Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Juli 2003
Aktenzeichen: 33 W (pat) 269/02

(BPatG: Beschluss v. 22.07.2003, Az.: 33 W (pat) 269/02)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 1 vom 21. Mai 2002 aufgehoben.

2. Die Löschung der Marke 398 04 302 wird wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 069 254 angeordnet.

Gründe

I Gegen die Eintragung der für die Waren Torfextrakte, einschließlich Weißtorfextrakte, zur Pflanzenaufzucht und für Gartenbauzwecke, Torfmull, Torf als Düngemittel, künstliche und natürliche Düngemittel, Torfprodukte aus Torf und künstlichem Pflanzendünger, Blumenfrischhaltemittel, Blumenerde insbesondere in Beuteln und Ballen abgepackte Blumenerde, sowie andere Erzeugnisse für Gartenbauzwecke (sämtliche Waren soweit in Klasse 1 enthalten)

beim Deutschen Patent- und Markenamt am 23. April 1998 registrierten Marke 398 04 302 KTS ist aufgrund der für die Waren Torfkultursubstrat für die Aufzucht von zum Auspflanzen bestimmten Pflanzenam 16. Oktober 1984 eingetragenen Marke 1 069 254 TKS Widerspruch erhoben worden.

Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 1998 hat die Markeninhaberin die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Daraufhin hat die Widersprechende mit Schriftsatz vom 19. August 1999 Benutzungsunterlagen vorgelegt, woraufhin die Markeninhaberin eine Benutzung der Widerspruchsmarke für "Torfkultursubstrate" unstreitig gestellt hat.

Die Markenstelle für Klasse 1 hat mit Beschluss vom 21. Mai 2002 den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Waren im möglichen Identitätsbereich angesiedelt seien, die einander gegenüberstehenden Marken den entsprechend erforderlichen großen Abstand jedoch einhielten, auch wenn bei der Widerspruchsmarke als durchgesetztem Zeichen zumindest eine normale Kennzeichnungskraft zugrunde zu legen sei. Die jeweiligen Buchstabenkombinationen würden als Einzelbuchstaben gesprochen, so dass jedes Element für sich deutlich artikuliert werde. Die Situation sei mit Kurzwörtern vergleichbar, bei denen die Abweichung bei einem Buchstaben stärker ins Gewicht falle als bei längeren Wörtern. Da zudem im allgemeinen Wortanfänge stärker beachtet würden träten die Unterschiede der betont am Anfang liegenden Laute "K" bzw "T" akustisch deutlich hervor. Im schriftlichen Geschäftsverkehr seien Verwechslungen ebenfalls nicht zu erwarten, denn der bildliche Unterschied zwischen den Buchstaben "K" und "T" bleibe den angesprochenen Verkehrskreisen nicht verborgen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, dass es sich bei der Widerspruchsmarke um ein Zeichen von mindestens normaler Kennzeichnungskraft handle. Insbesondere sei "TKS" keine anerkannte Abkürzung für den Begriff "Torfkultursubstrate". Zwischen den sich gegenüberstehenden Marken bestünde eine hochgradige Zeichenähnlichkeit sowohl in klanglicher als auch in schriftbildlicher Hinsicht. Bei klanglicher Übermittlung stimmten die Vergleichszeichen sowohl in der Silbenzahl und -gliederung sowie im Sprech- und Betonungsrhythmus überein und hätten den gleichen Lautbestand. Die einzige Abweichung bestehe in der Vertauschung der beiden ersten Silben, diese Positionsvertauschung alleine stehe einer Verwechslungsgefahr nicht ausreichend entgegen.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Mai 2002 aufzuheben und die Löschung der Marke 398 04 302 zu verfügen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie trägt vor, dass die Widerspruchsmarke TKS nichts weiter als eine Kurzform des reinen Warengattungsbegriffes "Torfkultursubstrate" sei und legt diesbezüglich Internetauszüge vor.

Die Marken würden als Einzelbuchstaben und damit besonders artikuliert gesprochen. Die von der Widersprechenden angeführte Klangrotation wäre nur dann erheblich, wenn sich durch einfachen Buchstabentausch die Klangfarbe und der Internaktionrhythmus nicht ändere. Hier liege aber ein deutlich differenzierbares Klangbild vor. Die Wortanfänge "K" (geschlossener Hintergaumenlaut) und "T" (offener Vordergaumenlaut) seien hinreichend weit voneinander entfernt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet.

