Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 13. Februar 2002
Aktenzeichen: 1 L 2712/01

(VG Köln: Beschluss v. 13.02.2002, Az.: 1 L 2712/01)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die für erstattungsfähig erklärt werden.

2. Der Streitwert wird auf 3.067.751,20 EUR (6.000.000 DM) festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin und die Beigeladene betreiben jeweils ein bundesweites öffentliches Telekommunikationsnetz. Die Beigeladene ist sowohl als Teilnehmernetzbetreiberin als auch Verbindungsnetzbetreiberin tätig. Die Antragstellerin ist Rechtsnachfolgerin der E. . Als solche ist sie Eigentümerin der Telekommunikationsnetze der ehemaligen E. und der hierzu gehörenden technischen Einrichtungen.

Im November 1997 schlossen die Antragstellerin und die Beigeladene erstmalig eine Vereinbarung über die Zusammenschaltung ihrer jeweiligen Telekommunikationsnetze. Die Entgelte für diese Zusammenschaltung berechneten sich zeitabhängig von der Verbindungsdauer nach unterschiedlichen Entfernungszonen. Der Zusammenschaltungsvertrag wurde mehrfach geändert.

Im Juni 2000 bot die Antragstellerin der Beigeladenen den Abschluss eines neuen Zusammenschaltungsvertrages an. Danach sollte es für die Höhe des zu berechnenden Tarifs nicht mehr auf die Entfernung - ausgedrückt in durchlaufenen Tarifzonen - ankommen, sondern auf die Zahl der von einer Verbindung im Netz der Antragstellerin durchlaufenen Netzelemente (sog. elementbasiertes Tarifsystem - Element Based Charging - EBC).

Da eine Einigung zwischen den Beteiligten nicht erzielt werden konnte, beantragte die Beigeladene am 30. Juni 2000 bei der Antragsgegnerin die Anordnung der Zusammenschaltung ihres Telekommunikationsnetzes mit demjenigen der Antragstellerin. Der diesem Antrag stattgebende Beschluss der Antragsgegnerin vom 8. September 2000 war Gegenstand eines für die Antragstellerin erfolgreichen Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes (1 L 2484/00 VG Köln bzw. 13 B 69/01 OVG NRW); mit Urteil vom 30. August 2001 hob das beschließende Gericht die Anordnung auf (1 K 8253/00).

Mit am 3. September 2001 bzw. am 4. September 2001 mit Anlagen eingegangenem Schreiben beantragte die Beigeladene den Erlass einer Teilanordnung im Rahmen der ab dem 1. Dezember 2001 geltenden Zusammenschaltung der beiden Telekommunikationsnetze. Dem entsprach die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (Regulierungsbehörde) mit dem hier streitgegenständlichen Beschluss vom 13. November 2001, in dem die Zusammenschaltung der Telekommunikationsnetze von Antragstellerin und Beigeladener sowie unter anderem ein Bestandsschutz für bestimmte Zusammenschaltungsorte angeordnet wurde; wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den Bescheid vom 13. November 2001 verwiesen. Von einer Anordnung der Anlage F - Zahl und Zuschnitt der Einzugsbereiche - sowie des Anhangs G - Zusam- menschaltungsbereiche und deren Zuordnung zu den Einzugsbereichen - wurde mangels entsprechenden Antrags der Beigeladenen abgesehen.

Mit der Entgeltgenehmigung vom 12. Oktober 2001 ordnete die Regulierungsbehörde unter anderem an, dass für die Abrechnung der Antragstellerin die Anlage F - Einzugsbereiche (Stand: 19.12.2000) zugrundezulegen ist. Der dagegen gerichtete Antrag der Antragstellerin auf vorläufigen Rechtsschutz hatte keinen Erfolg (Beschluss vom 17. Dezember 2001 - 1 L 2575/01).

Am 7. Dezember 2001 hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag gestellt und Klage gegen die Anordnung erhoben (1 K 9198/01).

Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor, die Anordnung sei ohne die Anordnung der Verbindlichkeit von Anlage F nicht vollziehbar bzw. umzusetzen. Nur aus dieser Anlage ergäben sich Angaben zu Zahl und Zuschnitt der Einzugsbereiche sowie dazu, an welchen Standorten der Zusammenschaltungspartner ICAs bestellen könne und welche Verkehre dort jeweils abgewickelt werden könnten. Eine verbindliche Anordnung der Anlage F folge auch nicht aus der Nebenbestimmung in der Entgeltgenehmigung vom 12. Oktober 2001 oder aus der Bestandsgarantie in Ziffer 2. a) der hier angefochtenen Anordnung. Nichts anders gelte für die fehlende Anordnung der Geltung von Anhang G, ohne den die Zusammenschaltungsanordnung ebenfalls nicht umgesetzt werden könne. Dies führe zur Rechtswidrigkeit, zumindest aber fehlenden Vollziehbarkeit. Die getroffene Regelung könne auch nicht als Teilanordnung Bestand haben, denn dies setze eine bewusste Regelung voraus, mit der ein vorläufiges positives Gesamturteil verbunden sei; vorliegend habe die Regulierungsbehörde aber unbewusst eine nicht vollzugsfähige Teilregelung erlassen. Auch die Anordnung einer Bestandsgarantie in Ziffer 2. a) des angefochtenen Bescheides sei rechtswidrig. Hierfür fehle es bereits an einer Ermächtigungsgrundlage. Hilfsweise werde die Rechtswidrigkeit der Anordnung der Anlage F gerügt. Im Übrigen sei die vorläufige Umsetzung der Zusammenschaltungsanordnung mit hohen Kosten und irreversiblen Folgen für die Antragstellerin verbunden, so dass jedenfalls die allgemeine Interessenabwägung zu ihren Gunsten ausgehen müsse. Denn aufgrund des gesamten Regelungsgefüges müsse sie ihr Netz von einem Drei-Ebenen-Netz in ein Zwei-Ebenen-Netz umbauen.

Mit Beschluss vom 21. Dezember 2001 hat die Regulierungsbehörde auf Antrag der Beigeladenen in Ergänzung ihres Beschlusses vom 13. November 2001 im Wege der einstweiligen Anordnung die Geltung des Anhangs G angeordnet; diese Anordnung hat die Antragstellerin nicht angegriffen. Die Beigeladene nimmt seit dem 1. Januar 2002 Interconnectionleistungen auf der Grundlage des Bescheides vom 13. November 2001 sowie der ergänzenden einstweiligen Anordnung vom 21. Dezember 2001 in Anspruch; die letztmalig bis zum 31. Dezember 2001 verlängerte, zwischen Antragstellerin und Beigeladener bestehende Übergangsvereinbarung besteht nicht mehr.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (1 K 9198/01) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. November 2001 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

den Antrag abzulehnen.

Sie tragen vor, die Regulierungsbehörde sei im Rahmen von Zusammenschaltungsanordnungen auch zu Teilanordnungen befugt; dies folge aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte sowie Systematik und Zweck der einschlägigen Norm. Die Antragsgegnerin müsse ohne entsprechenden Antrag der Beigeladenen nicht alle Aspekte einer Zusammenschaltungsvereinbarung regeln; dies ergebe sich aus dem Subsidiaritätsgrundsatz und aus der Beschränkung der Anordnung auf die Anrufungsgründe. Eines vorläufigen positiven Gesamturteils bedürfe es nicht, weil der Teilanordnung nicht notwendig eine umfassende Anordnung folgen müsse. Auch die Regelung einer Bestandsgarantie sei rechtmäßig erfolgt; dabei handele es sich um eine wesentliche wirtschaftliche Bedingung einer Zusammenschaltung, weil sie allein Planungssicherheit gewährleiste. Eine rechtliche Belastung der Antragstellerin sei insoweit auch nicht ersichtlich, da ihr Konzept eine noch größere Anzahl von Zusammenschaltungsstandorten vorsehe. Angesichts des Gesetzesziels müsse auch die allgemeine Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin ausgehen; ohne die Zusammenschaltung mit den weiteren getroffenen Regelungen wäre der Gesetzeszweck auf längere Sicht gefährdet. Dies gelte auch für die vorliegend getroffene Teilanordnung. Im übrigen habe die An- tragstellerin weder die behaupteten Kosten noch die Erforderlichkeit des Netzumbaus glaubhaft gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 2 des Telekommunikationsgesetzes - TKG - zulässige Antrag hat keinen Erfolg.

Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehbarkeit der im Streit befindlichen Maßnahme (§ 80 Abs. 2 TKG) und dem Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus.

Bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung können die Erfolgsaussichten der Klage 1 K 9198/01 nicht mit der für ein Offensichtlichkeitsurteil erforderlichen Gewissheit beurteilt werden. Jedenfalls erweist sich der Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. November 2001 nicht als offensichtlich rechtswidrig ist (s.u. Ziffer 1.), vielmehr spricht vieles für seine Rechtmäßigkeit. Bei der aus diesem Grunde gebotenen allgemeinen Interessenabwägung ist von einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Vollziehbarkeit des Bescheides auszugehen (Ziffer 2.).

1. Der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin ist nicht offensichtlich rechtswidrig; vielmehr spricht vieles für seine Rechtmäßigkeit.

Er ist gestützt auf § 37 TKG i. V. m. § 9 Abs. 1 der Netzzugangsverordnung - NZV. Diese Vorschriften werden vorliegend nicht durch § 33 TKG verdrängt. Zwar hat die Regulierungsbehörde vorrangig nach § 33 TKG einzuschreiten, wenn gleichzeitig die Voraussetzungen des § 33 und des § 37 TKG vorliegen.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 25. April 2001 - 6 C 6.00 -, Urteilsabdruck (UA) S. 27 = Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2001, 1399 (1404).

Die Voraussetzungen des § 33 TKG dürften hier jedoch schon deshalb nicht gegeben sein, weil die Antragstellerin der Beigeladenen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung der Regulierungsbehörde nicht den Zugang zu ihrem Telekommunikationsnetz bzw. zu von ihr erbrachten Leistungen als solchen verweigert, sondern lediglich über die Modalitäten einer Zusammenschaltung der Telekommunikationsnetze der Antragstellerin und der Beigeladenen gestritten wird.

Nach § 37 Abs. 1 TKG ordnet die Regulierungsbehörde, wenn zwischen den Betreibern öffentlicher Telekommunikationsnetze eine Zusammenschaltungsvereinbarung nicht zustande kommt, nach Anrufung durch einen Beteiligten innerhalb einer mit der Anrufung beginnenden Frist von sechs Wochen, die um vier Wochen verlängerbar ist, die Zusammenschaltung an.

Die nach diesen Vorgaben erforderlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Zusammenschaltungsanordnung sind erfüllt:

Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene sind Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze. Trotz intensiver Verhandlungen seit Mai 2001 und vor allem im Juli und August 2001 ist es zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen auch nicht zum Abschluss einer vollständigen neuen Zusammenschaltungsvereinbarung gekommen, die die zum 31. Dezember 2001 auslaufende "alte" Zusammenschaltungsvereinbarung hätte ersetzen können. Auf die zutreffenden Ausführungen der Regulierungsbehörde auf Seite 12 des angefochtenen Bescheides kann insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden. Schließlich hat die Regulierungsbehörde mit ihrer am 13. November 2001 ergangenen und am gleichen Tage per Telefax den Beteiligten bekannt gegebenen Entscheidung die - am 18. September 2001 auf 10 Wochen verlängerte - Frist zum Erlass der Zusammenschaltungsanordnung gewahrt, da der Zusammenschaltungsantrag der Beigeladenen mit vollständigen Unterlagen am 4. September 2001 bei der Regulierungsbehörde eingegangen ist.

Es spricht des weiteren alles dafür, dass die von der Regulierungsbehörde getroffene Zusammenschaltungsanordnung auch ihrem Inhalt nach rechtmäßig ist.

