Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Juli 2000
Aktenzeichen: 17 W (pat) 6/99

(BPatG: Beschluss v. 06.07.2000, Az.: 17 W (pat) 6/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die vorliegende Patentanmeldung ist beim Deutschen Patentamt unter der Bezeichnung:

"Verfahren und System zur elektronischen Dokumentenverwaltung von rechnergestützten Steuerungssystemen, insbesondere von Maschinensoftware"

angemeldet worden.

Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts mit dem Beschluß vom 22. Oktober 1998 mit der Begründung zurückgewiesen, daß dem beanspruchten Gegenstand der technische Charakter fehle.

Der Anmelder verfolgt die Anmeldung weiterhin auf der Grundlage der am 10. März 1997 eingegangenen Patentansprüche 1 bis 7.

Der geltende Anspruch 1 - hier mit einer möglichen Gliederung versehen - lautet:

"Verfahren zur elektronischen Dokumentenverwaltung von rechnergestützten Steuerungssystemen, insbesondere von Maschinensoftware, wobei die Dokumente über eine Eingabeeinrichtung mittels eines Prozessors in einen Primärspeicher eingegeben und in dem Primärspeicher mit der Eingabeeinrichtung über einen Prozessor zu Projekten mit einer Projektdatei zusammengefaßt werden, wobei die Zusammenfassung unmittelbar oder nach einer vorherigen Zusammenfassung zu Unterprojekten durchgeführt wird und einzelne Projekte zu einem Hauptprojekt zusammengefaßt werden können, dadurch gekennzeichnet, daß

a) mit der Eingabeeinrichtung ein Projekt (P1) oder ein Hauptprojekt (HP) mit mehreren Projekten (P1; P2) ausgewählt und die Überführung aus dem Primärspeicher (5) in ein Archiv (A) in einem Sekundärspeicher (6) ausgelöst wird, b) über den Befehlssatz des Prozessors (1) mit einem Transformationsmechanismus eine Verzeichnisstrukturanalyse aller Dokumente (D1; D2 bis Dn) einschließlich von Unterprojekten (p1; p2) selbständig durchgeführt und die erforderlichen Informationen zum Aufbau eines Archivverzeichnisses herausgefiltert werden und ein Archivverzeichnis aufgebaut wird, c) gemeinsam mit der Projektdatei und dem Archivverzeichnis die Archivstruktur gebildet wird, wobei der Ablageort der Dokumente (D1; D2 bis Dn) und der Projekte (P1; P2) in dem Archiv (A) bestimmt wird, d) alle Dokumente (D1; D2 bis Dn) einschließlich der Projektdatei kopiert und verschoben sowie in das Archiv (A) oder ein Archivelement (AE) desselben in dem Sekundärspeicher (6) eingespeichert werden, e) der Transformationsmechanismus im Archiv (A) die Zugriffssteuerung auf alle Dokumente (D1; D2 bis Dn) übernimmt, f) auf Anforderung für ein in dem Archiv (A) im Sekundärspeicher (6) eingespeichertes Projekt (P1) oder Hauptprojekt (HP) über den Befehlssatz des Prozessors (1) mit dem Transformationsmechanismus eine Verzeichnisstrukturanalyse aller Dokumente (D1; D2 bis Dn) einschließlich der Projektdatei durchgeführt wird und alle Dokumente (D1; D2 bis Dn) einschließlich der Projektdatei kopiert und verschoben sowie in den Primärspeicher (5) zurückgeladen werden."

Der dem Anspruch 1 nebengeordnete Anspruch 4 lautet:

"System zur elektronischen Dokumentenverwaltung von rechnergestützten Steuerungssystemen, insbesondere von Maschinensoftware zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das System aufweist:

- eine Eingabeeinrichtung, um ein, Dokumente (D1; D2 bis Dn) und/oder Unterprojekte (p1; p2) enthaltendes, Projekt (P1) oder Hauptprojekt (HP) mit mehreren Projekten (P1; P2) auszuwählen und die Überführung in ein Archiv (A) auszulösen,

- einen Primärspeicher (5) zum Speichern von Dokumenten (D1; D2 bis Dn) und zum Zusammenfassen derselben zu Einheiten, wie Projekten (P1; P2),

- einen Sekundärspeicher (6) zum Ablegen von Projekten (P1; P2) oder von Hauptprojekten (HP) mit zugehörigen Dokumenten (D1; D2 bis Dn) und Unterprojekten (p1; p2) in Archiven (A) oder Archivelementen (AE) derselben,

- einen Prozessor (1), der jeweils mit der Eingabeeinrichtung, dem Primärspeicher (5) und dem Sekundärspeicher (6) verbunden ist, wobei dem Prozessor (1) ein Transformationsmechanismus zugeordnet ist, mit dem über den Befehlssatz des Prozessors (1) durch eine Verzeichnisstrukturanalyse aller Dokumente (D1; D2 bis Dn) einschießlich von Unterprojekten (p1; p2) die erforderlichen Informationen zum Aufbau eines Archivverzeichnisses herausgefiltert werden und ein Archiverzeichnis aufgebaut wird, wodurch der Ablageort der Dokumente (D1; D2 bis Dn) und der Projekte (P1; P2) in dem Archiv (A) im Sekundärspeicher (6) bestimmt ist und wobei über den Transformationsmechanismus im Archiv (A) die Zugriffssteuerung auf alle Dokumente (D1; D2 bis Dn) durchführbar ist."

