Verwaltungsgericht Gießen:
Urteil vom 5. September 2008
Aktenzeichen: 8 E 1331/06

(VG Gießen: Urteil v. 05.09.2008, Az.: 8 E 1331/06)

1. Besondere Umstände für eine zweite Verlängerung der Geltungsdauer einer Veränderungssperre liegen nicht vor, wenn die Gemeinde in den beiden ersten Sperrjahren im Hinblick auf die Erstellung des Bebauungsplans weitgehend untätig geblieben ist.

2. Einer Veränderungssperre fehlt das Sicherungsbedürfnis, wenn der künftige Bebauungsplan für ein Sondergebiet für Windenergieanlagen eine Höhenbegrenzung (hier 50 m) vorsieht, die einen wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen offensichtlich ausschließt.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 07.09.2005 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, den Genehmigungsantrag derKlägerin zur Errichtung und zum Betrieb eines Windparks mit 5Windenergieanlagen im Gebiet der Beigeladenen unter Beachtung derRechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Im Übrigen wirddie Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten zu 4/5 und derKlägerin zu 1/5 auferlegt.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durchdie Klägerin war notwendig.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nichterstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durchSicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe derKostenfestsetzung abwenden, falls nicht der jeweilige Gläubiger vorder Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Windparks mit fünf Windenergieanlagen im Stadtgebiet der Beigeladenen, Gemarkung D.

Im Jahr 1999 fasste die Stadtverordnetenversammlung der Beigeladenen einen Beschluss zur Änderung des Flächennutzungsplanes mit dem Ziel der Darstellung von Konzentrationszonen für die Windenergienutzung. Nach Durchführung entsprechender Untersuchungen bildeten sich zwei mögliche Vorrangflächen heraus, zum einen in der Gemarkung F. und zum anderen in der Gemarkung D. Im Dezember 2001 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Beigeladenen, den Standort F. aus dem Verfahren herauszunehmen und die Beteiligung der Träger öffentliche Belange nur für den Standort D. durchzuführen. Ein Beschluss des Magistrats der Beigeladenen vom 08.11.2004 sah vor, die 14. Änderung des Flächennutzungsplanes in die Phase der Offenlegung zu überführen. Beabsichtigt war die Darstellung einer Vorrangzone für fünf Windenergieanlagen in D. In dem dazugehörigen Erläuterungsbericht heißt es: €Die aktuelle Planfassung lässt die Aufstellung von fünf Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von 100 m zu.€

Unter dem 23.12.2004 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Erteilung einer Genehmigung für die Errichtung und Inbetriebnahme von fünf Windenergieanlagen in der Gemarkung D. Die Anlagen bestehen aus je einem Stahlrohrturm mit 100 m Nabenhöhe und einem 3-flügeligen Rotor mit 38,5 m Radius, so dass sich insgesamt eine Höhe von 138,5 m ergibt. Im Flächennutzungsplan der Beigeladenen ist das für die Windenergieanlagen vorgesehene Areal als Fläche für Landwirtschaft im Allgemeinen dargestellt.

Mit Schreiben vom 03.02.2005 ersuchte der Beklagte die Beigeladene um Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB.

Mit Beschluss vom 03.02.2005 lehnte die Stadtverordnetenversammlung der Beigeladenen die Offenlegung des Entwurfs der 14. Änderung des Flächennutzungsplans ab.

Am 21.02.2005 beschloss der Magistrat der Beigeladenen, der Stadtverordnetenversammlung als Beschlussvorlage die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zu dem Vorhaben der Klägerin zu unterbreiten.

In der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung der Beigeladenen vom 10.03.2005 stellten die Fraktionen von FDP, UWG und CDU zu dieser Beschlussvorlage einen gemeinsamen Änderungsantrag. Danach sollte der Magistrat der Beigeladenen beauftragt werden,

€1. eine Fristverlängerung zur Abgabe der Stellungnahme der Stadt in bauplanungsrechtlicher Hinsicht (2 Monate) zu beantragen,

2. den Erlass einer Veränderungssperre nach BauGB vorzubereiten.

3. die städtebaulichen Zielsetzungen für die weitere Bearbeitung des Flächennutzungsplanes zu definieren, welche die aktuelle Entwicklung für die Errichtung von Windkraftanlagen (Ausweitung der Nabenhöhe und des Rotordurchmessers) beinhaltet, einen auf dem Gemeindegebiet befindlichen anderen Standort für die Errichtung und den Betrieb eines Windparks mit 5 Windenergieanlagen zu bestimmen, an dem die gesetzlichen Voraussetzungen für deren Erstellung gegeben sind und ein entsprechendes Nutzungsänderungsverfahren bezüglich dieses Standortes einzuleiten.€

Eine Beschlussfassung zu diesem Tagesordnungspunkt erfolgte in der Sitzung vom 10.03.2008 jedoch nicht.

Mit Schreiben vom 11.03.2005 beantragte der Magistrat der Beigeladenen beim Beklagten eine Fristverlängerung bis zum 10.06.2005 für die ausstehende Erklärung zum Einvernehmen. Unter dem Datum des 04.04.2005 versagte der Magistrat der Beigeladenen das Einvernehmen zu dem Vorhaben und führte mit Schriftsatz vom 18.04.2005 ergänzend aus, dass derzeit keine schriftliche Begründung hierfür vorgelegt werden könne. Seitens der städtischen Gremien bestehe noch zusätzlicher Beratungsbedarf. Die nächste Sitzung der Stadtverordnetenversammlung, in der die Thematik behandelt werde, finde am 28.04.2005 statt.