Der Senat hält die Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zwischen den sich gegenüberstehenden Marken für gegeben.

Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG von der Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfassten Waren ab, wobei von dem Leitbild eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers auszugehen ist (EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 - Lloyd; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TIS-SERAND). Darüber hinaus sind alle weiteren Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke (EuGH aaO - Lloyd; BGH aaO - ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 1999, 995, 997 - HONKA). Dabei stehen die verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehenden Faktoren in einer Wechselwirkung, so dass z.B. ein geringerer Grad an Markenähnlichkeit durch eine höhere Kennzeichnungskraft der älteren Marke bzw durch einen höheren Grad an Warenähnlichkeit ausgeglichen werden kann (stRspr BGH GRUR 2000, 603, 604 - Cetof/ETOP). Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend eine Verwechslungsgefahr zu bejahen.

a) Die Markeninhaberin hat im Verfahren vor dem Bundespatentgericht die Einrede der Nichtbenutzung erhoben. Die Widersprechende hat daraufhin Benutzungsunterlagen vorgelegt, insbesondere eine eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Widersprechenden sowie Verpackungsmuster. Daraufhin hat die Markeninhaberin die Benutzung ausdrücklich unstreitig gestellt. Unter Zugrundelegung der somit unstreitig benutzten Waren der Widersprechenden, nämlich "Torfkultursubstrate" ist von einer hochgradigen Warenähnlichkeit bis hin zur Warenidentität mit den Torf- und Blumenerdeprodukten der angegriffenen Marke auszugehen.

b) Grundsätzlich ist bei Buchstabenmarken, wie den hier vorliegenden, nicht davon auszugehen, dass diesen von Haus nur eine schwache Kennzeichnungskraft zukommt. An diesen früher geltenden Grundsätzen kann nicht mehr festgehalten werden, weil nach der Rechtslage unter der Geltung des Markengesetzes von der früher zugrundegelegten unwiderleglichen gesetzlichen Vermutung eines Freihaltungsbedürfnisses (vgl § 4 Abs 2 Nr 1 WZG) nicht mehr ausgegangen werden kann (BGH MarkenR 2002, 332 - DKV/OKV).

Allerdings hat die Markeninhaberin umfangreiche Internetunterlagen vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass "TKS" mittlerweile in gewissem Umfang als Abkürzung für "Torfkultursubstrate" Verwendung findet (vgl beispielsweise die Internetseite "Haus + Garten" - haus.de). Zugunsten der Markeninhaberin geht der Senat daher für die Prüfung der Verwechslungsgefahr von einer etwas geschwächten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus.

c) Dennoch halten die sich gegenüberstehenden Marken den insoweit im Hinblick auf die Warenidentität bzw hochgradige Markenähnlichkeit immer noch erforderlichen erheblichen Abstand insbesondere in klanglicher Hinsicht nicht ein.

Der klangliche Gesamteindruck wird dadurch verwechselbar ähnlich gestaltet, dass die Markenwörter in der Silbenzahl und Gliederung sowie im Sprech- und Betonungsrhythmus übereinstimmen und darüber hinaus einen völlig identischen Lautbestand aufweisen. Gegenüber diesen weitreichenden Annäherungen stellt die Abweichung zwischen den Marken, die allein darin besteht, dass die ersten beiden Silben vertauscht positioniert sind, kein ausreichendes Gegengewicht dar. Da es sich um identische Laute handelt, deren bloße Umstellung einen relativ geringeren Abstand schafft und eine Wirkung erzeugt, die häufig als Klangrotation bezeichnet wird, wirkt dies der Verwechslungsgefahr nicht ausreichend entgegen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil zu berücksichtigen ist, dass die Marken im Verkehr nicht nebeneinander aufzutreten pflegen und dann ein Vergleich aufgrund eines undeutlichen Erinnerungsbildes erfolgt (Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl § 9 Rdz 190 mwN), bei dem leicht eine Unsicherheit hinsichtlich der Reihenfolge der klangtragenden Vokale eintreten kann. Unter diesen Umständen kommt der Abweichung in den Buchstaben am Wortanfang für die Beurteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr hier ausnahmsweise keine entscheidungserhebliche verwechslungsmindernde Bedeutung zu.

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass, aus Gründen der Billigkeit einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs 1 MarkenG aufzuerlegen.

Winkler Kätker Dr. Hock Cl






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Az: 33 W (pat) 269/02


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