Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 26. Februar 1999
Aktenzeichen: 6 U 120/98

(OLG Köln: Urteil v. 26.02.1999, Az.: 6 U 120/98)

Tenor

1.) Die Berufung des Beklagten gegen das am 6.8.1998 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 31 O 814/97 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Urteilsausspruch zur Hauptsache wie folgt neu gefaßt wird:Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwe-cken des Wettbewerbs zu behaupten, bei einer von ihm durchgeführten Umfrage unter deutschen Zahnärzten über die Regulierungspraxis deutscher Krankenversicherungen sei die Klägerin hinsichtlich der nachfolgend aufgeführten Punkte von den Befragten kritisiert worden:- Einschränkung der Erstattung auf GOZ 2,3-fach; und/oder - weist willkürlich Begründungen als "unzureichend" ab; und/oder - Einschränkung der Erstattung auf BEL-Technik Preise; und/oder - besteht auf "Gutachten" durch Versicherungszahnarzt; und/oder - verweigert Herausgabe des "Gutachtens"; und/oder - Einschränkung bei Materialerstattung: Anästhetika, Nahtmaterial und Implantatsysteme; und/oder - strapaziert den Begriff "medizinische Notwendigkeit" bei Implantologie, Verblendungen und Technikpreisen; und/oder - diskriminierende Àußerungen gegen Behandler; und/oder - führt unbillige Verzögerungen herbei; und/oder - offensichtlich schikanöse Auskunftsbegehren; und/oder - negiert § 2 GOZ, weil "nicht erforderlich", weil "nicht versichert" und weil "keine wirklichen Verhandlungen stattgefunden haben"; wie nachstehend wiedergegeben: 2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in nachbenannter Höhe abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit jeweils in derselben Höhe leistet. Es ist Sicherheit in folgender Höhe zu leisten bzw. sind folgende Beträge zu hinterlegen: Bei Vollstreckung des Anspruches aufa) Unterlassung 153.409,08 DM;c) Kostenerstattung 20.300,00 DM. Der Klägerin wird auf ihren Antrag nachgelassen, die Si-cherheiten auch durch Stellung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen.4.) Die Beschwer des Beklagten wird auf 153.409,08 DM festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine private Krankenversicherung. Der Beklagte ist ein als privatrechtlicher Verein organisierter Zusammenschluß von Zahnärzten ohne Kassenzulassung, die frei praktizieren. Er veranstaltete in der Vergangenheit mehrfach Umfragen bei frei praktizierenden Zahnärzten, die deren Zufriedenheit mit der Abrechnungspraxis der verschiedenen privaten Krankenversicherer, u.a. auch der Klägerin, zum Gegenstand hatten. Mit dem vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin die Untersagung der Veröffentlichung der Umfrageergebnisse, soweit diese sie betreffen. Die Parteien streiten im wesentlichen über das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses sowie über die Frage, ob der Beklagte zur Veröffentlichung der - für die Klägerin negativen - Ergebnisse der Umfragen befugt ist.

Der Beklagte führte zunächst im Jahre 1997 eine Befragung durch, die sich auf das vierte Quartal des Jahres 1996 bezog. Dazu versandte er u.a. den auf S.6 des vorliegenden Urteils in Kopie wiedergegebenen "Bewertungsbogen zur PKV-Leistungsperformance". Der Beklagte ermittelte als die von den Zahnärzten am schlechtesten eingestufte private Krankenkasse die Klägerin und wandte sich deswegen mit dem aus S.4 f dieses Urteils ersichtlichen Schreiben, in dem er u.a. die Verleihung der "goldenen Zitrone der Krankenversicherungsbranche" und eine Information der Medien ankündigte, an sie. Das Schreiben veröffentlichte er anschließend in dem ebenfalls aus S.4 f dieses Urteils ersichtlichen, von ihm herausgegebenen sog. "P. Brief 1/97". Über die Umfrage und das schlechte Abschneiden der Klägerin berichtete sodann die Zeitung "Die Z. Woche" in ihrer Ausgabe vom 9.4.1997. Außerdem veröffentlichte der "Generalsekretär" des Beklagten in der Zeitung "Der f. Zahnarzt" unter der Überschrift "Etikettenschwindel mancher Versicherer" zu der Umfrage einen Beitrag, in dem die Klägerin als die Versicherung mit den meisten Negativnennungen bezeichnet wurde. Wegen des Wortlautes beider Zeitungsberichte wird auf die Kopien verwiesen, die sich als Bl. 158-160 bei den Akten befinden.

