Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Mai 2005
Aktenzeichen: 29 W (pat) 97/03

(BPatG: Beschluss v. 04.05.2005, Az.: 29 W (pat) 97/03)

Tenor

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Februar 2003 wird in Punkt 1 aufgehoben, soweit die Erinnerung gegen die Kostenentscheidung in Punkt 2 des Beschlusses vom 23. Februar 2001 zurückgewiesen wurde, sowie in Punkt 2 zur Kostenentscheidung im Erinnerungsverfahren.

2. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Februar 2001 wird in Punkt 2 betreffend die Kostenentscheidung aufgehoben.

3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 1. Oktober 1998 veröffentlichte Eintragung der Wort-/Bildmarke 398 40 891 Grafik der Marke 39840891.2 für die Waren der Klassen 16, 18 und 25 Aufkleber aus Papier oder Kunststofffolie oder Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Taschen, Rucksäcke und Gürteltaschen, Portemonnaies; Bekleidungsstücke, insbesondere T-Shirts, Sweater, Hosen, Shorts, Radlerhosen, Leggins und Jacken, Kopfbedeckungen, insbesondere Hüte und Capswurde Widerspruch erhoben aus der Marke 2 024 390 Wiedergabe der Markeeingetragen am 10. November 1992 für die Waren der Klassen 6, 14, 16, 18, 20, 24, 25 und 27 T-Shirts aus Naturfasern und/oder Kunstfasern, Sweater aus Naturfasern und/oder Kunstfasern, Shorts aus Naturfasern und/oder Kunstfasern, Jacken aus Naturfasern und/oder Kunstfasern, Hüte, Caps aus Naturfasern und/oder Kunstfasern, Radlerhosen aus Naturfasern und/oder Kunstfasern, Leggins aus Naturfasern und/oder Kunstfasern, Hosen aus Naturfasern und/oder Kunstfasern, Taschen aus Naturfasern und/oder Kunstfasern, Rucksäcke aus Naturfasern und/oder Kunstfasern, Gürteltaschen aus Naturfasern und/oder Kunstfasern, Handtücher aus Naturfasern und/oder Kunstfasern, Fußmatten aus Natur- oder Kunststoffen, Aufkleber aus Papier und Kunststofffolie, Anhänger aus Metall oder Kunststoff, Portemonnaies aus Kunststoff, Trinkbecher aus Porzellan, Teller aus Porzellan, Armbanduhren aus Kunststoffsowie aus der Marke 396 26 944 Grafik der Marke 39626944.3 eingetragen am 7.November 1996 für die Waren der Klassen 14, 16, 18, 21, 24, 25, 26, 27, 28, 32 und 42 Juwelierwaren, Schmuckwaren, Uhren; Papierwaren und Verpackungsmaterialien soweit in Klasse 16 enthalten, Spielkarten, Druckereierzeugnisse, Einkaufstüten aus Papier oder Kunststoff; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten, Reise- und Handkoffer, Regen- und Sonnenschirme; Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall), Teller, Becher und Gläser soweit in Klasse 21 enthalten; Webstoffe und Textilwaren (soweit in Klasse 24 enthalten), Bett- und Tischdecken, Strandtücher; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Bademäntel, Strandbekleidung; Bänder und Schnürbänder, Knöpfe, Anstecknadeln, künstliches Dekor (soweit in Klasse 26 enthalten); Teppiche, Strandmatten, Fußmatten, Bodenbeläge und Tapeten (außer aus textilem Material); Spiele, Spielzeug, Stofftiere, aufblasbare Badetiere, Holzspielzeug, Christbaumschmuck; Mineralwässer und andere alkoholfreie Getränke, Fruchtsäfte; Unterbringung und Verpflegung von Gästenund aus der Wortmarke 398 22 001 DIE SYLT KUH eingetragen am 16. Juni 1998 für die Waren der Klassen 14, 16, 18, 21, 24, 25, 26, 27, 28, 32, 33, 36 und 42 Juwelierwaren, Schmuckwaren, Uhren;