Die Stadtverordnetenversammlung der Beigeladenen beschloss in ihrer Sitzung vom 28.04.2005, das gemeindliche Einvernehmen zu dem Vorhaben endgültig zu versagen. Des Weiteren wurde in dieser Sitzung beschlossen, für den Bereich, in dem die Windenergieanlagen errichtet werden sollten, den Bebauungsplan Nr. 76 €Am D.€ mit dem Ziel aufzustellen, €die Flächen als sonstiges Sondergebiet mit der Zweckbestimmung <Landwirtschaft und Standorte für Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von bis zu 50 m> auszuweisen.€

Zudem wurde die Absicht bekundet, zur Sicherung der Planung eine Veränderungssperre zu erlassen. Der Magistrat der Beigeladenen wurde beauftragt, €die städtebaulichen Zielsetzungen für die weitere Bearbeitung des Flächennutzungsplanes zu definieren, welcher die aktuelle Entwicklung für die Errichtung von Windkraftanlagen (Ausweitung der Nabenhöhe und des Rotordurchmessers) beinhaltet€ und €geeignete Festsetzungsmöglichkeiten zu prüfen und darzustellen (z. B. Höhenbeschränkungen, Sicherheitszonen u.a.).€

Die schriftliche Begründung des der Beschlussfassung zugrunde liegenden Antrages der Fraktionen von CDU, FDP und UWG führte hierzu aus, die Beigeladene wolle bezüglich der Änderung des Flächennutzungsplanes zur Ausweisung von Konzentrationsflächen für Windkraftanlagen ihre Planungshoheit ausüben und einen auf dem Gemeindegebiet befindlichen anderen Standort für die Errichtung eines Windparks bestimmen. Insofern sei eine Neubewertung und Neuabgrenzung der Vorranggebiete notwendig.

Mit Schreiben vom 09.05.2005 teilte der Magistrat der Beigeladenen dem Beklagten mit, die Stadtverordnetenversammlung habe das Einvernehmen zu dem Vorhaben der Klägerin versagt; zugleich stellte er den Antrag, die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens für einen Zeitraum von 12 Monaten auszusetzen. Der Beklagte erließ daraufhin am 01.06.2005 gegenüber der Klägerin einen Zurückstellungsbescheid, mit dem das Genehmigungsverfahren bis zum 30.06.2005 ausgesetzt wurde.

Am 09.06.2005 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Beigeladenen eine Veränderungssperre für den in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan Nr. 76. Die entsprechende Satzung wurde am 11.06.2005 in der €Wetterauer Zeitung€ veröffentlicht.

Mit Bescheid vom 07.09.2005 lehnte der Beklagte den Genehmigungsantrag der Klägerin ab. Zur Begründung verwies er auf die Versagung des Einvernehmens durch die Beigeladene sowie die in Kraft getretene Veränderungssperre.

Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid unter dem 04.10.2005 Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden wurde.

Am 10.05.2007 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Beigeladenen, die Geltungsdauer der Veränderungssperre für den Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 76 um ein Jahr zu verlängern. Die entsprechende Satzung wurde in der €Wetterauer Zeitung€ vom 02.06.2007 bekannt gemacht.

Am 15.05.2008 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Beigeladenen, die Geltungsdauer der Veränderungssperre um ein weiteres Jahr zu verlängern; diese Satzung wurde am 28.05.2008 öffentlich bekannt gemacht. Die dieser Beschlussfassung zugrunde liegende Magistratsvorlage führte aus, das Bebauungsplanverfahren Nr. 76 €Am D.€ sei zwingend fortzuführen, was bereits im Februar 2008 festgestellt worden sei. Mittlerweile habe man ein Büro gebeten, einen Vorentwurf für einen Bebauungsplan zu entwerfen, mit dem zurzeit die Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt werde. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Beschlussvorlage Drs. 664/06-11 der Beigeladenen verwiesen.

Die Klägerin hat am 03.05.2006 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, ihr stehe ein Genehmigungsanspruch zu. Insbesondere stehe einer Genehmigung nicht die von der Beigeladenen erlassene Veränderungssperre entgegen. Die Beigeladene verfolge für das Gebiet in D. offensichtlich keine positiven Planungskonzeptionen. Der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 76 habe allein das Ziel, das klägerische Vorhaben zu verhindern. Dies werde auch daran deutlich, dass Windenergieanlagen auf einer Nabenhöhe von 50 m heutzutage nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden könnten. Die Verhinderungsabsicht der Beigeladenen ergebe sich anhand der Historie des 14. Änderungsverfahrens zum Flächennutzungsplan. Als Konzentrationszone sei zunächst stets die für das klägerische Vorhaben ins Auge gefasste Fläche in D. vorgesehen gewesen. Mit Antragstellung durch die Klägerin sei dann kurzfristig ein neuerliches Flächennutzungsplanänderungsverfahren mit dem Ziel eröffnet worden, nicht in D., sondern an anderer Stelle eine Konzentrationszone für Windenergienutzung vorzusehen. Selbst wenn man von einer wirksamen Veränderungssperre ausginge, sei darauf hinzuweisen, dass der Beklagte nicht innerhalb von drei Monaten über den Genehmigungsantrag entschieden habe, wie dies im vereinfachten Genehmigungsverfahren vorgesehen sei. Rechtfertigende Gründe hierfür lägen nicht vor. Des Weiteren habe der Beklagte mit Ablauf von zwei Monaten nach Eingang seiner Aufforderung hinsichtlich des gemeindlichen Einvernehmens bei der Beigeladenen davon ausgehen müssen, dass dieses erteilt worden sei. Denn die vorsorglich von der Beigeladenen wegen drohenden Fristablaufs ausgesprochene Versagung des Einvernehmens durch die Verwaltung sei nicht wirksam. Zur Entscheidung berufen sei die Stadtverordnetenversammlung der Beigeladenen, diese habe aber erst nach Ablauf der Frist entschieden.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheids vom 07.09.2005 zu verpflichten, die beantragte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Windparks mit 5 Windenergieanlagen in der Stadt D-Stadt, Gemarkung D., Flurstücke 44 und 48/1 in Flur 7, Flurstücke 17, 26 und 37 in Flur 8, zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die von der Beigeladenen beschlossene Veränderungssperre sei wirksam. Die Beigeladene verfolge keine Negativ- oder Verhinderungsplanung. Ziel des Planes sei, in einem bestimmten Gebiet der Beigeladenen Windkraftanlagen bis zu einer bestimmten Größenordnung in einem bisher unbeplanten und im Außenbereich gelegenen Gebiet errichten zu dürfen. Innerhalb dieses Rahmens sei es auch möglich, die Höhe baulicher Anlagen zu bestimmen und damit auch zu beschränken. Die beabsichtigte Planung sei deshalb auf ein Ziel gerichtet, das mit den Mitteln der Bauleitplanung zulässigerweise erreicht werden könne. Die konkrete Planungsabsicht werde erst dann illegitim, wenn die geplante Beschränkung der Höhe der Windkraftanlagen deren wirtschaftlichen Betrieb a priori ausschlösse. Hiervon sei nicht auszugehen. Ein wirtschaftlicher Betrieb von Windenergieanlagen sei durchaus auch bei mittleren Windgeschwindigkeiten um 5 m/s in 50 m (Naben)-Höhe noch möglich.