Insofern ist grundsätzlich folgendes festzuhalten: Bei ihrer Entscheidung über die einzelnen Modalitäten einer Zusammenschaltung hat die Regulierungsbehörde zunächst die Vorgaben des Telekommunikationsgesetzes zu berücksichtigen. Dieses enthält in § 3 Nr. 24 TKG eine Begriffsbestimmung, nach der unter "Zusammenschaltung" derjenige Netzzugang zu verstehen ist, der die physische und logische Verbindung von Telekommunikationsnetzen herstellt, um Nutzern, die an verschiedenen Telekommunikationsnetzen angeschaltet sind, die mittelbare oder unmittelbare Kommunikation zu ermöglichen. Dabei geht das Gericht allerdings davon aus, dass diese Regelung den Inhalt einer Zusammenschaltungsanordnung nicht nur auf die eigentliche physische und logische Zusammenschaltung als solche begrenzt, sondern jedenfalls für solche zusätzliche Dienstleistungen Raum lässt, die mit der Zusammenschaltung in einem engen Zusammenhang stehen und für die Erbringung der Zusammenschaltungsleistung erforderlich sind, weil die Zusammenschaltung ansonsten ins Leere liefe oder nicht funktionieren würde.

Vgl. auch Trute, in Trute/Spoerr/Bosch, Telekommunikationsgesetz mit FTEG, 2001, § 37 TKG Rdnr. 19; Beschlüsse des Gerichts vom 24. Oktober 2001- 1 L 1681/01 - und vom 24. Januar 2002 - 1 L 2574/01 -.

Darüber hinaus müssen die getroffenen Anordnungen nach § 37 Abs. 3 Satz 3 TKG den Maßstäben des § 35 Abs. 2 TKG entsprechen, d.h. auf objektiven Maßstäben beruhen, nachvollziehbar sein, und einen gleichwertigen Zugang zu den Telekommunikatonsnetzen eines Betreibers gewähren sowie europarechtlichen Vorgaben genügen, wie etwa der Zusammenschaltungsrichtlinie 97/33/EG vom 30.06.1997, Abl. Nr. L 199/32, deren Art. 3 Abs. 2 die Sicherstellung einer "angemessenen", effizienten Zusammenschaltung vorschreibt, oder der ONP- Richtlinie 90/387/EG vom 28.06.1990, Abl. EG Nr. L 192/1, die in Art. 3 Abs. 2 i. V. m. Art. 2 Nr. 6 Einschränkungen des Netzzuganges nur aus Gründen der Sicherheit des Netzbetriebs, der Aufrechterhaltung der Netzintegrität und der Interoperabilität der Dienste oder aus anderen eng begrenzten Gründen zuläßt.

Weitere Regelungen bezüglich der Modalitäten der Zusammenschaltung enthält das TKG selbst nicht, sondern verweist wegen der Inhalte einer Zusammenschaltungsanordnung gemäß § 37 Abs. 3 Sätze 1 und 2 TKG auf die Bestimmungen der NZV. Diese enthält in der Anlage zu § 5 Abs. 2 NZV zwar Hinweise auf Gegenstände, an denen sich Zusammenschaltungsvereinbarungen ausrichten sollen. Eine vergleichbare Regelung ist in der Zusammenschaltungsanordnungen betreffenden Vorschrift des § 9 NZV jedoch nicht zu finden.

Die letztgenannte Bestimmung regelt in erster Linie (an § 37 TKG anknüpfend) Einzelheiten des Zusammenschaltungsverfahrens; hinsichtlich der Modalitäten einer Zusammenschaltungsanordnung enthält sie hingegen keine Vorgaben und regelt in Abs. 4 lediglich, dass die Regulierungsbehörde bei einer Entscheidung nach § 37 TKG die Interessen der Nutzer sowie die unternehmerische Freiheit jedes Netzbetreibers zur Gestaltung seines Telekommunikationsnetzes zu berücksichtigen hat.

