Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Februar 2005
Aktenzeichen: 8 W (pat) 315/02

(BPatG: Beschluss v. 15.02.2005, Az.: 8 W (pat) 315/02)

Tenor

Das Patent DD 279 281 wird widerrufen.

Gründe

I Das Patent DD 279 281 mit der Bezeichnung "Verfahren zum Verbinden der Stoßfugen von Bauplatten" wurde am 1. März 1989 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung vom 5. März 1988 angemeldet. Die entsprechende DD-Patentschrift wurde ohne vorangehende Sachprüfung am 30. Mai 1990 veröffentlicht. Mit Beschluss vom 20. Juli 2001 erfolgte nach vorangehender Sachprüfung auf Antrag eines Dritten gemäß § 12 (3) ErstrG die Aufrechterhaltung des Patents. Die Veröffentlichung der Aufrechterhaltung, welche eine dreimonatige Einspruchsfrist in Gang setzt, erfolgte am 16. Mai 2002.

Gegen das Patent haben die Firmen I. R... GmbH in D...

am 29. Mai 2002, II. K... KG in I...

(vormals Gebr. K...)

am 27. Juli 2002 und III. K1... GmbH in D...

(vormals D... GmbH)

am 14. August 2002 Einspruch erhoben.

Die Einsprechenden stützen ihre Einsprüche u.a. auf folgende Druckschriften DE 34 25 619 A1 DE 29 46 916 A1 Baustoffkenntnis, Werner Verlag GmbH, Düsseldorf, 10. Aufl., 1984, S. 679 Firmenprospekt "Semparoc Rapid" d. Fa. Ebnöther AG (April 1980)

Ullmanns Enzyklopädie der technischen Chemie, 4. Aufl., Bd. 14, 1977, S. 262.

Die Einsprechenden tragen vor, dass der Patentgegenstand gegenüber diesem Stand der Technik zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Mit Eingabe vom 8. Februar 2005 erklärt die K... KG (EII) und mit Eingabe vom 11. Februar 2005 die K1... GmbH (EIII) die Rücknahme ihres jeweili- gen Einspruchs.

Die Patentinhaberin widerspricht dem Vorbringen der Einsprechenden.

Sie stellt den Antrag, das Patent aufrecht zu erhalten;

hilfsweise mit Ansprüchen 1 bis 3 (Hilfsantrag 1), nächsthilfsweise mit Ansprüchen 1 und 2 (Hilfsantrag 2), nächsthilfsweise mit Anspruch 1 (Hilfsantrag 3), jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, letzthilfsweise, die Rechtsbeschwerde im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit der Rechtswegbeschränkung bei DD-Patenten zuzulassen.

Patentanspruch 1 nach Hauptantrag in der erteilten Fassung lautet:

"Verfahren zum Verbinden der Stossfugen von Bauplatten, insbesondere von Gipsfaserplatten, auf einer Wandunterkonstruktion aus Holz oder Metall, bei dem die Stossfugen mit einer erhärtenden Masse verfüllt werden, dadurch gekennzeichnet, dass an jeder Stossfuge eine Raupe eines 1-komponentigen Reaktionsklebers auf eine die Stossfuge bildende Stirnseite der einen auf der Wandunterkonstruktion montierten Bauplatte aufgetragen und darauf die die Stossfuge bildende Stirnseite der zweiten Bauplatte gegen die mit der Raupe versehene Stirnseite gedrückt und ausgerichtet fixiert wird, wobei der Reaktionskleber durch Feuchteeinwirkung aus den Bauplatten und der Umgebungsluft unter vollständiger Stossfugenausfüllung aufschäumt und aushärtet."

