Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg:
Urteil vom 24. November 2011
Aktenzeichen: OVG 10 B 14.09

(OVG Berlin-Brandenburg: Urteil v. 24.11.2011, Az.: OVG 10 B 14.09)

Für einen die Berichtigung des Liegenschaftskatasters ausweisenden feststellenden Verwaltungsakt ist eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage nicht erforderlich. Eine im Wege der Auslegung des Vermessungs- und Liegenschaftsgesetzes herausgearbeitete Rechtsgrundlage genügt dem Vorbehalt des Gesetzes.

Die Berichtigung des Liegenschaftskatasters ist nicht von der Zustimmung der Grundstückseigentümer abhängig.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Berichtigung der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu den Beigeladenen im Liegenschaftskataster.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Y...straße ...2 in M... (Gemarkung M... Flurstück 407), das sie 1997 erworben hat. Dieses Grundstück entstand 1885 durch Teilung eines ungeteilten Hofraums. Das benachbarte Flurstück 763 (Y...straße 3) steht im Eigentum der Beigeladenen. Die Grundstücke sind heute straßenseitig mit aneinander anschließenden Wohngebäuden bebaut.

In der im Ergebnis einer von der Beigeladenen zu 1) beantragten Vermessung aufgenommenen Grenzniederschrift vom 22. Mai 2006 wird ausgeführt:

"Die Grenze zwischen den Flurstücken 763 und 407 entstand 1885 durch Herausmessung aus den Ungetrennten Hofräumen. Dabei wurden die neuen Grenzen entlang dem Besitzstand gebildet. Das Wohnhaus Y...straße 3 wurde überprüft, es ist mit dem Wohnhaus aus dem Jahr 1885 identisch. Der Katasternachweis aus der damaligen Vermessung stimmt nicht mit der tatsächlichen Grenze überein, es ergibt sich die Grenze A-B-C. Hier liegt ein Zahlenfehler vor. Die Grenze zwischen den Wohnhäusern Y...straße 2 und 3 soll entsprechend der ursprünglichen Vermessung entlang des Besitzstandes von A über D nach E und von E nach C verlaufen.

Die Beteiligten erklären: Es liegt keine willkürliche Grenzänderung vor, die Berichtigung der Grenze von D nach E und von E nach C wird beantragt."

Die Beigeladenen erkannten dieses Ergebnis der Grenzermittlung an. Die Gesellschafter der Klägerin erklärten unter dem 12. Juni 2006, dass sie der Berichtigung der Katastergrenze nicht zustimmen könnten, und baten um Zusendung der Bekanntgabe.

Mit einem - mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen - Schreiben vom 12. Juni 2006 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass aufgrund § 20 Abs. 5 VermLiegG das Ergebnis der Grenzermittlung wie folgt bekannt gegeben werde: Die bestehenden Grenzen A-B-C stimmten mit dem Nachweis im Liegenschaftskataster nicht überein. Die bestehenden Grenzen in den Abschnitten A-D-E-C seien ermittelt und somit berichtigt worden. Genaueres sei der beigefügten Kopie der Grenzniederschrift zu entnehmen.

