Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. September 2011
Aktenzeichen: 17 W (pat) 83/07

(BPatG: Beschluss v. 13.09.2011, Az.: 17 W (pat) 83/07)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist am 5. August 2005 unter der Bezeichnung "Verfahren und Anordnung zur Darstellung zeitlich veränderlicher Vorgänge in der medizinischen Bildgebung" eingereicht worden. Die Prüfungsstelle für Klasse G06T hat durch Beschluss vom 3. Juli 2007 die Anmeldung zurückgewiesen, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Die Beschwerdeführerin beantragt, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 4 vom 21. März 2006, eingegangen am 22. März 2006, noch anzupassende Beschreibung Seiten 1 bis 7 und 2 Blatt Zeichnungen mit 4 Figuren, jeweils vom Anmeldetag.

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt sind folgende Druckschriften genannt worden:

D1: US 2003/0031380 A1 D2: P. A. Henning: Taschenbuch Multimedia, 2. Auflage 2001, Fachbuchverlag Leipzig im Carl Hanser Verlag München Wien, S. 173 bis 187 D3: Liang Cheng et al: Realtime 3D Graphics Streaming Using MPEG-4, Univ. of California, Irvine, CA, July 18, 2004 (veröff. in: Proc. IEEE / ACM Workshop on Broadband Wireless Services and Appl., 2004).

Vom Senat wurden zusätzlich die Druckschriften D4: US 2002/0180761 A1 D5: DE 102 10 644 A1 D6: DE 103 09 165 A1 eingeführt.

Zu den Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht und auch sonst zulässig. Sie konnte jedoch keinen Erfolg haben, da die Gegenstände des Patentanspruchs 1 und des nebengeordneten Patentanspruchs 3 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen (§ 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Satz 1 PatG).

1. Die Patentanmeldung betrifft ein Verfahren sowie eine Anordnung zur Darstellung zeitlich veränderlicher Vorgänge in der medizinischen Bildgebung, bei denen von einer bildgebenden Modalität erhaltene 2D-oder 3D-Bilddaten verarbeitet werden, um eine zeitliche Folge von Bildern zu erzeugen, zwischen zeitlich aufeinander folgenden Bildern durch Interpolation Zwischenbilder erzeugt und die Bilder mit den Zwischenbildern in zeitlicher Abfolge dargestellt werden.

Der Beschreibungseinleitung folgend, werden in der medizinischen Bildgebung häufig zeitlich veränderliche Vorgänge aufgezeichnet, die dem Anwender geeignet verarbeitet dargestellt werden müssen. Hierbei werde zwischen der Darstellung zweidimensionaler (2D-) Bilder der zeitlich veränderlichen Vorgänge und der Darstellung dreidimensionaler (3D-) Bilder der zeitlich veränderlichen Vorgänge unterschieden. Zweidimensionale Bilder könnten beispielsweise Ultraschallbilder, Perfusionsbilder bei der Computertomographie (CT), Bilder aus der CT-Fluoroskopie oder Aufnahmen der Magnetresonanztomographie (MR) sein. Dreidimensionale Bilder könnten beispielsweise Aufnahmen des bewegten Herzens mit unterschiedlichen Modalitäten oder Bilder der virtuellen Endoskopie von Hohlorganen wie Darm, Bronchien, Ventrikel oder Gefäßen mittels CT oder MR, bei Gefäßen auch mittels Ultraschall sein.

Nach der Aufzeichnung der Messdaten mit der entsprechenden bildgebenden Modalität würden diese Daten in der Regel zunächst geeignet vorverarbeitet, um aus diesen Messdaten 2D-oder 3D-Bilddaten zu erhalten. Bei der Bildgebung zur Darstellung zeitlich veränderlicher Vorgänge werde eine Folge von 2D-oder 3D-Bilddatensätzen erhalten, die zu unterschiedlichen Aufnahmezeitpunkten mit der bildgebenden Modalität erfasst würden. Diese Bilddatensätze würden anschließend weiterverarbeitet, um die für den Anwender geeignete Bilddarstellung zu erhalten. Das Ergebnis seien zweidimensionale Bilder, die in zeitlicher Abfolge an einem Bildschirm dargestellt würden. Die Bildrate werde dabei vom Algorithmus der Verarbeitung, von der Geschwindigkeit der für die Verarbeitung eingesetzten Verarbeitungseinheit sowie, falls eine Darstellung in Echtzeit erfolgen solle, von der Datenrate des Aufnahmesystems der bildgebenden Modalität bestimmt. Da die Darstellung der Bilder häufig auf einer oder mehreren örtlich beliebig verteilten Darstellungseinheiten erfolge, sei die Bildrate zudem noch durch die Geschwindigkeit der Datenverbindung zu diesen Darstellungseinheiten begrenzt. Dies führe dazu, dass die Bildrate häufig nicht ausreichend hoch sei, eine flüssige Darstellung der aufgezeichneten zeitlichen Veränderungen zu erreichen.

Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung soll darin bestehen, ein Verfahren sowie eine Anordnung zur Darstellung zeitlich veränderlicher Vorgänge in der medizinischen Bildgebung anzugeben, mit denen sich demgegenüber eine flüssigere Darstellung erreichen lässt, vgl. S. 2 Abs. 2 der Anmeldeunterlagen.

Der mit einer möglichen Gliederung versehene Patentanspruch 1 betrifft eina) Verfahren zur Darstellung zeitlich veränderlicher Vorgänge in der medizinischen Bildgebung, b) bei dem von einer bildgebenden Modalität erhaltene 2D-oder 3D-Bilddaten (1, 2) in einer als Server dienenden Verarbeitungseinheit (10) verarbeitet werden, um eine zeitliche Folge von Bildern (8) eines zeitlich veränderlichen Vorgangs zu erzeugen, die an eine als Client dienende Darstellungseinheit (14) übermittelt werden, c) wobei in der als Client dienenden Darstellungseinheit (14) durch eine Interpolation (6) zwischen zeitlich aufeinander folgenden Bildern (8) bisher nicht vorhandene Zwischenbilder (9) erzeugt werden und die Bilder (8) mit den Zwischenbildern (9) in zeitlicher Abfolge dargestellt werden.

Der nebengeordnete Patentanspruch 3 betrifft eine A) Anordnung zur Darstellung zeitlich veränderlicher Vorgänge in der medizinischen Bildgebung, mit B) einer Verarbeitungseinheit (10) als Server, die eine Speichereinheit (11) zur Speicherung von 2D-oder 3D-Bilddaten (1, 2) eines zeitlich veränderlichen Vorgangs sowie ein Verarbeitungsmodul (12) zur Erzeugung einer zeitlichen Folge von Bildern (8) des zeitlich veränderlichen Vorgangs aus den 2D-oder 3D-Bilddaten (1, 2) umfasst, und C) einer mit der Verarbeitungseinheit (10) über eine Datenverbindung (13) verbundene Darstellungseinheit (14) als Client, die ein Interpolationsmodul (15) zur Erzeugung von bisher nicht vorhandenen Zwischenbildern (9) aus der von der Verarbeitungseinheit (10) übertragenen zeitlichen Folge von Bildern (8) und ein Darstellungsmodul (16) zur Darstellung der Bilder (8) und Zwischenbilder (9) umfasst.

Als Fachmann sieht der Senat hier einen in der medizinischen Bilddatenverarbeitung und -darstellung erfahrenen Fachhochschuloder Hochschul-Ingenieur der Fachrichtung Informationstechnik an.

2. Aus dem Stand der Technik erachtet der Senat die Druckschriften D4 und D6 als besonders relevant. Diese zeigen Folgendes:

D4 betrifft ein medizinisches Darstellungssystem. Die darzustellenden Datensätze können z. B. medizinische Bilder desselben Körperteils sein, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommen wurden und zeitliche Änderungen zeigen, vgl. Abs. [0002] Satz 2 und Abs. [0010] letzter Satz. Die von einem Bildgenerator 11 kommenden Bilder werden bei Bedarf in Pixeldaten konvertiert und liegen dann als aufeinander folgende Frames von Pixeldaten (2D-Datensätze) vor, vgl. Abs. [0011] sowie Fig. 1. In einem Videoprozessor 15 werden Bewegungsvektorfelder zwischen benachbarten Frames bestimmt, welche die Verschiebung von Bildelementen zwischen benachbarten Frames repräsentieren. Mit Hilfe der Bewegungsvektorfelder werden interpolierte Bilder berechnet und zwischen die Frames eingefügt, vgl. Abstract sowie Abs. [0014] und [0017]. Die so erzeugte, in einem Bildspeicher 17 abgelegte Bildsequenz kann als Film auf einem Videodisplay abgespielt werden, vgl. Abs. [0018]. Im Fall zeitlicher Bildfolgen zeigt dieser Film Veränderungen in inneren Organen oder Geweben, mit glatten, ruckfreien Übergängen zwischen den einzelnen Bildern, vgl. Abstract und Abs. [0020].

D6 betrifft eine medizinische Systemarchitektur zur interaktiven Übertragung und progressiven Darstellung von komprimierten Bilddaten. Gemäß Fig. 2 mit Beschreibung werden von bilderzeugenden medizinischen Systemen (1 bis 4) aufgenommene Daten verarbeitet und die Bilddaten als Rohdaten in einer Datenbank 17 und in komprimierter und paketierter Form in einer Datenbank 19 gespeichert, vgl. Abs. [0036]. Aus letzterer können Benutzer (Clients 11a bis 11c) Bilder mit verschiedener Auflösung abrufen, die ihnen vom Bild-Server 14 geliefert werden, vgl. Abs. [0037] bis [0040] sowie Fig. 3. Eine Client-Workstation 11 ist beispielsweise ein sehr schneller Kleincomputer auf Basis eines oder mehrerer schneller Prozessoren, in dem die gelieferten Bilddatenpakete dekomprimiert, lokal abgespeichert, zur Befundung abgerufen und als Multikomponentenbilder wie Bildserien oder Volumina in progressiver Qualität visualisiert werden können, vgl. Abs. [0001], [0031] und [0039] bis [0041]. Gemäß Abs. [0058] können in einem "Movie-Mode" die Einzelkomponenten eines Multikomponentenbildes schichtweise durchlaufen werden.

3. Die Gegenstände des geltenden Anspruchs 1 und des nebengeordneten Anspruchs 3 beruhen nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Wie oben ausgeführt, zeigt D6 eine Systemarchitektur mit Client/Server-Struktur und damit auch ein entsprechendes Verfahren, in der bzw. dem medizinische Multikomponentenbilder verarbeitet und dargestellt werden. Multikomponentenbilder können z. B. Sätze von 2D-Bilddaten sein und Bildsequenzen zeitlich veränderlicher Vorgänge beinhalten, wie sie bei Herzuntersuchungen anfallen, etwa bei der digitalen Subtraktionsangiographie DSA, vgl. Abs. [0003] und [0029] -Merkmale a), A). Die in einer als Server dienenden Verarbeitungseinheit verarbeiteten und in komprimierter und paketierter Form in einer Datenbank gespeicherten Bilddaten werden zum Client übertragen und dort dekomprimiert, lokal gespeichert und visualisiert, z. B. in einem "Movie-Mode" -Merkmale b), B). Um im System gemäß D6 eine möglichst flüssige, ruckfreie Darstellung der zeitlich aufeinander folgenden Bilder zu ermöglichen, bot es sich für den Fachmann an, bei Bedarf gemäß der aus D4 bekannten Lehre durch Interpolation zwischen zeitlich aufeinander folgenden Bildern bisher nicht vorhandene Zwischenbilder zu erzeugen und einzufügen, so dass die Bilder und die Zwischenbilder in zeitlicher Abfolge am Client dargestellt werden -teilweise Merkmale c), C). Für die Durchführung der Interpolation zwischen den einzelnen Bildern boten sich dem Fachmann zwei Möglichkeiten, nämlich die Durchführung am Server, an dem bereits eine Verarbeitung und Komprimierung der Daten stattfindet, oder die Durchführung am Client, der aufgrund seiner Ausstattung als sehr schneller, mit schnellen Prozessoren ausgestatteter Kleincomputer ebenfalls eine Bilddatenverarbeitung erlaubt und auf dem bereits die Dekompression der übertragenen Bilddaten stattfindet. Hierbei musste der Fachmann Vorund Nachteile dieser beiden Möglichkeiten abwägen: Bei Interpolation am Server werden auch die interpolierten Daten (in komprimierter Form) zentral gespeichert und stehen jedem anfordernden Client zur Verfügung, wobei allerdings eine größere Datenmenge an den Client übertragen werden muss; bei Interpolation am Client muss nur eine geringere Datenmenge an den Client übertragen werden, jedoch müssen an jedem anfordernden Client, der eine flüssigere Darstellung wünscht, relativ aufwändige Rechenoperationen durchgeführt werden. Eine solche Abwägung zwischen zwei Möglichkeiten der Durchführung von Rechenoperationen fällt in den Bereich typischen fachmännischen Handelns. Wenn der Transfer der Bilddaten an den Client ein "Nadelöhr" darstellt (vgl. die in D6 Abs. [0001] angesprochene möglicherweise geringe Übertragungsbandbreite sowie der in D6 zur Komprimierung, Paketierung und Übertragung der Daten in unterschiedlichen Auflösungsstufen getriebene Aufwand, der einen Betrieb mit relativ geringer Datenübertragungsrate an den Client ermöglicht), und wenn zu erwarten ist, dass nur wenige Clients (etwa nur diejenigen, die eine Bildsequenz in voller Auflösung darstellen wollen) interpolierte Bilddaten benötigen, verlagert der Fachmann ohne Weiteres die Interpolation auf den Client -restlicher Teil der Merkmale c), C).