Aufgrund des Inhalts dieser Vorschrift wie auch der Forderung des Art. 3 Abs. 2 der Zusammenschaltungsrichtlinie 97/33/EG nach einer "angemessenen" Zusammenschaltung ist davon auszugehen, dass die Regulierungsbehörde die einzelnen Zusammenschaltungsmodalitäten im Rahmen eines Abwägungsprozesses

vgl. auch Trute, a.a.O., § 37 TKG Rdnr. 18,

festzulegen hat, der die Interessen der beteiligten Netzbetreiber in einen gerechten Ausgleich bringt. Dabei spricht vieles dafür, dass die getroffene Abwägungsentscheidung nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. Mit dieser Tendenz wohl auch: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 23. Februar 2000 - 13 B 1996/99 - (Beschlussabdruck (BA) S. 3).

Dies folgt zunächst aus dem Umstand, dass durch eine Zusammenschaltungsanordnung eine fehlende Zusammenschaltungsvereinbarung ersetzt werden soll, d.h. der Regulierungsbehörde die Rolle eines Streit- entscheiders

- vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2000, a.a.O., unter Hinweis auf Art. 9 Abs. 5 der Richtlinie 97/33 EG -

oder eines den Inhalt der Leistung bestimmenden Dritten entsprechend dem Rechtsgedanken des § 315 BGB zukommt, was dafür spricht, dass die letztverbindliche Entscheidungskompetenz der Regulierungsbehörde vorbehalten ist.

Zudem steht einer vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit entgegen, dass der Regulierungsbehörde eine Entscheidung abverlangt wird, ohne dass für deren Inhalt - wie aufgezeigt - nähere rechtliche Vorgaben existieren.

Vgl. Bundesverfassungsgericht , Beschluss vom 16. Dezember 1992 - 1 BvR 167/87-, NVwZ 1993, S. 666 (670).

Es spricht daher vieles dafür, dass die vorliegende Abwägungsentscheidung - ähnlich Planungs- oder Prognoseentscheidungen mit Abwägungscharakter -

- vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, § 114 Rdnr. 35, 36 u. 37 -

nur im Hinblick darauf überprüft werden kann, ob die Entscheidung der Regulierungsbehörde auf einem zutreffend ermittelten Sachverhalt und einem alle maßgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigenden Abwägungsprozess beruht und das Abwägungsergebnis nicht schlechthin unvertretbar ist.

Bei Anwendung dieser Grundsätze dürfte die von der Regulierungsbehörde verfügte Zusammenschaltungsanordnung, soweit sie von der Antragstellerin angegriffen worden ist, nicht zu beanstanden sein.

Zunächst war die Antragsgegnerin berechtigt, auch nur eine Teilzusammenschaltungsanordnung - soweit davon angesichts der Ziffer 1 der angefochtenen Entscheidung die Rede sein kann - zu treffen. Dafür sprechen jedenfalls Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck des § 37 TKG. Die grundsätzliche Möglichkeit der Antragsgegnerin nach § 37 Abs. 1 TKG, eine Zusammenschaltungsanordnung zu treffen, wird in Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift ausdrücklich dahingehend eingeschränkt, dass eine solche Anordnung nur zulässig ist, "soweit und solange" die Beteiligten keine Zusammenschaltungsvereinbarung treffen. Dieser Grundsatz der Subsidiarität einer hoheitlichen Anordnung, der sowohl das Ob einer Zusammenschaltungsanordnung als auch deren inhaltliche Rege- lungen betrifft, findet weiter seinen Niederschlag in § 9 Abs. 3 NZV, wonach die Regulierungsbehörde an die Anrufungsgründe gebunden ist, d. h. - in der Regel - nicht über den Antrag des die Zusammenschaltung begehrenden Telekommunikationsnetzbetreibers hinausgehen darf. Die Zulässigkeit von Teilanordnungen folgt auch aus der Gesetzessystematik und dem Zweck der Regelung, die ein hoheitliches Tätigwerden nur dann für zulässig erachten, als sich die Wettbewerber nicht dem Grunde nach oder hinsichtlich der einzelnen Modalitäten einer Zusammenschaltung einigen können. Dieser Subsidiariätsgedanke, der dem Grundsatz der Privatautonomie Rechnung trägt, rechtfertigt sich letztlich aus der Zielsetzung des TKG, wie er in § 1 und 2 zum Ausdruck kommt, nämlich dass regulierende Eingriffe nur dort und insoweit zulässig sind, wie ein chancengleicher Wettbewerb nicht stattfindet.

