Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Juli 2007
Aktenzeichen: 7 W (pat) 8/04

(BPatG: Beschluss v. 18.07.2007, Az.: 7 W (pat) 8/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 01 N des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Oktober 2003 aufgehoben und das Patent erteilt mit folgenden Unterlagen:

Patentansprüche 1 bis 5 nach Hilfsantrag 2 vom 18. Juli 2007, Beschreibung Seiten 1 und 1a vom 28. März 2003, Seiten 2 bis 19 vom 29. August 2001, und 4 Blatt Zeichnungen (Figuren 1 bis 5), eingegangen am 10. Oktober 2001.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Beschwerde der Anmelderin ist gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 01 N des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Oktober 2003 gerichtet, mit dem die vorliegende Anmeldung gemäß § 48 i. V. m. § 45 (1) PatG mangels Erfüllung der Anforderungen nach § 34 Abs. 3, 3 PatG zurückgewiesen worden ist.

Dem Beschluss lagen die Patentansprüche 1 bis 8 vom 28. März 2003 zugrunde.

Der Beschluss sieht einen Mangel darin, dass im Patentanspruch 1 auf eine Abschätzung eines Abgasbestandteils (hier NOx) im Brennkraftmaschinenbetrieb mittels einer theoretischen und empirischen Formel abgestellt werde, ohne jedoch die Formel im Anspruch anzugeben. Weil bekannte Brennkraftmaschinensteuerungen (mit NOx-Katalysatoren) praktisch immer nach vorgegebenen Algorithmen bzw. Formeln arbeiteten, sei die Rechtsbeständigkeit des nachgesuchten Patents von vornherein ausgeschlossen.

Zum Stand der Technik sind im Prüfungsverfahren folgende Druckschriften genannt worden:

D1 DE 199 18 875 A1 D2 DE 197 39 751 A1 D3 DE 195 43 219 C2 D4 DE 696 06 439 T2 D5 US 5 595 060 D6 US 5 655 363.

Die Anmelderin hat der Ansicht des Beschlusses widersprochen. In der mündlichen Verhandlung legt sie neue Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag 1 sowie neue Patentansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag 2 vor. Sie macht geltend, der Gegenstand der Anmeldung in jeder antragsgemäßen Fassung der Patentansprüche sei neu und beruhe auf erfinderischer Tätigkeit.

Sie stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu erteilen mit den Patentansprüchen 1 bis 8 und 2 Blatt Beschreibung vom 28. März 2003 sowie die ursprüngliche Beschreibung ab Seite 2 bis Seite 19 und die am 10. Oktober 2001 eingegangenen Zeichnungen (Hauptantrag), hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 7 nach Hilfsantrag 1 bzw. Patentansprüchen 1 bis 5 nach Hilfsantrag 2, jeweils vom 18. Juli 2007, Beschreibung und Zeichnungen jeweils wie Hauptantrag.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

"Vorrichtung zur Steuerung einer Brennkraftmaschine, umfassend:

einen Luftflusssensor (22), der in einem Ansaugrohr (9) der Brennkraftmaschine (1) vorgesehen ist, um die Menge an Ansaugluft (Qa) zu erfassen;

eine Temperaturdetektor-Einrichtung (21) und Druckdetektoreinrichtung (19) zur Erfassung der Temperatur (To) und des Drucks (Pb) der von der Brennkraftmaschine (1) angesaugten Luft;

eine Luft/Treibstoff-Verhältnis-Detektoreinrichtung, die im Abgasrohr (15) der Brennkraftmaschine (1) vorgesehen ist, zur Erfassung des Luft/Treibstoff-Verhältnisses () des Abgases;

eine Abgasrückführungsraten-Detektoreinrichtung zur Erfassung der Abgasrückführungsrate () des in die Ansaugluft zurückgeführten Abgases;

einen NOx-Reinigungskatalysator (17), der im Abgasrohr (17) der Brennkraftmaschine (1) vorgesehen ist;

eine NOx-Betriebseinrichtung (30A) zur Abschätzung der Menge an NOx (QNT) im Abgas aus einer theoretischen Formel und einer empirischen Formel, beruhend auf der Menge der Ansaugluft (Qa), der Temperatur (To) und dem Druck (Pb) der Ansaugluft, dem Luft/Treibstoff-Verhältnis () und der Abgasrückführungsrate (); undeine Steuereinrichtung (30A) zur Steuerung des NOx-Reinigungskatalysators (17) und/oder des Verbrennungszustands in der Brennkraftmaschine (1), um die Menge des NOx-Ausstoßes zu verringern."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet:

