Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 27. Mai 2011
Aktenzeichen: 38. O 72/10

(LG Düsseldorf: Urteil v. 27.05.2011, Az.: 38. O 72/10)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Parteien bieten Telefondienstleistungen in Mobilfunknetzen an. Die Beklagte hat für ihre Leistungen zu Weihnachten 2009 mit einem wenige Sekunden langen Fernsehspot geworben, bei dem im wesentlichen nacheinander vier farblich unterschiedlich gekleidete Weihnachtsmänner und Kinder zu sehen sind. Während sich die Kinder von den Geschenken der drei pink, blau und grün gekleideten Weihnachtsmänner abwenden, wird der rote Weihnachtsmann mit seinen Gaben jubelnd empfangen. Sodann folgt die Toneinblendung "Die Besten sind einfach rot. W hat Deutschlands bestes Netz".

Wegen der Einzelheiten des Fernsehpots wird auf den Mitschnitt der Anlage K 2 und die Bildwiedergabe Anlage K 1 zur Klageschrift verwiesen.

Die Klägerin hält die Werbung für unlauter. So werde gegen § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG verstoßen, weil die vier farblich gekennzeichneten Weihnachtsmänner erkennbar die von den vier Mobilfunkdienstleistungsanbietern hauptsächlich verwendeten Farben repräsentierten. Für die Klägerin die sich als dem U-Konzern angehöriges Unternehmen vorwiegend der Farbe Magenta bediene, bedeute die ungeprüfte Zurückweisung eines Geschenks durch ein Kind dem Spott preisgegeben zu werden und eine Brandmarkung der Produkte als minderwertig.

Verstoßen werde ferner gegen § 6 Abs. 2 Ziff. 2 UWG, da keine Gegenüberstellung wesentlicher, relevanter, nachprüfbarer und typischer Eigenschaften und keine objektive und sachliche Verbraucherinformation erfolge.

Auch gegen § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG werde verstoßen, weil die entkleidete Grundaussage, die in der Behauptung bestehe, die Produkte der Wettbewerber seien in ihrer Qualität so minderwertig, dass sie nicht einmal als Weihnachtsgeschenk für Kinder taugten, eine pauschale Herabsetzung darstelle.

Im Übrigen handele es sich um eine nicht berechtigte Alleinstellungsbehauptung. Auch die Voraussetzungen der §§ 4 Nr. 7 und Nr. 10 UWG seien erfüllt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft - zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Beklagten -, zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit einem TV-Spot zu werben und/oder werben zu lassen, wie er durch das als Anlagenkonvolut K 1 beigefügte Storyboard gekennzeichnet wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, nach den Grundsätzen humorvoller Werbung sei der Werbespot zulässig. Nachgespielt sei das Ergebnis des letzten großen Netztests der Fachzeitschrift Dt, Heft 00 aus 0000, bei der die Beklagte das beste Gesamtergebnis erzielt hat.

Im Übrigen seien die durch ihre Kleidung farblich gekennzeichneten Weihnachtsmänner nicht ohne weiteres den vier Netzbetreibern zuzuordnen. Die Darstellung aller Weihnachtsmänner sei durchaus vorteilhaft. Die Klägerin interpretiere Inhalte, die vom Verbraucher so nicht verstanden würden. Der Testsieg der Beklagten sei ein für den Verbraucher bedeutsamer Umstand. Eine uneingeschränkte Alleinstellungsbehauptung werde nicht aufgestellt und die Klägerin nicht herabgewürdigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt verwiesen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung der im Klageantrag beschriebenen Verhaltensweise gemäß § 6 Abs. 2 UWG.

Zweifelhaft ist bereits, ob der Werbespot als vergleichende Werbung im Sinne von § 6 Abs. 1 UWG angesehen werden kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Werbung den Mitbewerber oder die von ihm angebotenen Dienstleistungen unmittelbar oder mittelbar erkennbar macht. Maßgeblich ist insoweit nicht die Absicht des Werbenden, sondern die objektive Wirkung der Werbung auf einen Verbraucher. Einem unvoreingenommenen Durchschnittsverbraucher wird zunächst lediglich auffallen, dass es ungewöhnlich ist, wenn Weihnachtsmänner in den Farben pink, blau und grün auftreten. Erst bei vertieftem Nachdenken, wozu allerdings angesichts der kurzen Zeitdauer des Fernsehspots wenig Anlass besteht, wird er erkennen, dass die Schöpfer des Spots nicht eine zufällige Farbauswahl getroffen haben.

