Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Juli 2005
Aktenzeichen: 29 W (pat) 56/03

(BPatG: Beschluss v. 27.07.2005, Az.: 29 W (pat) 56/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 15. Juni 2000 veröffentlichte Eintragung der Marke 300 16 740 Grafik der Marke 30016740.7 für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 9:

Elektrische, elektronische, optische, Mess-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate;

Datenverarbeitungsgeräte und Computer;

Klasse 16:

Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen Möbel);

Klasse 35:

Werbung und Geschäftsführung;

Klasse 38:

Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen;

Klasse 42:

Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikationwurde Widerspruch erhoben aus der Marke 2 014 399 Grafik der Marke 2014399 eingetragen am 21. Mai 1992 für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der Klassen 2, 3, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 11, 12, 14, 15, 16, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 31, 32, 33, 34 und 42, ua für Apparate und Instrumente für die Schwachstromtechnik, nämlich für die Nachrichten-, Hochfrequenz- und Regelungstechnik; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger; Computer;

Papier, Pappe (Karton) und Waren daraus, nämlich Papierhandtücher, Verpackungsbehälter und -tüten, Druckereierzeugnisse, Fotografien, Schreibwaren, Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren und für Haushaltszwecke; Pinsel; Büroartikel, nämlich nichtelektrische Bürogeräte, Lehr- und Unterrichtsmittel in Form von Druckereierzeugnissen, Spielen, Globen; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, nämlich Hüllen; Spielkarten; selbstklebende Kunststofffolie für Dekorationszwecke;

Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Vermietung von Datenverarbeitungsanlagen; Vermietung von Verkaufsautomaten.

Der Widerspruch richtet sich gegen alle Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke. Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2001 erhob die Markeninhaberin die Einrede der Nichtbenutzung.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 8. Januar 2003 zurückgewiesen. Die beiderseitigen Marken könnten sich zwar auf identischen bzw. sehr ähnlichen Waren und Dienstleistungen begegnen. Es fehle aber an einer Markenähnlichkeit, so dass die Gefahr von Verwechslungen nicht zu befürchten sei. Auf Grund der geringen Kennzeichnungskraft von Einzelbuchstaben beschränke sich der Schutzumfang der Vergleichsmarken auf deren konkrete grafische Gestaltung. Ein darüber hinausgehender Schutz für den jeweils zugrunde liegenden Buchstaben "l" bzw "L" könne nicht beansprucht werden. Die Frage der Benutzung könne bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass die beiderseitigen Waren und Dienstleistungen teilweise identisch bzw eng ähnlich seien. Die Widerspruchsmarke werde im Gesamteindruck durch den Großbuchstaben "L" geprägt, die angegriffene Marke durch das klein geschriebene "l". Im schriftbildlichen Gesamteindruck wiesen die Vergleichsmarken daher erhebliche Gemeinsamkeiten auf. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass die Widerspruchsmarke auf Grund ihrer großen Bekanntheit eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft aufweise.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der Marke anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bestreitet ausdrücklich die erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Diese sei allenfalls im Zusammenhang mit karitativen Aktivitäten, jedoch nicht im verfahrensgegenständlichen Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie bekannt. Sowohl im schriftbildlichen als auch im klanglichen Gesamteindruck bestünden zwischen den beiden Marken erhebliche Unterschiede. Auf Grund der aufwendigen grafischen Gestaltung komme eine Alleinprägung der Widerspruchsmarke durch den Buchstaben "L" nicht in Betracht. Die Widerspruchsmarke werde üblicherweise mit "Lions" benannt, die angegriffene Marke hingegen als "Klammeraffen - l" bezeichnet.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen worden (§ 42 Abs 2 Nr 1 iVm § 9 Abs 1 Nr 2, § 43 Abs 2 S 2 MarkenG).

1. Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungskriterien der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit, der Markenähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl EuGH GRUR 1998, 922, Rn 17 ff - Canon; BGH GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder). Maßgeblich für die Beurteilung einer Verwechslungsgefahr für das Publikum sind stets die Umstände des Einzelfalls (vgl EuGH GRUR Int 2004, 843, Rn 29 - MATRATZEN). Nach diesen Grundsätzen muss im vorliegenden Fall die Verwechslungsgefahr verneint werden.

2. Für die Widerspruchsmarke ist von einer von Haus aus durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen. Eine Steigerung der Kennzeichnungskraft kann daher nur im Wege intensiver Benutzung erfolgen. Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung einer durch Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft sind dabei der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Dauer, Intensität und geografische Verbreitung ihrer Benutzung, die für die Marke getätigten Werbeaufwendungen und der Anteil der Verkehrskreise, die mit der Marke gekennzeichnete Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt (vgl EuGH GRUR Int 1999, 734 - Lloyd - Rn 23). Umsatzzahlen, Geschäftsberichte oder sonstige Unterlagen, die der Beurteilung der Kennzeichnungskraft zugrunde gelegt werden könnten, hat die Widersprechende aber nicht vorgelegt und sind dem Senat auch nicht anderweitig zugänglich. Soweit der Senat selbst zu den hier angesprochenen Verkehrskreisen zählt, ist die Widerspruchsmarke als Emblem der Anmelderin nur für deren Tätigkeit als sog Serviceclub bekannt, der sich karitativen Zielen sowie der Veranstaltung kultureller und gesellschaftlicher Ereignisse verschrieben hat. Auch soweit die Benutzung der Widerspruchsmarke aus anderen Verfahren gerichtsbekannt ist, bezieht sie sich ausschließlich auf ihre karitativen Aktivitäten und nicht auf eine unternehmerische Tätigkeit. Für die Annahme einer erhöhten Kennzeichnungskraft in Bezug auf die hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen fehlen daher hinreichende Anhaltspunkte.

