Oberlandesgericht Celle:
Urteil vom 23. Dezember 2003
Aktenzeichen: 3 U 188/03

(OLG Celle: Urteil v. 23.12.2003, Az.: 3 U 188/03)

Erklärt der Auftraggeber in Kenntnis des Umstandes, dass die auf einer (formunwirksamen) Vereinbarung beruhende Anwaltskostenrechnung die gesetzlichen Gebühren übersteigt, zahlen zu wollen, so kann hierin die Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts liegen.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 3. Juli 2003 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger war seit 1998 umfassend mit der Rechtsberatung und anwaltlichen Vertretung der Beklagten betraut. Einer mündlichen Vereinbarung entsprechend hat er seine Tätigkeit nach Stunden abgerechnet, und zwar mit zunächst 250 DM/Stunde, später - ab dem 1. Januar 2002 - mit 150 €/Stunde. Die Beklagte hat bis einschließlich April 2002 die Honorarnoten des Klägers beanstandungslos ausgeglichen. Für die Zeit von Mai - Oktober 2002 sind Honorarforderungen des Klägers in Höhe von 19.236,80 € offen, von denen dieser mit der Klage 1.085,50 € - dies entspricht der Forderung für den Monat September - als Zahlungsanspruch verfolgt. Die Beklagte hat widerklagend die Feststellung begehrt, dass keine offene Forderung mehr bestehe und geltend gemacht, es fehle an einer den Erfordernissen des § 3 BRAGO genügenden schriftlichen Vereinbarung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob der Kläger eine höhere als die gesetzliche Vergütung begehre. Das Schreiben der Beklagten vom 5. Dezember 2002, in dem es unter Bezugnahme auf die ihr vorliegenden Rechnungen und ein Schreiben des Klägers vom 2. Dezember 2002 heißt, man möchte bei Einverständnis des Klägers die Rechnungen für Mai und Juni am 9. Dezember 2002 bezahlen und in dem für die weiteren Rechnungen Juli bis November geänderte, spätere Zahlungstermine erbeten werden, stelle eine Bestätigung der möglicherweise wegen Verstoßes gegen § 3 BRAGO formnichtigen Honorarvereinbarung dar. Im Zeitpunkt der Bestätigung habe die - zuvor anderweitig anwaltlich beratene - Beklagte bereits Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Rechnungen des Klägers gehabt. Dies ergebe sich aus den Erklärungen der Generalbevollmächtigten der Beklagten L. im Verhandlungstermin, in dem diese ausweislich des Protokolls erklärt hat, man habe sich im Sommer 2002 an Rechtsanwalt Sch. gewandt; dieser habe erklärt, dass üblicherweise eine Abrechnung nach BRAGO gemäß Streitwert üblich sei und nicht nach Stundensätzen und auch gesagt, dass dies möglicherweise für die Beklagte günstiger käme. Vor diesem Hintergrund habe man sich am 7. November 2002 getroffen und für die Zukunft geregelt, dass die außergerichtliche Tätigkeit des Klägers nach Stundensätzen, und zwar mit 150 €/Stunde abgerechnet werden sollte, die Tätigkeit in gerichtlichen Verfahren jedoch nach der BRAGO. Diese Regelung habe für die Zukunft gelten sollen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin die Abweisung der Klage sowie die Feststellung begehrt, dem Kläger nichts mehr zu schulden und die die Auffassung vertritt, auch das Bestätigungsschreiben vom 5. Dezember 2002 sei zur Behebung des Formmangels ungenügend, da sich die Höhe der Forderung des Klägers aus dem Bestätigungsschreiben nicht ergebe und das Schreiben nicht im Bewusstsein der Formunwirksamkeit der Honorarvereinbarung abgegeben worden sei.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil mit dem Ziel der Zurückweisung der Berufung.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ausgleich seiner Kostennote vom 30. September 2002 betreffend anwaltliche Beratungs- und Prozesstätigkeiten für den Monat September 2002 in Höhe von 1.085,50 € gemäß § 611 BGB. Die Parteien haben hinsichtlich der dem Kläger für seine Dienste (vgl. Palandt/Putzo, BGB, 63. Aufl., Einführung vor § 611, Rn. 21) zustehenden Vergütung eine wirksame Honorarvereinbarung getroffen. Die von der Beklagten erhobene Widerklage ist demgegenüber unbegründet.

1. Unstreitig hatten die Parteien bei Beginn ihrer Vertragsbeziehung eine Gebührenabsprache getroffen. Danach sollte der Kläger für seine Tätigkeit nach Zeitaufwand, also nach Stunden, bezahlt werden, wobei der Stundensatz zunächst mit 250 DM/Stunde vereinbart war und zum 1. Januar 2002 einvernehmlich auf 150 €/Stunde angehoben wurde.

2. Aus dieser Vereinbarung kann der Kläger allerdings keine Rechte herleiten. Gemäß § 3 Abs. 1 BRAGO setzt eine Vergütungsvereinbarung zwischen Rechtsanwalt und Mandant, nach der dem Rechtsanwalt eine höhere als die gesetzliche Vergütung zusteht, voraus, dass die Erklärung des Auftraggebers schriftlich abgegeben ist und nicht in der Vollmacht oder in einem Vordruck, der auch andere Erklärungen umfasst, enthalten ist. Eine solche schriftliche Vereinbarung über die Gebührenhöhe ist zwischen den Parteien bei Abschluss ihrer Vereinbarung nicht niedergelegt worden. Ob die Berechnung der Vergütung nach Stundensätzen die bei einer Abrechnung nach der BRAGO zu zahlende Vergütung tatsächlich übersteigt, ist unerheblich, denn ein nach der BRAGO berechneter Gebührenanspruch des Klägers wäre jedenfalls mangels Abrechnung (§ 18 BRAGO) nicht fällig.