Die Klägerin hat zur Begründung ihrer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage angeführt, der angefochtene Bescheid verstoße gegen § 18 Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 5 VermLiegG. Die Änderung des amtlichen Grenznachweises durch den Beklagten stelle eine Grenzermittlung dar, die erfolge, wenn Unsicherheiten über den Grenzverlauf bestünden, weil eine Grenzwiederherstellung nicht einwandfrei aus den Unterlagen des Liegenschaftskatasters möglich sei. Sie habe zwingend das Einvernehmen der beiden betroffenen Grundstückseigentümer zur Voraussetzung. Nur ausnahmsweise könne eine Grenzermittlung ohne Zustimmung beider Eigentümer erfolgen, wenn zwar eine zentimetergenaue Grenzwiederherstellung anhand der Katasterunterlagen nicht möglich sei, andererseits aber der Nachweis der richtigen Grenze im Zusammenhang mit Anhaltspunkten in der Natur eine einwandfreie Grenzfeststellung ermögliche. Dies setze jedoch voraus, dass sich der Grenzverlauf trotz des fehlenden oder unzureichenden Zahlenmaterials aufgrund von Gegebenheiten außerhalb des Liegenschaftskatasters klar und zweifelsfrei feststellen lasse. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Bereits die Unterstellung des Beklagten, die Giebelmauer liege eindeutig auf der neu festzustellenden Grundstücksgrenze, sei nicht schlüssig, denn die Lage der Giebelmauer könne heute nicht mehr festgestellt werden, da sie von außen aufgrund der geschlossenen Bauweise und der Nebengebäude nicht mehr frei zugänglich sei. Der Beklagte habe daher den Katasternachweis nicht ohne ihre Zustimmung in der angefochtenen Weise ändern dürfen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Grenzermittlungsbescheid des Beklagten vom 12. Juni 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2006 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat unter Wiederholung seiner Ausführungen im Widerspruchsbescheid ergänzend ausgeführt, die Klägerin könne als Eigentümerin des Flurstücks 407 nicht gutgläubig den um 70 cm in das Flurstück 763 hineinragenden Teil erworben haben. Sie sei im September 1998 in das Grundbuch eingetragen worden. Zu dieser Zeit habe die Darstellung der Grundstücksgrenze am Giebel des Wohnhauses entlang geführt. Die Wirkung des § 892 BGB trete zudem dann nicht ein, wenn sich Erwerbswille und Veräußerungswille eindeutig auf das Grundstück in seiner in der Regel an Ort und Stelle festgestellten örtlichen Begrenzung erstreckten. In diesem Fall lasse ein Fehler im Kataster-(Grenz-)Nachweis die wahren Eigentumsrechte unberührt. Von einem Eigentumsübergang seien die Teilflächen nicht erfasst, die fälschlicherweise dem Nachbargrundstück zugemessen seien und auf die nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse weder der Erwerbs- noch der Veräußerungswille gerichtet gewesen seien. Er sei nach Feststellung des Aufnahmefehlers aus der Vermessung des Jahres 1885 verpflichtet, eine entsprechende Korrektur vorzunehmen. Der Katasternachweis sei nicht geändert worden und zeige den Grenzverlauf entlang der Giebel zu den Häusern Y...straße ...2 und 3, so wie er seit der Vermessung aus dem Jahr 1885 dargestellt sei.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Klägerin am 8. Dezember 2009 zugestelltem Urteil abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid des Beklagten vom 12. Juni 2006 sei rechtmäßig. Er spiegele das Ergebnis einer Grenzermittlung wider und enthalte die Erklärung, dass das Kataster entsprechend der Ermittlung berichtigt werde. Eine eindeutige Ermächtigungsgrundlage sei dem Vermessungs- und Liegenschaftsgesetz insoweit zwar nicht zu entnehmen. Es sei jedoch nicht zweifelhaft, dass die zuständige Katasterbehörde auf erkennbare Fehler reagieren und die notwendigen Schritte unternehmen dürfe. Dies bedürfe nicht der Zustimmung der betroffenen Grundstückseigentümer, da dann gegebenenfalls die notwendige Bereinigung der Widersprüche von ihnen verhindert werden könne, ohne dass der Katasterverwaltung Mittel zur Verfügung stünden, dieses Hindernis auszuräumen. Die Berichtigung sei auch aus materiellen Gründen nicht zu beanstanden. Es sei nicht davon auszugehen, dass sich die Grundstücksverhältnisse unabhängig von der Vermessung verändert hätten. Der Grenzverlauf sei in der vorgenommenen Art und Weise zutreffend ermittelt worden.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung. Sie macht geltend, die Katasterbehörde dürfe nie von Amts wegen oder auf Antrag nur eines Nachbarn das Liegenschaftskataster berichtigen. Vielmehr müsse die Grenze im Kataster als streitig bezeichnet werden, wenn die Behörde aufgrund einer Grenzermittlung die Überzeugung gewonnen habe, dass die im Liegenschaftskataster nachgewiesene Grenze nicht richtig sein könne, weil Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Grenze privatrechtlich an anderer Stelle verlaufen solle. Der Beklagte sei nicht befugt, gegen ihren ausdrücklich erklärten Willen die seit 1885 durch öffentliche Urkunden und entsprechenden Nachweis in Liegenschaftskarte und Liegenschaftszahlenwerk nachgewiesene Grenze entsprechend dem gegenwärtigen Besitzstand zu ändern. Die in der Liegenschaftskarte eingetragenen Grundstücksgrenzen nähmen am Rechtsschein des Grundbuches teil. Wegen dieser Rechtsscheinwirkung bedürfe schon die Berichtigung eines Zeichenfehlers in der Liegenschaftskarte der Zustimmung beider betroffenen Grundstückseigentümer. Das Vermessungs- und Liegenschaftsgesetz stelle keine Ermächtigungsgrundlage für die Berichtigung des Liegenschaftskatasters im Fall sogenannter Zeichenfehler dar. Dies gelte umso mehr bei einem Aufnahmefehler, der durch fehlerhafte Erfassung der rechtmäßigen Grenze entstehe. Soweit sich der Beklagte auf den Umstand beziehe, dass im Urriss von 1885 erkennbar sei, dass die Grenze parallel zur Hauswand des eingezeichneten Hauses verlaufen solle, habe er zu Unrecht angenommen, dass der Einzeichnung der Gebäudegrenzen im Urriss Beweiswirkung einer öffentlichen Urkunde zukomme. Es handele sich dabei nicht um Daten, die an der Beurkundungswirkung des Katasters teilnähmen und auf die sich somit der öffentliche Glaube des Grundbuchs erstrecken könne. Eine positive Grenzfeststellung durch die Katasterbehörde sei ohne Zustimmung der beteiligten Eigentümer nur möglich, wenn das Kataster eine zuverlässige und widerspruchsfreie Grenzaussage erlaube. Ergebe die Grenzermittlung, dass die in der Liegenschaftskarte nachgewiesene Grenze mit dem tatsächlichen Verlauf vor Ort nicht übereinstimme, und stehe fest, dass der Grenzverlauf nicht willkürlich verändert worden sei, gelte der Grenznachweis in der Liegenschaftskarte als fehlerhaft. Dieser dürfe aber nur dann entsprechend dem tatsächlichen Grenzverlauf einseitig durch das Katasteramt geändert werden, wenn das im Kataster nachgewiesene Zahlenwerk den tatsächlichen Grenzverlauf bestätige. Anderenfalls müsse die Grenze als streitig bezeichnet werden. Es könne hier nicht ausgeschlossen werden, dass der Widerspruch zwischen der gegenwärtigen Lage der Grenze in der Örtlichkeit und dem im Kataster vorhandenen Nachweis auf einer willkürlichen Veränderung beruhe.