Es sei abwegig, der Beigeladenen eine Negativplanung zu unterstellen. Solange - wie vorliegend - eine entsprechende Vorrangzone noch nicht festgelegt sei, sei es der Beigeladenen im Rahmen ihrer Planungshoheit freigestellt, unter Ausnutzung ihres planerischen Ermessens eine ihr als geeignet erscheinende Fläche auch im Außenbereich für die Errichtung von Windkraftanlagen mit Hilfe des Instruments des Bebauungsplans zu überplanen. Die Beigeladene sei nicht darauf verwiesen, eine Vorrangfläche für Windkraftanlagen als Darstellung in ihren Flächennutzungsplan zu übernehmen. Deshalb diene auch die beschlossene Veränderungssperre der Sicherung der städtischen Bauleitplanung, nämlich an einem bestimmten Ort Windkraftanlagen nur bis zu einer bestimmten Höhe zuzulassen. Hieran würde sich auch dann nichts ändern, wenn bereits im Flächennutzungsplan eine Vorrangfläche dargestellt wäre. Denn auch unter dieser Voraussetzung wäre die Beigeladene nicht gehindert, an anderer Stelle eine weitere Fläche für Windkraftanlagen zur Verfügung zu stellen.

Die Klägerin könne sich auch nicht auf das Vorliegen einer Einvernehmensfiktion berufen. Der Bürgermeister habe für den Magistrat und damit für die Beigeladene am 04.04.2005 rechtswirksam das Einvernehmen versagt.

Der geplante Bebauungsplan lasse sich auch aus dem Flächennutzungsplan entwickeln, da das Plangebiet als Fläche für Landwirtschaft im Allgemeinen ohne sichtbaren oder wenigstens nennenswerten Bezug zu einer besonderen, konkreten Form oder Art der landwirtschaftlichen Nutzung dargestellt sei.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Sie trägt vor, die von ihr in Kraft gesetzte Veränderungssperre genüge den gesetzlichen Anforderungen. Hinsichtlich der Nabenhöhe der Windenergieanlagen sei darauf hinzuweisen, dass die ursprüngliche Planung eine Höhe der Masten von 60 m vorgesehen habe, die Klägerin dann aber Masten mit einer Nabenhöhe von 100 m angestrebt habe. Hierzu habe es bereits zur Zeit der Trägerbeteiligung von verschiedenen Seiten erhebliche Bedenken gegeben. Das Einvernehmen habe sie, die Beigeladene, auch rechtzeitig versagt. Das Schreiben des Magistrats vom 04.04.2005 habe die Frist gewahrt.

Vor dem Hintergrund der Planungsarbeiten für einen regionalen Flächennutzungsplan sei es nicht mehr möglich, das Verfahren zur 14. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen unter dem begonnenen Ansatz fortzuführen, eine Vorrangfläche mit einer Freigabe für Anlagen nach dem Stand der Technik zu finden. Im regionalen Flächennutzungsplan sei der Standort zwischen D. und G. nicht als Vorrangfläche für Windenergieanlagen vorgesehen. Da aber die Stadtverordnetenversammlung beschlossen habe, zumindest den Bau von Windkraftanlagen zuzulassen, die durch ihre geringe Größe (50 m Nabenhöhe) dem Landschaftsraum angepasst seien, bedeute dies, dass mit voraussichtlichem Wirksamwerden des regionalen Flächennutzungsplans im Jahr 2009 auch kleine Anlagen in ihrem, der Beigeladenen, Stadtgebiet nicht mehr zulässig seien, da es für diese keine Vorrangflächen gebe. Solle für Windkraftanlagen mit einer Nabenhöhe bis zu 50 m räumlich begrenzt noch Baurecht geschaffen werden, könne dies aber nur auf dem Wege der Darstellung einer Vorrangfläche geschehen. Diesen Konflikt werde sie, die Beigeladene, dahingehend lösen, dass ihre Flächennutzungsplanänderung die Darstellung einer Vorrangfläche verbinden werde mit einer Beschränkung bezüglich des allgemeinen Maßes der Nutzung. Offen bleibe, inwieweit diese Darstellungskategorie dann im weiteren Verfahren des regionalen Flächennutzungsplans Berücksichtigung finde.

Mit Beschluss vom 03.03.2008 hat das Gericht Beweis erhoben darüber, ob in dem von der Beigeladenen für die Errichtung von Windenergieanlagen vorgesehenen Gebiet (Bebauungsplan Nr. 76, €Am D.€) Windenergieanlagen mit einer maximalen Nabenhöhe von 50 m wirtschaftlich betrieben werden können, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens der Pricewaterhouse Coopers AG (Herr Heiko St.). Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 13.06.2008 verwiesen. Des Weiteren hat das Gericht mit Beschluss vom 28.03.2008 Beweis darüber erhoben, welcher Energieertrag in dem von der Beigeladenen für die Errichtung von Windenergieanlagen vorgesehenen Gebiet bei Einsatz von Windenergieanlagen mit einer maximalen Nabenhöhe von 50 m erzielt werden kann, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens der G. (Dr. Sperling). Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 21.04.2008 Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten des Beklagten (3 Ordner) und der Beigeladenen (1 Hefter und 1 Ordner), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

