Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 26. Februar 1993
Aktenzeichen: 6 U 140/92

(OLG Köln: Urteil v. 26.02.1993, Az.: 6 U 140/92)

1. Eine unzulässige vergleichende Werbung setzt nicht notwendig die namentliche Benennung der Konkurrenzpräparate voraus; bei Arzneimitteln kann die Angabe der Wirkstoffe ausreichen, wenn sie einen hinreichend klaren Bezug auf das betreffende Präparat bedeutet. Davon ist auszugehen, wenn der Wirkstoff der Àrzteschaft aufgrund umfangreicher fachwissenschaftlicher Veröffentlichungen als Bestandteil eines gut eingeführten und am Markt etablierten Arzneimittels, das als Vergleich herangezogen wird, bekannt gemacht worden ist.

2. Das Ausnutzen des guten Rufs des Produktes eines Mitbewerbers ist grundsätzlich mit den guten Sitten im Wettbewerb unvereinbar. Zu den Voraussetzungen eines zulässigen Aufklärungs-/Fortschrittsvergleichs.

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerinnen gegen das am 30. Juni 1992 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 206/92 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die einstweilige Verfügung der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 24. April 1992 aufrechterhalten und klarstellend wie folgt neu gefaßt wird: Die Antragsgegnerinnen haben es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,für das von ihnen vertriebene Analgetikum "T." mit der vergleichenden Erwähnung von Morphin, Tilidin/Naloxon, Tramadol, Metamizolund/odermit der Aussage"Klinisch relevante Dosen anderer Analgetika, denen T. und T. 30 mindestens gleichwertig bzw. überlegen sind,"zu werbenwie nachstehend wiedergegeben: Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Antragsgegnerinnen auferlegt.

Gründe

E n t s c h e i d u n g s g r ü n

d e :

Die Berufung der Antragsgegnerinnen ist

zulässig, sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht

hat ihnen zu Recht im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben,

die beanstandete Werbung für das Analgetikum "T." zu unterlassen.

Der Senat hat sich lediglich veranlaßt gesehen, die

Unterlassungsverfügung durch Einblenden einer Ablichtung des

vollständigen Folders in den Tenor deutlicher der konkreten

Verletzungsform anzupassen.

Das Verbot der von den

Antragsgegnerinnen vorgenommenen graphischen Gegenüberstellung von

"T. " einerseits mit den in herkömmlichen Opioid-Präparaten

enthaltenen Wirkstoffen "Morphin", "Tramadol", "Tilidin/Naloxon"

und "Metamizol" andererseits ist gemäß § 1 UWG gerechtfertigt. Wie

das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Antragstellerin

berechtigt, den Unterlassungsanspruch geltendzumachen. Dies folgt,

da auch die in dem Präparat der Antragstellerin enthaltenen

Wirkstoffe "Tilidin/Naloxon" in Bezug genommen sind, unmittelbar

aus § 1 UWG.

Bei der beanstandeten Gegenüberstellung

handelt es sich um eine Form der anlehnenden vergleichenden

Werbung, die mit § 1 UWG nicht zu vereinbaren ist. Dies hat die

Antragstellerin mit dem für das summarische Verfahren

erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.

Hinreichend glaubhaft gemacht ist

jedenfalls, daß die Werbung eine für die angesprochenen

Verkehrskreise erkennbare (anlehnende) Bezugnahme auf das Mittel

"V." bzw. "V. N" darstellt. Dem steht nicht entgegen, daß die

Antragsgegnerinnen in der graphischen Gegenüberstellung nicht das

Konkurrenzpräparat selbst namentlich benennen, sondern den bzw.

die darin enthaltenen Hauptwirkstoff(e) angeben. Mit dem Hinweis

auf den Wirkstoff wird nämlich - für die angesprochenen Àrzte

hinreichend erkennbar - auf das jeweilige Präparat des

Wettbewerbers Bezug genommen. Angaben über die Zusammensetzung

eines bestimmten Präparates können aber anerkanntermaßen einen

ausreichend klaren Bezug auf ein eingeführtes Präparat bedeuten

(vgl. von Gamm, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Kapitel 22, Rdnr. 14).