Patentanspruch 1 nach 1. Hilfsantrag lautet:

"Verfahren zum Verbinden der Stossfugen von Bauplatten, insbesondere von Gipsfaserplatten, auf einer Wandunterkonstruktion aus Holz oder Metall, bei dem die Stossfugen mit einer erhärtenden Masse verfüllt werden, dadurch gekennzeichnet, dass an jeder Stossfuge eine Raupe eines 1-komponentigen Reaktionsklebers auf eine die Stossfuge bildende Stirnseite der einen auf der Wandunterkonstruktion montierten Bauplatte aufgetragen und darauf die die Stossfuge bildende Stirnseite der zweiten Bauplatte gegen die mit der Raupe versehene Stirnseite gedrückt und ausgerichtet fixiert wird, wobei der Reaktionskleber durch Feuchteeinwirkung aus den Bauplatten und der Umgebungsluft unter vollständiger Fugenausfüllung aufschäumt und aushärtet, derart, dass die Fugenzugfestigkeiten in der Größenordnung der Plattenzugfestigkeiten liegen."

Patentanspruch 1 nach 2. Hilfsantrag lautet:

"Verfahren zum Verbinden der Stossfugen von Bauplatten, insbesondre von Gipsfaserplatten, auf einer Wandunterkonstruktion aus Holz oder Metall, bei dem die Stossfugen mit einer erhärtenden Masse verfüllt werden, dadurch gekennzeichnet, dass an jeder Stossfuge eine Raupe eines 1-komponentigen Reaktionsklebers auf eine die Stossfuge bildende Stirnseite der einen auf der Wandunterkonstruktion montierten Bauplatte aufgetragen und darauf die die Stossfuge bildende Stirnseite der zweiten Bauplatte gegen die mit der Raupe versehene Stirnseite gedrückt und ausgerichtet fixiert wird, wobei der Reaktionskleber durch Feuchteeinwirkung aus den Bauplatten und der Umgebungsluft unter vollständiger Fugenausfüllung aufschäumt und aushärtet, wobei als Reaktionskleber ein feuchtevernetzender Kleber auf Polyurethanbasis verwendet wird."

Patentanspruch 1 nach 3. Hilfsantrag lautet:

"Verfahren zum Verbinden der Stossfugen von Bauplatten, insbesondere von Gipsfaserplatten, auf einer Wandunterkonstruktion aus Holz oder Metall, bei dem die Stossfugen mit einer erhärtenden Masse verfüllt werden, dadurch gekennzeichnet, dass an jeder Stossfuge eine Raupe eines 1-komponentigen Reaktionsklebers auf eine die Stossfuge bildende Stirnseite der einen auf der Wandunterkonstruktion montierten Bauplatte aufgetragen und darauf die die Stossfuge bildende Stirnseite der zweiten Bauplatte gegen die mit der Raupe versehene Stirnseite gedrückt und ausgerichtet fixiert wird, wobei der Reaktionskleber durch Feuchteeinwirkung aus den Bauplatten und der Umgebungsluft unter vollständiger Fugenausfüllung aufschäumt und aushärtet, wobei als Reaktionskleber ein feuchtevernetzender Kleber auf Polyurethanbasis verwendet wird, wobei ferner dem Kleber ein Füllstoff oder Füllstoffe zur Verzögerung oder Vermeidung eines Abtropfens von den senkrechten Flächen zugesetzt ist bzw. sind."

Hinsichtlich der zu den einzelnen Anträgen gehörenden Unteransprüche wird auf die Akten verwiesen.

Die Patentinhaberin führt aus, dass es als ein wesentliches Ergebnis des patentgemäßen Verfahrens anzusehen sei, dass hierdurch erstmalig eine homogene und stabile Wandscheibe aus Einzelplatten bereitgestellt werden könne, weil die Fugen zwischen den Platten eine besonders hohe Zugfestigkeit aufweisen. Zu einem solchen Ergebnis führe z.B. die "alte Montageart" nach der DE 34 25 619 A1 nicht. Beim Stand der Technik nach der DE 29 46 916 A1 liege eine Unterkonstruktion im Sinne des patentgemäßen Verfahrens nicht vor, sondern es werden Wandteile und Wände erstellt, welche dann z.B. zu einem Kassenhäuschen mittels Klebung verbunden werden. Der entgegengehaltene Stand der Technik offenbare darüber hinaus auch keinen Kleberauftrag in Form einer Raupe. Demzufolge sei bereits Patentanspruch 1 nach Hauptantrag durch den entgegengehaltenen Stand der Technik nicht nahegelegt. Durch die Patentansprüche 1 nach den vorgelegten Hilfsanträgen werde der Abstand zum entgegenhaltenen Stand der Technik nach Auffassung der Patentinhaberin noch wesentlich vergrößert.

