Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Februar 2001
Aktenzeichen: 23 W (pat) 34/99

(BPatG: Beschluss v. 22.02.2001, Az.: 23 W (pat) 34/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Prüfungsstelle für Klasse H 01 L - vom 1. Februar 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur weiteren Sachbehandlung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deutschen Patent- und Markenamts hat die am 29. November 1996 mit der Bezeichnung "Strahlungsemittierendes Halbleiterbauelement" eingereichte Patentanmeldung durch Beschluß vom 1. Februar 1999 aus den Gründen des Bescheids vom 11. Juni 1997 zurückgewiesen, nachdem die Anmelderin innerhalb der - verlängerten - Äußerungsfrist sachlich nicht Stellung genommen hat.

In dem genannten Bescheid ist ausgeführt, daß der ursprüngliche Patentanspruch 1 weder die Art der Grundfläche noch die Richtung einer optischen Achse festlege, so daß die Winkelbeziehungen zur "Leiterplattenauflagefläche" bzw. zu einer dazu parallelen Ebene undefiniert blieben, zumal die "Leiterplattenauflagefläche" auch nur als "im wesentlichen" eben bezeichnet werde. Der Patentanspruch 1 wäre zudem auch in einer mit Hilfe der Beschreibung klargestellten Fassung im Hinblick auf den Stand der Technik nach der deutschen Offenlegungsschrift 44 41 477 keine geeignete Grundlage für eine Patenterteilung.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie verfolgt ihr Schutzbegehren mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 5 mit angepaßter Beschreibungsseite 3 weiter und vertritt die Auffassung, daß der neugefaßte Patentanspruch 1 dem Fachmann eine klare und vollständige Lehre zum technischen Handeln vermittle und daß dessen Gegenstand gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik, einschließlich der im Prüfungsverfahren zum Stand der Technik noch in Betracht gezogenen US-Patentschrift 4 984 057, der in der Beschreibungseinleitung genannten Druckschriften Siemens-Broschüre "Lumineszenzdioden, Qualität und Zuverlässigkeit", Themenschrift 09.90, Herausgeber Siemens AG, Bereich Halbleiter, Marketing-Kommunikation, München, Januar 1991 und Siemens-Lieferprogramm 07.94 "Optohalbleiter und Sensoren", Herausgeber Siemens AG, Bereich Halbleiter, Marketing-Kommunikation, München, Seiten 18 bis 33 sowie des seitens des Senats in der mündlichen Verhandlung eingeführten deutschen Gebrauchsmusters 94 09 174, patentfähig sei.

Die Anmelderin beantragt, den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Prüfungsstelle für Klasse H01L - vom 1. Februar 1999 aufzuheben und die Sache betreffend die Patentanmeldung 196 49 650 mit folgenden Unterlagen an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen: Patentansprüche 1 bis 5 und anzupassende weitere Unterlagen.

Die geltenden Patentansprüche 1 bis 5 lauten (nach Korrektur offensichtlicher Versehen im Oberbegriff des Patentanspruchs 1):

"1. Oberflächenmontierbares strahlungsemittierendes Halbleiterbauelement mit mindestens einem eine Strahlung aussendenden Halbleiterkörper (2), der eine optische Achse aufweist, einem ein erstes Kopfteil (5) und ein erstes Anschlußbeinchen (7) aufweisenden ersten elektrischen Anschlußteil (3), einem ein zweites Kopfteil (6) und ein zweites Anschlußbeinchen (8) aufweisenden zweiten elektrischen Anschlußteil (4) und mit einer Umhüllung (1), die aus einem für die Strahlung zumindest teilweise durchlässigen Material hergestellt ist, bei dem - elektrische Kontakte (10, 11) des Halbleiterkörpers (2) mit dem ersten Kopfteil (5) bzw. mit dem zweiten Kopfteil (6) elektrisch leitend verbunden sind,

- der Halbleiterkörper (2) und das erste (5) und das zweite Kopfteil (6) von der Umhüllung (1) umschlossen sind,

- die Umhüllung (1) eine Strahlungsaustrittsfläche (12), eine dieser gegenüberliegende Grundfläche (13) und eine dazwischen angeordnete, zur Grundfläche geneigte Leiterplattenauflagefläche (26) aufweist,

- das erste und das zweite Anschlußbeinchen (7, 8) durch die Grundfläche (13) hindurch aus der Kunststoffumhüllung (1) herausragen,