Des weiteren muss es nach den dargestellten Grundsätzen für die Zulässigkeit von Teilanordnungen auch zunächst den Beteiligten der Zusammenschaltung und hier vor allem dem diese begehrenden Telekommunikationsnetzbetreiber überlassen bleiben, durch entsprechende Antragstellung - die in aller Regel durch den Verlauf der vorhergehenden Vertragsverhandlungen bestimmt ist - eine sinnvolle Zusammenschaltungsanordnung zu ermöglichen. Erkennt der Antragsteller später, dass weitere Modalitäten angeordnet werden müssen, sei es aus technischen Gründen, sei es, weil die Verhandlungen erst zu einem späteren Zeitpunkt gescheitert sind, bleibt es ihm unbenommen, erneut die Regulierungsbehörde anzurufen - wie dies hier die Beigeladene hinsichtlich der Anordnung des Anhangs G auch getan hat. Eine vorsorgliche umfassende Antragstellung oder ohne einen solchen Antrag ergehende Regelung sieht das Gesetz nicht vor.

Die Grenze demnach zulässiger Teilanordnungen dürfte allerdings dort zu ziehen sein, wo eine ersichtlich nicht mehr technisch funktionsfähige Zusammenschaltung angeordnet wird, weil es an wesentlichen Elementen fehlt. Davon kann hier jedoch schon deswegen nicht die Rede sein, weil nach den unwidersprochenen Angaben der Beigeladenen diese seit Januar 2002 Interconnectionleistungen der Antragstellerin in Anspruch nimmt; eine ersichtliche mangelnde Funktionsfähigkeit der Zusammenschaltung ist im Rahmen der hier allein möglichen summarischen Prüfung auch im Übrigen nicht feststellbar.

Offen bleiben kann damit, ob die nicht getroffenen Regelungen über Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides vom 13. November 2001 oder die Nebenbestimmung 3 der Entgeltgenehmigung vom 12. Oktober 2001 Eingang finden. Auf den hilfsweisen Vortrag der Antragstellerin bei einer unterstellten Einbeziehung der Anlage F kommt es ebenfalls nicht an.

Vgl. dazu allerdings den Beschluss des Gerichts vom 24. Januar 2002 im Verfahren 1 L 2474/01.

Es spricht weiterhin vieles dafür, dass auch die von der Antragstellerin angegriffene "Bestandsgarantie" in Ziffer 2 des Bescheides vom 13. November 2001 (betreffend die in Anlage F aufgeführten GEZB und LEZB für aufgrund von Bestellungen realisierte Zusammenschaltungsorte bis 31. Dezember 2006 bzw. 31. Mai 2009) rechtmäßig ist. Es geht schon im Ansatz fehl, wenn die Antragstellerin davon ausgeht, ihr könnten im Rahmen einer Zusammenschaltungsanordnung seitens der Regulierungsbehörde nur Verpflichtungen auferlegt werden, für die im TKG oder der NZV eine ausdrückliche Ermächtigung vorgesehen sei. Vielmehr ist die Regulierungsbehörde, wie oben ausgeführt, befugt, die einzelnen Modalitäten der Zusammenschaltung im Rahmen des ihr zukommenden Beurteilungsspielraumes festzulegen und damit auch einzelne Verpflichtungen für die Zusammenschaltungspartner zu begründen. Dass die Grenzen dieses Beurteilungsspielraumes bezüglich der in Ziffer 2 enthaltenen Regelung überschritten wären, ist von der Antragstellerin nicht dargetan und angesichts des Umstandes, dass einerseits eine Bestandsgarantie der Zusammenschaltungsstandorte zur Gewährleistung von Planungssicherheit für die Wettbewerber unerlässlich sein dürfte und der Antragstellerin andererseits in Ziffer 2 unter bestimmten Voraussetzungen die Auflösung einzelner Standorte, ab 01.06.2006 die Auflösung von 5% der Standorte jährlich, ermöglicht wird, auch sonst nicht ersichtlich.