"Vorrichtung zur Steuerung einer Brennkraftmaschine, umfassend:

einen Luftflusssensor (22), der in einem Ansaugrohr (9) der Brennkraftmaschine (1) vorgesehen ist, um die Menge an Ansaugluft (Qa) zu erfassen;

eine Temperaturdetektor-Einrichtung (21) und Druckdetektoreinrichtung (19) zur Erfassung der Temperatur (To) und des Drucks (Pb) der von der Brennkraftmaschine (1) angesaugten Luft;

eine Luft/Treibstoff-Verhältnis-Detektoreinrichtung, die im Abgasrohr (15) der Brennkraftmaschine (1) vorgesehen ist, zur Erfassung des Luft/Treibstoff-Verhältnisses () des Abgases;

eine Abgasrückführungsraten-Detektoreinrichtung zur Erfassung der Abgasrückführungsrate () des in die Ansaugluft zurückgeführten Abgases;

einen NOx-Reinigungskatalysator (17), der im Abgasrohr (17) der Brennkraftmaschine (1) vorgesehen ist;

eine NOx-Betriebseinrichtung (30A) zur Berechnung einer Sauerstoffkonzentration, einer Stickstoffkonzentration und einer Temperatur des Verbrennungsgases in der Brennkraftmaschine beruhend auf der Temperatur (To) und dem Druck (P) der Ansaugluft, dem Luft/Treibstoff-Verhältnis (), der Abgasrückführungsrate () und dem Verdichtungsverhältnis (), und zur Berechnung einer Menge an NOx (QNT) im Abgas aus der berechneten Sauerstoffkonzentration, Stickstoffkonzentration und Temperatur des Verbrennungsgases; undeine Steuereinrichtung (30A) zur Steuerung des NOx- Reinigungskatalysators (17) und/oder des Verbrennungszustands in der Brennkraftmaschine (1), um die Menge des NOx-Ausstoßes zu verringern."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 lautet:

"Vorrichtung zur Steuerung einer Brennkraftmaschine, umfassend:

einen Luftflusssensor (22), der in einem Ansaugrohr (9) der Brennkraftmaschine (1) vorgesehen ist, um die Menge an Ansaugluft (Qa) zu erfassen;

eine Temperaturdetektor-Einrichtung (21) und Druckdetektoreinrichtung (19) zur Erfassung der Temperatur (To) und des Drucks (Pb) der von der Brennkraftmaschine (1) angesaugten Luft;

eine Luft/Treibstoff-Verhältnis-Detektoreinrichtung, die im Abgasrohr (15) der Brennkraftmaschine (1) vorgesehen ist, zur Erfassung des Luft/Treibstoff-Verhältnisses () des Abgases;

eine Abgasrückführungsraten-Detektoreinrichtung zur Erfassung der Abgasrückführungsrate () des in die Ansaugluft zurückgeführten Abgases;

einen NOx-Reinigungskatalysator (17), der im Abgasrohr (17) der Brennkraftmaschine (1) vorgesehen ist;

eine NOx-Betriebseinrichtung (30A) zur Berechnung einer Menge an NOx (QNT) im Abgas beruhend auf der Temperatur (To) und dem Druck (P) der Ansaugluft, dem Luft/Treibstoff-Verhältnis (), der Abgasrückführungsrate (), dem Verdichtungsverhältnis () und der eingespritzten Menge an Treibstoff pro Takt (Gf) und einem Korrekturkoeffizienten (C), welcher abhängig vom Modell der Brennkraftmaschine und/oder dem Verbrennungsmodus variiert, und wobei der Verbrennungsmodus einen geschichteten Verbrennungsmodus und einen homogenen Verbrennungsmodus enthält, als:

GnoT = 6.88 * 1017 * ([1216(1-ß){3.305-0.5346 (/15)}+To] * -1) 1/2

* exp (- 64900/( [1216(1-ß){3.305-0.5346(/15)}+To] * -1))

* {(/15-1)(4.5+59.5 (/15))}1/2 * Gf * 3/2 * P3/2 * To-3/2 * C (kg/s);

eine Steuereinrichtung (30A) zur Steuerung des NOx- Reinigungskatalysators (17) und/oder des Verbrennungszustands in der Brennkraftmaschine (1), um die Menge des NOx-Ausstoßes zu verringern."