Die Ablehnung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrags durch Bescheid des Beklagten vom 07.09.2005 ist zwar rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Dem Antrag auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der Genehmigung war aber nicht stattzugeben, weil die Sache noch nicht spruchreif ist. Für die erkennende Kammer ist in dem vorliegend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht feststellbar, ob sämtliche Voraussetzungen für die von der Klägerin beantragte Genehmigung vorliegen. Ihre entsprechende Prüfung durch den Beklagten anhand der von der Klägerin eingereichten Genehmigungsunterlagen hat noch nicht stattgefunden. Bei einer solchen Sachlage ist es geboten, zunächst der über Spezialkenntnisse verfügenden Fachbehörde die Möglichkeit der Prüfung einzuräumen (vgl. BVerwG, B. v. 25.11.1997 - 4 B 179/97 -, NVwZ-RR 1999, 74; Kuntze, in Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 3. Aufl., 2005, § 113 Rdnr. 101 m.w.N.). Die Klägerin hat dementsprechend einen Anspruch darauf, dass der Beklagte ihren Antrag auf Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO).

Die vom Beklagten angeführten Gründe für die Ablehnung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sind nicht tragfähig. Nach § 6 Abs. 1 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG und einer aufgrund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.

Vorliegend vermögen weder die von der Beigeladenen beschlossene Veränderungssperre noch das zu dem Vorhaben der Klägerin fehlende Einvernehmen der Beigeladenen die Genehmigungserteilung zu hindern.

Die von der Beigeladenen beschlossene Veränderungssperre ist aus zwei unabhängig voneinander bestehenden Gründen unwirksam und kann deshalb dem Vorhaben der Klägerin nicht entgegengehalten werden. Zum einen liegen die für eine Fortdauer der Veränderungssperre im vierten Jahr nach ihrem Erlass notwendigen sachlichen Gründe nicht vor. Zum anderen dient die Veränderungssperre einer unzulässigen Verhinderungsplanung.

Ist ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst, kann die Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre beschließen (§ 14 Abs. 1 BauGB). Die Veränderungssperre tritt nach zwei Jahren außer Kraft (§ 17 Abs. 1 S. 1 BauGB). Die Gemeinde kann die Frist um ein Jahr, wenn besondere Umstände es erfordern, bis zu einem weiteren Jahr nochmals verlängern (§ 17 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 BauGB).

Die Satzung der Beigeladenen vom 26.05.2008 über die Verlängerung der Geltungsdauer der Satzung über eine Veränderungssperre für den Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 76 €Am D.€ ist danach unwirksam. Denn es liegen keine besonderen Umstände für eine weitere Verlängerung der Geltungsdauer dieser Veränderungssperre vor.

Besondere Umstände im Sinne des § 17 Abs. 2 BauGB sind dann gegeben, wenn die Verzögerung des Planverfahrens durch eine ungewöhnliche Sachlage verursacht worden ist und der Gemeinde in diesem Zusammenhang nicht der Vorwurf eines Fehlverhaltens gemacht werden kann (BVerwG, U. v. 10.09.1976 - C 39.74 - BVerwGE 51, 121, 137 f.). Eine ungewöhnliche Sachlage kann sich durch eine besonders schwierige oder eine besonders umfangreiche Planung sowie durch einen ungewöhnlichen Verfahrensablauf ergeben (Bayer.VGH, B. v. 03.08.2006 - 22 ZB 05.3154 -, juris, Rdnr. 4). Notwendig ist insoweit ein ursächlicher Zusammenhang. Die Ungewöhnlichkeit des Falles muss ursächlich dafür sein, dass die Aufstellung des Plans mehr als die übliche Zeit erfordert. Weitere Voraussetzung ist, dass die Gemeinde die lange Verfahrensdauer nicht zu vertreten hat. Vertreten muss eine Gemeinde insoweit jedes ihr vorwerfbares Verhalten, wobei davon auszugehen ist, dass Mängel, die in der Sphäre der Gemeinde auftreten, auf deren Fehlverhalten zurückzuführen sind. Das Erfordernis, dass besondere Umstände vorliegen müssen, setzt mit dem Ablauf des dritten Sperrjahres ein und steigert sich im Maße des Zeitablaufs (vgl. VGH Bad.-Württ., U. v. 03.03.2005 - 3 S 1998/04 -, VBlBW 2006, 144, 145).

Solche besonderen Umstände für die Verzögerung der Planung liegen hier nicht vor. Offen bleiben kann, ob das Planverfahren durch eine Ungewöhnlichkeit gekennzeichnet ist. Denn jedenfalls fehlt der ursächliche Zusammenhang mit der eingetretenen Verzögerung. Die Beigeladene unternahm nach Inkrafttreten der Veränderungssperre am 12.06.2005 zunächst für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren keine erkennbaren Anstrengungen, dem Verfahren zum Erlass des Bebauungsplans Nr. 76 €Am D.€ über den am 28.04.2005 getroffenen Aufstellungsbeschluss hinaus Fortgang zu geben. So teilte die Beigeladene dem Gericht auf dessen Bitte um Vorlage der Verwaltungsakten zum Bebauungsplanverfahren Nr. 76 €Am D.€ mit Schriftsatz vom 09.11.2007 noch mit (Bl. 87 f. d. GA), es gebe keine neuen Vorgänge in den Verwaltungsakten, da weitere Beschlussfassungen seit der gerichtlichen Abfrage aus dem Jahr 2006 nicht erfolgt seien. Die Beigeladene führte hierzu weiter aus, sie wolle nun in ihrem Flächennutzungsplan unter Bezugnahme auf § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB eine Vorrangfläche darstellen, verbunden mit einer Beschränkung bezüglich des allgemeinen Maßes der Nutzung. Diese Änderung solle in Kürze mit der Offenlage weitergeführt werden; parallel dazu solle der in Vorbereitung befindliche Bebauungsplanentwurf ebenfalls offengelegt werden. Mit Schreiben vom 21.11.2007 wies die Beigeladene darauf hin, auf der Grundlage eines am 04.10.2007 mit ihrem Bevollmächtigten geführten Gesprächs mit einem Planungsbüro Kontakt aufgenommen zu haben, das mit der Durchführung von Bebauungsplanverfahren für Windenergieanlagen vertraut sei (Bl. 97 d. GA). In einer Vorlage des Magistrats der Beigeladenen vom 06.02.2008 heißt es dann hierzu, der Bevollmächtigte der Beigeladenen empfehle dringend, das Aufstellungsverfahren für den Bebauungsplan fortzusetzen, um den Vorwurf einer Verhinderungsplanung mit der Folge der Nichtigkeit der Veränderungssperre zu vermeiden. Deshalb habe das Bauamt mit einem Planungsbüro Kontakt aufgenommen, das Erfahrungen mit der Aufstellung von Bebauungsplänen für Windenergieanlagen besitze. Es sollten umgehend die Beteiligung der Öffentlichkeit gemäß § 3 Abs. 1 BauGB und der Behörden gemäß § 4 Abs. 1 BauGB durchgeführt werden. Anschließend solle der Offenlagebeschluss für das Bebauungsplanverfahren vorbereitet werden (Bl. 226 d. GA). In der Beschlussvorlage des Bauamtes der Beigeladenen für die Verlängerung der Frist der Veränderungssperre für ein weiteres Jahr vom 09.04.2008 wird schließlich ausgeführt, dass die Magistratsvorlage vom 06.02.2008 aufgezeigt habe, dass zwingend das Bebauungsplanverfahren fortgeführt werden müsse. Dies sei mittlerweile, also im Jahr 2008, erfolgt, indem das beauftragte Büro einen Vorentwurf einschließlich Begründung und Umweltbericht erarbeitet habe, mit dem zurzeit die Beteiligung der Öffentlichkeit gemäß § 3 Abs. 1 BauGB durchgeführt werde (Bl. 222 d. GA). Das Bebauungsplanverfahren könne voraussichtlich im Frühjahr 2009 abgeschlossen werden (Bl. 223 d. GA).

Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass die Beigeladene erst im Herbst 2007 damit begonnen hat, ihr Vorhaben zur Erstellung des Bebauungsplans Nr. 76 voranzubringen. Für die Zeit zuvor sind namhafte Bemühungen hierzu nicht vorhanden und aktenkundig. Insbesondere kann sich die Beigeladene in diesem Zusammenhang nicht auf Gespräche mit dem Planungsverband Ballungsraum Frankfurt/ Rhein-Main berufen. Der vom Planungsverband vorbereitete regionale Flächennutzungsplan, der auch die Gemarkung der Beigeladenen erfassen und der Vorranggebiete für Windenergie ausweisen wird, steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang zu den Planungen der Beigeladenen. Diese hat sich mit ihrem Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 76 nämlich darauf festgelegt, an besagter Stelle Windenergieanlagen zuzulassen, sodass die Vorstellungen und Überlegungen des Planungsverbands für die Beigeladene insoweit ohne Bedeutung sind. Überdies weist der Entwurf des Regionalen Flächennutzungsplans für die Gemarkung der Beigeladenen keine Vorrangflächen für die Nutzung von Windenergie aus (Bl. 76 d. GA). Der Beigeladenen ist es deshalb anzulasten, dass erst im Frühjahr 2008 und damit nahezu drei Jahre nach dem Aufstellungsbeschluss ein Vorentwurf für den Bebauungsplan Nr. 76 erstellt worden ist. All das, was die Beigeladene von Oktober 2007 bis jetzt zur Fortführung des Bebauungsplanverfahrens veranlasste, hätte sie bereits nach Inkrafttreten der Veränderungssperre am 12.06.2005 durchführen und so das Verfahren innerhalb der üblichen Geltungsfrist einer Veränderungssperre von drei Jahren zum Abschluss bringen können. Nicht ersichtlich ist, dass insoweit Hindernisse bestanden haben.

Die zögerliche Durchführung des Verfahrens ist für die erkennende Kammer zudem Indiz dafür, dass die Veränderungssperre einer unzulässigen Planung (Verhinderungsplanung) dient. Auch aus diesem Grund ist die Veränderungssperre unwirksam.

Die in § 14 BauGB normierten formellen Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre sind vorliegend zwar erfüllt. Gemäß § 14 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre beschließen, sobald ein Beschluss über die Aufstellung des Bebauungsplans gefasst und € wie hier geschehen € gemäß § 2 Abs. S. 2 BauGB ortsüblich bekannt gemacht worden ist.

Die Veränderungssperre erweist sich aber als unwirksam, weil eine materielle Voraussetzung für ihren Erlass fehlt.

Als Sicherungsmittel ungeeignet und damit nichtig ist eine Veränderungssperre, wenn sich das aus dem Aufstellungsbeschluss ersichtliche Planungsziel im Wege planerischer Festsetzungen nicht erreichen lässt, der beabsichtigte Plan einer positiven Planungskonzeption entbehrt und der Förderung von Zielen dient, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind, oder wenn ihm rechtliche Mängel anhaften, die schlechterdings nicht behebbar sind. Danach muss der beabsichtigte Bebauungsplan nach Lage der Dinge auch eine erforderliche Bauleitplanung nach § 1 Abs. 3 BauGB beinhalten und darf sich nicht in einer unzulässigen Negativplanung (Verhinderungsplanung) erschöpfen. Das bedeutet, dass die beabsichtigte Planung, auch wenn sie durch den Wunsch, ein konkretes Vorhaben zu verhindern, ausgelöst worden ist, für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich sein muss. Hierfür ist entscheidend, ob die beabsichtigten Festsetzungen in ihrer positiven Zielsetzung tatsächlich gewollt und gemessen an der planerischen Konzeption der Gemeinde auch erforderlich sind, oder ob sie nur das vorgeschobene Mittel darstellen, um einen Bauwunsch zu durchkreuzen (BVerwG, B. v. 18.12.1990 - 4 NB 8.90 -, NVwZ-RR 1991, 875 ff.; VGH Bad.-Württ., U. v. 03.03.2005 - 3 S 1524/04 -, NVwZ-RR 2006, 170 ff. und B. v. 09.02.1998 - 8 S 2770/97 -, BRS 60 Nr. 99; Hess.VGH, U. v. 05.02.2004 - 4 N 360/03 -, NVwZ-RR 2005, 312 ff.).