Durch diese Überlegungen konnte der Fachmann zum Verfahren gemäß dem geltenden Anspruch 1 gelangen, wozu keine erfinderische Tätigkeit erforderlich war.

Entsprechendes gilt für die Anordnung gemäß dem nebengeordneten Anspruch 3.

Nach Ansicht der Anmelderin zeigt D6 einen anderen Weg als die vorliegende Anmeldung, um mit einer geringen Übertragungsrate zwischen Server und Client zurechtzukommen, nämlich die Übertragung komprimierter und paketierter Bilddaten in unterschiedlichen Auflösungsstufen. Zudem hätte der Fachmann in D6 ebenso wie alle übrigen Verarbeitungsschritte auch die Interpolation am Server durchgeführt; eine Interpolation am Client, an dem üblicherweise keine Verarbeitung durchgeführt wird, hätte er nicht in Betracht gezogen.

Dem konnte sich der Senat nicht anschließen. In den geltenden Ansprüchen 1 und 3 und ebenso in der gesamten vorliegenden Anmeldung ist nichts darüber ausgesagt, in welcher Form die Übertragung der Bilddaten vom Server an den Client erfolgen soll; eine Komprimierung der Daten vor der Übertragung mit nachfolgender Dekomprimierung im Client wie in D6 ist nicht ausgeschlossen, diese Möglichkeit ist von den geltenden Ansprüchen 1 und 3 mit umfasst. Zudem ist eine Datenverarbeitung am Client in Form einer Dekompression der übertragenen Daten bereits in D6 ausgewiesen; auch war es dem Fachmann aus seinem Fachwissen bekannt, am Client weitere Verarbeitungsschritte durchzuführen, etwa interaktiv durch den Benutzer gesteuerte Operationen wie Hervorhebung und Bearbeitung bestimmter Bildbereiche. Somit hätte es der Fachmann ohne Weiteres in Betracht gezogen, auch andere Bildverarbeitungsoperationen, etwa die durch D4 nahegelegte Interpolation zwischen Bildern, am Client durchzuführen.

Der Anspruch 1 und ebenso der nebengeordnete Anspruch 3 ist nicht gewährbar.

4. Da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann, sind auch die abhängigen Patentansprüche 2 und 4 nicht gewährbar (BGH in GRUR 1997, 120 "Elektrisches Speicherheizgerät").

Dr. Fritsch Eder Ri Prasch ist nach Beschlussfassung mit Ablauf des Monats September 2011 in den Ruhestand getreten und daher an der Unterschrift gehindert. Dr. Thum-Rung Dr. Fritsch, 4. Oktober 2011 Fa






BPatG:
Beschluss v. 13.09.2011
Az: 17 W (pat) 83/07


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