Wegen der übrigen Patentansprüche wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Der Anmelder trägt zur Begründung seiner Beschwerde vor, daß mit dem Anmeldungsgegenstand ein Verfahren und ein System zur elektronischen Dokumentenverwaltung geschaffen werden solle, bei dem die Dokumente zusammenhängend, übersichtlich und ohne hohen Arbeitsaufwand verwaltet werden können. Die Projektierung von komplexen Steuerungsanlagen, zB Kraftwerken, die in unterschiedlichen Varianten gebaut würden, erfordere ein leistungsfähiges Dokumentationssystem. Denn für Zwecke der Fehlersuche, bei Änderungen oder Erweiterungen müßten jederzeit alle Dokumente eines bestimmten Projektes in der jeweils zutreffenden Version abrufbar sein.

Der Patentanspruch 1 lehre hierzu, die in den Primärspeicher des Dokumentenverwaltungssystems eingegebenen Dokumente mit einer Projektdatei zu Projekten zusammenzufassen, in einen Sekundärspeicher zu überführen und mit einem Transformationsmechanismus eine Verzeichnisstrukturanalyse aller Dokumente durchzuführen, wobei ein Archivverzeichnis aufgebaut werde. Aus Projektdatei und Archivverzeichnis werde eine Archivstruktur gebildet. Bei Anforderung der Dokumente eines bestimmten Projektes werde über den Transformationsmechanismus eine Verzeichnisstrukturanalyse durchgeführt und die gesuchten Dokumente in den Primärspeicher zurückgeladen.

Im Anspruch 1 seien sonach die wesentlichen Merkmale der Arbeitsweise des Verfahrens zur Dokumentenverwaltung enthalten.

Im nebengeordneten Anspruch 4 seien auch die für das Dokumentenverwaltungssystem erforderlichen Hardwarekomponenten aufgeführt.

In Hinsicht auf den Transformationsmechanismus vertritt der Anmelder die Auffassung, daß dieser dazu diene, eine Übersicht über eine Anzahl von Dateien zu schaffen und daß dessen Wirkungsweise klar aus den Anmeldeunterlagen hervorgehe.

Der Anmelder stellt den Antrag, 1.) den Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Oktober 1998 aufzuheben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen, 2.) die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

II Die in rechter Frist und Form erhobene Beschwerde ist zulässig. Die Anträge des Anmelders waren jedoch zurückzuweisen.

1) Dem Antrag, den Beschluß der Prüfungsstelle aufzuheben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen, war nicht zu folgen, weil in der Anmeldung keine Erfindung so deutlich und vollständig offenbart ist, daß ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs 4 nF PatG).

Die Arbeitsweise des zur Patenterteilung angemeldeten Verfahrens und Systems zur elektronischen Dokumentenverwaltung ergibt sich weder aus den Patentansprüchen noch aus den übrigen Unterlagen so deutlich und vollständig, daß ein Fachmann sie nachvollziehen könnte. Dabei ist als Fachmann ein Datenverarbeitungsingenieur oder ein Informatiker anzusehen. Diesem Fachmann sind die Grundzüge von Datenverwaltungs- und archivierungssystemen bekannt.

Dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 entnimmt dieser Fachmann ohne weiteres, daß das vorliegende Dokumentenverwaltungssystem zur elektronischen Verwaltung von Dokumenten für Steuerungssysteme verwendet werden soll und eine solche Verwaltung zunächst eine Erfassung und Zuordnung der Dokumente zu einem (Haupt- oder Unter-) Projekt über geeignete Erfassungseinrichtungen erfordert.

Gemäß Merkmal a) des Anspruchs 1 sollen die Dokumente eines über die Eingabeeinrichtung ausgewählten Projekts aus dem Primärspeicher, dh dem Arbeitsspeicher der Datenverarbeitungsanlage, in ein auf einem Sekundärspeicher befindliches Archiv überführt werden. Auch diese Maßnahme ist verständlich, wenn sie auch dem üblichen Vorgehen bei der Archivierung einer großen Anzahl von zusammengehörenden Dokumenten entspricht.