Papierwaren und Verpackungsmaterialien soweit in Klasse 16 enthalten, Spielkarten, Druckereierzeugnisse, Einkaufstüten aus Papier oder Kunststoff; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten, Reise- und Handkoffer, Regen- und Sonnenschirme;

Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall), Teller, Becher und Gläser soweit in Klasse 21 enthalten;

Webstoffe und Textilwaren (soweit in Klasse 24 enthalten), Bett- und Tischdecken, Strandtücher;

Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Bademäntel, Strandbekleidung;

Bänder und Schnürbänder, Knöpfe, Anstecknadeln, künstliches Dekor (soweit in Klasse 26 enthalten); Teppiche, Strandmatten, Fußmatten, Bodenbeläge und Tapeten (außer aus textilem Material);

Spiele, Spielzeug, Stofftiere, aufblasbare Badetiere, Holzspielzeug, Christbaumschmuck;

Mineralwässer und andere alkoholfreie Getränke, Biere, Fruchtsäfte; alkoholische Getränke; Immobilienwesen; Unterbringung und Verpflegung von Gästen.

Die Widersprechenden haben mit Erhebung der Widersprüche beantragt, der Markeninhaberin die Kosten des Widerspruchsverfahrens aufzuerlegen. Die angegriffene Marke sei in Kenntnis der Widerspruchsmarken und eines gegen die Markeninhaberin im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenen Beschlusses des Landgerichts Flensburg angemeldet worden.

Die Markeninhaberin hat die Benutzung der Marke 2 024 390 bestritten.

Mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Februar 2001 wurde die Löschung der Marke angeordnet und der Markeninhaberin die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Die Widersprechenden hätten die Benutzung der Marke 2 024 390 glaubhaft gemacht. Beide Vergleichszeichen zeigten übereinstimmend die Darstellung einer Kuh und das Wort "Sylt", das innerhalb der Marke allerdings unterschiedlich angeordnet sei. Der weitere Wortbestandteil "OUT BACK" der Widerspruchsmarke 2 024 390 trete im Gesamteindruck zurück und könne wegen der beschreibenden Bedeutung keine prägende Wirkung entfalten und daher der Verwechslungsgefahr nicht entgegen wirken. Aus denselben Gründen bestehe Verwechslungsgefahr mit der Marke 396 26 944. Hinsichtlich der Marke 398 22 001 ergebe sich die Gefahr von Verwechslungen aus der Tatsache, dass es sich dabei um die wörtliche Benennung der angegriffenen Marke handele. Die Kosten seien der Markeninhaberin aufzuerlegen, weil sie bereits vor Einreichung der Anmeldung auf die eindeutig verwechslungsfähige ältere Marke hingewiesen worden sei.

Die dagegen gerichtete Erinnerung der Markeninhaberin hat die Markenstelle mit Beschluss vom 7. Februar 2003 zurückgewiesen und der Markeninhaberin auf Antrag der Widersprechenden die Kosten des Erinnerungsverfahrens auferlegt.

Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Bei dem von der Markenstelle als prägend angesehenen Wortbestandteil "Sylt" handele es sich um eine geografische Herkunftsangabe, die aus Rechtsgründen keine Prägung und damit auch keine Verwechslungsgefahr bewirken könne. Auch dem Bildbestandteil komme geringe Kennzeichnungskraft zu, da das Motiv "Kuh" in Verbindung mit der Angabe "Sylt" wegen der früheren wirtschaftlichen Bedeutung der Landwirtschaft für die Insel Sylt ebenfalls einem geografischen Hinweis gleichkäme. Zur Frage der fehlenden Zeichenähnlichkeit verweist sie auf ihr Vorbringen im Amtsverfahren. Die angegriffene Marke unterscheide sich von den Widerspruchsmarken 2 024 390 und 396 26 944 bereits durch die unterschiedliche Anordnung des Schriftzugs Sylt und die Tatsache, dass die in der angegriffenen Marke wiedergegebene Kuh mit heraushängender Zunge geradeaus schaue, während die mit den Widerspruchsmarken wiedergegebene Kuh den Betrachter anschaue.