3. Für die Beurteilung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit ist von der Registerlage auszugehen. Die Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin ist unzulässig. Das gegen die Eintragung der Widerspruchsmarke gerichtete Widerspruchsverfahren wurde am 12. April 2005 abgeschlossen, so dass die Benutzungsschonfrist für die Widerspruchsmarke erst am 12. April 2010 abläuft (§ 43 Abs 1 Satz 1 iVm § 26 Abs 5 MarkenG). Benutzungsfragen stellen sich daher nicht.

4. Die von der angegriffenen Marke erfassten Waren und Dienstleistungen "Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen Möbel); Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern" sind identisch im Verzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten. Enge Ähnlichkeit besteht darüber hinaus zwischen den Waren " Elektrische, elektronische, optische, Mess-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten)" der angegriffenen Marke und den für die Widerspruchsmarke eingetragenen Waren "Apparate und Instrumente für die Schwachstromtechnik, nämlich für die Nachrichten-, Hochfrequenz- und Regelungstechnik". Inwieweit darüber hinaus eine Ähnlichkeit zwischen den Dienstleistungen "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Vermietung von Datenverarbeitungsanlagen" der Widerspruchsmarke und den von der angegriffenen Marke erfassten Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation besteht, kann dahin gestellt bleiben. Denn selbst im Bereich der identischen Waren und Dienstleistungen halten die Marken unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke den gebotenen Abstand ein.

5. Die Markenähnlichkeit ist anhand des Gesamteindrucks nach Schriftbild, Klang und Sinngehalt zu beurteilen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl EuGH aaO - MATRATZEN - Rn 29; BGH GRUR 2003, 1044, 1046 - Kelly; aaO - Zwilling/Zweibrüder).

5.1. Die Vergleichszeichen enthalten übereinstimmend den Buchstaben "L" in Groß- bzw Kleinschreibung in einer runden bzw. annähernd runden Umrandung. Trotz dieser Gemeinsamkeiten überwiegt im schriftbildlichen Gesamteindruck aber die unterschiedliche grafische Gestaltung. Die Widerspruchsmarke zeigt ein weißes "L" in einem schwarzem Kreis, das oben und unten jeweils von den Wörtern "LIONS" und "INTERNATIONAL" sowie seitlich von je einem stilisierten Löwenkopf im Halbprofil umrahmt ist. Die angegriffene Marke besteht hingegen aus dem schwarzen Kleinbuchstaben "l" und einer linienförmigen Umrandung nach Art des sog Klammeraffen, der insbesondere im Kontext moderner Kommunikationstechnologien eine gängiges grafisches Element ist (vgl BPatG GRUR 2003, 794, 795 - @-Zeichen). Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr der Gesamtzeichen ist damit ausgeschlossen.

5.2. Nichts anderes ergibt sich unter dem Gesichtspunkt, dass auch einzelne Bestandteile eines Zeichens die Verwechslungsgefahr begründen können, wenn sie dessen Gesamteindruck prägen. Die grundsätzliche Kennzeichnungskraft einzelner Buchstaben hat der Bundesgerichtshof wiederholt festgestellt (vgl BGH GRUR 2003, 343, 344 - Buchstabe Z; GRUR 2003, 345, 346 - Buchstabe K). Die grafische Gestaltung der Widerspruchsmarke geht aber deutlich über das Werbeübliche hinaus und darf daher bei der Beurteilung des Gesamteindrucks nicht außer Acht gelassen werden (vgl BGH GRUR 2004, 778, 779 - URLAUB DIREKT; GRUR 2005, 419, 423 - Räucherkate). Außerdem gilt für Kombinationszeichen aus Wort- und Bildbestandteilen der Erfahrungssatz, dass sich das Publikum in der Regel an den Wortbestandteilen als der einfachsten Form der Benennung orientiert (vgl BGH aaO - URLAUB DIREKT). Sowohl die grafische Gestaltung in Form der beiden Löwenköpfe als auch die weiteren Wortbestandteile "LIONS" und "INTERNATIONAL" bestimmen daher den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke mit und treten nicht völlig in den Hintergrund. Demzufolge wird das angesprochene Publikum die Widerspruchsmarke nicht mit dem Buchstaben "L" allein benennen, so dass auch eine klangliche oder begriffliche Verwechslungsgefahr nicht zu befürchten ist.

6. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG).

Fink Schwarz Bayer Cl






BPatG:
Beschluss v. 27.07.2005
Az: 29 W (pat) 56/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/6bf627bb52e1/BPatG_Beschluss_vom_27-Juli-2005_Az_29-W-pat-56-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share