Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. November 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 371/03

(BPatG: Beschluss v. 16.11.2004, Az.: 27 W (pat) 371/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Markeninhaberin begehrt in Deutschland Schutz für die ua für "footwear" international registrierte Marke 772 933 Der Marke ist folgende Beschreibung beigefügt: "The mark consists of two parellel punched stripes, applied to a shoe."

Die Markenstelle für Klasse 25 IR des Deutschen Patent- und Markenamts hat der Marke den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland teilweise für die Waren "footwear" verweigert. Insoweit bestehe sie ausschließlicher einer Darstellung, der jegliche Unterscheidungskraft fehle. Gegenstand der internationalen Registrierung bildeten nach der Beschreibung nur die beiden parallelen, gelochten oder gestanzten Streifen, die in der der Zeichnung zu entnehmenden Position seitlich auf einem Schuh angebracht seien. Solche Streifen würden vom Verkehr nur als Schmuck- oder allenfalls Verstärkungselement betrachtet. Selbst wenn es heutzutage üblich sei, dass Hersteller von Sport- und Freizeitschuhen ihre Waren mit oftmals gleichen Mustern, bestehend aus Kombinationen von Streifen und Linien versähen, sei ein einziges, wenig originell ausgestattetes Streifenpaar dennoch nicht geeignet, eine Wiedererkennungs- und damit Herkunftsfunktion zu begründen. Ob die Marke darüber hinaus auch einem Freihaltungsbedürfnis zu Gunsten der Mitbewerber unterliege, könne unter diesen Umständen dahingestellt bleiben.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin, mit der sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und der IR-Marke 772 933 in vollem Umfang Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu gewähren. Zur Begründung trägt sie vor: Die IR-Marke verfüge über ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Im Bereich der Sport- und Freizeitschuhe sei die Anbringung von Streifen seitlich auf Schuhen als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen weit verbreitet, was sie anhand verschiedener Beispiele, die sie zu den Akten gereicht hat, im Einzelnen darlegt. Der Verkehr sei daran gewöhnt, dass Hersteller ihre Schuhe durch eine bestimmte stets wiederkehrende Gestaltung kennzeichneten. Deshalb liege es für ihn nahe, jede derartige Gestaltung als einen Herkunftshinweis anzusehen. Die konkrete Gestaltung der IR-Marke unterscheide sich von den auf dem einschlägigen Warensektor gebräuchlichen Formen so weit, dass sie von den angesprochenen Verkehrskreisen als Hinweis auf Schuhe aus ihrem Unternehmen identifiziert werde. Die Markenstelle habe verkannt, dass es sich bei der IR-Marke um eine Positionsmarke handele, die aus dem Zusammenspiel der Marke mit der Ware entstehe. Auf eine besondere Originalität des positionierten Zeichens selbst sei daher nicht abzustellen, sondern einzig darauf, ob auf dem relevanten Markt dieses Zusammenspiel von Marke und Ware als Herkunftshinweis erkannt werde.

Ein Freihaltungsbedürfnis sei schon deshalb nicht anzunehmen, weil die IR-Marke für die Waren "Schuhwaren" nicht unmittelbar beschreibend sei und auch kein Bedürfnis der Mitbewerber bestehe, die Marke für diese Ware zu verwenden.

In der mündlichen Verhandlung, in der die dem Protokoll als Anlage beigefügten Fotos und weiteren Unterlagen zum Gegenstand der Erörterung gemacht worden sind, hat die Markeninhaberin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft und im übrigen angeregt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

II.

Die gemäß § 165 Abs 4 und 5 MarkenG zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet, denn der IR-Marke fehlt die nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft zu Art 7 Abs 1 Buchstabe b) der Gemeinschaftsmarkenverordnung, der dem durch § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG in das deutsche Recht umgesetzten Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) der Ersten Markenrechtslinie entspricht, besitzt nur eine Marke, die erheblich von der Branchenüblichkeit abweicht, konkrete Unterscheidungskraft, weil sie nur dann ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllt (vgl EuGH MarkenR 2004, 224, 229, Nr 39 - Waschmitteltabs; MarkenR 2004, 231, 236, Nr 37 - Quadratische Waschmitteltabs).

