrucke aus dem Internetauftritt der Widersprechenden (wo es u.a. heißt "... als Flock werden kurz geschnittene Fasern aus z.B. Polyamid oder Polyester bezeichnet. Dieser Flock lässt sich ... in einen Klebstofffilm einbringen.") schutzunfähig, da er beschreibend auf Beflockungsklebstoffe hinweist. Der weitere Bestandteil "sil" ist dagegen vom Markeninhaber ausdrücklich als "eine für Marken der Widersprechenden typische Endung" bezeichnet worden, die sie auch bei anderen Marken einsetze. Dann aber kommt ihm als Hinweis auf den Betrieb der Widersprechenden auch Kennzeichnungskraft zu, selbst wenn die Widersprechende ihn als Bezeichnung für Silikatzusätze benutzt. Es ist jedenfalls nichts dafür vorgetragen, dass "sil" - unabhängig von den Kennzeichnungen der Widersprechenden - im Verkehr als Fach- oder Sachangabe verstanden würde. In ihrer Gesamtheit weist die Widerspruchsmarke daher eine normale Kennzeichnungskraft auf.

b) Die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen liegen teilweise im Identitätsbereich, im übrigen außerhalb jeglicher Warenähnlichkeit.

Der Warenbegriff "Klebstoffe für gewerbliche Zwecke" ist in den Verzeichnissen beider Marken identisch enthalten, sodass insoweit Warenidentität besteht.

Hinsichtlich der weiter für die angegriffene Marke eingetragenen Waren "technische Öle, Fette, Schmierstoffe, Aerosole" kann in Bezug auf die nach § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG auf Seiten der Widerspruchsmarke nur noch zu berücksichtigenden "Klebstoffe für gewerbliche Zwecke" keine rechtlich erhebliche Ähnlichkeit festgestellt werden. Zwar handelt es sich beiderseits um chemische Produkte, dies vermag angesichts der Weite dieses Oberbegriffs jedoch allein keine Ähnlichkeit zu begründen. In stofflicher Hinsicht sind Klebstoffe und Mineralölprodukte, Aerosole jedenfalls verschieden. Auch der Verwendungszweck der beiderseitigen Waren stimmt nicht überein. Gleiches gilt für die Vertriebswege. Auch die bisherige Rechtsprechung zum Warenzeichengesetz hat eine Gleichartigkeit der beiderseitigen Waren verneint (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S. 192 li. Sp.). Hinsichtlich der Waren "technische Öle, Fette, Schmierstoffe, Aerosole" ist der Widerspruch daher schon mangels jeglicher Ähnlichkeit der Waren nicht begründet, so dass der Beschwerde des Markeninhabers insoweit stattzugeben war.

b) Was die Waren "Klebstoffe für gewerbliche Zwecke" betrifft, hält die angegriffene Marke angesichts der insoweit festgestellten Warenidentität und normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke den erforderlichen größeren Abstand zur Widerspruchsmarke in klanglicher Hinsicht nicht ein. Sie wird durch ihren Wortbestandteil geprägt, da die nur unterstreichende, hervorhebende Grafik nichts zum klanglichen Gesamteindruck beizutragen vermag. Die Senkrechtstellung erschwert zwar das Lesen, jedoch wird der Verkehr auch mit gedrehten, gestellten, gekippten oder liegenden Klebstoffbehältnissen, wie etwa Tuben, konfrontiert. Abgesehen davon, dass senkrechte Schriften ohnehin werbeüblich sind, muss auch eine um 90 Grad verdrehte Schrift daher mit berücksichtigt werden (vgl. a. BPatG BlfPMZ 2001,104 - Stihl). Da der Bestandteil "SEAL" der angegriffenen Marke unbestritten englisch und damit - mit stimmlosen "s" - wie "ßil" ausgesprochen wird, stehen sich die Klangbilder "lockßil" und "flocksil" gegenüber. Hierbei sind Vokalfolge, Silbengliederung und Betonung identisch. Die Konsonanten "l", "ck" und "ß/s" sind ebenfalls identisch oder nahezu identisch. Der Unterschied zwischen dem stimmlosen Lippenblaslaut "F" und dem Fließlaut "L" vermag unter diesen Umständen, auch wenn er sich am Markenanfang befindet, den klanglichen Gesamteindruck nicht mehr nennenswert zu verändern. Bei dieser Hochgradigkeit der klanglichen Ähnlichkeit werden die unterschiedlichen Sinngehalte der verschiedenen Markenbestandteile vom Verkehr in der Regel gar nicht erst erkannt, sodass diese eine Verwechslungsgefahr nicht vermeiden können. Damit ist teilweise, nämlich hinsichtlich der Waren "Klebstoffe für gewerbliche Zwecke", die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG festzustellen, sodass der Beschwerde insoweit der Erfolg versagt bleiben musste.

Winkler Dr. Hock Kätker Cl






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Az: 33 W (pat) 104/03


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