Selbst bei unterstellter Erkennbarkeit der Mitbewerber und damit vergleichender Werbung im Sinne von § 6 Abs.1 UWG sind die Voraussetzungen unlauteren Verhaltens im Sinne von § 6 Abs. 2 UWG jedoch nicht erfüllt.

Grundsätzlich gilt, dass Werbung zu einem nicht unerheblichen Teil von Humor und Ironie lebt und begleitet wird. Wo genau die Grenzen zwischen dieser Ironie und nicht hinnehmbarer Herabsetzung verläuft, bedarf stets in jedem Einzelfall einer sorgfältigen Prüfung. Solange der Werbende mit ironischen Anklängen lediglich Aufmerksamkeit und Schmunzeln erzielt, mit ihnen aber - weil der Verkehr die Aussage nicht wörtlich und damit ernst nimmt - keine Abwertung des Mitbewerbers oder des konkurrierenden Angebots verbunden ist, liegt darin keine unzulässige Herabsetzung (vgl. BGH GRUR 2010, 161 ff/164 "Gib mal Zeitung").

Für die Beurteilung und Zulässigkeit eines Werbevergleichs ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Der Durchschnittsverbraucher ist zu deman pointierte Aussagen in der Werbung gewöhnt und empfindet sie als Ausdruck lebhaften Wettbewerbs. Ein humorvoller oder ironischer Werbevergleich kann daher auch dann zulässig sein, wenn er sich nicht auf freien Humor und leise Ironie beschränkt. Eine humorvolle oder ironische Anspielung auf einen Mitbewerber oder dessen Produkte in einem Werbevergleich stellt vielmehr erst dann eine unzulässige Herabsetzung dar, wenn sie Mitbewerber dem Spott oder der Lächerlichkeit preisgibt oder von den Adressaten der Werbung wörtlich und damit ernstgenommen und daher als Wertung verstanden wird. (BGH a.a.O.).

Vor diesem Hintergrund ist zu den Beanstandungen der Klägerin im Einzelnen auszuführen:

Ein Verstoß gegen § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift handelt unlauter, wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich nicht objektiv auf eine wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaft der Ware oder Dienstleistung bezogen ist. Zu würdigen ist der Werbespot in seiner Gesamtheit. Die Sequenzen mit den Weihnachtsmännern dürfen nicht von den gesprochenen und eingeblendeten Texten getrennt werden. Vergleichsgegenstand ist die Netzqualität. Dies ergibt sich aus dem Textbeitrag: "Die Besten sind einfach rot, W hat Deutschlands bestes Netz", verbunden mit der auf roten Grund deutlich sichtbaren Einblendung des in blau gehaltenen Hinweises auf das Testergebnis der Firma D"1. Platz bestes Netz für Sprach- und Datenverbindungen". Ein pauschaler Vergleich der Unternehmen oder der Gesamtheit seiner Waren oder Dienstleistungen erfolgt nicht. Waren, die sich als Geschenke verpacken ließen, vertreiben die Parteien unter eigenem Namen ohnehin nicht. Der von der Klägerin als Kernaussage der Werbung bezeichnete Vergleich betrifft damit die durch einen Text gewonnene Behauptung: W hat - im Vergleich zu den drei übrigen Netzbetreibern - das beste Netz. Die Netzqualität ist eine wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaft der Dienstleistung des Mobilfunktelefonierens. Sie hat für die angesprochenen Verkehrskreise erhebliche Bedeutung. Der Verbraucher kann nicht ohne weiteres selbst einen Vergleichtest vornehmen. Die Zeitschrift "D" genießt das Ansehen eines fachkundigen und objektiven Prüfers. Der von der Zeitschrift durchgeführte Vergleichstest ist zu Gunsten der Beklagten ausgegangen. Ob die Ergebnisse für die Parteien knapp oder deutlich ausgefallen sind, spielt keine Rolle. Unstreitig hat die Beklagte von allen getesteten Unternehmen die höchste Punktzahl erreicht.