Der Senat hat anhand des von der Markeninhaberin vorgelegten und des von ihm selbst ermittelten Bild- und Prospektmaterials, das zum Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist, keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür feststellen können, dass es in der Branche der Sport- und Freizeitschuhe eine allgemeine Übung dahingehend gäbe, dass die Gestaltung der Seitenflächen von Schuhen, zB durch die Anbringung von Streifen, als Herstellerkennzeichnung verwendet und vom Verkehr auch in diesem Sinne aufgefasst wird. Die von der Markeninhaberin insoweit als Beispiel herangezogenen "Drei Streifen" der Firma Adidas oder der "Streifen" der Firma PUMA sind als Marken in der Bundesrepublik Deutschland auf Grund ihrer Durchsetzung im Verkehr eingetragen worden (so 27 W (pat) 212/02 vom 21. September 2004; ferner DE 968 937 und DE 1 094 116 - PUMA Streifen). Dass infolgedessen aber alle ähnlich positionierten Zeichen vom Verkehr automatisch ebenfalls als Herstellerkennzeichnung angesehen würden, kann daraus noch nicht geschlossen werden. Es gibt nämlich, wie in der mündlichen Verhandlung anhand der vorliegenden Materialien erörtert, eine Reihe von Herstellern, die ihre Produkte nicht als Markenware, sondern gewissermaßen anonym, dafür aber zu einem deutlich niedrigeren Preis auf den Markt bringen. Dieser "gespaltene" Markt, auf dem zum einen Markenprodukte, zum anderen "No-Name"-Produkte nebeneinander existieren, ist allgemein bekannt. Ein großer Teil des Handels bezieht seine Attraktivität für den Verkehr daraus, dass er unter Verzicht auf Markenprodukte günstige Preise bietet, wobei er bestrebt ist, den Verbrauchern gleichwohl ähnliche Qualität zu liefern. Zu dieser Qualität gehört auch die Gestaltung der Produkte, wie hier Sport- und Freizeitschuhe. Solche Schuhe wären, wie die diskutierten Beispiele deutlich zeigen, ohne eine gewisse optische Gestaltung nicht marktfähig. Die äußeren Seitenflächen bieten sich dabei als Träger für Designelemente vorrangig an, wobei Streifen jeglicher Art als einfachste Gestaltungsmittel nächstliegend sind und daher entsprechend häufig vorkommen, wie die von der Markenstelle und dem Senat ermittelten Beispiele zeigen. Auch die kleinen ovalen Ausstanzungen auf den beiden Streifen bilden für den Verbraucher kein Mittel der betrieblichen Identifizierung, weil kleine "Löcher" ebenfalls ein beliebte Verzierung bilden, die an den Außenflächen von Schuhen, sei es an der Seite, auf der Kappe oder an der Ferse, als Reihe oder über eine Fläche verteilt angebracht und vom Verbraucher in ihrer Funktion letztlich nicht anders gewertet werden wie Ziernähte. Nicht ausgeschlossen ist überdies, dass ein Teil der Verbraucher an den sich bei Schuhen anbietenden Zwekk einer Belüftung denkt.

Begegnet der Verbraucher Sport- oder Freizeitschuhen, die in einer solchen Weise ausgestaltet sind, hat er folglich keine Veranlassung, sie als Marke anzusehen, es sei denn, ihm wäre diese Gestaltung auf Grund besonders bekannter, durchgängig verwendeter und durchgesetzter Merkmale geläufig. Von einer solchen bekannten und durchgesetzten Aufmachung kann indes bei der IR-Marke nicht die Rede sein. Es mag das Bestreben der Anbieter von Sport- und Freizeitschuhen sein, die von ihnen gewählte Gestaltung ihrer Produkte als Marke durchzusetzen. Solange der Verkehr dies aber im konkreten Fall nicht nachvollzieht, ist ein Schutz solcher Gestaltungen als Marke ausgeschlossen, weil ihnen die originäre Kennzeichnungskraft fehlt (vgl EuGH MarkenR 2004, 461, 467 Rdn 50, 55 - Mag Lite).

Die genannten Umstände sprechen im übrigen dafür, dass angesichts des relativ beschränkten Gestaltungsspielraums bei den äußeren Seitenflächen von Sport- und Freizeitschuhen auch ein Interesse der Mitbewerber anzunehmen ist, ihre Produkte mit einer Aufmachung zu versehen, die der der IR-Marke entspricht. Dem ist jedoch, da der Marke bereits wegen fehlender Unterscheidungskraft der Schutz zu versagen war, hier nicht weiter nachzugehen.

Für die von der Markeninhaberin angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung, denn die Entscheidung des Senats stimmt mit den Grundsätzen der höchstrichterlichen deutschen und europäischen Rechtsprechung überein; entscheidungsrelevante Rechtsfragen, die von dieser Rechtsprechung noch zu klären wären, liegen nicht vor. Soweit in einem Einzelfall das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt eine Bildmarke, die einen Schuh mit winkelig angeordneten Streifen zum Gegenstand hat (GRUR 2002, 1082), für eintragungsfähig gehalten hat, ist nicht erkennbar, inwieweit der Beurteilung jenes - von dem vorliegenden unterschiedlichen - Falles eine andere Rechtsauffassung zu Grunde liegen könnte, die einer höchstrichterlichen Klärung bedürfte.

Dr. Schermer Schwarz Dr. van Raden Pü






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Beschluss v. 16.11.2004
Az: 27 W (pat) 371/03


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