Die Patentansprüche 2 bis 8 nach Hauptantrag, 2 bis 7 nach Hilfsantrag 1 und 2 bis 5 nach Hilfsantrag 2 enthalten Merkmale, mit denen die jeweiligen Gegenstände der Hauptansprüche weiter ausgestaltet werden sollen.

Der Patentanmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung zur Steuerung eines Verbrennungsmotors zu schaffen, die eine Abschätzung der Menge an NOx-Ausstoß innerhalb von kurzen Zeitperioden erlaubt, unter Wahrung einer hohen Präzision und bei verbesserter Steuerbarkeit, ohne das Erfordernis, große Mengen an Zuordnungsdaten bzw. Kennfelddaten im ROM zu speichern, und somit ohne die Kosten zu erhöhen (geltende Beschreibung S. 1 Abs. 1 Z. 6 bis 11 und S. 5 Abs. 2).

II Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie ist teilweise auch begründet.

Der Gegenstand der Patentanmeldung in der Fassung der Patentansprüche nach Hilfsantrag 2 stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG §§ 1 bis 5 dar.

Die Gegenstände der Patentansprüche nach Haupt- und Hilfsantrag 1 sind dagegen nicht patentfähig, da sie für einen Fachmann mangels hinreichender Offenbarung in den Anmeldungsunterlagen nicht nacharbeitbar sind (Hauptantrag) bzw. nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen (Hilfsantrag 1).

Als hier zuständiger Fachmann ist ein mit der Steuerung von Brennkraftmaschinen befasster Maschinenbau-Ingenieur anzusehen, der an regel- bzw. steuerungstechnischen Verbesserungen zur Senkung der Schadstoffemissionen in Brennkraftmaschinen arbeitet und hierfür zeitgemäße elektronische Einrichtungen, z. B. Steuerrechner, nutzt.

1. Zum Hauptantrag:

Der zulässige Patentanspruch 1 nach Hauptantrag betrifft eine Vorrichtung zur Steuerung einer Brennkraftmaschine, die u. a. eine NOx-Betriebseinrichtung zur Abschätzung der Menge an NOx im Abgas aufweist. Die Abschätzung soll mittels einer theoretischen Formel und einer empirischen Formel erfolgen beruhend auf der Menge der Ansaugluft (Qa), der Temperatur (To) und dem Druck (Pb) der Ansaugluft, dem Luft/Treibstoff-Verhältnis () und der Abgasrückführungsrate ().

Gemäß Beschreibung der Anmeldung kann die NOx-Menge pro Zeiteinheit im Abgas (GnoT) durch die Formeln (13), (14) bzw. unter Berücksichtigung der Abgasrückführungsrate durch die Formel (21) bzw. - unter Verwendung derselben Variablen und ein verändertes mathematisches Modell - durch die Formel (23) bzw. (24) berechnet werden. In keiner dieser Formeln und auch nicht in den Formeln, aus denen die abgeschätzte Formel hergeleitet ist, ist die Menge der Ansaugluft Qa als Variable enthalten. Der Fachmann sieht sich daher nicht in der Lage die NOx-Mengen-Abschätzung mit den angegebenen Formeln beruhend auf der Ansaugluftmenge ohne eigene, ggf. erfinderische Anstrengungen zu verwirklichen, d. h. die Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag nachzuarbeiten. Die Lehre zum technischen Handeln nach Anspruch 1 ist insoweit nicht ausführbar, der Patentanspruch 1 folglich nicht gewährbar.

Mit dem Fortfall des Patentanspruchs 1 kann dem Hauptantrag insgesamt nicht stattgegeben werden, da die weiteren Ansprüche einen gewährbaren Hauptanspruch voraussetzen.