Ein Verstoß gegen § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG liegt nicht vor. Der Ruf der von den Mitbewerbern verwendeten Kennzeichen wird nicht in unlauterer Weise beeinträchtigt. Geht man davon aus, dass die angesprochenen Verkehrskreise erkennen, dass die Farben der Geschenke und der Bekleidung der Weihnachtsmänner von den angesprochenen Verkehrskreisen herkunftshinweisend den vier Netzbetreibern des Mobilfunktelefonierens zugeordnet werden, fehlt es an einer insoweit speziell die Kennzeichen betreffenden unlauteren Beeinträchtigung. Die Zurückweisung durch die Kinder symbolisiert, wie bereits ausgeführt, das Testergebnis der Netzqualität. Die Kinder werden nicht etwa als im Prinzip unkritische Verbraucher dargestellt sondern im Gegenteil als sachkundig, die in kindgemäßer Weise Ablehnung und Zustimmung zum Ausdruck bringen, ohne die Kennzeichen der Wettbewerber mehr als hierfür erforderlich einer Bewertung zu unterziehen.

Auch eine Verletzung von § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG ist nicht gegeben. Weder werden die Dienstleistungen noch die geschäftlichen Verhältnisse der Klägerin als Mitbewerberin herabgesetzt oder verunglimpft. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Verringerung der Wertschätzung der Dienstleistungen oder des Unternehmens in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise ist nicht festzustellen. Ein durchschnittlich aufmerksamer Verbraucher erkennt Ironie und Witz der Werbegestaltung. Kinder der gezeigten Altersgruppe sind nicht die von etwaigen Waren und Dienstleistungen der Parteien angesprochenen Verbraucher. Es ist allgemein bekannt, dass kleine Kinder emotional und nicht diplomatisch ausgewogen reagieren. Aus solchen Reaktionen bezieht der Fernsehspot seine witzige Wirkung, ohne dass Anlass dazu gesehen werden kann, die gezeigten Ablehnungsgesten entsprechenden Handlungen von Erwachsenen gleichzusetzen. Die Gesamtwürdigung ergibt, dass die Testergebnisse der Netzqualität mittels Kinderreaktionen dargestellt, nicht jedoch alle Produkte der Wettbewerber oder die Wettbewerber selbst pauschal als minderwertig abqualifiziert werden.

Aus den gleichen Gründen scheiden auch Unterlassungsansprüche gemäß den §§ 4 Nr. 7 und 4 Nr. 10 aus.

Entsprechendes gilt im Hinblick auf eine Unlauterkeit wegen unberechtigter Alleinstellungsbehauptung, § 5 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 UWG. Eine unzulässige Ausdehnung des Testergebnisses auf sämtliche Leistungen der Beklagten durch die Textpassage "Die Besten sind einfach rot", liegt nicht vor. Zweifelhaft ist bereits, ob eine relevante Alleinstellungsbehauptung aufgestellt wird. "Die Besten" ist so wenig substanzvoll, dass eher eine formelhafte Reklameübertreibung zu erwägen ist.

Unabhängig hiervon gilt jedoch: Zum einen handelt es sich erkennbar um das Resümee der Bildfolge im Hinblick auf den typicherweise in roter Kleidung auftretenden Weihnachtsmann. Zum anderen ist der beanstandete Text in seinem Gesamtzusammenhang zu würdigen. Auch insoweit gilt, dass der nur wenige Sekunden insgesamt umfassende Werbespot deutlich den Bezug zum Text der Netzqualität zum Ausdruck bringt. Aussagen zu weiteren Produkten, Dienstleistungen oder dem Unternehmen insgesamt werden nicht gemacht. Eine Überdehnung des Testergebnisses findet nicht statt. Die Qualität des Netzes ist für die Kunden eines der zentralen Entscheidungskriterien und keine Nebensächlichkeit.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.

Der Streitwert wird auf 100.000,00 Euro festgesetzt.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 27.05.2011
Az: 38. O 72/10


Link zum Urteil:
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