Außerdem sei die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gerechtfertigt, weil die Markenstelle unter Missachtung der prozessualen Sorgfaltspflicht außer Acht gelassen habe, dass eine Löschungsklage, die höchstrichterlich entschieden worden sei, nicht als von vorneherein erfolglos angesehen werden könne. Unberücksichtigt geblieben sei außerdem, dass die Markeninhaberin die Marke vor der endgültigen Entscheidung über die gegen die Widerspruchsmarke 2 024 390 gerichtete Klage deshalb angemeldet habe, um sich einen möglichst frühen Zeitrang zu sichern.

Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

Die Widersprechenden beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen und der Inhaberin der angegriffenen Marke die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zu Recht habe die Markenstelle die Verwechslungsgefahr festgestellt. Die Eigentümlichkeit der Widerspruchsmarken ergebe sich durch die Anordnung der an sich schutzunfähigen Angabe "Sylt" auf bzw. vor dem Körper einer Kuh. Die "Sylt Kuh" erfreue sich großer Beliebtheit, so dass den Widerspruchsmarken eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft zukomme. Die Kostenauferlegung sei wegen der Böswilligkeit der Markeninhaberin gerechtfertigt. Diese habe versucht sich der Widerspruchsmarken zu bemächtigen. Zu diesem Zweck sei einerseits die Anmeldung der angegriffenen Marke und andererseits der gegen die Widerspruchsmarken gerichtete Löschungsantrag wegen Nichtbenutzung erfolgt mit der Absicht, nach der Löschung der Widerspruchsmarken und Eintragung der angegriffenen Marke den Widersprechenden die Verwendung der Widerspruchsmarken zu verbieten.

Die Markeninhaberin ist dem Antrag auf Kostenauferlegung entgegengetreten. Für das Markeneintragungsverfahren gelte der Grundsatz, dass jede Partei ihre Kosten selbst trage. Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bestehe keine Veranlassung.

II.

Die nach § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat Erfolg, soweit die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts der Markeninhaberin die Kosten des Verfahrens auferlegt hat. Im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen, weil für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG).

1. Im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt gilt der Grundsatz, dass jeder Verfahrensbeteiligte die ihm entstandenen Kosten selbst trägt. Nur ausnahmsweise kommt eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen in Betracht (§ 63 Abs. 1 S. 1 und 3 MarkenG). Die patentamtliche Kostenentscheidung ist damit eine Ermessensentscheidung, deren gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt ist, ob das Ermessen innerhalb des gegebenen Ermessenspielraum rechtsfehlerfrei ausgeübt wurde (vgl. BPatG 40, 229, 231 - Nomen est Omen). Ein Ermessensfehlgebrauch liegt nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens vor, wenn die Behörde den Sachverhalt verkennt oder eine sachwidrige Entscheidung trifft (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl, § 63 Rdn 4; Kopp/Ramsauer, VwVfg, 8. Aufl., § 40 Rn 61).

1.1. Die Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen setzt besondere Umstände voraus, die die Auferlegung rechtfertigen. Davon ist in der Regel bei einer Verletzung der prozessualen Sorgfaltspflicht auszugehen, die insbesondere darin bestehen kann, dass ein Beteiligter das Verfahren betrieben hat, obwohl er dessen Aussichtslosigkeit erkennen musste (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl, § 63 Rdn 4; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 63 Rn 16 iVm § 71 Rdn 25). Eine solche Sorgfaltspflichtverletzung hat die Markenstelle darin gesehen, dass die Markeninhaberin ihre Marke anmeldete, obwohl ihr aufgrund der gegen sie gerichteten einstweiligen Verfügung die prioritätsältere Widerspruchsmarke 2 024 390 bekannt war. Im Erinnerungsverfahren hat die Markenstelle als weitere Sorgfaltspflichtverletzung der Markeninhaberin den Umstand gewertet, dass sie nicht auf die Marke verzichtete, nachdem die gegen die Widerspruchsmarke 2 024 390 gerichtete Klage auf Verfallslöschung vom Bundesgerichtshof zurückgewiesen worden war.

