Landgericht Hannover:
Urteil vom 25. Februar 2009
Aktenzeichen: 6 S 51/08

(LG Hannover: Urteil v. 25.02.2009, Az.: 6 S 51/08)

Tenor

1. Die gegen das am 04.07.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover, Az. 510 C 1988/08, gerichtete Berufung wird als unzulässig verworfen, soweit sie die von dem Kläger erstrebte Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits hinsichtlich der zwischenzeitlichen Berichtigung der streitgegenständlichen Daten zum Gegenstand hat.

2. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

6. Der Streitwert wird auf eine Gebührenstufe bis 1.500, -- Euro festgesetzt.

Tatbestand

I. Bezüglich der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass die Kontonummer des Kontos des Klägers korrekt lautet: €

Der Kläger wendet sich gegen die erstinstanzliche Abweisung der Klage. Er begehrt die Abänderung des Urteils und beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die in ihrer Auskunftsdatei enthaltenen den Kläger betreffenden Daten €: € € zu löschen,

2. den Rechtsstreit hinsichtlich der zwischenzeitlich teilweise gelöschten streitgegenständlichen Daten für erledigt zu erklären,

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 229,55 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

Die Beklagte hat sich der teilweisen Erledigungserklärung nicht angeschlossen. Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit dem Ziel der Zurückweisung der Berufung.

Gründe

II.

71. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unzulässig, soweit der Kläger hinsichtlich der am 17.03.2008 erfolgten Berichtigung der gespeicherten Daten der Sache nach die Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache begehrt. Hieran hat der Kläger kein schützenswertes Interesse (im Ergebnis ebenso: Landgericht Hamburg, 316 S 164/94, Beschluss vom 20.10.1994). Das in der Berichtigung liegende erledigende Ereignis ist bereits während der ersten Instanz eingetreten. Mit der erstmals in der Berufungsinstanz abgegebenen einseitigen Erklärung der teilweisen Erledigung stellt der Kläger das erstinstanzliche Urteil nicht zur Überprüfung. Vielmehr schafft er durch die erstmalige Abgabe der prozessualen Erklärung eine neue Prozesssituation mit dem Ziel, der Beklagten auch die Kosten für das Verfahren in erster Instanz auferlegen zu lassen. Diese Vorgehensweise stellt eine unzulässige Umgehung des § 99 ZPO dar.

a) Gemäß § 99 Abs. 1 ZPO ist die Anfechtung der Entscheidung über den Kostenpunkt unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Diese Regelung wird von dem Zweckgedanken getragen, die Rechtsmittelgerichte nicht durch eine auf den Kostenpunkt beschränkte Anfechtung der vorinstanzlichen Kostenentscheidung zu belasten. Hierbei steht es der Zulässigkeit einer Berufung nicht entgegen, wenn die Annahme nahe liegt, das (zulässige) Rechtsmittel sei nur eingelegt, um die Anfechtung des Kostenausspruchs zu ermöglichen (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 6 U 6/02, Beschluss vom 06.08.2002). Jedoch ist eine Berufung dann wegen Umgehung von § 99 Abs. 1 ZPO unzulässig, wenn sie erklärtermaßen dem alleinigen Zweck dient, eine Änderung der Kostenentscheidung herbeizuführen. Anderenfalls würde bei einer solchen inhaltlich nur auf die Überprüfung der Kostenentscheidung gerichteten Berufung der Zweckgedanke des § 99 Abs. 1 ZPO verfehlt (OLG Düsseldorf, 10 U 14/90, Urteil vom 05.11.1990).