Eine erkennbare Bezugnahme auf ein bestimmtes Produkt setzt nämlich

dessen ausdrückliche Bezeichnung oder gar die namentliche Nennung

seines Herstellers nicht voraus (vgl. BGH GRUR 1989, 602 - "Die

echte Alternative"). Daß im Streitfall die Angabe der Wirkstoffe

einen hinreichend klaren Bezug auf das Präparat bedeutet, ist dem

Sachvortrag der Parteien und den überreichten Unterlagen zu

entnehmen:

Die Antragstellerin trägt

unwidersprochen vor, daß ihr Präparat "V." bzw. "V. N" seit vielen

Jahren zu den gut eingeführten und am Markt etablierten stark

wirkenden Analgetika gehört. Wie der von ihr vorgelegte

wissenschaftliche Prospekt für "V. N" ausweist, sind der

Àrzteschaft "Tilidin/Naloxon" als Wirkstofe von "V." und "V. N" in

zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen in renommierten

Fachzeitschriften bekanntgemacht worden. Auch wenn - wie die

Antragsgegnerinnen nunmehr geltendmachen - die angegebene Zahl von

147 Publikationen insofern mit Einschränkungen versehen werden

müßte, als dort auch Fachzeitschriften angeführt sind, die in den

angesprochenen Verkehrskreisen möglicherweise weniger verbreitet

sind, verbleibt doch eine nicht unerhebliche Zahl von

Veröffentlichungen, die für die Bekanntheit von "Tilidin/Naloxon"

als Wirkstoffen von "V." sprechen. Óberdies hat die

Antragstellerin Ablichtungen aus der Fachpresse vorgelegt, denen

zu entnehmen ist, daß "V." bzw. "V. N" den Fachkreisen von Anfang

an durch Mitteilungen in der Fachpresse bekanntgemacht worden ist.

Dabei ist ausweislich der vorgelegten Unterlagen stets ausdrücklich

auf den Wirkstoff "Tilidin" und/oder "Naloxon" hingewiesen

worden.

Nicht unberücksichtigt bleiben kann in

diesem Zusammenhang überdies, daß "Tilidin/Naloxon" ausschließlich

in Form von "V. N" auf dem Markt ist. Auch dies spricht für die

Annahme, daß zumindest ein nicht unerheblicher Teil der durch die

beanstandete Werbung angesprochenen Àrzteschaft den Hinweis auf

"Tilidin/Naloxon" mit der Angabe des Präparatnamens "V. N"

gleichsetzt. Immerhin kann ein Arzt, der auf die Wirkstoffe

"Tilidin/Naloxon" zurückgreifen möchte, dies ausschließlich tun,

indem er mit dem Präparat "V. " bzw. "V. N" arbeitet.

Schließlich spricht auch der hohe

Umsatz von 66 Mio. DM, den die Antragstellerin mit "V. N" erzielt,

für die Annahme eines Bekanntheitsgrades, der so erheblich ist, daß

Präparat und Wirkstoffe, die - wie ausgeführt - nur in diesem

Produkt am Markt vorkommen, von den mit der Werbung angesprochenen

Àrzten gleichgesetzt werden. Die Antragstellerin trägt - insoweit

unwidersprochen - vor, pro Jahr gebe es mehr als 1.390.000

Verordnungen von "V. N". Angesichts dieser Zahlen kommt es auf die

unter den Parteien umstrittene präzise Höhe des prozentualen

Anteils von "V." am Markt der in der Bundesrepublik Deutschland

vertriebenen starken Schmerzmittel nicht mehr entscheidend an. Auch

dieser Anteil spricht indes deutlich für die Annahme hoher

Bekanntheit von Präparat und Wirkstoffen. Selbst wenn - wie die

Antragsgegnerinnen behaupten - die gesamte Gruppe N 2 B 1 ein

Umsatzvolumen von 290 Mio. DM - statt, wie die Antragstellerin

behauptet, 205 Mio. DM - aufweist, ist "V. N" mit 66 Mio. DM hieran

jedenfalls mit fast 28 % beteiligt. Wird, wie die

Antragsgegnerinnen dies ihrem Vortrag zufolge für korrekt halten,

überdies die Gruppe N 2 A (Betäubungsmittel) dem Marktsegment

hinzugerechnet, so verbleibt für "V. N" immer noch ein Anteil von

nahezu 19 % und damit ein Anteil, dessen Bedeutung im Hinblick auf

die Bekanntheit von Mittel und Wirkstoff in den einschlägigen

Verkehrskreisen hoch zu veranschlagen ist. Soweit im übrigen der

Zeuge Dr. F. in der Berufungsverhandlung eidesstattlich versichert

hat, die Angaben der Antragstellerin zum Marktanteil von 32 %

seien unrichtig, ist seine Darstellung unsubstantiiert geblieben.