Es gibt mithin kein grundsätzliches Verbot der Negativplanung. Es steht einer Gemeinde vielmehr frei, gerade anlässlich eines bestimmten Vorhabens eine Bauleitplanung ins Werk zu setzen, um die planungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens zu verhindern. Unzulässig ist eine solche Planung allerdings, wenn sich die Plankonzeption in dieser Verhinderungswirkung erschöpft und darüber hinaus kein ernsthaft gewolltes, erforderliches positives Planungsziel vorhanden ist.

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die vorliegende Veränderungssperre als materiell rechtswidrig zu qualifizieren. Die erkennende Kammer ist davon überzeugt, dass die Veränderungssperre nicht der Sicherung einer dem wirklichen Willen der Beigeladenen entsprechenden Planung dient, sondern dass der Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans für ein Sondergebiet für Windenergieanlagen mit der Festsetzung einer Höhenbegrenzung bis zu 50 m Nabenhöhe nur vorgeschoben ist und ausschließlich bezweckt, das von der Klägerin angestrengte Vorhaben der Errichtung von fünf Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von 100 m zu verhindern. Für die Annahme einer solchen Verhinderungsplanung sprechen bereits die Umstände anlässlich der Beschlussfassung der Stadtverordnetenversammlung der Beklagten zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 76 und zum Erlass einer Veränderungssperre im Jahr 2005.

Während die Magistratsvorlage vom 21.02.2005 noch vorsah, das Einvernehmen der Beigeladenen zu dem Vorhaben der Klägerin zu erteilen, weil diesem öffentliche Belange nicht entgegenstünden, beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Beigeladenen dann am 28.04.2005 mit 24 zu 19 Stimmen, dass der Beschlussvorlage des Magistrats nicht zugestimmt werde, da durch die Errichtung der Windkraftanlagen städtebauliche Belange beeinträchtigt würden. Welche Belange dies sind, bleibt allerdings unerwähnt. Zugleich wurde der Magistrat aber mit der Aufstellung des fraglichen Bebauungsplans mit der Zweckbestimmung €Landwirtschaft und Standorte für Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von bis zu 50 m€ beauftragt. Der Begründung des der Beschlussfassung zugrunde liegenden Antrages der Fraktionen von FDP, UWG und CDU in der Stadtverordnetenversammlung der Beigeladenen vom 10.03.2005 ist des Weiteren zu entnehmen, dass an anderer Stelle als in der Gemarkung D. ein Standort für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen bestimmt und für diesen neuen Standort ein entsprechendes Flächennutzungsplan-Änderungsverfahren eingeleitet werden soll. Bezogen auf den aufzustellenden Bebauungsplan für die Flurstücke in D. bedeutet dies aber, dass das dort geplante Vorhaben nicht von einer positiven städtebaulichen Konzeption getragen ist, sondern nur vorgeschoben wurde, um den Erlass einer Veränderungssperre ins Werk setzen zu können. Denn indem die Beigeladene in ihrem Aufstellungsbeschluss bereits festlegte, dass nur Windkraftanlagen mit einer maximalen Höhe von 50 m im Baugebiet zulässig sein sollen, hat sie zur Überzeugung der Kammer bewusst jedwedes Vorhaben zur Errichtung von Windkraftanlagen in diesem Gebiet verhindern wollen. Für die Errichtung von Windkraftanlagen mit einer solch geringen Höhe gab es - wie vom Beklagten dargelegt (Bl. 105, 283 R. d. GA) - in den letzten Jahren im Zuständigkeitsbereich des Regierungspräsidiums D., Abteilung Umwelt Frankfurt, und damit in der näheren Umgebung zum Stadtgebiet der Beigeladenen keinen einzigen Interessenten. Die Beigeladene konnte nach allgemeiner Lebenserfahrung deshalb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits im Zeitpunkt des Aufstellungsbeschlusses davon ausgehen, Entsprechendes werde sich auch für das von ihr für solche Windkraftanlagen vorgesehene Baugebiet erweisen. Die Klägerin hatte zudem darauf hingewiesen, dass Windenergieanlagen mit dieser geringen Nabenhöhe am besagten Ort nicht wirtschaftlich zu betreiben seien.

Der erklärte Mehrheitswille sah deshalb auch vor, im Flächennutzungsplan für eine andere Stelle im Stadtgebiet der Beigeladenen Vorrangzonen für Windenergieanlagen auszuweisen, die dann für dem Stand der Technik entsprechende, das heißt höhere, Anlagen zur Verfügung stehen sollten. Diesen Zusammenhang belegt die Aussage der antragstellenden Fraktionen über €veränderte Verhältnisse, nämlich der Erhöhung der Bauhöhe und der Vergrößerung des Rotordurchmessers.€ Insgesamt erhellen die Ausführungen, dass diesen Fraktionen und damit auch der beschließenden Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung der Beigeladenen bekannt und bewusst war, dass für die Errichtung von Windenergieanlagen mit geringer Höhe offensichtlich kein Bedarf und keine Nachfrage mehr vorhanden sind, sondern nur für größere und dem Stand der Technik entsprechende Anlagen.

Selbst wenn man dem nicht folgen will und stattdessen zugrunde legt, die Beigeladene habe mit dem vorgesehenen Bebauungsplan ernsthaft den Bau von Windkraftanlagen mit einer maximalen Höhe von 50 m ermöglichen wollen, ist die beschlossene Veränderungssperre gleichwohl mangels eines Sicherungsbedürfnisses unwirksam. Denn mit der von der Beigeladenen verfolgten Zielsetzung einer Höhenbegrenzung auf 50 m könnte ein gültiger Bebauungsplan nicht aufgestellt werden.