Die Patentinhaberin hat ferner die Anwendung des § 147 Abs. 3 Nr. 1 PatG auch für DD-Patente, die erstreckt wurden, in Frage gestellt und deshalb Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt.

Die bis zur mündlichen Verhandlung noch verbleibende einzige Einsprechende I trägt dort vor, dass das patentgemäße Verfahren nach Hauptantrag und den drei Hilfsanträgen einem Fachmann durch den entgegengehaltenen Stand der Technik bereits nahegelegt sei.

Die Einsprechende beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

II 1. Nachdem eine nicht mehr am Verfahren beteiligte Einsprechende für das nach § 17 Abs. 1 PatG der DDR ungeprüft erteilte und gemäß § 4 Abs. 1 ErstrG erstreckte Patent DD 279 281 am 29. Juni 1999 gemäß § 12 Abs. 1 ErstrG (§ 44 PatG) Prüfungsantrag (Bl. 50 d.A.) gestellt hatte, wurde das Patent geprüft. Nach der Entscheidung, das Patent aufrecht zu erhalten, wurde dies am 16. Mai 2002 veröffentlicht. Die Aufrechterhaltung eröffnete gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 ErstrG i.V.m. § 59 PatG die Einspruchsmöglichkeit.

Die noch am Verfahren beteiligte Einsprechende hat ihren Einspruch am 29. Mai 2002 erhoben. Damit hat gemäß § 147 Abs. 3 Nr. 1 PatG der Senat zu entscheiden.

2. Der form- und fristgerecht erhobene verbleibende Einspruch der Einsprechenden I ist substantiiert und auf den Einspruchsgrund der fehlenden Patentfähigkeit gemäß § 21 PatG gestützt. Er ist daher zulässig. Er ist auch begründet, so dass er zum Widerruf des Patents führt.

3. Nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag betrifft der Gegenstand des Patents ein Verfahren zum Verbinden der Stossfugen von Bauplatten, insbes. von Gipsfaserplatten, auf einer Wandunterkonstruktion aus Holz oder Metall. Die Stossfugen sollen mit einer erhärtenden Masse verfüllt werden. Dabei soll an jeder Stossfuge eine Raupe eines 1-komponentigen Reaktionsklebers auf eine die Stossfuge bildende Stirnseite der einen auf der Wandunterkonstruktion montierten Bauplatte aufgetragen und darauf die die Stossfuge bildende Stirnseite der zweiten Bauplatte gegen die mit der Raupe versehene Stirnseite gedrückt und ausgerichtet fixiert werden. Der Reaktionskleber soll durch Feuchteeinwirkung aus den Bauplatten und der Umgebungsluft unter vollständiger Stossfugenausfüllung aufschäumen und aushärten.

Nach dem in der mündlichen Verhandlung zum 1. Hilfsantrag überreichten Patentanspruch 1 wird der insoweit mit Patentanspruch 1 nach Hauptantrag gleichlautende Anspruchstext mit dem Zusatz versehen "... derart, dass die Fugenzugfestigkeit in der Größenordnung der Plattenzugfestigkeiten liegen.

Nach dem in der mündlichen Verhandlung zum 2. Hilfsantrag vorgelegten Patentanspruch 1 wird der insoweit mit Patentanspruch 1 nach Hauptantrag gleichlautende Anspruch mit dem Merkmal beschränkt, wonach als Reaktionskleber ein feuchtevernetzender Kleber auf Polyurethanbasis verwendet wird.