Die Klägerin beantragt,

das ihr am 8. Dezember 2009 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 12. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, dass nicht die Absicht bestehe, die Grenze zwischen den Flurstücken 407 und 763 in der Katasterkarte zu ändern. Hierfür gebe es keinen Grund, denn der Kartennachweis dokumentiere seit der Vermessung 1885 den Grenzverlauf entlang des Wohnhauses Y...straße ...3. Die Katasterkarte weise den Grenzverlauf so nach, wie er schon immer dokumentiert worden sei. Der Aufnahmefehler sei im Rahmen der Vermessung im Jahr 2006 festgestellt worden. Es bestehe eine Diskrepanz von ca. 70 cm zwischen der Katasterkartendarstellung und den Vermessungszahlen. Es könne nicht von einer streitigen Grenze ausgegangen werden. Es weiche lediglich ein Maß von dem Katasternachweis ab. Ansonsten seien die Dokumentation der Darstellung im Fortführungsriss von 1885 und die Katasterkartendarstellung identisch. Es gehe ihm lediglich darum, den im Rahmen der Grenzuntersuchung am 22. Mai 2006 festgestellten Zahlenfehler und die daraus resultierende Abweichung des einen Maßes vom Katasternachweis zu berichtigen.

Die Beigeladenen stellen auch im Berufungsverfahren keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang sowie die vom Beklagten weiter vorgelegten Unterlagen Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen.

Gründe

Das Gericht konnte in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2. verhandeln und entscheiden, denn sie ist unter Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß geladen worden (§ 102 Abs. 2, § 125 Abs. 1 VwGO).

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1) Die Klage ist zulässig.

a) Bei der von der Klägerin im erstinstanzlichen wie im Berufungsverfahren verfolgten Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO handelt es sich um die vorliegend statthafte Klageform.

aa) Ein Verwaltungsakt als Gegenstand einer solchen Klage liegt in Form der "Bekanntgabe des Ergebnisses der Grenzermittlung von Flurstücksgrenzen" vom 12. Juni 2006 vor. Dies folgt schon daraus, dass der Beklagte seine Ausführungen und Erklärungen in diesem Schreiben in die äußere Form eines Verwaltungsaktes gekleidet hat, indem er sie mit einer Rechtsbehelfsbelehrung mit Hinweis auf die Möglichkeit der Erhebung eines Widerspruchs "gegen die vorgenommene Ermittlung" versehen hat, und zudem den von der Klägerin erhobenen Widerspruch mit dem Widerspruchsbescheid vom 14. November 2006 als unbegründet zurückgewiesen hat, so dass jedenfalls ein formeller Verwaltungsakt vorliegt (vgl. hierzu Bayerischer VGH, Beschluss vom 15. November 2002 - 3 CS 02.2258 -, BayVBl. 2003, 212, juris Rn. 30; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 7. Juli 1999 - 2 L 264/98 -, NJW 2000, 1059, juris Rn. 21; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 35 Rn. 16; Ziekow, VwVfG, 2. Aufl. 2010, § 35 Rn. 9; Wolff/Brink in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 35 Rn. 36).

bb) Die "Bekanntgabe" vom 12. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2006 enthält aber darüber hinaus auch einen materiellen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfGBbg in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 9. März 2004 (GVBl. I S. 78). Denn das Schreiben stellt mit den beiden Aussagen, dass die bestehenden Grenzen A-B-C mit dem Nachweis im Liegenschaftskataster nicht übereinstimmten und die bestehenden Grenzen in den Abschnitten A-D-E-C ermittelt und somit berichtigt worden sind, einen feststellenden, die Berichtigung ausweisenden Verwaltungsakt dar (vgl. Kriegel/Herzfeld, Katasterkunde in Einzeldarstellungen, Stand: November 2010, Heft 6 Anm. 1 S. 5). Feststellende Verwaltungsakte zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich mit ihrem verfügenden Teil darauf beschränken, das Ergebnis eines behördlichen Subsumtionsvorganges festzuschreiben. Ihre Funktion besteht im Wesentlichen nicht in der Gestaltung, sondern der Publizierung der Rechtslage (Wolff/Brink, a.a.O., Rn. 138). In Abgrenzung zum befehlenden oder gestaltenden Verwaltungsakt ist der feststellende Verwaltungsakt nicht auf die Änderung der materiellen Rechtslage gerichtet (Bayerischer VGH, Urteil vom 2. Juni 1999 - 19 B 94.2154 -, BayVBl. 2000, 470, juris Rn. 59). Die Regelung im Sinne des § 35 VwVfGBbg ist in diesen Fällen darin zu sehen, dass in einer rechtlich ungewissen Situation die Sach- und Rechtslage in diesem Einzelfall durch eine verbindliche Feststellung mit Bindungswirkung als bestehend oder nicht bestehend festgestellt, konkretisiert oder individualisiert wird (BVerwG, Urteil vom 5. November 2009 - BVerwG 4 C 3.09 -, BVerwGE 135, 209, juris Rn.15; Henneke in Knack/Henneke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 35 Rn. 92; Ziekow, a.a.O., Rn. 33).

Hinsichtlich der Frage, was vorliegend berichtigt wird und somit Gegenstand der Feststellung ist, ergibt sich infolge der Bezugnahme des Schreibens vom 12. Juni 2006 auf die Grenzniederschrift vom 22. Mai 2006, dass der Katasternachweis an die - nach Auffassung des Beklagten - entlang des vorhandenen Besitzstandes verlaufende tatsächliche Grenze angepasst werden sollte. Nichts anderes folgt aus dem Widerspruchsbescheid vom 14. November 2006. Konkret lässt sich die Aussage dergestalt formulieren, dass der Verlauf der Flurstücksgrenze zwischen den Punkten 23180 [A] und 23233 [C] nunmehr - unter Wegfall des als fehlerhaft erkannten Punktes 23441 [B] - durch den auf der Gebäudekante des Hauses Nr. 3 liegenden Punkt 5060 [D] sowie den weiteren neuen Punkt 23398 [E], "neu" entstanden durch das nach der Vermessung von 1885 errichtete, an das Wohnhaus Nr. 3 angebaute Haus Nr. 2, repräsentiert wird.

b) Die Klagebefugnis der Klägerin ist zu bejahen, was sich schon daraus ergibt, dass sie von dem angefochtenen Bescheid in der Weise unmittelbar betroffen ist, dass mit der Entscheidung über die Lage der Grenze die räumliche Ausdehnung ihres Grundeigentums bestimmt und beeinflusst wird.