Das für eine Veränderungssperre erforderliche Sicherungsbedürfnis (vgl. Stock, in Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 87. EL, 2008, § 14 Rdnr. 1) fehlt, wenn sich die zu sichernde Planung rechtmäßig nicht verwirklichen lässt. Mit einer Veränderungssperre kann keine Planung gesichert werden, die von vornherein erkennbar rechtswidrig ist (vgl. BVerwG, U. v. 19.02.2004 - 4 CN 16.03 -, NVwZ 2004, 858). Zwar darf die Wirksamkeit einer Veränderungssperre nur in engen Grenzen davon abhängig gemacht werden, ob Vorstellungen über bestimmte Festsetzungen im späteren Bebauungsplan letztlich rechtmäßig getroffen werden können; eine antizipierte Normenkontrolle des künftigen Bebauungsplans findet grundsätzlich nicht statt (Nds.OVG, B. v. 24.11.2003 - 1 MN 256/03 -, NVwZ-RR, 2004, 173, 174). Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass im Laufe des Planaufstellungsverfahrens materiell-rechtlich bedenkliche Elemente des ursprünglichen Planentwurfs korrigiert werden können und dass die Regelung des § 14 BauGB gerade dem Zweck dient, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, die es der Gemeinde ermöglichen, innerhalb eines angemessenen Zeitraums einen rechtsfehlerfreien Plan zu erarbeiten (vgl. VGH Bad.-Württ., U. v. 6.7.1989 - 10 S 2687/88 -, NVwZ-RR 1990, 396, 399). Vorliegend hat die Beigeladene sich aber von vornherein und grundsätzlich auf eine Planung von Windkraftanlagen mit geringer Höhe festgelegt, weil nur Windkraftanlagen geringer Größe dem Landschaftsraum angepasst seien (Bl. 88. d. GA). Die Festlegung einer Höhenbegrenzung auf 50 m ist das wesentliche Planungsziel der Beigeladenen, das zudem Anlass für die Aufstellung des Bebauungsplans war. Insoweit ist auch nicht erkennbar, dass diese Festlegung der Beigeladenen zur Disposition steht und noch einer Abwägung unterzogen werden soll; die Beigeladene hat hieran vielmehr im Verlauf des Planungsverfahrens stets festgehalten und ihre Festlegung trotz frühzeitigen Hinweises durch die Klägerin, unter dieser Voraussetzung sei ein wirtschaftlicher Betrieb von Windenergieanlagen am gegebenen Standort nicht möglich, keine Untersuchungen unternommen oder Gutachtenaufträge erteilt zur Überprüfung dieser Aussage. Erweist sich jedoch die im Aufstellungsbeschluss manifestierte und im Verlauf des Verfahrens aufrechterhaltene Planung als rechtswidrig und ist dieser Mangel schlechterdings nicht behebbar, so ist der Erlass einer Veränderungssperre nicht durch öffentliche Interessen gerechtfertigt (vgl. BVerwG, B. v. 21.12.1993 - 4 NB 40/93 -, NVwZ 1994, 685, 686). Ein Mangel des Planungsentwurfs ist dann nicht behebbar, wenn die Planungsvorstellungen der Gemeinde rechtlich überhaupt nicht verwirklicht werden können (VGH Bad.-Württ., U. v. 02.03.1993 - 5 S 2091/92 -, NVwZ 1994, 797, 798), sodass sich die abzeichnende Planung schon jetzt als offensichtlich nichtig und dementsprechend als nicht zur Sicherung durch Erlass einer Veränderungssperre geeignet darstellt (vgl. Nds. OVG, U. v. 17.12.1998 - 1 K 1103/98 -, NVwZ 1999, 1001, 1002). Dieser Sachverhalt ist vorliegend gegeben. Denn Windkraftanlagen mit einer Nabenhöhe von 50 m können an dem vorgesehen Standort weder derzeit noch in absehbarer Zukunft wirtschaftlich betrieben werden.

Die Höhenbegrenzung von Windenergieanlagen zur Vermeidung erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen ist zwar grundsätzlich ein legitimes Planziel (vgl. OVG NW, B. v. 02.04.2003 -7 B 235/03-, NuR 2003, 774; U. v. 13.03.2006 - 7 A 3414/04 -, BRS 70 Nr. 39). Bei der im Zusammenhang mit dieser Festsetzung gemäß § 1 Abs. 7 BauGB vorzunehmenden Abwägung ist aber auch zu berücksichtigen, ob unter Geltung der vorgesehenen Höhenbegrenzung Windenergieanlagen überhaupt noch wirtschaftlich betrieben werden können (vgl. OVG NW, U.v.27.05.2004 - 7a D 55/03.NE -, BRS 67 Nr. 10; sowie zur Wirtschaftlichkeit als Abwägungskriterium, BVerwG, U. 29.09.1978 - IV C 30.76 -, BVerwGE 56, 283, 289 f.). Dies ist evident; denn es ergibt keinen Sinn und wäre offensichtlich abwägungsfehlerhaft, mittels eines Bebauungsplans ein Sondergebiet für Windenergieanlagen bis zu einer bestimmten maximalen Höhe auszuweisen, in dem gerade diese in der Höhe begrenzten Windenergieanlagen erkennbar und auf unabsehbare Dauer wirtschaftlich nicht betrieben werden könnten. Dass vorliegend ein wirtschaftliches Betreiben von Windkraftanlagen mit einer maximalen Höhe von 50 m im dafür vorgesehenen Gebiet des Bebauungsplans Nr. 76 €Am D.€ weder zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Veränderungssperre möglich war noch derzeit oder in absehbarer Zukunft möglich ist, steht auf Grund der im vorliegenden Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten nachweislich fest.