3. Der Zahlungsanspruch des Klägers ist dennoch begründet, da die - ursprünglich formnichtige - Vereinbarung von der Beklagten schriftlich bestätigt und damit wirksam geworden ist, § 141 BGB.

a) In dem vom Kläger vorgelegten, an ihn gerichteten und von der Generalbevollmächtigten der Beklagten persönlich unterzeichneten Schreiben vom 5. Dezember 2002 heißt es bezugnehmend auf das Schreiben des Klägers vom 2. Dezember 2002, mit dem er der Beklagten die Rechnung für November 2002 übersandt und den Ausgleich vorausgegangener Rechnungen für die Monate Juni bis Oktober 2002 angemahnt hatte, man bitte um Einverständnis damit, die Rechnungen für Mai und Juni am 9. Dezember 2002 bezahlen zu dürfen. Bei den Rechnungen für Juli und August bitte man um Aufschub bis zum 2. Januar 2003, nachfolgende Rechnungen für September, Oktober, November und folgende wolle man Mitte Januar 2003 ausgleichen. Mit diesem Schreiben hat die Beklagte in der von § 3 BRAGO geforderten schriftlichen Form deutlich zu erkennen gegeben, dass sie sich an die mit dem Kläger getroffene Gebührenvereinbarung halten wollte, diese mithin i.S. v. § 141 BGB bestätigt. Die von der Beklagten (unter Hinweis auf Madert in Gerold u.a., Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 14. Aufl., § 3 Anm. 5) vertretene Auffassung, dieses Schreiben sei nicht ausreichend, da es aus sich heraus allein nicht verständlich sei und sich aus dem Schreiben auch die Höhe des Honorars des Anwalts nicht ergebe, überzeugt nicht. Das Schreiben der Beklagten lässt eindeutig erkennen, dass sie die ihr vorliegenden und damit auch der Höhe nach bekannten Rechnungen des Klägers ausgleichen wollte. Damit ist dem Schriftformerfordernis des § 3 BRAGO, das den Mandanten in seiner gegenüber dem Rechtsanwalt unterlegenen Gestellung insbesondere auch vor Überraschungen schützen soll, eindeutig genügt.

b) Dieses Angebot der Beklagten hat der Kläger angenommen, wie sich aus seinem handschriftlichen Vermerk auf dem Schreiben (Bl. 13 d.A.) ergibt, in dem auf ein Telefongespräch vom nachfolgendem Tag, dem 6. Dezember 2002 hingewiesen wird und angemerkt ist, die Regelung sei "o. K.".

c) Die Bestätigung ist von der Beklagten auch mit Bestätigungswillen erfolgt. Hierfür genügt, dass die Parteien von einer möglichen Nichtigkeit des Vertrages ausgehen, wobei der zu bestätigende Vertrag in seinen Einzelheiten nicht nochmals im Einzelnen erklärt werden muss. Ausreichend ist insoweit, wenn sich die Parteien in Kenntnis aller Umstände auf den Boden des früher Vereinbarten stellen wollen und der Bestätigende die Deutung des anderen Teils, er, der Bestätigende, wolle den Vertrag aufrechterhalten, bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können (vgl. Palandt/Heinrichs, a.A. O., § 141 Anm. 6 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, denn die Beklagte war im Zeitpunkt der Bestätigungserklärung bereits von dritter Seite, nämlich ihrem jetzigen Prozessbevollmächtigten, über Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Vertrages aufgeklärt. Die Generalbevollmächtigte der Beklagten, von der das Bestätigungsschreiben stammt, hat bei ihrer Anhörung durch das Landgericht ausdrücklich erklärt, dieser habe ihr erklärt, dass üblicherweise eine Abrechnung nach der BRAGO erfolge, nicht hingegen nach Stundensätzen. Ihr sei daher auch bewusst gewesen, dass eine solche Abrechnung für sie günstiger käme. Dieser Umstand sei Anlass für das Gespräch am 7. November 2002, in dem die Abrechnungsmodalitäten geändert wurden, gewesen.

Die Erklärung belegt, dass der für die Beklagte handelnden Generalbevollmächtigten L. bei Abgabe der Bestätigungserklärung bewusst war, dass der Kläger infolge der Honorarvereinbarung möglicherweise ein höheres Honorar berechnete, als ihm nach den Vorschriften der BRAGO zustand. In Kenntnis dieses Umstandes hat sie die Honorarvereinbarung mit dem Kläger bestätigt.

III.

Die von der Beklagten erhobene Widerklage ist unbegründet. Da, wie ausgeführt, die zwischen den Parteien getroffene Honorarvereinbarung infolge der seitens der Beklagten erfolgten Bestätigung wirksam ist, ist die von der Beklagten begehrte Feststellung, aufgrund der Honorarvereinbarung keine weiteren Zahlungen zu schulden, unbegründet.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO) besteht nicht.






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