Für die weitere, das dritte Quartal 1997 betreffende Umfrage verwendete der Beklagte das aus Bl.174-176 ersichtliche, nunmehr aus drei Teilen bestehende Formular, dessen Teil 1 als deren S.7 ebenfalls Bestandteil der vorliegenden Entscheidung ist. Das Ergebnis, wonach wiederum die Klägerin am schlechtesten abgeschnitten hatte, veröffentlichte der Beklagte wie aus Bl.161 ff ersichtlich kommentierend in dem P. Brief 1/98. Anschließend erschien in der Ausgabe 8/98 vom 18.2.1998 der schon erwähnten Zeitung "Die Z. Woche" der aus Bl.166 ersichtliche Artikel, der ebenfalls die neuerliche Umfrage zum Gegenstand hatte.

Die Klägerin begehrt die Unterlassung verschiedener, in ihrem Antrag im einzelnen wiedergegebener Äußerungen des Beklagten, weil es sich bei den Befragungen nicht um objektive und neutrale Warentests gehandelt habe und in der Veröffentlichung eine Diskriminierung und wettbewerbswidrige Gefühls- und Vertrauensausnutzung liege.

Nachdem der Beklagte wegen zweier der beanstandeten Äußerungen im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hatte, haben die Parteien insoweit den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Klägerin hat, nachdem sie zuvor mehrere andere Antragsfassungen angekündigt hatte, b e a n t r a g t,

Den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu behaupten:

die Klägerin schränke die Erstattung auf GOZ 2,3-fach ein und weise willkürlich Begründungen als "unzureichend" ab;

sie schränke die Erstattung der BEL-Technik Preise ein;

sie bestehe auf Gutachten durch den Versicherungszahnarzt und verweigere die Herausgabe von Gutachten;

sie schränke die Materialerstattung bei Anästhetika, Nahtmaterial und Implantatsystemen ein;

sie strapaziere den Begriff "medizinische Notwendigkeit" bei Implantolgie, Verblendungen und Technikpreisen;

sie äußere sich diskriminierend gegen Behandler;

sie führe unbillige Verzögerungen herbei;

sie begehre schikanös Auskunft;

sie negiere § 2 GOZ, weil medizinisch "nicht erforderlich", "nicht versichert" und "keine wirkliche Verhandlung stattgefunden habe";

wie nachstehend wiedergegeben:

(es folgten Kopien der oben angesprochenen P. Briefe und Presseveröffentlichungen)

wenn die Aussagen auf Umfragen beruhen, die aufgrund der nachstehend wiedergegebenen Befragungen ermittelt wurden:

(es folgten Kopien beider Fragebögen jeweils einschließlich der Anschreiben an die befragten Zahnärzte)

Der Beklagte hat b e a n t r a g t,

die Klage abzuweisen.

Er hat u.a. die Auffassung vertreten, es fehle an dem erforderlichen Wettbewerbsverhältnis, zudem habe er nicht zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt. Überdies sei die Veröffentlichung der Meinungsäußerungen auf Grund von Art.5 GG gerechtfertigt.

Das L a n d g e r i c h t hat den Beklagten mit der Begründung antragsgemäß verurteilt, der Anspruch ergebe sich aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der pauschalen Herabsetzung. Die Veröffentlichungen seien zu Zwecken des Wettbewerbs erfolgt, weil der Beklagte eine großzügigere Erstattungspraxis durch die Versicherungen erstrebe. Daher bestehe auch das erforderliche Wettbewerbsverhältnis. In der Sache sei die Veröffentlichung wettbewerbswidrig, weil die Fragestellungen aus im einzelnen dargelegten Gründen nicht von dem Bemühen um Sachlichkeit und Vollständigkeit getragen seien. Aus diesem Grunde gebe die Veröffentlichung der Einzelergebnisse, auch sofern diese teilweise zutreffend sein sollten, insgesamt ein unvollständiges und verfälschtes Bild von der Klägerin wieder.