2) Der Bescheid vom 12. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a) Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (vgl. OVG Brandenburg, Beschluss vom 27. April 2004 - 3 A 537/01.Z -, S. 3 BA; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 14 A 936/06 -, juris Rn. 21; Urteil vom 12. Februar 1992 - 7 A 1910/89 -, OVGE MüLü 43, 3, juris Rn. 3; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. September 2006 - 2 L 68/06 -, LKV 2007, 524, juris Rn. 21), hier mithin der 14. November 2006. Danach ist vorliegend das Gesetz über die Landesvermessung und das Liegenschaftskataster im Land Brandenburg (Vermessungs- und Liegenschaftsgesetz - VermLiegG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Dezember 1997 (GVBl. I S. 2), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. Juni 2006 (GVBl. I S. 74), zugrunde zu legen.

b) Der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides steht - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht bereits entgegen, dass es an einer gesetzlichen Grundlage fehlt.

Nach der inzwischen als herrschende Auffassung zu wertenden Einschätzung in der Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 1985 - BVerwG 8 C 105.83 -, BVerwGE 72, 265, juris Rn. 12 f.; Urteil vom 9. Mai 2001 - BVerwG 3 C 2.01 -, BVerwGE 114, 226, juris Rn. 13; Urteil vom 22. Oktober 2003 - BVerwG 6 C 23.02 -, BVerwGE 119, 123, juris Rn. 14) und Literatur (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 35 Rn. 24 f.; Ziekow, a.a.O., Rn. 15; Henneke, a.a.O., vor § 35 Rn. 46) bedürfen auch feststellende Verwaltungsakte einer gesetzlichen Ermächtigung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Inhalt der Feststellung dem Betroffenen erklärtermaßen nicht genehm ist (BVerwG, Urteil vom 29. November 1985, a.a.O., Rn. 13), was mit Blick auf die Erklärung der Gesellschafter der Klägerin vom 12. Juni 2006, sie könnten der Berichtigung der Katastergrenze nicht zustimmen, hier unproblematisch angenommen werden kann. Aber auch angesichts des Umstands, dass die Behörde, wenn sie einen feststellenden Verwaltungsakt erlässt, den Bürger zwingt, dagegen innerhalb einer kurzen Frist mit Rechtsbehelfen vorzugehen, um die darin getroffene Feststellung nicht bestandskräftig werden zu lassen und somit zu verhindern, dass diese dauerhaft Grundlage anderer Verwaltungsentscheidungen wird, wohnt einem Feststellungsbescheid allgemein ein belastendes Element inne, das nach dem Vorbehalt des Gesetzes eine Ermächtigungsgrundlage erforderlich erscheinen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2001, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Juli 2006 - 5 S 1280/05 -, NuR 2007, 418, juris Rn. 20; Stelkens, a.a.O., Rn. 25).

In den hier maßgeblichen Bestimmungen des Vermessungs- und Liegenschaftsgesetzes findet sich zwar - anders als in § 11 Abs. 3 des am 1. Juli 2009 in Kraft getretenen Gesetzes über das amtliche Vermessungswesen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Vermessungsgesetz - BbgVermG) vom 27. Mai 2009 (GVBl. I S. 166), geändert durch Gesetz vom 13. April 2010 (GVBl. I Nr. 17), wonach fehlerhafte Daten des Liegenschaftskatasters zu berichtigen sind - keine ausdrückliche Rechtsgrundlage für eine Berichtigung von Daten des Liegenschaftskatasters und den Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts hierüber. Dies steht der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids jedoch im Ergebnis nicht entgegen. Denn eine Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes muss nicht notwendigerweise ausdrücklich geregelt sein, vielmehr reicht es aus, dass sie sich dem jeweils maßgeblichen materiellen Recht durch Auslegung entnehmen lässt (BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2007 - BVerwG 6 C 28.05 -, Buchholz 442.066 § 150 TKG Nr. 3, juris Rn. 29; Urteil vom 22. Oktober 2003, a.a.O.; Urteil vom 24. Oktober 2002 - BVerwG 7 C 9.02 -, BVerwGE 117, 133, juris Rn. 10; Beschluss vom 2. Juli 1991 - BVerwG 1 B 64.91 -, NVwZ-RR 1992, 192, juris Rn. 3 f.; Beschluss vom 10. Oktober 1990 - BVerwG 1 B 131.90 -, NVwZ 1991, 267, juris Rn. 5 f.; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 35 Rn. 24a). Dies ist hier vor allem mit Blick auf den Zweck und die Aufgabe des Liegenschaftskatasters der Fall.

