Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. September 2004
Aktenzeichen: 9 W (pat) 332/02

(BPatG: Beschluss v. 27.09.2004, Az.: 9 W (pat) 332/02)

Tenor

Das Patent wird aufrechterhalten.

Gründe

I.

Die Einsprechende hat gegen das am 17. Mai 2000 angemeldete Patent mit der Bezeichnung

"Hochdruckrohr für Wasser oder Hydraulikflüssigkeit, insbesondere für den untertägigen Einsatz"

Einspruch eingelegt. Sie nennt folgenden druckschriftlichen Stand der Technik:

- DE 44 06 188 C1,

- DE 44 37 699 A1,

- DE 197 18 178 C2 und - US 4 556 240.

Zur Begründung ihres Einspruchs führt die Einsprechende aus, dass wesentliche Begriffe der nebengeordneten Patentansprüche 1 und 2 unklar oder nicht ausreichend spezifiziert seien und dass die beanspruchten Gegenstände im Hinblick auf den angeführten Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Der Patentinhaber beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten.

Er ist der Auffassung, dass der beanspruchte Gegenstand patentfähig sei.

Die Patentansprüche 1 und 2 lauten:

1. Hochdruckrohr für Wasser oder Hydraulikflüssigkeit, insbesondere für den untertägigen Einsatz, im wesentlichen bestehend aus einem Rohrelement und zwei an dessen Ende befestigten korrespondierenden Kupplungselementen, dadurch gekennzeichnet, dass im Inneren des Hochdruckrohres (1) ein dünnwandiges Edelstahlrohr (6, 8) angeordnet ist, dessen Außendurchmesser dem Innendurchmesser des Hochdruckrohres (1) entspricht unddass das Edelstahlrohr (6) ein längs aufgeschlitztes Rohr ist.

2. Hochdruckrohr für Wasser oder Hydraulikflüssigkeit, insbesondere für den untertägigen Einsatz, im wesentlichen bestehend aus einem Rohrelement und zwei an dessen Ende befestigten korrespondierenden Kupplungselementen, dadurch gekennzeichnet, dass im Inneren des Hochdruckrohres (1) ein dünnwandiges Edelstahlrohr (6, 8) angeordnet ist, dessen Außendurchmesser dem Innendurchmesser des Hochdruckrohres (1) entspricht unddass das Edelstahlrohr (8) eine Rohrspirale ist.

Diesen Patentansprüchen schließen sich 5 rückbezogene Patentansprüche an.

Im Erteilungsverfahren hat die Prüfungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes zusätzlich die Druckschriften - DE 40 03 384 C2,

- DE 44 29 766 A1 und - EP 0 399 071 A1 berücksichtigt.

II.

Der Einspruch ist zulässig. In der Sache hat er keinen Erfolg.

1. Die erteilten Patentansprüche sind zulässig.

Die Einsprechende führt aus, dass der Begriff "Hochdruckrohr" in den gesamten Unterlagen nicht spezifiziert sei. Außerdem bleibe offen, welche Abmessungen ein "dünnwandiges" Edelstahlrohr habe und welche Breite der Längsschlitz des Edelstahlrohres aufweise. Die Ausführungsformen nach Fig 3 und 6 ständen im Widerspruch zum Patentanspruch 2, da unter einer "Spirale" eine in einer Ebene liegende Kurve mit über dem Umfangswinkel zunehmenden Durchmesser zu verstehen sei und die Fig 3 und 6 ein wendel- bzw schraubenförmiges Edelstahlrohr zeigten.

Diese Bedenken teilt der erkennende Senat nicht. Abgesehen davon, dass von der Einsprechenden im Hinblick auf diese behaupteten Mängel kein Widerrufsgrund nach § 21 PatG geltend gemacht wurde, liegen diese Mängel tatsächlich nicht vor. Das Patent richtet sich mit seinem Offenbarungsgehalt nämlich nicht an einen Laien, sondern an einen auf dem entsprechenden technischen Gebiet tätigen Durchschnittsfachmann. Als solchen sieht der Senat in Übereinstimmung mit den Parteien einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau an, der über Erfahrung auf dem Gebiet der Hochdruckrohre verfügt.