1.2. Diese Beurteilung lässt unberücksichtigt, dass sowohl im einstweiligen Verfügungsverfahren als auch im Löschungsklageverfahren der Streitgegenstand ein anderer war als im vorliegenden Widerspruchsverfahren und beiden Verfahren sich daher nichts zur Frage der Verwechslungsgefahr der hier verfahrensgegenständlichen Marken entnehmen lässt. Das einstweilige Verfügungsverfahren betraf einen von der Markeninhaberin in Verkehr gebrachten, nicht markenrechtlichen geschützten Aufkleber, der sich von der angegriffenen Marke in der grafischen Darstellung deutlich unterscheidet. Die im summarischen Verfahren getroffene Feststellung des Landgerichts, dass dieser Aufkleber der Widerspruchsmarke 2 024 390 ähnlich sei, enthält daher keine Anhaltspunkte für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr der hier in Rede stehenden Marken. Gleiches gilt für die vom Bundesgerichtshof zurückgewiesenen Löschungsklage, deren Gegenstand nicht die markenrechtliche Verwechslungsgefahr, sondern die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke 2 024 390 war (vgl BGH GRUR 2002, 1072 - SYLT-Kuh).

1.3. Eine die Kostenauferlegung rechtfertigende Behinderungsabsicht bzw. Böswilligkeit sieht der Senat auch nicht in der Tatsache, dass die Markeninhaberin ihrerseits eine Marke angemeldet hat. Wie aus der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Flensburg ersichtlich, beabsichtigte sie eigene Waren unter der beanspruchten Kennzeichnung auf den Markt zu bringen und hatte daher ein berechtigtes Interesse an markenrechtlicher Absicherung. Da die Markeninhaberin von der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke 2 024 390 ausging, war es konsequent zur Sicherung eines Zeitrangs die Anmeldung zu tätigen. Diese Gesichtspunkte hat die Markenstelle bei der Kostenentscheidung unberücksichtigt gelassen, so dass die angefochtenen Beschlüsse im Kostenpunkt aufzuheben waren.

2. Hingegen hat die Markenstelle zu Recht die Löschung der Marke angeordnet, weil für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht (§ 43 Abs. 2 S. 1 MarkenG).

Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungskriterien der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit, der Markenähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, Rn 17 - Canon; BGH GRUR 2005, 419, 422 - Räucherkate). Nach diesen Grundsätzen muss im vorliegenden Fall jedenfalls die Verwechslungsgefahr mit der Marke 396 26 944 bejaht werden.

3. Hinsichtlich der Widerspruchsmarke 396 26 944 wurden keine Benutzungsfragen aufgeworfen, so dass für die Beurteilung der Warenähnlichkeit von der Registerlage auszugehen ist. Die Waren "Bekleidungsstücke, insbesondere T-Shirts, Sweater, Hosen, Shorts, Radlerhosen, Leggins und Jacken, Kopfbedeckungen, insbesondere Hüte und Caps" der angegriffenen Marke sind mit den Widerspruchswaren "Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen, Bademäntel, Strandbekleidung" identisch. Im Identitäts- bzw. engen Ähnlichkeitsbereich liegen außerdem die Waren der angegriffenen Marke "Taschen, Rucksäcke und Gürteltaschen, Portemonnaies" und die von der Widerspruchsmarke erfassten Waren "Einkaufstüten aus Kunststoff; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten, Reise- und Handkoffer". Insoweit bestehen hinsichtlich des Verwendungszweck, der regelmäßigen betrieblichen Herkunft und der Vertriebsstätte enge Berührungspunkte, weil Lederwaren- und Kofferhersteller üblicherweise auch Waren aus Kunststoff herstellen und diese Waren in den gleichen Fachgeschäften bzw. Kaufhausabteilungen angeboten werden. Ebenfalls hochgradig ähnlich sind die von der angegriffenen Marke erfassten Waren "Aufkleber aus Papier oder Kunststofffolie oder Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten" mit den "Papierwaren und Verpackungsmaterialien soweit in Klasse 16 enthalten" der Widerspruchsmarke, und den Waren der angegriffenen Marke, weil sie in der Regel in den gleichen Betrieben hergestellt und zusammen in Schreibwarengeschäften und -abteilungen vertrieben werden.