b) Diese Erwägungen treffen auf den vorliegenden Sachverhalt zu, auch wenn der Kläger die Berufung nicht mit dem ausdrücklichen Ziel erhoben hat, eine Änderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung herbeizuführen. Inhaltlich hat der Kläger sein Klagebegehren vollständig geändert. Er beantragt - ebenfalls erstmalig - die Löschung auch der geänderten Daten und hat zugleich den Rechtsstreit im übrigen für erledigt erklärt. Das alleinige Ziel dieser Erledigungserklärung ist es, die ihm durch die angefochtene Entscheidung, die sich seinem in erster Instanz gestellten Antrag entsprechend allein mit den ursprünglich von der Beklagten gespeicherten und nicht länger aktuellen Daten befasst, auferlegten Kosten auf die Beklagte abzuwälzen. Um über den Antrag auf Feststellung der teilweisen Erledigung und damit über die Kostenfrage bezüglich der Kosten erster Instanz entscheiden zu können, müsste sich das Berufungsgericht mit dem in erster Instanz verfolgten Klagebegehren in vollem Umfang befassen. Dies soll durch § 99 Abs. 1 ZPO gerade verhindert werden.

c) Dem steht nicht entgegen, dass grundsätzlich eine einseitige Teilerledigungserklärung selbst dann noch in der Berufungs- oder gar in der Revisionsinstanz abgegeben werden kann, wenn, wie vorliegend, das erledigende Ereignis bereits in der ersten Instanz eingetreten ist. Die Erledigungserklärung kann ab Rechtshängigkeit auch noch in der höheren Instanz abgegeben werden. Eine zeitliche Grenze besteht nicht. Dies gilt zumindest in den Fällen, in denen das erledigende Ereignis im Sinne der dieses begründenden Tatsachen außer Streit steht (BGH IV a ZR 98/87, Urteil vom 08.02.1989; OLG Düsseldorf, 22 U 140/99, Urteil vom 18.02.2000).

Wegen des Rechtsgedanken des § 99 Abs. 1 ZPO führt dies vorliegend dennoch nicht zur Zulässigkeit der Berufung. In entscheidender Abweichung zum vorliegenden Fall betrafen die beiden vorgenannten Entscheidungen einen Sachverhalt, in dem sich die jeweiligen Rechtsmittelführer gegen den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wandten. Ihr Interesse lag gerade nicht ausschließlich darin, die Kostenlast auf die Gegenpartei übertragen zu lassen. In der zitierten Entscheidung des BGH wurde das Rechtsmittel von der Beklagten eingelegt, die eine vollständige Änderung des trotz Eintritts der Erledigung der Klage zu Unrecht stattgebenden Urteils und damit eine erneute Sachentscheidung begehrte. Auch der der Entscheidung des OLG Düsseldorf zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. In der dortigen Entscheidung erstrebte die Klägerin und (Anschluss)Berufungsklägerin gleichfalls die inhaltliche Korrektur des ihr zu Unrecht einen Anspruch zusprechenden Urteils, wobei der Fehler des Urteils daraus resultierte, dass keine der Parteien das Gericht über den Eintritt des erledigenden Ereignis informiert hatte.

Für die von der Kammer vertretene Auffassung spricht auch die Entscheidung des BGH in seinem Urteil vom 24.10.2005 (Az. II ZR 56/04), in dem er, wenn auch ohne Begründung, die mit dem Ziel der Abänderung der Kostenentscheidung geführte Revision als erfolglos ansah, nachdem die Klägerin in der Berufungsinstanz den Rechtsstreit bewusst nicht für erledigt erklärt hatte, um den Ausschluss von Rechtsbehelfen gem. § 91 a Abs. 2 S. 1 ZPO für in zweiter Instanz nach übereinstimmender Erledigungserklärung gefasste Beschlüsse zu umgehen.