2. Zum Hilfsantrag 1:

Im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist gegenüber dem nach Hauptantrag nur das Merkmal der NOx-Betriebseinrichtung sachlich geändert worden.

Die NOx-Betriebseinrichtung dient nunmehr der Berechnung einer Sauerstoffkonzentration, einer Stickstoffkonzentration und einer Temperatur des Verbrennungsgases in der Brennkraftmaschine beruhend auf der Temperatur und dem Druck der Ansaugluft, dem Luft/Treibstoff-Verhältnis (), der Abgasrückführungsrate () und dem Verdichtungsverhältnis (), und zur Berechnung einer Menge an NOx im Abgas aus der berechneten Sauerstoffkonzentration, Stickstoffkonzentration und Temperatur des Verbrennungsgases.

Der Patentanspruch 1 ist zulässig. Seine Merkmale sind aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 4 hervorgegangen.

Sein Gegenstand beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus der US 5 595 060 (D5) ist eine Vorrichtung zur Steuerung einer Brennkraftmaschine bekannt, die einen Luftflußsensor 6, einen Temperatur- 22 und einen Drucksensor 21 im Ansaugrohr 9 für die Erfassung der von der Brennkraftmaschine angesaugten Luftmasse und ihres Zustandes aufweist. Ferner umfasst die Vorrichtung einen Luft/Treibstoff-Verhältnis-Sensor 12 im Abgasrohr 14 (Fig. 1), eine Abgasrückführungsleitung 26 mit einem von der Steuervorrichtung ansteuerbaren Abgasrückführventil 27, wodurch die Abgasrückführrate erfasst ist, des weiteren einen NOx-Reinigungskatalysator 13a im Abgasrohr und eine Einrichtung zur Steuerung des NOx-Reinigungskatalysators und des Verbrennungszustandes in der Brennkraftmaschine im Hinblick auf einen verringerten NOx-Ausstoß (Sp. 1 Z. 8 bis 11; Fig. 1 i. V. m. Sp. 7 Z. 17 bis 57 und Sp. 8 Z. 3 bis 24).

Weiterhin ist eine Einrichtung 33 zur Abschätzung der NOx-Menge im Abgas vorhanden. Die Einrichtung ermittelt eine NOx-Konzentration DN im Abgas abhängig von einem gemessenen oder von Betriebsbedingungen abhängigen vorbestimmten Luft/Treibstoff-Verhältnis gemäß dem in Fig. 7 gezeigten funktionalen Zusammenhang (Sp. 10 Z. 54 bis Sp. 11 Z. 9), korrigiert den ermittelten Wert mit Hilfe von Faktoren KIg, k1 zur Berücksichtigung weiterer Einflußgrößen wie Zündzeitpunkt, Abgasrückführrate, Lufttemperatur und Luftfeuchte und ggf. sonstiger nicht näher dargestellter Größen (Sp. 11 Z. 10 bis 31) und multipliziert dieses Produkt mit der beispielsweise aus den Messwerten des Luftflusssensors 6, des Lufttemperatursensors 22 und des Luftdrucksensors 21 hergeleiteten Ansaugluftmenge Qa zur gesamten im Abgas enthaltenen NOx-Menge pro Arbeitstakt (Sp. 11 Z. 32 bis 57, Gleichung (1)).

Die bekannte Einrichtung bestimmt somit die NOx-Menge im Abgas teils durch Berechnung, teils durch Verwendung empirisch ermittelter Zusammenhänge (Fig. 7) u. a. auf der Basis von Ansaugluftdruck und -temperatur, Luft/Treibstoff-Verhältnis und Abgasrückführungsrate.

Die Vorrichtung zur Steuerung einer Brennkraftmaschine nach Patentanspruch 1 (Hilfsantrag 1) unterscheidet sich gegenüber dem Bekannten somit noch dadurch, dass die NOx-Menge im Abgas ausschließlich berechnet wird. Nach dem Inhalt der Beschreibung ist damit eine formelmäßige Berechnung gemeint, ohne Verwendung von Tabellen oder Kennfeldern mit empirisch vorbestimmten Daten.