Die Sachverständigen, Prof. Dr. Weber und Herr Stohlmeyer, kommen auf der Grundlage des zudem durch das Gericht eingeholten Windertraggutachtens des Sachverständigen Dr. Sperling zu dem Ergebnis, dass ein wirtschaftlicher Betrieb von Windenergieanlagen mit einer maximalen Nabenhöhe von 50 m an vorgesehener Stelle nicht möglich ist. Bei ihren gutachterlichen Betrachtungen sind die Sachverständigen von dem für den Standort optimal zu erreichenden Windertrag ausgegangen (Bl. 8 f. d. Gutachtens). Dabei legten die Gutachter den sogenannten P 75-Wert zugrunde. Dieser Wert gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein bestimmter Energieertrag überschritten wird, d. h. vorliegend mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 %. Bei Zugrundelegung des sogenannten P 90-Wertes, wie vom Sachverständigen Dr. Sperling vorgeschlagen, wäre mithin das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung noch deutlich ungünstiger ausgefallen, da diese Ertragserwartung deutlich unter dem P 75-Wert liegt (Bl. 9 d. Gutachtens). Die Wirtschaftlichkeit selbst haben die Gutachter nach der sogenannten Netto-Methode berechnet, wonach die an den Investor des Windparks erwarteten Zahlungsmittelzuflüsse mit dem Kapitalisierungszins des Eigenkapitalgebers, der der risikoäquivalenten Renditeforderung entspricht, auf den Bewertungsstichtag abgezinst werden. Der so ermittelte Kapitalwert dient dann der Überprüfung, ob die Investition wirtschaftlich ist. Wirtschaftlich ist eine Investition dann, wenn der ermittelte Kapitalwert größer oder gleich Null ist. Bei allen Berechnungen, die die Sachverständigen zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit durchgeführt haben und die verschiedene Szenarien (z. B. Eigen- oder Fremdkapitalfinanzierung) berücksichtigen, hat sich gezeigt, dass ein wirtschaftlicher Betrieb offensichtlich nicht gegeben ist, da der Kapitalwert stets deutlich kleiner als Null ist (Bl. 18 d. Gutachtens). Dies gilt selbst für die als günstigster Fall bezeichnete Betrachtung einer Nutzungsdauer des Windparks über 25 Jahre; auch hier bleibt der Kapitalwert erheblich unter Null (Bl. 19 d. Gutachtens).

Der Erteilung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung steht ferner nicht die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens durch die Beigeladene entgegen. Dies ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass dieses Einvernehmen nach Maßgabe der Fiktion des § 36 Abs. 2 S. 2 BauGB als erteilt anzusehen wäre. Die Voraussetzungen für den Eintritt der Fiktion sind nicht erfüllt. Denn mit dem an den Beklagten gerichteten Schreiben des Magistrats der Beigeladenen vom 04.04.2005, mit dem diese mitteilte, das Einvernehmen vorsorglich zu verweigern, ist die Zweimonatsfrist des § 36 Abs. 2 S. 2 BauGB gewahrt und der Eintritt der Einvernehmensfiktion verhindert worden. Unerheblich ist insoweit, welches Organ der Beigeladenen (vgl. § 9 HGO) für die Entscheidung zum gemeindlichen Einvernehmen nach Maßgabe der Kommunalverfassung zuständig ist. Nach überwiegender Auffassung soll dies der Gemeindevorstand sein, weil es sich bei dieser Entscheidung um Gesetzesausführung handele, für die unentziehbar der Gemeindevorstand nach § 66 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HGO zuständig sei (VG Darmstadt, B. v. 19.08.1996 - 3 G 1022/96 -, HSGZ 1998, 20, 21; Birkenfeld-Pfeiffer/Gern, Kommunalrecht Hessen, 4. Aufl., 2005, Rdnr. 573; Foerstemann, Die Gemeindeorgane in Hessen, 6. Aufl., 2002, § 36 Rdnr. 8). Ob dies zutrifft oder ob - wie die Klägerin meint - die Gemeindevertretung über das Einvernehmen zu befinden hat (Söfker, in Ernst/Zinkhahn/Bielen-berg/Krautzberger, BauGB, 87. EL, 2008, § 36 Rdnr. 35), kann vorliegend offenbleiben. Denn im hier maßgeblichen Außenverhältnis wird die Beigeladene auf jeden Fall von dem Magistrat und dieser wiederum vom Bürgermeister wirksam vertreten (vgl. § 71 HGO), sodass es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankommt, wer im Innenverhältnis zu entscheiden hat. Die Verweigerung des Einvernehmens konnte auch, ohne dass dies die Wirksamkeit der Erklärung beeinträchtigt, vorsorglich geäußert werden (vgl. Bayer.VGH, U. v. 26.01.2006 - 26 B 02.2957 -, juris, Rdnr. 30).

Der Beklagte ist allerdings gehalten, das von der Beigeladenen versagte gemeindliche Einvernehmen zu ersetzen, weil dieses materiell rechtswidrig verweigert worden ist (§ 36 Abs. 2 S. 3 BauGB).

Das C. ist als die Behörde, die für die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen und damit der eingeschlossenen Baugenehmigung (vgl. § 13 BImSchG) zuständig ist, gemäß § 22 Abs. 3 DVO BauGB auch zuständige Behörde für die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens.

Bauplanungsrechtliche Gründe, die dem Vorhaben der Klägerin nach § 35 BauGB entgegenstehen, sind nicht gegeben.

Bei dem Vorhaben der Klägerin, das der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität dient und deshalb nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 im Außenbereich privilegiert ist, kann die Beigeladene das Einvernehmen nur verweigern, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 BauGB nicht vorliegen, also wenn öffentliche Belange dem Vorhaben entgegenstehen oder dessen Erschließung nicht gesichert ist. Hierfür ist nichts ersichtlich. Auf die erlassene Veränderungssperre vermag die Beigeladene sich nicht zu berufen, da diese - wie dargelegt - unwirksam ist. Sonstige bauplanungsrechtlich berücksichtigungsfähige und dem Vorhaben entgegenstehende Gründe sind nicht gegeben.

Der Beklagte ist deshalb auch verpflichtet, das ihm in § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB eingeräumte Ermessen im Sinne einer Ersetzung auszuüben; insoweit liegt ein Fall des intendierten Ermessens vor (vgl. VG Frankfurt, U. v. 14.09.2000 - 3 E 1383/00 -, NVwZ-RR 2001, 371, 373).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO und entspricht dem wechselseitigen Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.






VG Gießen:
Urteil v. 05.09.2008
Az: 8 E 1331/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/6425153d0b60/VG-Giessen_Urteil_vom_5-September-2008_Az_8-E-1331-06




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