2. Die in dem erstmalig in zweiter Instanz gestellten Antrag zu 1. liegende Klageänderung ist zulässig gemäß § 533 ZPO. Der Entscheidung sind die bereits von dem Gericht erster Instanz festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen. Auch ist eine Entscheidung über einen etwaigen Löschungsanspruch hinsichtlich der geänderten Daten sachdienlich.

a) Die Berufung ist insoweit jedoch nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Löschung der geänderten Daten aus § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG. Danach sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Die Zulässigkeit der Speicherung personenbezogener Daten regelt sich nach § 29 BDSG. Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG ist die Speicherung zulässig, wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung hat. Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung, ob ein Anspruch auf Löschung gegeben ist, ist ausweislich des Gesetzeswortlauts (€unzulässig ist€) der Zeitpunkt €ex nunc€, d. h. der Zeitpunkt, zu dem die Löschung beantragt wird bzw. aus sonstigen Gründen die Speicherung zu überprüfen ist (Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, 9. Auflage 2007, § 35 Rn. 11).

Das Bundesdatenschutzgesetz dient dem Schutz der personenbezogenen Daten. Es begrenzt das Interesse Dritter daran, die Beschaffung und Übermittlung derartiger Daten ständig zu verbessern. Vor diesem Hintergrund hat die speichernde Stelle in jedem Einzelfall nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine Abwägung zwischen ihren berechtigten Interessen bzw. denen der in Betracht kommenden Dritten, an die sie die Daten berechtigterweise weitergeben kann, oder der Allgemeinheit auf der einen Seite und den schutzwürdigen Belangen des Betroffenen auf der anderen Seite vorzunehmen. Danach kann eine Datenspeicherung dann zulässig sein, wenn den für diese sprechenden berechtigten Interessen ein solches Gewicht zukommt, dass die Belange des Betroffenen demgegenüber zurücktreten müssen. So werden die berechtigten Interessen der Allgemeinheit an einem Schutz vor der Vergabe von Krediten an Zahlungsunfähige oder -unwillige nicht nur eine Speicherung, sondern auch eine Weitergabe von Daten über die Eröffnung des Konkursverfahrens, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung oder die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen in aller Regel rechtfertigen. Im übrigen ist in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen, welches Gewicht den berechtigten Interessen an der Datenübermittlung bzw. Datenspeicherung zukommt, inwieweit diese schutzwürdige Belange des Betroffenen berühren und welcher Wert diesen Belangen zukommt (BGH, III ZR 159/82, Urteil vom 07.07.1983, zur Datenübermittlung).

16Zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung ist die Speicherung der personenbezogenen Daten des Klägers weiterhin zulässig gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG. Ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an dem Ausschluss der Speicherung, hinter dem die berechtigten Interessen der Beklagten zurücktreten müssten, ist nicht dargetan. Es besteht ein grundsätzlich gerechtfertigtes Interesse der Beklagten daran, ihren Mitgliedern Auskünfte zu erteilen und hierfür Daten vorzuhalten, die über die Kreditwürdigkeit sowie Zahlungsfähigkeit und -willigkeit potenzieller Darlehensnehmer Aufschluss geben können. Bei den Angaben zum Bestehen und zur Höhe sowie zu den Zeitpunkten der Titulierung und des Ausgleichs einer gegen den Kläger gerichteten Forderung handelt es sich um derartige Daten. Der Kläger hat demgegenüber gewichtigere schützenswerten Belange seinerseits nicht substantiiert dargelegt. Seine Behauptung, dass ihn die Speicherung in seinem beruflichen Fortkommen beeinträchtige und seine Existenz gefährde, genügt hierfür nicht. Es ist bereits nicht ersichtlich, welche Art von Gewebe er betreibt, ob dieses für Einträge bei der Beklagten besonders sensibel ist und welche Beeinträchtigungen durch die Speicherung ihm drohen. Soweit der Kläger darauf verweist, dass eine Kontoeröffnung abgelehnt und Kreditkarten gesperrt worden seien, trägt er nicht vor, wann dies geschehen sein soll und aus welchem Grund bzw. aus welchem Anlass. Es kann nicht beurteilt werden, welche weiteren Umstände hierfür gegebenenfalls eine Rolle gespielt haben.