Er hat hierzu lediglich ausführen können, der Anteil sei geringer,

weil der relevante Markt größer sei als von der Antragstellerin und

dem Zeugen K. in seiner eidesstattlichen Versicherung

angenommen.

Angesichts der vorbeschriebenen

Umstände hält der Senat die Gleichsetzung von Wirkstoff und

Präparat durch einen nicht unerheblichen Teil der angesprochenen

Àrzte im Rahmen des vorliegenden Verfügungsverfahrens für

hinreichend wahrscheinlich. Zwar gehören die Senatsmitglieder

zweifellos nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen, so daß in

einem Klageverfahren zur Hauptsache voraussichtlich weitergehende

Feststellungen getroffen werden müßten. Aufgrund der vorgenannten

Indiztatsachen sieht der Senat jedoch keine Bedenken, für das

summarische Verfahren von hinreichender Glaubhaftmachung

auszugehen.

Dem steht auch der weitere Inhalt der

die eidesstattlichen Versicherung des Zeugen Dr. F. nicht

entgegen. Dieser hat im Rahmen der vor dem Senat abgegebenen

eidesstattlichen Versicherung lediglich erklärt, er sei aufgrund

seiner 25jährigen Tätigkeit auf dem hier fraglichen Sektor und

aufgrund seiner Kenntnis verschiedener Umfrageergebnisse der

festen Óberzeugung, daß die Mehrzahl der Àrzte in der

Bundesrepublik Deutschland die Wirkstoffe "Tilidin/Naloxon" nicht

mit den unter der Bezeichnung "V." und/oder "V. N" vertriebenen

Präparaten gleichsetzten und umgekehrt. Der Zeuge hat damit zum

einen lediglich seine Óberzeugung und Wertung, nicht aber Tatsachen

wiedergegeben. Zum andern schließt die von ihm gewählte

Formulierung nicht aus, daß ein nicht unerheblicher Teil der

Àrzteschaft die hier in Rede stehende Gleichsetzung von Präparat

und Wirkstoff vornimmt, denn der Zeuge hat sich lediglich überzeugt

gezeigt, daß "die Mehrzahl" der Àrzte in der Bundesrepublik

Deutschland keine solche Gleichsetzung vornähmen. Soweit der Zeuge

auf die Kenntnis von Umfrageergebnissen verwiesen hat, ist seine

Erklärung unsubstantiiert geblieben.

Ist mithin in dem von der

Antragsgegnerin zu Werbezwecken vorgenommenen Vergleich eine

erkennbare Bezugnahme auf das Erzeugnis der Antragstellerin zu

sehen, so ist dies im Streitfall unlauter im Sinne des § 1 UWG.

Wie das Landgericht zutreffend

ausgeführt hat, ist die Ausnutzung des guten Rufs des Produktes

eines Mitbewerbers, die in der anlehnenden Bezugnahme auf dieses

Produkt in der eigenen Werbung zu sehen ist, grundsätzlich

unvereinbar mit den guten Sitten im Wettbewerb (vgl. BGH GRUR 1976,

375, 376 - "Raziol"; GRUR 1987, 49, 50 - "Cola-Test"; GRUR 1989,

602, 603 - "Die echte Alternative").

Allerdings sind Fallgestaltungen

möglich, bei denen aus besonderen Gründen die der anlehnenden

vergleichenden Werbung regelmäßig anhaftende wettbewerbsrechtliche

Unlauterkeit enfallen kann. Ausnahmen vom Verbot sind aber nicht,

wie etwa bei der kritisierenden vergleichenden Werbung, schon dann

zuzulassen, wenn für die Anlehnung in der gewählten Form ein

hinreichender sachlicher Anlaß besteht und die Angaben sich nach

Art und Maß in den Grenzen des Erforderlichen und der

wahrheitsgemäßen, sachlich richtigen Erörterung halten. Für die

Zulässigkeit einer anlehnenden Bezugnahme sind vielmehr über die

bei der kritisierenden vergleichenden Werbung maßgeblichen

Kriterien hinaus zusätzliche Umstände zu fordern (vgl. BGH WRP

1989, 572, 573 - "Bioäquivalenz-Werbung"; GRUR 1989, 602 - "Die

echte Alternative").

