Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 14. Juli 1998
Aktenzeichen: 15 U 155/97

(OLG Köln: Urteil v. 14.07.1998, Az.: 15 U 155/97)

Tenor

Das Versäumnisurteil des Senats vom 03.02.1998 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, daß die Berufung des Beklagten gegen das am 20. August 1997 verkündete Urteil der 28. Zivilsenat des Landgerichts Köln - 28 0 584/96 - insoweit zurückgewiesen wird, als1.der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 22.989,82 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15.08.1996 Zug um Zug gegen Rückübereignung und Óbergabe des PKW Nis-san Primera 1,6 l (Fahrzeug-Ident.-Nr. .............) zu zahlen, und2.festgestellt wird, daß sich der Beklagte in Annahmeverzug befindet. Wegen eines ursprünglich darüber hinausgehenden Zahlungsbetrages von 1.219,17 DM ist der Rechtsstreit erledigt. Im übrigen wird die Klage unter teilweiser Anfechtung des Versäumnisurteils vom 3. Februar 1998 und entsprechender Abänderung des oben bezeichneten Urteils abgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, in der Sache selbst jedoch - bis auf einen geringfügigen Betrag - nicht begründet.

Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht zugesprochen. Soweit der Rechtsstreit nicht wegen zwischenzeitlich gezogener Gebrauchsvorteile in Höhe von 1.219,17 DM für erledigt erklärt worden ist, war deshalb das Versäumnisurteil des Senats vom 03.02.1998 im wesentlichen aufrechtzuerhalten.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Wandelung des Kaufvertrags vom 31.07.1996 und damit auf Rückzahlung von 22.989,82 DM Zug um Zug gegen Rückübereignung des im Tenor aufgeführten PKW Nissan Primera 1,6 l zu. Dieser Anspruch ergibt sich aus §§ 346, 467, 462, 459 Abs. 2 BGB wegen Fehlens zugesicherter Eigenschaften. Unstreitig ist das der Klägerin gelieferte Fahrzeug weder mit einem Airbag noch mit einem Antiblockiersystem (ABS) ausgerüstet.

Wie das Landgericht - so sieht auch der Senat es nach ergänzend durchgeführter Beweisaufnahme als bewiesen an, daß der Beklagte der Klägerin bei den Kaufverhandlungen mündlich zugesagt hat, das verkaufte Fahrzeug sei mit Airbag und ABS ausgestattet; was das Vorliegen einer diesbezüglichen Zusicherung i. S. v. § 459 Abs. 2 BGB sowie deren Wirksamkeit unter Berücksichtigung der allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten angeht, kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen werden. Eine Zusicherung hinsichtlich des Vorhandenseins eines Airbags ergibt sich im übrigen auch schon daraus, daß das Fahrzeug unstreitig als "EG-Neuwagen" verkauft worden ist. Nach Auffassung des Senats liegt darin, wenn nicht zugleich auf eine fehlende Aktualität bezüglich des deutschen Markts oder auf das Fehlen bestimmter einzelner Standard-Ausrüstungsteile hingewiesen wird, die Zusicherung, daß es sich um ein fabrikneues, modellaktuelles Fahrzeug handelt. Aufgrund des von der Klägerin vorgelegten Verkaufsprospekts der Firma Nissan - Stand Juni 1996 - (Hülle Blatt 126) steht fest, daß bei Kaufvertragsabschluß Ende Juli 1996 sämtliche Neufahrzeuge des Typs Nissan Primera 1,6 l auf dem deutschen Markt bereits serienmäßig mit Airbag ausgestattet waren. Da nach der durchgeführten Beweisaufnahme zugleich feststeht, daß der Beklagte nicht auf das Fehlen eines Airbags oder die fehlende Modellaktualität bezüglich des deutschen Marktes hingewiesen hat, ist der Wandelungsanspruch auch aus diesem Grunde gegeben. Im einzelnen gilt folgendes:

1.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist beim Verkauf eines "Neuwagens" die Fabrikneuheit des Fahrzeugs als zugesichert anzusehen, und zwar auch dann, wenn es sich bei dem Verkäufer nicht um einen Vertragshändler des Herstellerwerks handelt (BGH NJW 80, 2127; 97, 1847; OLG Düsseldorf, NJW 71, 622; OLGR 92, 298; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 6. Auflage, Rnr. 853 m. w. N.). Was dies im Einzelfall bedeutet, insbesondere auch bei einem sogenannten EG-Neuwagen, der über einen Kfz-Händler eines EG-Landes importiert worden ist, ist durch Auslegung zu ermitteln (BGH, NJW 97, 1847 f.).