Seine gegen dieses Urteil gerichtete B e r u f u n g begründet der Beklagte wie folgt:

Die Klage sei wegen Unbestimmtheit des Klageantrages bereits unzulässig. Darüber hinaus bestehe ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien nicht, weil die Klägerin ein privater Krankenversicherer und er ein Zusammenschluß von 400 Zahnärzten in Deutschland sei. Seine kritischen Äußerungen über die Klägerin begünstigten seinen oder den Wettbewerb seiner Mitglieder nicht. Eine etwaige Änderung des Regulierungsverhaltens durch die Klägerin komme auch nicht ihm oder seinen Mitgliedern, sondern nur den bei der Klägerin Versicherten zugute.

Auch in der Sache sei die Befragung nicht zu beanstanden. Daß ganz überwiegend nach negativen Kriterien gefragt worden sei, erkläre sich aus dem Umstand, daß die Krankenversicherer im Großen und Ganzen ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkämen. Überdies könne eine Befragung von rund 400 Zahnärzten entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht entsprechend dessen Formulierung ein "einigermaßen vollständiges und objektives Bild über das Leistungsverhalten der privaten Krankenkassen" erbringen. Es habe sich vielmehr um ein "Stimmungsbild bei einem kleinen Kreis ohne Kassenzulassung arbeitender Zahnärzte" gehandelt, die sich besonders hohen Qualitätskriterien verpflichtet fühlten. Schließlich hält der Beklagte seine Auffassung aufrecht, wonach ihm Art.5 GG das Recht zur Veröffentlichung der Ergebnisse verleiht.

Der Beklagte b e a n t r a g t,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin b e a n t r a g t,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß dem Beklagten über den Wortlaut der erstinstanzlichen Verurteilung hinaus auch jede einzelne Behauptung für sich untersagt sein soll.

Sie hält den Klageantrag für hinreichend bestimmt und wiederholt ihre Auffassung, wonach der Beklagte zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt hat und mit ihr in einem Wettbewerbsverhältnis steht. Die Klägerin stützt auch bezüglich der Wettbewerbswidrigkeit das angefochtene Urteil und meint, die Ansprüche ergäben sich darüber hinaus zusätzlich aus §§ 1004, 823 Abs.1 BGB.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil das Landgericht den Beklagten zu Recht zur Unterlassung verurteilt hat.

Entgegen der von dem Beklagten bereits mit dem ihm nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 28.7.1998 in erster Instanz nach Schluß der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung ist die Klage zulässig. Insbesondere ist der Klageantrag ersichtlich im Sinne des § 253 Abs.2 Ziff.2 ZPO hinreichend bestimmt.

Durch den Wortlaut des Klageantrages wird eindeutig festgelegt, welches Verhalten der Beklagte nach dem - berechtigten - Begehren der Klägerin zukünftig unterlassen soll. Der Text des Klageantrages legt nämlich im einzelnen fest, daß der Beklagte nach dem klägerischen Begehren nicht behaupten darf, bei einer näher beschriebenen Umfrage sei die Klägerin bezüglich der im einzelnen aufgeführten Punkte von den Befragten kritisiert worden. Dabei bezieht sich das Verbot sowohl auf eine kumulative Wiedergabe aller, als auch auf eine selektive Wiedergabe nur einzelner Befragungspunkte. Inwieweit auf diese Weise nicht hinreichend eindeutig der Inhalt und Umfang des begehrten Verbotes festgelegt sein soll, ist nicht ersichtlich und ergibt sich insbesondere nicht aus dem Vortrag des Beklagten. Das gilt nicht nur für den Antrag in der oben tenorierten Fassung, sondern ohne weiteres auch schon für die von der Klägerin in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht gestellten und von der Kammer zuerkannten Fassung. Entgegen der von dem Beklagten geäußerten Auffassung ist der Antrag weder aufgrund der Vielfalt der angegriffenen Äußerungen noch aufgrund der - im Gegenteil gerade der Eingrenzung des Verbotes dienenden - Bezugnahme auf die konkrete Umfrage durch deren Einblendung nicht hinreichend bestimmt. Schließlich betrifft die von dem Beklagten in diesem Zusammenhang in den Vordergrund gestellte Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen ersichtlich ebenfalls nicht die Frage der zweifellos gegebenen hinreichenden Bestimmtheit des Klageantrages.