Nicht nachvollziehbar ist aber für den Fachmann, wie "über den Befehlssatz des Prozessors (1) mit einem Transformationsmechanismus eine Verzeichnisstrukturanalyse aller Dokumente ... selbständig durchgeführt und die erforderlichen Informationen zum Aufbau eines Archivverzeichnisses herausgefiltert werden" (vgl Merkmal b). Aus diesen Angaben kann der Fachmann auch nicht entnehmen, welche Informationen er in welcher Hinsicht auswerten muß, um zu einem Archivverzeichnis zu kommen, das den gewünschten Erfolg einer zusammenhängenden und übersichtlichen Verwaltung der Dokumente eines Projektes ohne hohen Arbeitsaufwand gewährleistet.

Die Arbeitsweise des "Transformationsmechanismus" wird auch bei Berücksichtigung der Ausführungen in den Merkmalen e) und f) hierzu nicht klarer. In diesen Merkmalen wird lediglich angesprochen, daß dieser Mechanismus die Zugriffsteuerung auf alle Dokumente übernimmt und eine Verzeichnisstrukturanalyse durchführt. In welcher Art der Zugriff und die Analyse aber letztlich stattfindet, um einen effektiven Zugriff auf die Dokumente eines Projektes zu ermöglichen, ist nicht entnehmbar.

Der Anmelder führt selbst aus, daß dem "Transformationsmechanismus" zentrale Bedeutung für das beanspruchte Verfahren zukommt. Andererseits sieht er sich nicht in der Lage, an Hand der ursprünglich eingereichten Unterlagen diesen Begriff zumindest soweit klar zu stellen, daß ein Fachmann wenigstens das Grundprinzip der zum gewünschten Erfolg führenden Verzeichnisstrukturanalyse und Zugriffsteuerung erkennen kann. Auch der Hinweis des Anmelders, daß als Ordnungskriterium nicht einzelne (Dokumenten-) Dateien, sondern eine Übersicht über eine Summe von Dateien verwendet werden soll, schafft hier keine ausreichende Klarheit.

Die Angaben im Patentanspruch 1 reichen sonach nicht aus, um dem Fachmann den Nachvollzug des Verfahrens zur elektronischen Dokumentenverwaltung zu ermöglichen.

Der aufgezeigte Mangel des Patentanspruchs 1 ist auch durch Einbeziehung der weiteren ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht behebbar.

Dem Anspruch 3 läßt sich bezüglich des "Transformationsmechanismus" lediglich entnehmen, daß bei Änderungen einzelner Dokumente aus einer neuen und einer vorhergehenden Verzeichnisinformation ein Verzeichnisname aufgebaut wird, ohne daß nachvollziehbar ist, wie sich die Verzeichnisinformationen zusammensetzen und wie daraus ein Verzeichnisname gebildet wird.

In Hinblick auf den "Transformationsmechanismus" schafft auch der auf ein System zur elektronischen Dokumentenverwaltung gerichtete Anspruch 4 keine Klarheit. Die Angaben die diesbezüglich dem letzten Merkmal dieses Anspruchs entnehmbar sind, gehen nicht über die Angaben im Anspruch 1 hinaus.

Auch die Ausführungen in der Beschreibung schaffen keine Klarheit in Hinsicht auf diesen "Mechanismus". Die Erläuterungen auf Seite 8, Absatz 1 und 4 in Verbindung mit Figur 3 geben keinen Aufschluß über die tatsächliche Arbeitsweise des beanspruchten Verfahrens und Systems.

Aufgrund dieses Mangels war die Anmeldung zurückzuweisen.

Dem Antrag des Anmelders auf eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung ohne Entscheidung in der Sache selbst war nicht zu folgen. Denn die ursprünglich eingereichten Unterlagen sind in ihrem Inhalt unveränderlich, so daß auch bei einer Zurückverweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt keine neuen Tatsachen bekannt werden können, die für die Entscheidung wesentlich sind. Da auch kein anderer der in § 79 Abs 3 PatG abschließend aufgezählten Gründe für eine Zurückverweisung vorliegt, war über die Beschwerde abschließend zu entscheiden.

2) Dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr war nicht zu folgen.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist nach § 73 Abs 4 Satz 2 geboten, wenn dies der Billigkeit entspricht, wenn also bei ordnungsgemäßer und angemessener Sachbehandlung der Erlaß eines Zurückweisungsbeschlusses nicht in Betracht gekommen wäre (vgl Schulte PatG, 5. Aufl § 73 Rdn 37 mwH).

Eine unangemessene Sachbehandlung durch die Prüfungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Die Prüfungsstelle hat die Anmeldung wegen mangelnder Technizität des Anmeldungsgegenstandes zurückgewiesen. Den nunmehr im Beschwerdeverfahren aufgegriffenen Zurückweisungsgrund der mangelnden deutlichen und vollständigen Offenbarung der Erfindung in der Anmeldung hat sie zugunsten des Anmelders nicht aufgegriffen. Da aber bereits dieser Mangel zur Zurückweisung der Anmeldung führt, entspricht es nicht der Billigkeit, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Die Beschwerde war sonach zurückzuweisen.

Grimm Hotz Bertl Praschbe






BPatG:
Beschluss v. 06.07.2000
Az: 17 W (pat) 6/99


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