- jeweils ein Teilbereich des ersten und des zweiten Anschlußbeinchens (7, 8) und die Leiterplattenauflagefläche (26) im wesentlichen in einer gemeinsamen Ebene (17) liegen, wobei die Anschlußbeinchen (7, 8) gerade ausgebildet sind, derart, daß je eine die jeweilige Lötfläche (15, 16) aufweisende Seitenfläche des ersten und des zweiten Anschlußbeinchens (7, 8) und die Leiterplattenauflagefläche (26) im wesentlichen in der gemeinsamen Ebene (17) liegen, und - die gemeinsame Ebene (17) und eine optische Achse (24) des Halbleiterbauelements einen spitzen Winkel einschließen oder parallel verlaufen, dadurch gekennzeichnet, daß die Leiterplattenauflagefläche (26) durch zwei zwischen der Strahlungsaustrittsfläche (12) und der Grundfläche (13) verlaufende seitliche Einbuchtungen (25) in der Umhüllung (1) ausgebildet ist, so daß das Halbleiterbauelement in einer Ausnehmung (27) einer Leiterplatte (21) einlenkbar ist.

2. Strahlungsemittierendes Halbleiterbauelement nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Umhüllung (1) mit einer eine zweite Leiterplattenauflagefläche (14) ausbildenden seitlichen Abflachung versehen ist, so daß zur Oberflächenmontage das Halbleiterbauelement wahlweise mit der zweiten Leiterplattenauflagefläche (14) auf eine Leiterplatte (21) aufsetzbar ist, wobei die Anschlußbeinchen (7, 8) jeweils eine S-förmige Biegung aufweisen, oder unter Nutzung der ersten Leiterplattenauflagefläche (26) in einer Ausnehmung (27) einer Leiterplatte einsenkbar ist, wobei die Anschlußbeinchen mit der ersten bzw. der zweiten Leiterplattenauflagefläche im wesentlichen in einer Ebene liegen.

3. Strahlungsemittierendes Halbleiterbauelement nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Umhüllung (1) zusätzlich eine der Leiterplattenauflagefläche (14; 26) gegenüberliegende ebene Ansaugfläche (18) aufweist.

4. Strahlungsemittierendes Halbleiterbauelement nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Umhüllung (1) auf der der Grundfläche (13) gegenüberliegenden Seite mit einer Linsenkappe (23) versehen ist, die eine gekrümmte Strahlungsaustrittsfläche (12) aufweist und deren optische Achse mit der optischen Achse (24) des strahlungsemittierenden Halbleiterkörpers (2) zusammenfällt.

5. Strahlungsemittierendes Halbleiterbauelement nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Umhüllung (1) einstückig ausgebildet ist."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet; denn entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag ist der angefochtene Beschluß aufzuheben, weil die im Zurückweisungsbeschluß genannten Gründe im Hinblick auf das geänderte Patentbegehren nicht mehr zutreffen; die Anmeldung ist mit dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten neugefaßten Patentanspruch 1 zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen, weil der wesentlich geänderte Gegenstand des Anspruchs 1 hinsichtlich der materiellen Patentierungsvoraussetzungen noch nicht abschließend geprüft worden ist.

1. Der geltende Patentanspruch 1 ist zulässig.

a) Er findet inhaltlich eine ausreichende Stütze in den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 3 iVm dem zweiten Ausführungsbeispiel nach den Figuren 5 bis 7 und 10 (hinsichtlich der Merkmale, wonach die Leiterplattenauflagefläche (26) zwischen der Strahlungsaustrittsfläche (12) und der Grundfläche (13) angeordnet ist, die seitlichen Einbuchtungen (25) der Umhüllung (1) ebenfalls zwischen der Strahlungsaustrittsfläche (12) und der Grundfläche (13) verlaufen und das Halbleiterbauelement in einer Ausnehmung (27) einer Leiterplatte (21) einsenkbar ist). Daß der Halbleiterkörper (2) eine optische Achse aufweist, ist in den ursprünglichen Ansprüchen 5 bzw. 11 offenbart.

b) Der geltende Patentanspruch 1 vermittelt auch eine klare und vollständige Lehre zum technischen Handeln. Insbesondere weist er die im angefochtenen Beschluß gerügten Unklarheiten - soweit sie zutreffen - nicht mehr auf.

Die Grundfläche (13) ist hier nämlich dahingehend hinreichend festgelegt, daß durch sie hindurch die beiden Anschlußbeinchen (7, 8) aus der Umhüllung (1) herausragen, daß sie der Strahlungsaustrittsfläche (12) gegenüberliegt und daß zwischen ihr und der Strahlungsaustrittsfläche (12) eine Leiterplattenauflagefläche (26) angeordnet ist, die in der Umhüllung (1) in Form einer oder zweier zwischen der Strahlungsaustrittsfläche (12) und der Grundfläche (13) verlaufender seitlicher Einbuchtungen (25) ausgebildet ist. Auf die genaue Flächenform der Umhüllung (1) im Bereich der Grundfläche (13) kommt es dabei ersichtlich nicht an.