Die mithin zulässige Klage ist auch aus § 1 UWG begründet.

Der Beklagte hat im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt, es besteht das erforderliche Wettbewerbsverhältnis und die beanstandete Veröffentlichung der Umfrageergebnisse ist auch gem. § 1 UWG wettbewerbswidrig, weil die von dem Beklagten durchgeführten Umfragen nicht den an derartige Meinungstests zu stellenden Anforderungen genügen.

Die beanstandete Veröffentlichung der Umfragen stellt nach der bereits von dem Landgericht auf S.48 f seiner Entscheidung zutreffend wiedergegebenen allgemeingültigen Definition ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs dar, weil sie objektiv geeignet ist, fremden Wettbewerb zu fördern, und die Beklagte auch in der nicht völlig nachrangigen Absicht dieser Wettbewerbsförderung gehandelt hat. Durch die Veröffentlichung wird der Wettbewerb derjenigen Versicherer gefördert, die nach der Darstellung der Beklagten in den Umfragen gut bzw. auch nur besser als die Klägerin abgeschnitten haben. Dies ist auch das Ziel des Beklagten, dem es - im eigenen Interesse - erklärtermaßen darum geht, die Versicherer zu einer für die Zahnärzte günstigeren Regulierungspraxis zu veranlassen. Denn die Förderung solcher Versicherungen, mit deren Regulierungsverhalten die Zahnärzte zufrieden sind, dient eben dem Ziel, deren Anzahl zu erhöhen und langfristig ein solches Regulierungsverhalten möglichst von allen Versicherern zu erreichen.

Aus diesen Gründen ist auch nicht zweifelhaft, daß zwischen den Parteien ein anspruchsbegründendes Wettbewerbsverhältnis besteht. Dieses ist dadurch entstanden, daß der Beklagte in der beschriebenen Weise durch die Veröffentlichung der Umfrageergebnisse den Wettbewerb gerade der unmittelbaren Wettbewerber der Klägerin, nämlich aller anderen privaten Krankenversicherer, fördert.

Schließlich ist die Veröffentlichung auch wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG. Dies ergibt sich - über die zutreffende Begründung des Landgerichts ab S.50 der angefochtenen Entscheidung hinaus, auf die zunächst gem. § 543 Abs.2 ZPO Bezug genommen wird - bereits daraus, daß durch die Veröffentlichung ein unzutreffender Eindruck über die Anzahl der befragten Ärzte und damit über die Allgemeingültigkeit der Aussagen erweckt wird. Durch die Formulierung: "Für den Zeitraum ... hat die Privatzahnärztliche Vereinigung Deutschlands eine Umfrage unter deutschen Zahnärzten vorgenommen, ...", mit der der veröffentlichte Brief des Beklagten an die Klägerin eingeleitet worden ist, entsteht zumindest bei einem nicht unerheblichen Teil der Leser der Eindruck, die Umfrage sei in einer Form und einem Umfang durchgeführt worden, die repräsentative Ergebnisse gewährleisteten. Das ergibt sich aus der einschränkungslosen Verwendung des Begriffes "Umfrage", zumal durch die Formulierung "unter deutschen Zahnärzten" der Eindruck einer bundesweiten Aktion hervorgerufen wird. Dies vermag der Senat aus eigener Sachkunde zu beurteilen, obwohl seine Mitglieder nicht zu den unmittelbar angesprochenen Verkehrskreisen gehören. Denn das vorstehende Verständnis ergibt sich ohne weiteres aus dem deutschen Sprachgebrauch und setzt ein besonderes, etwa nur Fachkundigen zukommendes Wissen nicht voraus.