Dieser Fachmann kennt Hochdruckrohre als Rohre für einen Transport von Flüssigkeiten, deren Druck erheblich über Atmosphärendruck liegt. Außerdem sind ihm doppelwandige Rohre allgemein bekannt (vgl beispielsweise die DE 44 06 188 C1 und US 4 556 240), bei denen das Außenrohr eine für die hohen Drücke ausreichende Festigkeit aufweist und das Innenrohr lediglich der Auskleidung dient. Es liegt daher in seinem Fachwissen, die Wandstärke des Innenrohres entsprechend der jeweiligen technischen Anforderungen zu bemessen. Um einen möglichst guten Schutz des Außenrohres zu erzielen, ist es für ihn platt selbstverständlich, das Innenrohr so auszulegen, dass es die Innenoberfläche des Außenrohres möglichst weitgehend abdeckt. Er wird daher den Längsschlitz möglichst klein machen. Diese Auslegung ist für ihn durch Anwendung einfachster geometrischer Funktionen möglich.

Der Einsprechenden ist zuzustimmen, dass Spirale definiert ist als eine Kurve, die in immer weiter werdenden Windungen einen festen Punkt umläuft. Aus den Fig 3 und 6 des Streitpatentes, die ein im Sinne des Streitpatentes "spiralförmiges" Edelstahlrohr zeigen (Sp 2, Z 39, 47), ergibt sich für den Fachmann jedoch unmittelbar, dass hier unter "Spirale" ein schrauben- oder wendelförmig verlaufender Aufbau des Innenrohres zu verstehen ist.

2. Die mit den Patentansprüchen 1 und 2 beanspruchten Hochdruckrohre sind patentfähig.

2.1 Das Streitpatent betrifft ein Hochdruckrohr für Wasser oder Hydraulikflüssigkeit, das insbesondere für den untertägigen Einsatz verwendet wird.

Nach der Beschreibungseinleitung des Streitpatentes werden Hochdruckrohre im Bergbau mit Wasserhydraulik betrieben, wobei dem Medium Wasser ein Korrosionsschutzmittel beigegeben werde. Solche Rohre seien in der Regel feuerverzinkt, um eine hohe Standzeit zu erreichen. Bei längerer Betriebszeit werde die Zinkschicht im Inneren des Rohres durch die beigegebenen Korrosionsschutzmittel an- oder sogar aufgelöst. Das gelöste Zink könne zu Verstopfungen der Filter der Hydraulikanlage führen.

Das Streitpatent befasst sich daher mit dem Problem, Hochdruckrohre so auszugestalten und weiterzubilden, dass der ständige Austausch der Filtereinrichtungen vermieden werden kann.

Die patentgemäße Weiterbildung der im Bergbau bekannten Rohre besteht darin, dass im Inneren des Hochdruckrohres ein dünnwandiges Edelstahlrohr angeordnet ist, dessen Außendurchmesser dem Innendurchmesser des Hochdruckrohres entspricht, und dass das Edelstahlrohr ein längs aufgeschlitztes Rohr (Patentanspruch 1) oder eine Rohrspirale (Patentanspruch 2) ist.

2.2 Die mit den Patentansprüchen 1 und 2 beanspruchten Hochdruckrohre sind - von der Einsprechenden unbestritten - neu. Denn keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften zeigt Hochdruckrohre mit einem Außen- und einem Innenrohr, bei denen das Innenrohr aufgeschlitzt ist.

Aus der DE 44 06 188 C1 und der US 4 556 240 sind Hochdruckrohre bekannt, die ein durchgehendes Innenrohr aufweisen (s in der DE 44 06 188 C1 die Sp 2, Z 36 bis 44, sowie das Innenrohr 2 in Fig 1 und in der US 4 556 240 das durchgehende Innenrohr 3, 8 in der Fig 3).

Die DE 44 37 699 A1 betrifft ein Abwasserrohr für die Kanalisation (aaO Sp 1, Z 5 bis 8). Abwasserrohre stehen bekanntlich unter Atmosphärendruck, so dass dieses Rohr bereits nicht als Hochdruckrohr angesehen werden kann. Entgegen der Auffassung der Einsprechenden steht dieser Auffassung nicht der Hinweis in Sp 1, Z 11 dieser Schrift entgegen, dass Metallrohre vorgesehen sein können. Denn diese Metallrohre sind hier lediglich als Alternative zu Zementrohren anzusehen und nicht als Rohre für einen besonderen Einsatzbereich.

Die DE 197 18 178 C2 betrifft ein Auspuffrohr für ein Kraftfahrzeug und somit ebenfalls kein Hochdruckrohr (Sp 1, Z 3 bis 19).

Nach Überprüfung durch den erkennenden Senat ist auch aus den weiteren im Erteilungsverfahren angeführten Druckschriften kein Hochdruckrohr mit allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 oder des Patentanspruchs 2 bekannt.