Ein Löschungsinteresse des Klägers besteht auch nicht wegen inhaltlicher Fehler der veröffentlichen Daten. Unstreitig hat der Kläger den Vergleichsbetrag, der gemäß § 271 Abs. 1 BGB sofort fällig wurde, zunächst nicht bezahlt. Ein Zurückbehaltungsrecht bis zu einer Löschung der Daten wurde in dem Vergleich nicht vorbehalten. Es ergibt sich auch nicht aus sonstigen Gesichtspunkten.

Die fortbestehende Speicherung ist auch nicht aus anderen Gründen rechtswidrig. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob der Kläger die Einwilligungserklärungen, die er den Kreditinstituten zur Übermittlung der auf seine Person bezogenen sogenannten Positivmerkmale an die Beklagte erteilt hat, zwischenzeitlich widerrufen hat. Die Löschung dieser Positivmerkmale ist nicht Gegenstand seines Klagebegehrens. Sie wurde auch in erster Instanz nicht geltend gemacht.

b) Aus § 823 Abs. 1, 2 BGB i. V. m. §§ 186, 187 StGB kann der Kläger gleichfalls keinen Löschungsanspruch herleiten. Hinsichtlich der im Geltungsbereich des BDSG gespeicherten Daten sind die auf Löschung gerichteten Korrekturansprüche, die sich aus einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts begründen, durch § 35 BDSG abschließend geregelt (Gola/Schomerus, a. a. O. § 35 Rn. 25). Auch aus § 824 BGB steht dem Kläger, obigen Erwägungen entsprechend, kein Anspruch zu. Eine Kreditgefährdung seinerseits ist nicht dargetan. Zudem behauptet oder verbreitet die Beklagte zumindest seit der streitgegenständlichen Berichtigung ihrer Auskunftsdatei keine unwahren Tatsachen über den Kläger.

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Insoweit ist die Berufung gleichfalls unbegründet.

Die Beklagte befand sich mit der Berichtigung inhaltlich falscher Daten nicht im Sinne der §§ 286 Abs. 1, 280 Abs. 2 BGB in Verzug. Außergerichtlich wurde die Beklagte zur Löschung der ursprünglichen Daten aufgefordert. Insoweit stand dem Kläger jedoch lediglich ein Berichtigungsanspruch zu.

Der Kläger kann Erstattung der Kosten auch nicht im Wege der Schadensersatzes aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes verlangen. Eine etwaige rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Speicherung inhaltlich unzutreffender Daten war für diese Kosten nicht kausal. Die Kosten wurden nicht durch eine etwaige Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Veröffentlichung inhaltlich unzutreffender Daten bedingt. Von Beginn an begehrte der Kläger nämlich ausschließlich die Löschung zunächst der unzutreffenden und sodann der korrigierten Daten. Die Berichtigung der Daten sah er ersichtlich nicht als ausreichend an. Ein Löschungsanspruch stand dem Kläger jedoch zu keinem Zeitpunkt zu. Damit verfolgte der Kläger von Beginn an und auch mit der anwaltlichen Beauftragung ein ihm nicht zustehendes Ziel.

4. Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten folgt aus § 97 ZPO.

Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Sie betrifft die Zulässigkeit der Abgabe einer Erledigungserklärung in späterer Instanz, die anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist. Auch die Geltendmachung eines Löschungsanspruchs hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Die Festsetzung des Streitwerts entspricht dem von dem Kläger in zweiter Instanz verfolgten wirtschaftlichen Interesse an der Löschung der korrigierten Daten einerseits sowie an der Abänderung der Kostenentscheidung andererseits. Insoweit sind die auf die Teilerledigungserklärung entfallenden Kosten nach der Differenzmethode zu ermitteln. Die einzelnen Streitwerte sind zu addieren, wobei sich die mit dem Antrag zu 3. geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Nebenforderung nicht streitwerterhöhend auswirken.






LG Hannover:
Urteil v. 25.02.2009
Az: 6 S 51/08


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