Nach § 1 Abs. 5 VermLiegG bilden die Nachweise des Liegenschaftskatasters zusammen mit den Ergebnissen der Landesvermessung ein öffentliches raumbezogenes Basisinformationssystem, das die Grundlage für raumbezogene Entscheidungen und Maßnahmen staatlicher und kommunaler Stellen insbesondere auf den Gebieten des Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutzes, der Raumordnung sowie der Bauleitplanung und der Statistik bilden soll. Gemäß § 10 Abs. 2 VermLiegG sind Einrichtung, Fortführung und Weiterentwicklung des Liegenschaftskatasters so zu gestalten, dass es den Anforderungen des Rechtsverkehrs, der Verwaltung und der Wirtschaft an ein öffentliches Basisinformationssystem gerecht wird. Dem Liegenschaftskataster kommt somit (zusammen mit den Ergebnissen der Landesvermessung) eine Grundlagenfunktion für raum- oder flächenbezogene Informationssysteme aller Art und für alle Stellen der Landesverwaltung zu (vgl. zur Bedeutung des Liegenschaftskatasters für verschiedene Verwaltungsbereiche Kriegel/Herzfeld, a.a.O., Heft 2 Anm. 1.5 S. 11 ff.), aus der besondere Verpflichtungen erwachsen. Für die Daten des Liegenschaftskatasters besteht aufgrund dessen ein hoher Qualitätsanspruch auf flächendeckende Aktualität, Vollständigkeit und Einheitlichkeit, um den Anforderungen der Nutzer gerecht zu werden (Kriegel/Herzfeld, a.a.O., Heft 2 Anm. 1.4 S. 11; Kummer/Möllering, Vermessungs- und Geoinformationsrecht Sachsen-Anhalt, 3. Aufl. 2005, § 11 Anm. 2.1.4 S. 247 und Anm. 4.1.5 S. 254). Damit aber wäre es unvereinbar, zu Tage getretene Fehler, Widersprüche oder Unrichtigkeiten nicht zu beheben. Fehlerhafte Einträge im Liegenschaftskataster sind daher zwingend von Amts wegen zu berichtigen (Kriegel/Herzfeld, a.a.O., Heft 6 Anm. 1 S. 4). Es ist gerade vor dem Hintergrund des jeder Staatsaufgabe innewohnenden Postulats einer wirksamen Aufgabenwahrnehmung nicht vorstellbar, dass der Gesetzgeber der Verwaltung diese Verpflichtung auferlegt, ohne ihr zugleich das Instrumentarium zur Realisierung dieser Aufgabe mitzugeben (in diesem Sinne auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. Februar 1992, a.a.O., juris Rn. 3 ff.; a.A. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 6. Januar 1995 - 1 L 2131/93 -, OVGE MüLü 45, 362, juris Rn. 18 ff., und Urteil vom 19. Januar 1995 - 1 L 5943/92 -, OVGE MüLü 45, 378, juris Rn. 32 f.; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. September 2006, a.a.O., juris Rn. 22 f).

Gegen das hier vertretene Verständnis einer im Wege der Auslegung aus dem Vermessungs- und Liegenschaftsgesetz abzuleitenden Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen berichtigenden Feststellungsbescheid kann auch nicht ein - nach den zitierten Entscheidungen des Niedersächsischen OVG und des OVG Sachsen-Anhalt eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage erforderlich machen-der - Eingriffscharakter der Berichtigung von Grenzangaben des Liegenschaftskatasters angeführt werden, der aus der Verknüpfung der Grundstücksnachweise des Liegenschaftskatasters mit dem Grundbuch folge. Zwar besteht eine solche Verknüpfung (aa), jedoch folgen aus dieser keine gesteigerten Anforderungen an die Normierung einer Berichtigungsbefugnis der Katasterbehörden (bb).