2.3 Die mit den Patentansprüchen 1 und 2 beanspruchten Hochdruckrohre sind unbestritten gewerblich anwendbar und werden dem zuständigen Fachmann durch den angeführten Stand der Technik auch nicht nahegelegt.

Ein im Bergbau tätiger Fachmann erkennt, dass der häufige Austausch der Filtereinrichtungen vermieden werden sollte. Er wird daher nach Abhilfemöglichkeiten suchen. Dabei stößt er ohne weiteres auf die DE 44 06 188 C1 oder die US 4 556 240. Beide Druckschriften zeigen ihm, dass bei einem Hochdruckrohr eine vollständige Auskleidung des Außenrohres durch ein Edelstahlrohr einen ausreichenden Schutz gegen Korrosion bietet. Er wird daher diese Rohre an Stelle der feuerverzinkten Rohre einsetzen. In beiden Druckschriften ist ausgeführt, dass das Verschweißen der Rohre miteinander zu einer Herabsetzung der Korrosionsbeständigkeit führen kann (Sp 1, Z 11 bis 27 der DE 44 06 188 C1 und Sp 1, Z 39 bis 47 der US 4 556 240). Bei beiden ist daher am Ende des Innenrohres ein Rohrring aus einem besonderen Material vorgesehen, das auch beim Verschweißen eine ausreichende Korrosionsbeständigkeit aufweist. Diese Druckschriften lehren somit, dass die Korrosionsbeständigkeit eines Hochdruckrohres nur dann gegeben ist, wenn die geförderte Flüssigkeit ausschließlich mit dem Edelstahlrohr bzw den daran anschließenden Edelstahlringen in Kontakt kommt. Eine Berührung des Außenrohres mit der Flüssigkeit ist grundsätzlich zu vermeiden. Diese Lehre weist von der beanspruchten Ausgestaltung weg, da durch das Aufschlitzen des Edelstahlrohres in Längsrichtung oder das spiralförmige Aufschlitzen eine direkte Berührung der Flüssigkeit mit dem Außenrohr möglich ist.

Eine Anregung in diese Richtung kann auch von der von der Einsprechenden angeführten DE 44 37 699 A1 nicht ausgehen. Diese Druckschrift betrifft nämlich ein defektes Abwasserrohr, das ausgebessert wird. An der auszubessernden Stelle erfolgt eine Auskleidung des Abwasserrohres mit einem Ersatzrohr, (Sp 1, Z 35 bis 44). Das Ersatzrohr wird als Spirale aufgewickelt in das Abwasserrohr eingeführt und an der auszubessernden Stelle aufgeweitet, bis es an der Innenwand des auszubessernden Rohres anliegt (Sp 1, Z 29 bis 33).

Diese Druckschrift betrifft einen zum Streitgegenstand vollkommen anderen Gegenstand. Denn Abwasserrohre stehen unter Atmosphären- und nicht unter Hochdruck. Außerdem erfolgt eine Auskleidung eines defekten und nicht eines intakten Außenrohres. Der Fachmann erwartet sich daher von dieser Druckschrift keinerlei Anregungen zur Verbesserung der aus der DE 44 06 188 C1 oder der US 4 556 240 bekannten Hochdruckrohre, so dass er diese Schrift nicht berücksichtigt. Im übrigen könnte die dort gegebene Lehre allenfalls Anregungen in Richtung auf eine Ausbesserung defekter Rohre und nicht in Richtung einer Auskleidung vollkommen intakter Rohre geben.

Die in der mündlichen Verhandlung von der Einsprechenden nicht mehr aufgegriffene DE 197 18 178 C2 liegt vom Beanspruchten noch weiter ab. Denn die dort gezeigte Rohrverzweigung eines Auspuffrohres weist bereits keinen doppelwandigen Aufbau des Auspuffrohres auf.

Nach Überprüfung durch den erkennenden Senat können auch die im Erteilungsverfahren angeführten weiteren Druckschriften dem Fachmann keine Anregung in Richtung zum Gegenstand des Streitpatentes nach den Patentansprüchen 1 und 2 geben.

Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 2 sind daher bestandsfähig.

Den Patentansprüchen 1 und 2 schließen sich die Patentansprüche 3 bis 7 an, die zweckmäßige weitere Ausgestaltungen der beanspruchten Hochdruckrohre enthalten, die nicht selbstverständlich sind. Sie haben daher mit den Patentansprüchen 1 und 2 Bestand.

Petzold Dr. Fuchs-Wissemann Bülskämper Reinhardt Wf






BPatG:
Beschluss v. 27.09.2004
Az: 9 W (pat) 332/02


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