Tatsächlich liegt angesichts der Befragung von nur rund 400 Zahnärzten eine repräsentative Umfrage nicht vor. Das bedarf keiner näheren Begründung, weil der Beklagte im Berufungsverfahren die Umfrage selbst lediglich als Einholung eines "Stimmungsbildes" bezeichnet.

Zu Recht hat das Landgericht aber auch die Fragestellungen beanstandet. Es handelt sich durchweg um reine Suggestivfragen, die eine positive Beurteilung der Versicherer - außer durch Nichtangabe - nicht zulassen. Schon dies verleitet die Befragten dazu, negative Urteile abzugeben, die bei einer offenen Fragestellung so nicht abgegeben worden wären. Es kommt hinzu, daß einzelne Fragen Wertungen enthalten, die die Ergebnisse von vornherein unbrauchbar machen. So bleibt es der - naturgemäß durchaus unterschiedlichen - Bewertung des einzelnen befragten Zahnarztes überlassen, was er als "Strapazierung des Begriffes 'Medizinische Notwendigkeit'", als "Diskriminierende Äußerungen", als "unbillige Verzögerungen" und als "willkürlich" empfindet. Überdies sind einzelne Fragen auch insofern unklar, als sie zwar nach dem Zusammenhang offenbar auch als Negativkriterium gemeint sind, nach ihrem Wortlaut aber auch nicht zu beanstandende Verhaltensweisen erfassen. So ist z.B. die Argumentation, der Zahnarzt rechne falsch ab, nicht zu beanstanden, wenn dies tatsächlich der Fall ist. Dasselbe gilt hinsichtlich der verlangten Gutachten und deren Herausgabe.

Den vorstehenden Gesichtspunkten kann nicht etwa entgegengehalten werden, daß der aufmerksame Leser die Qualität der Fragestellungen erkenne. Denn zum einen kann schon nicht zugrundegelegt werden, daß die angesprochenen Verkehrskreise die Veröffentlichungen im Detail lesen, und zum anderen kann auch nicht ausgeschlossen werden, daß die Äußerungen nach ihrer Veröffentlichung durch die Beklagte nur unvollständig und damit so in der Presse wiedergegeben werden, daß auch ein aufmerksamer Leser nicht erkennt, daß die Ergebnisse der Befragung keinen objektiven und allgemeingültigen Aussagewert haben.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Verbreitung der Umfrageergebnisse auch nicht durch Art.5 Abs.1 GG gedeckt. Denn die dort festgeschriebene Meinungsfreiheit besteht gem. Art.5 Abs.2 GG nur in den Schranken der allgemeinen Gesetze, zu denen auch das UWG gehört. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit gestattet damit nicht die Verbreitung von wettbewerbswidrigen Behauptungen. Es ist auch nicht etwa so, daß die Äußerungen sich im Lichte des Grundrechtes der Meinungsfreiheit entgegen den vorstehenden Ausführungen als nicht wettbewerbswidrig erweisen. Denn die Meinungsfreiheit gebietet es nicht, Aussagen über in unzulänglicher Weise vorgenommene Umfragen verbreiten zu dürfen, die auf die soeben beschriebene Weise einen unzutreffenden Eindruck über die Art und den Umfang der Befragungen hervorrufen. Das gilt umso eher, als es dem Beklagten freisteht, Befragungen mit einwandfreier Fragestellung durchzuführen und die Ergebnisse in einer Weise zu verbreiten, die nicht zu beanstanden ist.

Die aus den vorstehenden Gründen begründete Klage führt zur Verurteilung des Beklagten im oben tenorierten Wortlaut. Soweit dieser von dem Antrag der Klägerin und der landgerichtlichen Entscheidung abweicht, liegt darin keine teilweise Zurückweisung der Klage, sondern lediglich eine von dem Begehren der Klägerin nicht abweichende genauere Anpassung des Urteilstenors an die konkrete Verletzungsform.