Im Streitfall haben die

Antragsgegnerinnen Umstände, die die beanstandete Bezugnahme als

gerechtfertigt erscheinen lassen könnten, nicht dargelegt und

glaubhaft gemacht. Ohne Erfolg machen sie geltend, es bestehe ein

Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise. Zwar kann

die anlehnende Bezugnahme unter Umständen durch ein schutzwürdiges

Bedürfnis der so Angesprochenen an sachgemäßer Aufklärung

gerechtfertigt sein (BGH WRP 1989, 572, 575 -

"Bioäquivalenz-Werbung"). Es ist jedoch nicht glaubhaft gemacht,

daß im Streitfall eine solche Ausnahme vom Verbot anlehnender

vergleichender Werbung vorliegt. Wie der Bundesgerichtshof in dem

dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt einer Anlehnung an ein

patentfrei gewordenes Arzneimittel angenommen hat, sind an ein die

bezugnehmende Werbung rechtfertigendes Aufklärungsbedürfnis keine

geringen Anforderungen zu stellen (BGH a.a.O.). Von diesem

Grundsatz ausgehend ist die Annahme des Landgerichts, die in der

beanstandeten Graphik enthaltene vergleichende Werbung sei nicht

durch ein Aufklärungsinteresse gerechtfertigt, nicht zu

beanstanden.

Nach der eigenen Darstellung der

Antragsgegnerinnen haben sie mit dem in "T." und "T. 30"

enthaltenen Wirkstoff "Ketovolac-Tremamol" eine Substanz auf den

Markt gebracht, die bei ähnlichem Wirkungsgrad aufgrund der

peripheren Wirkweise, die das zentrale Nervensystem unberührt läßt,

für die Patienten mit geringeren Nebenwirkungen und Risiken

verbunden ist als die herkömmlichen Analgetika, die der Klasse der

Opioide zuzuordnen sind. Der auf der Entwicklung von "T." beruhende

Fortschritt liegt ausweislich der Werbung der Antragsgegnerinnen

mithin in der Verringerung des Risikopotentials und in erhöhter

Verträglichkeit gegen-über der Anwendung von Opioiden bei

gleichwertiger Wirkstärke. Um diese Besonderheit und damit den in

der Entwicklung des Präparates der Antragsgegnerinnen liegenden

wissenschaftlichen Fortschritt werblich herauszustellen, hätte es

der namentlichen Benennung der in den Konkurrenzprodukten

enthaltenen Wirkstoffe ersichtlich nicht bedurft.

Die Antragsgegnerinnen machen denn auch

mit ihrer Berufung geltend, im Rahmen der gebotenen

Nutzen-Risiko-Abwägung stelle die Wirkstärke keinen isoliert zu

betrachtenden Parameter dar, sondern stehe in einer ganz

bestimmten Wechselwirkung zu der peripheren Wirkweise von "T.",

dessen maßgeblicher Vorteil gerade darin liege, daß es bei gleicher

Wirkstärke geringere Nebenwirkungen aufweise. Damit ist aber

allenfalls dargetan, daß das Aufklä-rungsbedürfnis der

angesprochenen Verkehrskreise neben der Information über die

geringeren Nebenwirkungen einen Hinweis auf die Vergleichbarkeit

oder Gleichheit der Wirkstärke von "T." einerseits und

herkömmlicher Inhaltsstoffe von Opioiden andererseits erfordert

oder zumindest rechtfertigt. Daß und warum hierfür dem Präparat der

Antragsgegnerinnen Angaben der zu verabreichenden Dosen von

Inhaltsstoffen am Markt eingeführter Konkurrenzprodukte

gegenübergestellt werden müssen, ist nicht glaubhaft gemacht. Der

pauschale Hinweis, nicht alle Opioide hätten dieselbe Wirkstärke

und das gleiche Risikoprofil, reicht hierfür nicht aus.

Die Antragsgegnerinnen lassen überdies

unberücksichtigt, daß die einzelnen Blätter des Folders erkennbar

eigenständige Aussagen zu bestimmten - jeweils abgegrenzten -

Aspekten des beworbenen Präparats treffen. Vor allem aber übergehen

die Antragsgegnerinnen in ihrer Argumentation, daß der Folder so

angelegt ist, daß gerade die Seite mit der umstrittenen Graphik

herausgetrennt werden kann. Damit kommt es wesentlich auch darauf

an, welche Aussage diese Seite für sich - bei isolierter

Betrachtung - enthält. Haben nämlich die Antragsgegnerinnen den

Werbeträger so gestaltet, daß den angesprochenen Verkehrskreisen

die fragliche Seite durchaus auch ohne den gesamten übrigen

Kontext begegnen kann, so kann nicht mit Erfolg eingewandt

werden, die werblichen Aussagen zur Wirkstärke seien im

Zusammenhang mit der den eigentlichen Fortschritt ausmachenden

peripheren Wirkweise von "T." zu sehen. Eine solche Wechselwirkung

ist dem angegriffenen Werbeblatt gerade nicht zu entnehmen. Dieses

hat vielmehr ausschließlich die Wirkstärke der Produkte zum

Gegenstand.

