Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Juni 2002
Aktenzeichen: 14 W (pat) 9/02

(BPatG: Beschluss v. 04.06.2002, Az.: 14 W (pat) 9/02)

Tenor

Den Anmeldern wird Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr gewährt.

Gründe

I Das Deutsche Patent- und Markenamt hat durch Beschluß vom 27. Juli 2001 die Patentanmeldung 197 21 661.7-45 mit der Bezeichnung "Knochen- und Knorpel Ersatzstrukturen" aus den Gründen des Bescheids vom 11. Dezember 2000 zurückgewiesen.

Der Beschluß ist den beiden Anmelder mit am 31. Juli 2001 abgesandten Übergabe-Einschreiben zugestellt worden.

Die Anmelder, die in mehreren anderen Patentakten von der Kanzlei H... vertreten werden, baten nach Erhalt des angefochtenen Beschlusses, der auf den unbeantworteten Prüfungsbescheid vom 11. Dezember 2000 erging, diese um Rat.

Da die Beschwerdefrist noch nicht abgelaufen war, folgten sie der Empfehlung Beschwerde einzulegen, was mit Schriftsatz der nunmehr beauftragten Anwaltskanzlei vom 14. August 2001 erfolgte und die sich hierin gleichzeitig als Vertreter meldeten.

Die Beschwerdeerklärung vom 14. August 2001 ist am 16. August 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt rechtzeitig eingegangen, die Beschwerdegebühr dagegen verspätet, wovon die Anmelder mit Bescheid des Rechtspflegers des Bundespatentgerichts vom 11. Februar 2002 unterrichtet worden sind.

Wegen der Versäumung der Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr haben die Anmelder mit am 4. März 2002 beim Bundespatentgericht eingegangenen Schriftsatz vom 28. Februar 2002 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, weil es zu der Fristversäumnis ohne ihr Verschulden gekommen sei.

Die langjährig, seit 1995 für die Kanzlei freiberuflich tätige, eng mit der Buchhalterin der Kanzlei zusammenarbeitende und seit 1. Mai 1999 in der Kanzlei fest angestellte Sekretärin Frau L..., habe sich in all den Jahren als äußerst zuverlässig erwiesen. Daher sei ihr nach starker Zunahme des Zahlungsverkehrs die ordnungsgemäße Abwicklung und Kontrolle des Zahlungsverkehrs eigenverantwortlich anvertraut worden. Sie sei im Rahmen ihrer Aufgaben auch über die Bedeutung der in vielen Fällen fristabhängigen Zahlungen unterrichtet und auf die Bedeutung der Nichtzahlung hingewiesen worden. Die Unterrichtungen über ihre Aufgaben und Pflichten seien wiederholt erfolgt, außerdem seien Stichprobenkontrollen durchgeführt worden. Etwaige Überweisungsträger würden von der jeweiligen Schreibkraft nach Anfertigung einer Kopie für die Akte in die Ablage von Frau L... gelegt. Frau L... verschicke dann das Original des Überweisungsträgers und hef- te den Durchschlag in einen Kontrollordner, so daß dann durch Vergleich mit den eingehenden Kontoauszügen festgestellt werden könne, ob die Zahlung erfolgt sei. Eine Kopie des in Rede stehenden unterschriebenen Überweisungsauftrags an die C...bank mit dem Datum 14. August 2001 sei beigefügt. Frau L... habe sich am 14. August bis 20. August 2001 in Urlaub befunden und sei ab 21. August 2001 wieder ganztätig in der Kanzlei gewesen, wo sich urlaubsbedingt eine Menge Arbeit in bezug auf den Zahlungsverkehr und sonstige Schreibarbeiten angesammelt habe. Sie habe es wegen des - auch urlaubsbedingten - erhöhten Arbeitsanfalls aus unerklärlichen Gründen ersichtlich unterlassen, den vorliegenden Überweisungsauftrag zu bearbeiten. Das weder den Anmeldern noch ihren Vertretern zurechenbare Versehen sei erst aufgrund einer am 20. Februar 2002 zugegangenen Mitteilung des Gerichts bemerkt worden.

Diesen Sachverhalt haben die Anmelder durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Sekretärin Frau L... glaubhaft gemacht und die Beschwerdegebühr durch Einzugsermächtigung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag entrichtet.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zu gewähren.

Die formellen Voraussetzungen für die Gewährung der Wiedereinsetzung (§ 123 Abs 2 PatG) liegen vor. Der hierauf gerichtete Antrag der Anmelder ist innerhalb der Zwei-Wochen-Frist beim Senat eingegangen. Zugleich mit dem Antrag ist die versäumte Prozeßhandlung nachgeholt worden.

Der Senat ist auch zu der Überzeugung gelangt, dass ein Verschulden der Anmelder nicht gegeben ist (§ 123 Abs 1 PatG).

Allerdings muss sich die Partei eines Gerichtsverfahrens, die sich von einem Bevollmächtigten vertreten läßt, dessen Verschulden wie eigenes zurechnen lassen, was sich aus § 85 Abs 2 ZPO ergibt, der Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes ist. Dieser Grundsatz gilt deshalb auch im Patenterteilungsverfahren und für die Vertretung durch Patentanwälte. Auch sie haben regelmäßig die strenge Sorgfalt walten zu lassen, die nach ständiger Rechtsprechung von einem pflichtbewußten Rechtsanwalt im Hinblick auf die Wahrung von in Gerichtsverfahren zu beachtenden Fristen verlangt wird (dazu zB Baumbach ZPO, 56. Aufl § 233 Rn 49 ff).

Danach darf ein als Bevollmächtigter einer Partei handelnder Patentanwalt die Abwicklung und Kontrolle des Zahlungsverkehrs, Führung des Fristenkalenders oder sonstiger Fristenvermerke oder -tafeln, usw seinem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büropersonal überlassen; er muß allerdings durch geeignete allgemeine Anweisungen auf einen verläßlichen, Fristversäumnisse möglichst vermeidenden Geschäftsgang in seiner Praxis hinwirken.

Vorliegend ist festzustellen, daß die Praxisorganisation hier den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen genügt.

Durch den patentanwaltlichen Vortrag und die eidesstattliche Versicherung der Sekretärin Frau L... ist zudem glaubhaft gemacht, daß die Fristversäumung allein auf dem Versehen einer sonst zuverlässigen, langjährigen Mitarbeiterin der Verfahrensbevollmächtigten der Anmelder beruht. Dieses Versäumnis kann weder den Anmeldern selbst noch - in Anbetracht der nicht zu beanstandenden Büroorganisation - ihren Vertretern zugerechnet werden.

Der Senat hat keine Anhaltspunkte, die durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der sich aus dem Schriftsatz vom 28. Februar 2002 ergebenden Darstellung rechtfertigen könnten.

Da auch - nicht zuletzt im Hinblick auf den urlaubsbedingten Engpaß in der fraglichen Zeit - keine sonstigen Anhaltspunkte für einen Organisationsfehler festgestellt werden können, war die beantragte Wiedereinsetzung zu gewähren.

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Beschluss v. 04.06.2002
Az: 14 W (pat) 9/02


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