Der Beklagte hat nicht für sich genommen die Behauptungen aufgestellt, die in dem Tenor des landgerichtlichen Urteils aufgeführt sind, sondern er hat die beiden Umfragen durchgeführt, in denen die Behauptungen als "Fragen" enthalten sind, und sodann die Umfrageergebnisse veröffentlicht. Dementsprechend beanstandet die Klägerin auch gerade die Veröffentlichung der Umfragen. Das ergibt sich schon aus dem Gesamtzusammenhang der Klagebegründung und ihrer weiteren Schriftsätze, in denen sich nicht die Behauptung findet, der Beklagte habe isoliert die aufgelisteten Behauptungen aufgestellt, ohne deutlich zu machen, daß es sich dabei um "Fragen" aus einer seiner Umfragen gehandelt habe. Überdies stellen die beanstandeten Äußerungen - wenn sie auch in indirekter Rede wiedergegeben sind - wörtlich gerade "Fragen" aus der ersten Umfrage dar. Diese sind schließlich ohnehin ohne den Zusammenhang der Umfrage kaum zur Verbreitung geeignet.

Soweit in der obigen Fassung des Tenors die beanstandeten Punkte sprachlich in anderer Weise als durch das Landgericht dargestellt sind, beruht dies neben der Verwendung der direkten Rede auf einer genaueren Übernahme der "Fragen" aus der ersten Umfrage. Diese führt auch zu einer Unterteilung in eine größere Anzahl einzelner Äußerungen, weil in dem bisherigen Antrag teilweise - z.B. hinter dem ersten Spiegelstrich - mehrere Äußerungen miteinander verbunden worden sind, die in der Umfrage getrennt "gefragt" worden waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die nachfolgend darzulegende Reduzierung des Streitwertes für das landgerichtliche Verfahren vom 16.7.1998 an gibt zu einer Änderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung keinen Anlaß, weil zu jenem Zeitpunkt bereits sämtliche Kosten der Instanz angefallen waren.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festgesetzte Beschwer des Beklagten entspricht dem Wert seines Unterliegens im Rechtsstreit.

Der Streitwert für wird für beide Instanzen endgültig wie folgt festgesetzt:

für die erste Instanz (Änderung gem. § 25 Abs.2 S.2 GKG)

bis zur übereinstimmenden teilweisen Erledigungserklärung am 16.7.1998 auf: 250.000,00 DM,

anschließend auf: 204.545,44 DM.

für das Berufungsverfahren auf: 153.409,08 DM.

Ausgehend von der unbeanstandet gebliebenen, der Wertangabe der Klägerin entsprechenden Wertfestsetzung von anfänglich 250.000 DM durch das Landgericht ist der Streitwert mit Blick auf die in erster Instanz in der Sitzung vom 16.7.1998 übereinstimmend erfolgte teilweise Erledigungserklärung zu reduzieren. Der Senat schätzt mangels anderer Anhaltspunkte gem. §§ 12 Abs.1 GKG, 3 ZPO das Interesse der Klägerin an der Unterlassung der 11 anfänglich beanstandeten Äußerungen als gleich hoch ein, wodurch sich eine Reduzierung des Streitwertes um 2/11 auf 204.545,44 DM ergibt.

Für das Berufungsverfahren ist dieser Wert um ein weiteres Viertel und damit auf 153.409,08 DM zu kürzen, nachdem das Landgericht die in der mehrfachen Antragsänderung der Klägerin liegende Teilklagerücknahme unbeanstandet mit 1/4 des ursprünglichen Wertes veranschlagt und der Klägerin insoweit gem. § 269 Abs.3 ZPO die Kosten auferlegt hat. Demgegenüber hat nicht mit Blick auf die Erstreckung des Verbotswortlautes auf jede einzelne Behauptung eine Erhöhung des Streitwertes zu erfolgen, weil die Klägerin ersichtlich von Beginn des Verfahrens an auch und gerade jede Behauptung für sich verboten wissen wollte und es sich daher auch insoweit lediglich um eine genauere Anpassung des Verbotstenors an ihr Begehren handelt.






OLG Köln:
Urteil v. 26.02.1999
Az: 6 U 120/98


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