4. Für die Widerspruchsmarke 396 26 944 ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen. Besondere Umstände, die die Annahme einer gesteigerten Kennzeichnungskraft rechtfertigen könnten, insbesondere hinsichtlich des von der Marke gehaltenen Marktanteils, der Intensität, der geografischen Verbreitung und der Dauer der Benutzung dieser Marke, haben die Widersprechenden nicht vorgetragen und sind für den Senat auch nicht ersichtlich (vgl. EuGH GRUR Int. 1999, 734, Rn 23 - Lloyd; BGH GRUR 2002, 1067, 1069 - DKV/OKV). Die zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke 2 024 390 vorgetragenen Umsatzzahlen und der Hinweises, dass die "Sylt Kuh" in Norddeutschland eine Kultfigur darstelle, legen allenfalls eine regionalen Bekanntheit der Marke nahe.

Anhaltspunkte für eine Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke sieht der Senat ebenso wenig. Der als Kuhflecken ausgestaltete Wortbestandteil "Sylt" verbindet sich mit der bildlichen Darstellung einer Kuh zu einem einheitlichen Gesamtbild, das die beanspruchten Waren nicht unmittelbar beschreibt und ungeachtet der beschreibenden Bedeutung der geografischen Herkunftsangabe "Sylt" kennzeichnungskräftig ist. Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Identität bzw. engen Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren hält die angegriffene Marke nicht den erforderlichen Zeichenabstand ein.

5. Die Zeichenähnlichkeit ist nach Klang, Schriftbild und Sinngehalt anhand des Gesamteindrucks der Marken zu beurteilen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es darauf an, wie die Marke vom angesprochenen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren und Dienstleistungen als Ganzes wahrgenommen wird (vgl. EuGH GRUR Int 2004, 843, Rn 29 - MATRATZEN; BGH GRUR 2004, 779, 782 - Zwilling/Zweibrüder).

5.1. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit in bildlicher Hinsicht ist bei Wort-/Bildmarken davon auszugehen, dass die Bildbestandteile den Gesamteindruck mitprägen, sofern es sich nicht um nichtssagende oder gängige grafische Gestaltungen handelt (vgl. BGH GRUR 2005, 419, 423 - Räucherkate). Die Abbildung einer Kuh ist im hier maßgeblichen Warengebiet weder werbeüblich noch für die beanspruchten Waren beschreibend, so dass dieser Bildbestandteil in die Prüfung der Verwechslungsgefahr miteinzubeziehen ist. Im maßgeblichen Gesamteindruck nimmt das angesprochene Publikum daher bei beiden Zeichen übereinstimmend den in Großbuchstaben geschriebenen Wortbestandteil "Sylt" und die stilisierte Zeichnung einer Kuh wahr. Allerdings sind die grafische Ausgestaltung und Anordnung des jeweiligen Wortbestandteils deutlich unterschiedlich. Während der Schriftzug "SYLT" bei der Widerspruchsmarke nach Art von Kuhflecken ausgestaltet und damit in den Körper der Kuh integriert ist, hebt sich der Wortbestandteil in der angegriffenen Marke vom Bild der Kuh ab und vermittelt den Eindruck, als stünde die Kuh hinter den Buchstaben. Auch die jeweiligen Bildbestandteile weisen in der Blickrichtung der Kuh, der Anordnung der Zunge, der Haltung des Schwanzes und der Ausgestaltung der Hörner und der Kuhflecken sichtbare Unterschiede auf. Angesichts dieser Vielzahl unterschiedlicher Merkmale ist die Zeichenähnlichkeit im bildlichen Gesamteindruck daher zu gering, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.