aa) § 2 Abs. 2 der Grundbuchordnung (GBO) bestimmt, dass die Grundstücke im Grundbuch nach den in den Ländern eingerichteten amtlichen Verzeichnissen benannt werden. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 VermLiegG ist das Liegenschaftskataster das amtliche Verzeichnis der Grundstücke im Sinne des § 2 Abs. 2 GBO. Mit der Bestimmung, dass das Liegenschaftskataster amtliches Verzeichnis der Grundstücke im Sinne der Grundbuchordnung ist, ist ihm zugleich die Aufgabe gestellt, die im Grundbuch verzeichneten Grundstücke so nachzuweisen, dass man deren Umfang bzw. Grenzen in der Örtlichkeit eindeutig bestimmen kann. § 2 Abs. 2 GBO soll nämlich das Auffinden (die Identifizierung) der im Grundbuch verzeichneten Grundstücke in der Örtlichkeit ermöglichen. Die Eintragung einer Flurstücksnummer im Grundbuch (vgl. § 6 Abs. 3a Satz 1 Nr. 2 der Verordnung zur Durchführung der Grundbuchordnung - Grundbuchverfügung) ist nur eine vereinfachte Bezeichnung der äußeren, aus der Katasterkarte ersichtlichen Gestalt des Flurstücks. Durch die Aufnahme der katastermäßigen Bezeichnungen werden die Grundstücke in dem Umfang, d.h. mit den Grenzen, wie sie das Kataster enthält, in das Grundbuch eingeführt. Das Liegenschaftskataster ist somit Referenzsystem und funktionelle Voraussetzung für das Grundbuch. Da die Individualisierung der Grundstücke außerhalb des bürgerlichen Sachenrechts geschieht, sind die Angaben des Liegenschaftskatasters, soweit durch sie eine Grundfläche in der Örtlichkeit bezeichnet ist, zur Verwirklichung der dinglichen Rechte unerlässlich. Sie gehören daher grundbuch- und sachenrechtlich zum Inhalt des Grundbuchs. Die Bedeutung des Liegenschaftskatasters als amtliches Verzeichnis besteht hauptsächlich darin, dass es den Verlauf der Grundstücksgrenzen verbindlich nachweist. Mithin gehören zum amtlichen Verzeichnis außer dem Katasterbuchwerk auch die Nachweise über die Festlegung der Grenzen, also die Liegenschaftskarte und ihre Unterlagen (Kriegel/Herzfeld, a.a.O., Heft 2 Anm. 2.2 S. 21; Gomille, Niedersächsisches Vermessungsgesetz, 2008, § 3 Anm. 3.3.1 S. 118 ff.). Diese Einbeziehung der Katasterangaben in das Grundbuch hat zur Folge, dass sich nach der einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Literatur die Vermutung der Richtigkeit des Grundbuchs nach § 891 BGB und darauf aufbauend der öffentliche Glaube des Grundbuchs nach § 892 BGB auch auf diese Daten des Liegenschaftskatasters erstrecken, soweit sie Aufschluss darüber geben, welcher Teil der Erdoberfläche von dem im Grundbuch eingetragenen Eigentumsrecht räumlich umfasst wird (BVerwG, Beschluss vom 1. April 1971 - BVerwG IV B 59.70 -, DÖV 1972, 174; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 20. Juni 2006 - 3 L 52.01 -, LKV 2007, 138, juris Rn. 44; Reichsgericht, Urteil vom 12. Februar 1910 - V 72/09 -, RGZ 73, 125 [129]; Urteil vom 20. September 1924 - V 269/23 -, JW 1927, 44; BGH, Urteil vom 1. März 1973 - III ZR 69/70 -, NJW 1973, 1077, juris Rn. 7; Urteil vom 2. Dezember 2005 - V ZR 11/05 -, NJW-RR 2006, 662, juris Rn. 8; Kriegel/Herzfeld, a.a.O., Heft 6 Anm. 2.6 S. 19; Kummer/Möllering, a.a.O., § 11 Anm. 6.2.2 S. 272; Gomille, a.a.O., § 3 Anm. 3.3.2.1.3 S. 126 f.; Bengel/Bauer/Weidlich, Grundbuch-Grundstück-Grenze, 5. Aufl. 2000, § 22 Rn. 10; Krause in Danner-Lieb/Heidel/Ring, BGB, 2. Aufl. 2008, § 891 Rn. 5, § 892 Rn. 16; Kohler in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, § 891 Rn. 6, § 892 Rn. 14; Kössinger in Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. 2008, § 891 Rn. 3). Richtigkeitsvermutung und öffentlicher Glaube beziehen sich somit auf die katastertechnische Bezeichnung der Grundstücke (Gemarkung, Flur, Flurstück) und auf die Liegenschaftskarte einschließlich des Zahlenwerks insoweit, als diese die Grenzen der Grundstücke festlegen (vgl. Kriegel/Herzfeld, a.a.O., Heft 6 Anm. 2.6 S. 19; Gomille, a.a.O., § 3 Anm. 3.3.2.3.4 S. 132 f.; Bengel/Bauer/Weidlich, a.a.O., § 22 Rn. 21).

bb) Das zivilrechtliche Sachenrecht greift demnach zur Ausfüllung des ihm eigenen Spezialitätsgebots zur Bestimmung des Gegenstands "Grundstück" auf das öffentlich-rechtliche Verzeichnis Liegenschaftskataster zu. Dieses bleibt aber ungeachtet der (aus zivilrechtlicher Sicht verfolgten) Erstreckung der auf das Grundbuch bezogenen Vorschriften zu Richtigkeitsvermutung und öffentlichem Glauben ein öffentlich-rechtliches Kataster. Die sich aus dem Zugriff des Zivilrechts auf das öffentlich-rechtliche Liegenschaftskataster ergebenden Probleme sind auf der Ebene des Zivilrechts zu lösen. Ebenso wenig wie eine staatliche Vermessung kann eine Berichtigung der Nachweise des Liegenschaftskatasters als solche an den Eigentumsrechten etwas ändern. Durch sie kann Grundstückseigentum weder verloren noch zurückerlangt werden. Erwerb und Verlust des Grundeigentums bestimmen sich ausschließlich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Etwaige Eigentumsrechte müssen die betroffenen Grundstückseigentümer deshalb vor den Zivilgerichten verteidigen. Das Zivilrecht gibt ihnen hierfür beispielsweise mit § 899 BGB (Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs) oder § 920 BGB (Grenzverwirrung) auch hinreichende Instrumente an die Hand (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 18. Februar 2008 - 19 ZB 07.3078 -, juris Rn. 34). Eine Änderung der Liegenschaftsnachweise durch eine Berichtigung der Katasterbehörde stellt mithin keinen unmittelbaren, zielgerichteten Eingriff in Eigentumsrechte der Grundstückseigentümer dar, der eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich machen würde.

c) Die getroffene Feststellung der Berichtigung der Katasternachweise für die hier fragliche Flurstücksgrenze ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Eine Berichtigung setzt zweierlei voraus: die Erkenntnis, dass etwas falsch ist, und die Gewissheit, was an dessen Stelle richtig ist.

aa) Nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Beklagten, die insoweit auch von der Klägerin nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden, sind die vorhandenen Nachweise über den Verlauf der Grenze zwischen den Flurstücken 763 und 407 nicht frei von Fehlern. Dies ergibt sich - ungeachtet der Feststellung, dass sich der Grenzpunkt B im Ergebnis der Vermessung innerhalb des Gebäudes Y...straße 3 befindet - schon daraus, dass die im Vermessungsriss (Feldbuch) vom 4. Juni 1885 aufgenommenen Vermessungszahlen im Abgleich mit der in 2006 vorgenommenen Vermessung widersprüchlich sind, da die Strecke A-B nicht der im Feldbuch vermerkten Länge 10,25 m (der Seitenlänge des Wohnhauses) und die Strecke B-C nicht 6,50 m entspricht.