2. Bei der nach den vorstehenden Ausführungen gebotenen allgemeinen - von den Er- folgsaussichten unabhängigen - Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Inte- resse am Sofortvollzug. Dabei ist zu beachten, dass nach dem Willen des Gesetzge- bers, wie er in § 80 Abs. 2 TKG zum Ausdruck kommt, grundsätzlich dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug der Vorrang gebührt, um möglichst schnell einen chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb herzustellen,

dies betonend BVerwG, Urteil vom 25. April 2001 - 6 C 6.00 -, UA S. 33 = NVwZ 2001, 1399 (1405).

Zunächst vermag das Gericht dem Vortrag der Antragstellerin, die Vollziehung der Zusammenschaltungsanordnung zwinge sie zumindest mittelbar zu einem aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr reversiblen Netzumbau, der nach Planungen aus den Jahren 1992/93 Kosten in Höhe von 2,3 Milliarden DM verursachen werde, nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass nach der Auffassung des Gerichts die Zusammenschaltungsanordnung als solche gerade nicht zur Veränderung der Netzstruktur zwingt,

vgl. dazu im einzelnen den Beschluss des Gerichts vom 24. Januar 2002 im Verfahren 1 L 2474/01,

sind die geltend gemachten Netzumbaukosten nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Wie das Gericht bereits in den Beschlüssen vom 17. Dezember 2001 im Verfahren 1 L 2575/01 und vom 24. Januar 2002 im Verfahren 1 L 2474/01 ausgeführt hat, hat die Antragstellerin die genannten Investitionen nicht näher aufgeschlüsselt und darüber hinaus keinerlei Angaben zur Höhe der durch den Umbau des Netzes anfallenden Einsparungen gemacht und insoweit lediglich pauschal behauptet, den zu erwartenden Investitionen stünden keine Einsparungen in gleicher Höhe gegenüber.

Auch soweit die Antragstellerin geltend gemacht hat, für die Durchführung der Zusammenschaltung seien sofortige Umbaumaßnahmen mit einem Kostenaufwand von insgesamt 19,177 Mio. Euro erforderlich, ist dies nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

Insoweit hat die Beigeladene zu Recht darauf verwiesen, dass die Antragstellerin offensichtlich ohne Probleme in der Lage ist, ab dem 1. Januar 2002 eine Zusammenschaltung vorzunehmen. Vor diesem Hintergrund ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, dass es vor einer Durchführung der angeordneten Zusammenschaltung zunächst erheblicher Umbaumaßnahmen (mit einem angeblichen Planungsvorlauf von ca. einem Jahr) bedarf.

Fehlt es nach allem an der Glaubhaftmachung konkreter Nachteile durch die Antragstellerin, so muss es bei dem im Interesse der Schaffung von Wettbewerb (§ 1 TKG) angeordneten gesetzlichen Ausschluss des Suspensiveffektes (§ 80 Abs. 2 TKG) verbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO i. V. § 100 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da diese einen Sachantrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 GKG. Dabei orientiert sich das Gericht an der Streitwertbestimmung des OVG NRW im ersten EBC- Verfahren (vgl. Beschluss vom 3. Mai 2001 - 13 B 69/01 -) und setzt von dem dort angenommenen Wert von 12 Millionen DM nur die Hälfte an, weil es hier nur um eine Zusammenschaltungsanordnung und nicht zusätzlich auch um eine Entgeltgenehmigung geht.






VG Köln:
Beschluss v. 13.02.2002
Az: 1 L 2712/01


Link zum Urteil:
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