Wohldefiniert ist ebenfalls die Richtung der optischen Achse (24) des Halbleiterbauelements und damit auch der Merkmalskomplex des geltenden Patentanspruchs 1, wonach die gemeinsame Ebene (17) eines Teilbereichs des ersten und des zweiten Anschlußbeinchens (7, 8) mit der Leiterlattenauflagefläche (26) und eine optische Achse (24) des Halbleiterbauelements einen spitzen Winkel einschließen oder parallel verlaufen. Denn die optische Achse (24) des Halbleiterbauelements entspricht hier generell der optischen Achse des die Strahlung aussendenden Halbleiterkörpers (2), weshalb auch bei Ausbildung der Strahlungsaustrittsfläche (12) als Linsenkappe (23) deren optische Achse mit derjenigen des Halbleiterkörpers (2) zusammenfällt (geltender Patentanspruch 4 iVm Seite 8, Absatz 3 und Figuren 5 bis 7 und 10).

Auch ist im geltenden Patentanspruch 1 die Leiterplattenauflagefläche (26) nicht mehr als "im wesentlichen" eben bezeichnet.

c) Nach den Angaben der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung wird im Oberbegriff des geltenden Patentanspruchs 1 von einem oberflächenmontierbaren strahlungsemittierenden Halbleiterbauelement ausgegangen, wie es aus dem deutschen Gebrauchsmuster 94 09 174 bekannt ist (vgl. dort insbesondere die Fig. 1 und 2 mit der dazugehörigen Beschreibung).

Gegenüber diesem Stand der Technik liegt dem Anmeldungsgegenstand als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, ein oberflächenmontierbares strahlungsemittierendes Halbleiterbauelement der gattungsgemäßen Art zu entwickeln, das eine geringe Bauhöhe bei der Montage auf einer Leiterplatte zuläßt. Ziel ist weiterhin, ein kostengünstiges oberflächenmontierbares Halbleiterbauelement der gattungsgemäßen Art zur Verfügung zu stellen (geltende Beschreibungsseite 3, Absatz 2).

Diese Aufgabe wird - soweit sie technischer Natur ist - mit den Merkmalen nach dem kennzeichnenden Teil des geltenden Patentanspruchs 1 gelöst (vgl. hierzu auch die Beschreibung, Seite 9, Absatz 2 bis Seite 10, Absatz 1 zu den Figuren 5 bis 7 und 10).

2. Die Sache ist antragsgemäß zur weiteren Prüfung im Rahmen der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 5 an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen (PatG § 79 Abs 3 Satz 1 Nr 1 und 3).

Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist durch den bisher ermittelten, eingangs genannten Stand der Technik zwar nicht patenthindernd getroffen, weil dieser den zuständigen Durchschnittsfachmann - einen mit der Entwicklung und Herstellung oberflächenmontierbarer strahlungsemittierender Halbleiterbauelemente befaßten berufserfahrenen Physiker oder Halbleitertechnik-Ingenieur mit Universitätsausbildung - nicht dazu anzuregen vermag, bei einem gattungsgemäßen oberflächenmontierbaren strahlungsemittierenden Halbleiterbauelement die Leiterplattenauflagefläche durch zwei zwischen der Strahlungsaustrittsfläche und der Grundfläche verlaufende seitliche Einbuchtungen in der Umhüllung auszubilden, so daß das Halbleiterbauelement in einer Ausnehmung einer Leiterplatte einsenkbar ist, wie dies der Lehre nach dem kennzeichnenden Teil des geltenden Patentanspruchs 1 entspricht. Jedoch erscheint nicht ausgeschlossen, daß ein diesbezüglicher, einer Patenterteilung möglicherweise entgegenstehender Stand der Technik existiert. Denn der technische Schwerpunkt des Patentanspruchs 1 hat sich durch die zusätzliche Aufnahme der Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 3 bzw. der ursprünglichen zweiten Ausführungsform von dem Gebiet der Halbleitertechnik (IPC-Klasse H01L) nach dem Gebiet der "gedruckten Schaltungen" SMD-Bauelemente für gedruckte Schaltungen: (IPC-Klasse H05K) hin verschoben, auf dem - wie sich aus dem Nichtermitteln des nach H05K klassifizierten gattungsbildenden deutschen Gebrauchsmusters 94 09 174 im patentamtlichen Prüfungsverfahren ergibt - ersichtlich noch nicht recherchiert worden ist. Zum in seinem technischen Inhalt wesentlich geänderten geltenden Patentanspruch 1 wird daher eine Nachrecherche erforderlich, in die insbesondere auch die IPC-Klasse H05K einzubeziehen sein wird.

Dr. Beyer Dr. Meinel Dr. Gottschalk Tronser Pr






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