Es ist - anders als die Klägerin meint - vorliegend für die Berücksichtigung dieser (Gebäude-)Maße gleichgültig, ob die Vermaßung der Gebäude am öffentlichen Glauben des Grundbuchs teilhat oder nicht. Denn die Frage der Widerspruchsfreiheit der Nachweise des Liegenschaftskatasters ist nach dem Inhalt des Katasters zu beantworten, wozu alle Angaben des Vermessungszahlenwerks heranzuziehen sind.

Die Messung der Gebäude war nach den zum Zeitpunkt der Vermessung geltenden preußischen Bestimmungen auch Teil des Vermessungsgeschäfts. Es bedarf hier keiner abschließenden Klärung, nach welchen Vorschriften hier konkret die Vermessung durchgeführt wurde, da sich inhaltliche Unterschiede nicht ergeben. In § 13 der "Anweisung II vom 31. März 1877 für das Verfahren bei den Vermessungen behufs der Fortschreibung der Grundsteuerbücher und Karten" (diese Anweisung erscheint hier näherliegend, da es sich um eine Grundstücksteilung handelte, wie sich jedenfalls aus dem vom Beklagten vorgelegten Original der Gebührenrechnung ergibt, da es darin heißt: "In der Teilungssache des R... Hausgrundstückes werden liquidiert:") wird angeordnet, dass die innerhalb einer Parzelle befindlichen, in der Karte noch nicht dargestellten Gebäude in allen Fällen, in welchen das betreffende Besitzstück Gegenstand der Fortschreibungsvermessung wird, in der Regel speziell mit aufzumessen und zu kartieren sind. Nach § 14 Nr. 3 Abs. 4 der Anweisung II sind bei der Aufnahme von Gebäuden die Verlängerungen der Fundamentlinien in das Liniennetz einzubinden und in ihrer ganzen Länge zu messen. Zudem sind, soweit möglich, die äußeren Dimensionen der Gebäude sämtlich unmittelbar zu messen. Nach § 57 lit. e) i.V.m. § 7 der ebenfalls in Betracht kommenden "Anweisung VIII vom 25. Oktober 1881 für das Verfahren bei Erneuerung der Karten und Bücher des Grundsteuerkatasters" sind im Rahmen der anlässlich der Erneuerung vorzunehmenden Stückvermessung unter anderem die Gebäudeflächen aufzunehmen und in der Gemarkungskarte darzustellen. Dabei sind nach § 82 Ziff. 6 der Anweisung VIII möglichst die Verlängerungen der Fundamentlinien in das Liniennetz einzubinden und in ihrer ganzen Länge zu messen und außerdem, soweit möglich, die äußeren Dimensionen der Gebäude sämtlich unmittelbar zu messen, ebenso die Abstände nahe beieinanderliegender Gebäude behufs Feststellung der gegenseitigen Lage derselben.

bb) Bei dem hier fraglichen Mangel des Liegenschaftskatasters handelt es sich weder um einen so genannten Zeichenfehler noch (anders als die Klägerin und der Beklagte meinen) um einen Aufnahmefehler.

Ein Zeichenfehler ist dadurch gekennzeichnet ist, dass "nur" die Liegenschaftskarte von den maßgebenden Vermessungszahlen abweicht (vgl. Kummer/Möllering, a.a.O., § 11 Anm. 6.2.3 S. 273; Gomille, a.a.O., § 3 Anm. 3.3.2.3.4 S. 132), was vorliegend aber ausscheidet, weil auch die Vermessungszahlen selbst widersprüchlich sind und berichtigt werden.

Ein Aufnahmefehler liegt vor, wenn bereits die Liegenschaftszahlen und damit in der Folge auch die Präsentationsebene der Liegenschaftskarte fehlerhaft sind (vgl. Gomille, a.a.O., § 3 Anm. 3.3.2.3.4 S. 132, § 4 Anm. 3.7.1.2 S. 223; Kummer/Möllering, a.a.O., § 16 Anm. 5.2.3.2 S. 379), weil bei der Vermessung von Grundstücksgrenzen ein Fehler unterläuft mit der Folge, dass der Katastergrenznachweis nicht dem bei der Aufnahme (Vermessung) vorhanden gewesenen rechtlichen Bestand entspricht, und die Abweichung weder mit der Ungenauigkeit des Aufnahmeverfahrens erklärt noch als Messungenauigkeit angesehen werden kann (vgl. Kriegel/Herzfeld, a.a.O., Heft 2 Anm. 2.4 S. 25 und Heft 6 Anm. 2.5.1 S. 10); die Grenze wird dabei eindeutig (wenn auch inhaltlich falsch) im Kataster nachgewiesen.

Hier ist dagegen (lediglich) von Widersprüchen in den Aufnahmeelementen auszugehen. Diese liegen vor, wenn sich die für die Festlegung der Flurstücksgrenze maßgebenden Aufnahmeelemente (wobei alle vorhandenen Maßzahlen maßgeblich werden) widersprechen (vgl. Kriegel/Herzfeld, a.a.O., Heft 6 Anm. 2.7 S. 22). Wie bereits dargelegt, sind die vorliegenden Vermessungszahlen, zu denen gerade auch die (vollständigen) Daten des Vermessungsrisses vom 4. Juni 1885 gehören, widersprüchlich; sie weisen nicht eindeutig die Grenzpunkte aus.