Zu Recht greift die Antragstellerin die

beanstandete Seite des Folders außerdem an, soweit unter der

Graphik die Textzeile angebracht ist

"Klinisch relevante Dosen anderer

Analgetika, denen T. und T. 30 mindestens gleichwertig bzw.

überlegen sind".

Soweit damit angekündigt ist, "T." und

"T. 30" seien den anderen Wirkstoffen "mindestens" gleichwertig

oder "überlegen" hat das Landgericht zutreffend angenommen, es

handele sich um eine pauschale Abwertung fremder Produkte. Im

Streitfall ist deswegen der Tatbestand des § 1 UWG unter dem

Gesichtspunkt der kritisierenden (herabsetzenden) vergleichenden

Werbung erfüllt.

Die Fallgruppe der kritisierenden

vergleichenden Werbung ist dadurch gekennzeichnet, daß der

Werbende die eigene Ware durch Herabsetzen der Waren des

Mitbewerbers besonders hervorzuheben versucht (vgl. BGH GRUR 1962,

45, 49 - "Betonzusatzmittel"; GRUR 1967, 45, 49 = BGHZ 49, 325 -

"40 % können sie sparen"; GRUR 1987, 49, 50 - "Cola-Test"). Der

Tatbestand ist erfüllt, wenn das Konkurrenzangebot im Vergleich

mit dem eigenen Angebot als minderwertig herausgestellt wird (vgl.

Baumbach-Hefermehl, 17. Aufl., Rdnr. 340 zu § 1 UWG). In dem

angegriffenen Werbetext suggerieren sowohl die Ankündigung

"mindestens" gleichwertig als auch der Hinweis, "T." sei

"überlegen", daß die in den Konkurrenzpräparaten enthaltenen

Wirkstoffe unterlegen seien. Damit wird das eigene Präparat

gegen-über denen der Wettbewerber hervorgehoben, indem deren

Produkte herabgesetzt werden.

Auch die kritisierende vergleichende

Werbung ist grundsätzlich wettbewerbswidrig (vgl. BGH GRUR 1981,

748, 749 - "Leserstrukturanalyse"; GRUR 1986, 618, 620 -

"Vorsatz-Fensterflügel", jeweils m.w.N.). Nach den vom

Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen ist ein Vergleich der

eigenen Waren oder Leistungen mit denen eines Wettbewerbers als

Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot einer kritisierenden

vergleichenden Werbung nur dann als erlaubt anzusehen, wenn ein

hinreichender Anlaß dazu besteht und wenn sich die Angaben nach

Art und Maß in den Grenzen des Erforderlichen und der

wahrheitsgemäßen, sachlichen Erörterung halten (BGH a.a.O.).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht

glaubhaft gemacht. Dem Landgericht ist vielmehr darin zuzustimmen,

daß die beanstandete Aussage eine pauschale Herabsetzung der

Konkurrenzprodukte darstellt, die die in der Graphik angegebenen

Wirkstoffe enthalten. Die beanstandete Textzeile stellt heraus,

"T." sei "mindestens gleichwertig" oder "überlegen". Eine

inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser Aussage wird dem Leser

nicht ermöglicht, da die Umstände, aus denen sich die Óberlegenheit

ergeben soll, nicht einmal ansatzweise genannt werden, geschweige

denn, daß Studien oder Forschungsergebnisse mitgeteilt werden, die

einen solchen Vergleich tragen könnten. Die Referenzpräparate

werden vielmehr "in Bausch und Bogen" herabgesetzt. Hinzukommt,

worauf ebenfalls bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen

hat, daß das Präparat der Antragsgegnerinnen nur über einen

Zeitraum von vier bis fünf Tagen oral eingenommen werden darf, also

die Therapie mit "T." durchaus auch Nachteile aufweist, die

gegenüber den herausgestellten "überlegenen" Eigenschaften

abzuwägen sind. Wenn die Antragsgegnerinnen für ihr Präparat

werblich eine Óberlegenheit in Anspruch nehmen, müssen sie auch

solche Gesichtspunkte mitteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97

Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO

mit seiner Verkündung rechtskräftig.






OLG Köln:
Urteil v. 26.02.1993
Az: 6 U 140/92


Link zum Urteil:
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