Weiter unterscheidet sich die Steuervorrichtung des Anspruchs 1 durch Berechnung der NOx-Menge im Abgas unter Berücksichtigung einer berechneten Sauerstoffkonzentration, einer berechneten Stickstoffkonzentration, einer berechneten Temperatur des Verbrennungsgases sowie eines Verdichtungsverhältnisses.

Diese Unterschiede können jedoch eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

Zwar trifft zu, dass der vorliegende druckschriftliche Stand der Technik nach D1 bis D6, soweit er sich überhaupt mit der Ermittlung der NOx-Menge im Abgas einer Brennkraftmaschine befasst (D2, D3, D5), kein Vorbild für eine rein formelmäßige Berechnung der NOx-Menge liefert (vgl. D2, S. 8 Z. 26 - 30; D3 Sp. 4 Z. 12, Sp. 5 Z. 50, 51; D5 Fig. 7, Sp. 10 Z. 66 - Sp. 11 Z. 57). Eine formelmäßige Berechnung der NOx-Menge kann für sich jedoch keine erfinderische Tätigkeit begründen. Denn die Herleitung einer Berechnungsformel für die Abgasbestandteile eines Verbrennungsmotors ist dem Fachmann im Rahmen seines im Studium erworbenen Grundlagenwissens der Verbrennungslehre und der Thermodynamik, insbesondere der thermodynamischen Prozesse in Brennkraftmaschinen, ohne weiteres geläufig. Ausgangspunkt ist dabei die - unbestritten - der Fachwelt bekannte reaktionskinetische Gleichung nach (3) und (4) der Anmeldungsbeschreibung, die die Bildung von NOx als Funktion der N2- und O2-Konzentrationen im Verbrennungsgas und der Verbrennungstemperatur T beschreibt. Weiterhin verwendet der Fachmann zur Ermittlung der N2- und O2-Konzentrationen sowie der Verbrennungstemperatur T - ebenfalls unbestritten - der Fachwelt geläufige Formeln, die er ausgehend von den dem fachspezifischen Grundwissen zuzurechnenden Verbrennungsgleichungen in Kenntnis des Verbrennungsprozesses im Motor unter Berücksichtigung der Art des Treibstoffes und der Betriebsbedingungen wie Ansaugluftzustand, Luft/Treibstoff-Verhältnis, Verdichtungsverhältnis, Abgasrückführungsrate etc. herleitet. Zwangsläufig führt ihn das Verknüpfen der grundlegenden Gleichungen zu einer Berechnungsformel für die NOx-Menge im Abgas mit einer der möglichen Einflußgrößen entsprechenden Vielzahl von Variablen.

Wenn der Stand der Technik, z. B. nach der dem Anmeldungsgegenstand am nächsten kommenden D5, bei der NOx-Mengenermittlung auf Kennfelder oder Tabellen mit weniger Variablen abstellt, deren Daten auf experimentellen Untersuchungen beruhen, stellt das nicht das Wissen des Fachmannes um die grundlegenden funktionalen Zusammenhänge der an sich bekannten Ziel- und Eingangsgrößen in Frage, sondern macht deutlich, dass die bekannte Komplexität der funktionalen Zusammenhänge begrenzt werden kann zugunsten einer u. U. wirtschaftlicheren, hinreichend genau arbeitenden Steuerungseinrichtung für einen Verbrennungsmotor, beispielsweise aufgrund des geringeren Umfangs an Variablen bzw. Meßgrößen sowie einfacherer Rechenprozesse (einfache Verknüpfung betriebsdatenabhängig ausgelesener Tabellen- oder Kennfelddaten). Da danach sowohl eine formelmäßige als auch eine kennfeld- oder tabellengestützte NOx-Bestimmung als alternative Lösungswege oder Kombinationen davon im Griffbereich des Fachmannes liegen, erfolgt die Auswahl einer dieser Möglichkeiten lediglich aufgrund wirtschaftlicher Abwägungen des Fachmannes, die er routinemäßig vornimmt und somit keine erfinderische Tätigkeit erfordern.