Nach dem in der mündlichen Verhandlung zum 3. Hilfsantrag vorgelegten Patentanspruch 1 wird der insoweit mit Patentanspruch 1 nach 2. Hilfsantrag gleichlautende Anspruch mit dem weiteren Merkmal beschränkt, wonach ferner dem Kleber ein Füllstoff oder Füllstoffe zur Verzögerung oder Vermeidung eines Abtropfens von den senkrechten Flächen zugesetzt ist bzw. sind.

4. Die zulässigen Patentansprüche 1 nach Hauptantrag bzw. Hilfsanträgen 1 bis 3 mögen zwar die erforderliche Neuheit und gewerbliche Anwendbarkeit aufweisen. Sie beruhen jedoch aus den nachfolgend dargelegten Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4.1 Zum Hauptantrag Durch die DE 34 25 619 A1 ist ein Verfahren zum Verbinden der Stossfugen von Bauplatten (2), insbesondere von Gipsfaserplatten (vgl. z.B. Anspruch 1) auf einer Wandunterkonstruktion aus Metall (vgl. z.B. Anspruch 7) bekannt geworden, bei dem an der horizontalen Stossfuge Kleber auf eine die Stossfuge bildende Stirnseite der einen auf der Wandunterkonstruktion montierten Bauplatte (2) aufgetragen und darauf die die Stossfuge bildende Stirnseite der zweiten Bauplatte gegen die mit dem Kleber versehene Stirnseite gedrückt und ausgerichtet fixiert wird (Fig. 1 und 4 bis 9; Anspruch 8; Seite 9 (handschr. Numerierung), 2. Abs.).

Das patentgemäße Verfahren nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich von dem Stand der Technik nach der DE 34 25 619 A1 noch darin, dass an jeder Stossfuge Kleber in Form einer Raupe aufgetragen wird, wobei als Kleber ein 1-komponentiger Reaktionskleber Verwendung findet, welcher durch Feuchteeinwirkung aus den Bauplatten und der Umgebungsluft unter vollständiger Stossfugenausfüllung aufschäumt und aushärtet.

Wenn ein Fachmann, ein auf dem Gebiet des Trockenbaus erfahrener Bauingenieur mit Fachhochschulausbildung, in dem bekannten Verfahren nach der DE 34 25 619 A1 Schwächen in Bezug auf den Zusammenhalt der montierten Platten hinsichtlich der Fugenfestigkeit erkennt, wird er von sich aus die einfachen leimartigen Kleber durch höher belastbare Kleber ersetzten, wie sie z.B. in der DE 29 46 916 A1 beschrieben sind.

So ist es durch die DE 29 46 916 A1 bekannt geworden, selbst ganze Wandteile (16, 17) von Raumzellen (Fig. 1) mit Hilfe eines 1-komponentigen Reaktionsklebers, welcher durch Feuchteeinwirkung aus den Bauplatten (Anspruch 1) oder auch nur aus der Umgebungsluft (Anspruch 2) aufschäumt und aushärtet (Anspruch 1), zu verbinden. Dieser Vorgang läuft dabei unter vollständiger Stossfugenausfüllung ab, wie aus Fig. 2 der Entgegenhaltung ersichtlich und auf Seite 11, 2. und 3. Abs. beschrieben ist. Das Klebeverfahren selbst läuft dabei so ab, dass vorzugsweise eine der aneinander zu klebenden Flächen der entsprechenden Elemente bzw. Teile mit einer Schicht aus dem 1-komponentigen Reaktionskleber versehen ist (S. 11, Zeilen 2 bis 5).