Im Fall von Widersprüchen in den Aufnahmeelementen sind die als unrichtig erkannten Aufnahmeelemente, gegebenenfalls nach Klärung in der Örtlichkeit, zu berichtigen (vgl. Kriegel/Herzfeld, a.a.O., Heft 6 Anm. 2.7 S. 22). Nach dem oben genannten Grundsatz ist für eine Berichtigung die Gewissheit erforderlich, was anstelle der fehlerhaften Information zutrifft. Die Berichtigung setzt somit voraus, dass die neue Angabe zweifelsfrei richtig ist. Hiervon ist vorliegend bezüglich der Grenze A-D-E-C auszugehen.

Aufgrund der verschiedenen bei der Vermessung am 4. Juni 1885 aufgenommenen Maße, insbesondere der Gebäude, namentlich des Wohnhauses, lässt sich der Verlauf der aufgenommenen Grenze im Zusammenspiel mit den Befunden der örtlichen Untersuchung mit der für eine Berichtigung erforderlichen Sicherheit ermitteln. Insbesondere begegnet der Ansatzpunkt des Beklagten, dass das Wohnhaus Y...straße 3 und damit auch die als Grenzpunkt herangezogene nördliche Gebäudeecke an der Rückseite des Wohnhauses nicht verändert wurde, keinen durchgreifenden Bedenken. Dies stützt er nachvollziehbar zum einen darauf, dass er den Punkt A (= Messpunkt 23180), d.h. die nördliche Gebäudeecke Y...straße 3 an der Straßenseite, mit den im Feldbuch vermerkten Koordinaten zweifelsfrei vorgefunden hat. Und zum anderen verweist der Beklagte auf die ebenfalls wieder vorgefundene Gebäudetiefe von 10,25 m, die zum Punkt D führt. Soweit die Klägerin insoweit geltend macht, dass dieser Grenzpunkt aufgrund des Umstandes, dass er heute eingebaut ist, nicht mehr zugänglich sei und somit nicht selbst ausgemessen werden könne, entkräftet dies vorliegend nicht die Argumentation des Beklagten. Denn der Vermessungstechniker S... hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Befragung als Zeuge angegeben, dass bei den Vermessungsarbeiten zur Überprüfung der Gebäudetiefe die Fenster geöffnet worden seien und die Breite gemessen worden sei. Warum sich diese Vorgehensweise bei den hier gegebenen Umständen als untauglich erweisen sollte, hat die Klägerin nicht dargelegt. Als weiteren Anhaltspunkt hat der Beklagte zudem angeführt, dass bei der Tätigkeit vor Ort auch durch Sichtprüfung vom Dach aus geprüft worden sei, ob Hohlräume zwischen den Giebelwänden der Häuser Y...straße 2 und 3 vorhanden seien, wobei festgestellt worden sei, dass die Giebel aneinandergebaut seien. Angesichts der aus den vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegten Fotografien ersichtlichen Tatsache, dass die Giebelwand des Gebäudes Y...straße 2 die Giebelwand der Y...straße 3 überragt, lässt sich somit - wenn auch indirekt - der Verlauf der Giebelwand der Y...straße 3 gut verfolgen. Dies trägt den Schluss, dass eine bauliche Veränderung der Giebelwand nicht erfolgt ist. Bestätigt wird zudem durch den Hinweis der Beigeladenen zu 1., dass auch das heutige Wohnhaus Y...straße 3 auf den weit vor der Vermessung von 1885 angelegten Fundamenten steht. Der Senat sieht angesichts dessen keine Veranlassung, der in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Anregung der Klägerin zu folgen, ein Sachverständigengutachten zur vorgenommenen Vermessung einzuholen.

d) Die getroffene Feststellung zur Berichtigung ist für ihre Wirksamkeit auch nicht von der Zustimmung der Klägerin abhängig. Ein solches Erfordernis ist (mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Berichtigungsbefugnis folgerichtig) nicht normiert und lässt sich auch nicht aus der speziellen Bestimmung des § 18 Abs. 1 VermLiegG zur Grenzfeststellung mit der Anerkennung des Grenzermittlungsergebnisses durch die beteiligten Grundstückseigentümer herleiten. Gegen ein allgemeines Zustimmungserfordernis sprechen zudem die vom OVG Nordrhein-Westfalen angeführten Überlegungen (vgl. Urteil vom 12. Februar 1992, a.a.O., Rn. 12), dass es den für die Führung des Liegenschaftskatasters maßgeblichen Qualitätsanforderungen für die Rechtssicherheit und Klarheit widerspräche, eine Berichtigung von einer Zustimmung der Betroffenen abhängig zu machen, durch die die notwendige Bereinigung von Widersprüchen verhindert werden könnte, ohne dass der Katasterverwaltung ein Mittel zustünde, dieses Hindernis auszuräumen. Anderes folgt angesichts der hier vertretenen konsequenten Trennung des öffentlich-rechtlichen Liegenschaftskatasters von der zivilrechtlichen Bezugnahme auf dieses auch nicht aus den potentiellen sachenrechtlichen Implikationen einer Berichtigung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladenen keinen Antrag gestellt und somit kein Kostenrisiko übernommen haben (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es auch nicht der Billigkeit, der Klägerin nach § 162 Abs. 3 VwGO die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 132 Abs. 2 VwGO. Ein Zulassungsgrund liegt nicht vor.






OVG Berlin-Brandenburg:
Urteil v. 24.11.2011
Az: OVG 10 B 14.09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/5e70780889d3/OVG-Berlin-Brandenburg_Urteil_vom_24-November-2011_Az_OVG-10-B-1409




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