5.2. Die Zeichen sind aber in klanglicher und begrifflicher Hinsicht identisch. Für die Beurteilung von Wort-/Bildzeichen gilt der Grundsatz, dass sich das angesprochene Publikum jeweils am Wortbestandteil als der einfachsten und kürzesten Form der Benennung orientiert, sofern dieser nicht für sich genommen wegen absoluter Schutzhindernisse schutzunfähig ist (vgl. BGH GRUR 2004, 778, 779 - URLAUB DIREKT). Dies bedeutet für die mündliche Wiedergabe, dass ein Kombinationszeichen aus Wort- und Bildelementen in der Regel allein nach dem Wortbestandteil benannt wird. Insofern stünden sich für den klanglichen Zeichenvergleich die identischen Bestandteile "Sylt" gegenüber. Als nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG schutzunfähige geografische Herkunftsangabe kommt diesen Bestandteilen aber aus Rechtsgründen keine selbständig kennzeichnende Funktion zu (vgl. BGH aaO - URLAUB DIREKT, GRUR 2003, 1040, 1043 - Kinder). In Verbindung mit dem auffälligen und über das Werbeübliche hinausgehenden Bildbestandteil ist es daher naheliegend die Vergleichzeichen als "Sylt-Kuh" zu bezeichnen, so dass jedenfalls bei mündlicher Wiedergabe und in begrifflicher Hinsicht die Gefahr von Verwechslungen besteht.

6. Nachdem die im angefochtenen Beschluss angeordnete Löschung bereits auf Grund des Widerspruchs aus der Marke 396 26 944 Bestand hat, ist die Beschwerde hinsichtlich der Widerspruchsmarken 2 024 390 und 398 22 001 derzeit gegenstandslos. Für den Fall einer erfolgreichen Eintragungsbewilligungsklage der gelöschten Marke kann das Verfahren auf Antrag der Widersprechenden fortgesetzt werden.

7. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG). Wie unter Ziff. 1 ausgeführt, stellt das Interesse der Markeninhaberin sich über den Schutzumfang der Widerspruchsmarken Klarheit zu verschaffen, kein rechtsmissbräuchliches Verhalten dar, das eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen rechtfertigen könnte.

8. Auch für die beantragte Rückzahlung der Beschwerdegebühr sind Billigkeitsgründe nicht ersichtlich (§ 71 Abs. 3 MarkenG). Die Rückzahlung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn das Einbehalten der Gebühr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls unbillig wäre. Billigkeitsgründe können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern des Deutschen Patent- und Markenamts ergeben (vgl Fezer, MarkenG, 3. Aufl., § 71 Rn 14; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 71 Rn 35 ff; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 71 Rn 57 ff). Die Entscheidung der Markenstelle ist aber nicht mit einem Verfahrensfehler behaftet, sondern beruht auf einer fehlerhaften Anwendung des materiellen Rechts. Im Übrigen fehlt es an der erforderlichen Kausalität zwischen der von der Markeninhaberin gerügten Kostenentscheidung und der Beschwerdeeinlegung, da die Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde nicht ausschließlich die patentamtliche Kostenentscheidung, sondern zugleich die Entscheidung über die Widersprüche angegriffen hat (vgl. Ströbele/Hacker § 71 Rn 61).

Grabrucker Baumgärtner Fink Cl






BPatG:
Beschluss v. 04.05.2005
Az: 29 W (pat) 97/03


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