Somit stellt die DE 29 46 916 A1 einem Fachmann einen 1-komponentigen Reaktionskleber mit derart hoher Klebezugfestigkeit vor, dass sogar Wandelemente einer Raumzelle aneinander geklebt werden können, wobei der aufschäumende Kleber selbst für die vollständige Ausfüllung von Fugen und Hohlräumen sorgt. Nach den Angaben dieser Druckschrift ist ein derartiger Kleber auch geeignet Spanplatten (22) (also Bauplatten) aneinander zu kleben (S. 10, 1. Abs.) und zwar an ihren Stirnseiten (Fig. 2). Nach alledem ist es für einen Fachmann mit oben angegebener Qualifikation naheliegend, zum Zwecke der Stabilitätserhöhung einer Wand aus Bauplatten auf den Kleber nach der DE 29 46 916 A1 zurückzugreifen und diesen auch bei einem Verbindungsverfahren nach der DE 34 25 619 A1 einzusetzen. In seinem Bestreben die Stabilität der Wand aus Bauplatten zu verbessern wird der einschlägige Fachmann dabei unter Zuhilfenahme seines Fachwissens von sich aus auch die vertikalen Fugen der Platten (also jede Stossfuge) mit Kleber versehen. Der Kleberauftrag selbst wird dabei in der Praxis ohnehin in Form einer Raupe erfolgen, da derartige Reaktionskleber u.a. häufig mit der Handpistole aus der Kartusche verarbeitet werden (vgl hierzu lediglich gutachterlich zum technischen Hintergrund den Firmenprospekt "Semparoc Rapid" der Fa. Ebnöther AG vom April 1980, 1. Seite li.Sp. unter "Anwendung" der Hinweis auf Verleimung feuerfester Bauplatten und 2. Seite, li. Sp. 1. Abs. unter "Auftragsart" der Text: "Einseitig mit Spachtel oder mit Handpistole aus Kartusche"). Auch der Kleberauftrag in Form einer Raupe nach dem Verfahren gemäß Streitpatent beruht auf der Verwendung von Kartuschen (vgl. S. 1, letzter Abs. im Streitpatent), wobei diese Kartuschen als "handelsübliche Gebinde", also bereits bekannte Verpackungs- und Verarbeitungsmittel welche eben zu einem raupenförmigen Auftrag führen, bezeichnet werden. Diese handelsüblichen Gebinde (Kartuschen) und das Ergebnis ihrer Verwendung (raupenförmiger Auftrag) waren dem einschlägigen Fachmann daher vor dem Zeitrang des Streitpatents längst bekannt.

Angesichts dieser Sachlage war es einem Fachmann zum Zeitrang des Streitpatents auf der Grundlage der Lehre nach der DE 34 25 619 A1 und der Kenntnis der Materialeigenschaften des Reaktionsklebers und dessen Verwendungsmöglichkeiten, wie sie in der DE 29 46 916 A1 beschrieben sind, unter Zuhilfenahme seines Fachwissens bereits möglich, das in Patentanspruch 1 nach Hauptantrag angegebene Verfahren aufzufinden. Somit beruht dieser Anspruch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4.2 Zum 1. Hilfsantrag Zu Patentanspruch 1 nach erstem Hilfsantrag wird, insoweit dieser Anspruch mit dem Anspruch 1 nach Hauptantrag identisch ist, auf die Begründung zum Hauptantrag (Punkt 4.1) verwiesen.