Auch die Berechnung der NOx-Menge beruhend auf der berechneten Sauerstoffkonzentration, Stickstoffkonzentration und Temperatur des Verbrennungsgases erfordert keine erfinderische Tätigkeit, da diese Größen schon bei der Aufstellung der Berechnungsformel für die NOx-Menge im Abgas berücksichtigt werden müssen, wie die an sich bekannte reaktionskinetische Gleichung für NOx (Gl. (3), (4) der Beschreibung) unmittelbar verdeutlicht. Für ihre rechnerische Ermittlung ist lediglich das Grundlagenwissen des Fachmannes erforderlich. Das Verdichtungsverhältnis ist bei der Temperaturbestimmung der Verbrennungsgase einer Brennkraftmaschine stets von Bedeutung (vgl. Gl. (15) der Anmeldungsbeschreibung), geht daher ebenfalls in die NOx-Berechnungsformel ein, so dass auch seine Berücksichtigung die Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 nicht schutzwürdig machen kann.

Da der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag nicht patentfähig ist, konnte dem Hilfsantrag insgesamt nicht stattgegeben werden.

Zum Hilfsantrag 2:

Die Patentansprüche 1 bis 5 nach Hilfsantrag 2 sind zulässig, da ihre Merkmale ursprünglich offenbart sind.

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 umfasst die Merkmale des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag mit der Maßgabe, dass das Merkmal der Menge der Ansaugluft (Qa) als Bezugsgröße der Berechnung entfallen ist und als neue Merkmale die eingespritzte Menge an Treibstoff pro Takt (Gf) und das Verdichtungsverhältnis () als Bezugsgrößen der Berechnung hinzugefügt worden sind und ferner die NOx-Betriebseinrichtung die NOx-Menge im Abgas nunmehr gemäß Gleichung (21) der ursprünglichen Unterlagen berechnet, wodurch in den Anspruch auch ein Korrekturkoeffizient C aufgenommen ist, der abhängig vom Modell der Brennkraftmaschine und/oder dem Verbrennungsmodus (geschichtete oder homogene Verbrennung) bestimmt ist.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu. Im entgegengehaltenen Stand der Technik ist keine Vorrichtung für die Berechnung der NOx-Menge im Abgas eines Verbrennungsmotors gemäß der im Anspruch 1 angegebenen Formel beschrieben.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist auch das Ergebnis erfinderischer Tätigkeit.

Wie schon zum Hilfsantrag 1 ausgeführt, ist in einer formelmäßigen Berechnung der NOx-Menge im Abgas allein keine erfinderische Tätigkeit zu erkennen. Soweit in der beanspruchten Berechnungsformel jedoch Elemente enthalten sind, die über das hinausgehen, was sich aus dem theoretischen Grundlagenwissen ableiten lässt und was der Fachmann aufgrund seines Wissens und Könnens sowie aufgrund von Anregungen des Standes der Technik berücksichtigt, kann das eine erfinderische Tätigkeit stützen. Das ist hier der Fall. So leiten sich die zahlenmäßigen Faktoren der anspruchsgemäßen Formel zum Teil aus Abschätzungen her, die auch anders gewählt werden könnten (z. B. /15 = 1 in Gl. (6) führt zu Gl. (8); cp = f (, 2) Gl. (18)) und enthält die Formel einen Faktor C, mit dem sie korrigiert wird abhängig vom Modell der Brennkraftmaschine und/oder dem Verbrennungsmodus. Wie der Faktor C bestimmt wird, lässt die Beschreibung zwar offen. Der Fachmann erkennt aber, dass die Faktorgröße durch Versuche ermittelt werden kann. Insoweit stellt C eine empirische Komponente in der Formel dar.

Da keine der zum Stand der Technik genannten Druckschriften D1 bis D6 eine Steuervorrichtung einer Brennkraftmaschine mit einer Bestimmungseinrichtung für NOx im Abgas lehrt, die auf der Grundlage der anspruchsgemäßen Formel mit einem Faktor zur Berücksichtigung des Modells der Brennkraftmaschine und/oder des Verbrennungsmodus der Brennkraftmaschine die NOx-Menge berechnet, war dem Fachmann auch die Gesamtlehre des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist somit gewährbar und mit ihm die auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5.






BPatG:
Beschluss v. 18.07.2007
Az: 7 W (pat) 8/04


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