Im Unterschied zu Patentanspruch 1 nach Hauptantrag findet sich im Patentanspruch 1 nach 1. Hilfsantrag noch ein Zusatz, wonach die Fugenzugfestigkeiten in der Größenordnung der Plattenzugfestigkeiten liegen. Diese Fugenzugfestigkeit ergibt sich aber bereits durch die Verwendung des entsprechenden 1-komponentigen Reaktionsklebers. Der Einsatz eines 1-komponentigen Reaktionsklebers ist aber bereits durch die DE 29 46 916 A1 nahegelegt, welcher gemäß S. 13, 3. Abs. (dort Zeile 8 ff.) "zum einfach festen Verkleben von Wandteilen bzw. von deren Elementen miteinander zur Raumzelle ..." Anwendung finden soll. Somit beruht auch der Patentanspruch 1 nach erstem Hilfsantrag vor dem Hintergrund des Standes der Technik nach der DE 34 25 619 A1 und der DE 29 46 916 A1 sowie dem allgemeinen Fachwissen des einschlägigen Fachmanns nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4.3 Zum 2. Hilfsantrag Der Patentanspruch 1 nach 2. Hilfsantrag ist mit dem Anspruch 1 nach Hauptantrag mit Ausnahme des Zusatzes, wonach als Reaktionskleber ein feuchtevernetzender Kleber auf Polyurethanbasis verwendet wird, gleichlautend. Insoweit der Anspruch mit dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag gleichlautend ist, wird auf die Begründung zum Hauptantrag (Punkt 4.1) verwiesen. Aus der zur Beschlussbegründung zum Hauptantrag bereits herangezogenen DE 29 46 916 A1 ist es auch bereits bekannt, für den in Rede stehenden Reaktionskleber einen feuchtigkeitsvernetzenden Kleber auf Polyurethanbasis zu verwenden (vgl. Ansprüche 1 und 2 der Entgegenhaltung). Nach alledem beruht auch der Anspruch 1 nach 2. Hilfsantrag gegenüber dem Stand der Technik nach der DE 34 25 619 A1 und der DE 29 46 916 A1 sowie dem allgemeinen Fachwissen des Durchschnittsfachmanns nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4.4 Zum 3. Hilfsantrag Der über weite Bereiche seines Textes mit Anspruch 1 nach 2. Hilfsantrag wortgleiche Patentanspruch 1 nach 3. Hilfsantrag - insoweit Wortgleichheit besteht wird hierzu auf die Begründung zum 2. Hilfsantrag (Punkt 4.3) verwiesen - unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach 2. Hilfsantrag lediglich noch durch die Hinzunahme des Merkmals, wonach dem Kleber ein Füllstoff oder Füllstoffe zur Verzögerung oder Vermeidung eines Abtropfens von den senkrechten Flächen zugesetzt ist bzw. sind. Das Einbringen von Füllstoffen in Klebermassen bei Bedarf gehört zum allgemein üblichen fachmännischen Handeln. Wie aus dem zur Beschlussbegründung maßgeblich angezogenen Stand der Technik nach der DE 34 25 619 A1 (S. 6, 1. Abs. Zeilen 11 bis 16) bereits erkennbar ist, wurden Klebern bereits vor dem Zeitrang des Streitpatents "Fasermaterial oder andere Füllstoffe" zugesetzt, worauf lediglich im Falle der besonderen Ausgestaltung der Stossflächen beim Gegenstand nach dieser Entgegenhaltung verzichtet werden konnte. Fachüblich sind auch bei Dichtungsmassen auf Polyurethanbasis Füllstoffe zur Thixotropierung und Verdickung, wie aus S. 262, rechte Spalte, letzter Abs. in Ullmanns Enzyklopädie der technischen Chemie, 4. Aufl., Bd. 14 , Verlag Chemie Weinheim 1977, bereits ersichtlich ist, wobei dieser Buchauszug lediglich gutachterlich zur Dokumentation allgemeinen Fachwissens heranzogen wird. Ähnliches ist auch aus dem ebenfalls nur gutachterlich angezogenen Buchauszug aus "Baustoffkenntnis", 10. Aufl, Werner Verlag, Düsseldorf 1984, Seite 679, Punkt 15.4.5 bekannt. Dort wird die Anwendung von Polyurethan-Dichtungsmassen u.a. auch für Boden-, Dehnungs- und Anschlußfugen beschrieben, wozu es einer hohen Klebefähigkeit dieser feuchtigkeitsaushärtenden Dichtungsmassen auf Polyurethanbasis bedarf, weswegen diese hinsichtlich ihrer Zusammensetzung nahe an dem gemäß Streitpatent verwendeten Kleber liegen oder gar mit diesem identisch sind.

Nach alledem beruht auch der Anspruch 1 nach 3. Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

5. Die zu den nicht bestandsfähigen Patentansprüchen 1 nach Hauptantrag bzw. 1. und 2. Hilfsantrag gehörenden Unteransprüche (Ansprüche 2 und 3 zu Hauptantrag und 1. Hilfsantrag, Anspruch 2 zu 2. Hilfsantrag) fallen mit ihren jeweiligen Hauptansprüchen, weil sie antragsgemäß mit diesen verbunden sind und über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann. Im übrigen sind deren Merkmale aus dem entgegengehaltenen Stand der Technik bekannt (z.B. Ansprüche 2 gemäß Hauptantrag und 1. Hilfsantrag aus der DE 29 46 916 A1) bzw. gehören - wie zu den Hauptansprüchen bereits dargelegt - zum Umfang allgemeinen fachmännischen Wissens (z.B. Ansprüche 3 gemäß Hauptantrag und 1. Hilfsantrag und Anspruch 2 gemäß 2. Hilfsantrag).

Das Patent war daher zu widerrufen.

6. Die Rechtsbeschwerde gemäß § 100 Abs. 2 PatG war nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist und auch zur Fortbildung des Rechts keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erforderlich ist; ein Fall des Abs. 3 liegt nicht vor.

Gegen die Anwendbarkeit von § 147 Abs. 3 Nr. 1 PatG auf erstreckte DD-Patente bestehen keine Bedenken. Die damit verbundene Rechtswegverkürzung dient nach Ansicht des Senats in zulässiger Weise für eine Übergangszeit der Entlastung des Patentamts sowie einer zügigen Erledigung der Einspruchsverfahren. Diese Ziele gelten in gleicher Weise bei DE- und DD-Patenten. Die Übergangsfrist des § 147 Abs. 3 Nr. 1 PatG steht in keinerlei Zusammenhang mit der Erstreckung von DD-Patenten.

Generell sind bei einem gemäß § 4 Abs. 1 ErstrG erstreckten Patent die Vorschriften des Bundesrechts anzuwenden; eine Ausnahme machen nur die Voraussetzungen der Schutzfähigkeit und die Schutzdauer (§ 5 ErstrG). Zwar lag bei DD-Patenten gemäß § 6 ErstrG i.V.m. § 58 Abs. 1 PatG schon ein zunächst als bestandskräftig geltender Erteilungsbeschluss vor, der Antrag nach § 12 Abs. 1 ErstrG hat aber ein Prüfungsverfahren eröffnet, das einem solchen nach § 44 PatG entspricht (vgl. BPatG, Beschluss vom 15. April 2004, 10 W (pat) 47/01, in juris nachgewiesen). Nach einem solchen Prüfungsverfahren ist eine zügige Erledigung von Einsprüchen mindestens ebenso erstrebenswert wie bei nicht erstreckten Patenten. Dies zeigt auch § 12 Abs. 4 ErstrG, der die Nichtigkeitsklage - abweichend von § 81 Abs. 2 PatG - bereits vor rechtskräftigem Abschluss des Prüfungsverfahrens zulässt, um zu verhindern, dass ungeprüfte Schutzrechte zu lange als bestandskräftig gelten (vgl. Brändel GRUR 1992, 653 [656]).

Da die Senate des Bundespatentgerichts sowie das Patentamt zu dieser Frage keine unterschiedlichen Ansichten vertreten, ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erforderlich und die Rechtsbeschwerde auch nicht deswegen zuzulassen.

Kowalski Richter Dr. Albrecht ist an der Unterschrift verhindert Kowalski Dr. Huber Kuhn Cl






BPatG:
Beschluss v. 15.02.2005
Az: 8 W (pat) 315/02


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