Ob der Begriff "Neuwagen" auch die Zusicherung eines maximalen Zeitablaufs zwischen Herstellung und Kaufvertrag sowie eine bestimmte Mindestgarantiefrist ab dem Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses beinhaltet, bedarf hier keiner Entscheidung. Nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur liegt ein "Neuwagen" grundsätzlich jedenfalls dann nicht mehr vor, wenn der Modelltyp des verkauften Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in der äußeren Formgebung, der Ausstattung oder in technischer Hinsicht gegenüber dem Vorgängermodell wesentlich verändert worden ist (BGH, NJW 80, 1097; OLG Köln, 13. Zivilsenat, DAR 90, 457; OLG Koblenz, NZV 95, 399; NJW - RR 97, 430; Reinking-Eggert, Rnr. 446, 459, 476 ff. m. w. N.). Nach Auffassung des Senats muß dies auch für sogenannte "EG-Neuwagen" gelten (so auch OLG Koblenz a.a.O.; Reinking-Eggert, Rnr. 465 a.E.). Aus der Bezeichnung "EG-Neuwagen" ergibt sich für den Käufer lediglich, daß das Fahrzeug über ein EG-Land importiert worden ist - mit einer für den deutschen Käufer ersichtlich günstigeren Preisgestaltung. Dagegen kann dem Begriff nicht entnommen werden, daß es sich dabei eventuell um ein in Deutschland nicht mehr aktuelles oder sonst nicht gängiges Modell handelt. Der Werbung eines Kraftfahrzeughändlers, der einen Fahrzeugtyp eines Herstellers anbietet, der auch sonst auf dem deutschen Markt angeboten wird, entnehmen die angesprochenen Verkehrskreise, das konkret beworbene Fahrzeug weise die gleichen Ausrüstungs- und Ausstattungsmerkmale auf wie die üblicherweise angebotenen Fahrzeuge (BGH, DAR 94, 70 f.). Aus diesem Grunde hat der Bundesgerichtshof der vorgenannten Entscheidung eine Werbung gemäß § 3 UWG für wettbewerbswidrig und damit unzulässig gehalten, bei der der Kfz-Händler Neufahrzeuge bewirbt, die nicht für den deutschen Markt hergestellt worden sind, wenn er gegenüber dem inländischen Verbraucher nicht zugleich auf wesentliche Abweichungen in Ausrüstung und/oder Ausstattung von gleichartigen, für den deutschen Markt produzierten Modellen hinweist. Für ein entsprechendes Verständnis des Begriffs "EG-Neuwagen" spricht vorliegend insbesondere auch der von der Klägerin vorgelegte Zeitungsartikel vom 21.05.1997 (Blatt 48 d.A.), in dem der Beklagte wörtlich mit der Aussage zitiert wird : "Die Autos laufen alle vom selben Band". Eine entsprechende Werbung hat der Beklagte nicht in Abrede gestellt. Mit der Zusage eines "EG-Neuwagens" wird daher grundsätzlich ein Fahrzeug des zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses aktuellen Modells mit der für den deutschen Markt gängigen Ausrüstung und Ausstattung - jedenfalls hinsichtlich der wesentlichen Merkmale - zugesichert. Da es sich bei einem Airbag um ein für die Sicherheit ganz wesentliches technisches Ausstattungsmerkmal handelt, das für den Kaufentschluß eines Käufers von entscheidender Bedeutung sein kann, war hier somit bei Fehlen eines entsprechenden gegenteiligen Hinweises das Vorhandensein eines Airbags zugesichert.

2.

Nach der vom Landgericht sowie der in der Berufungsinstanz durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, daß der Beklagte die Klägerin nicht darauf hingewiesen hat, daß das von ihr bestellte Fahrzeug keinen Airbag habe und/oder es sich um ein Fahrzeug handele, dessen Ausstattungsmerkmale nicht aktuell in bezug auf den deutschen Markt seien; vielmehr steht fest, daß der Beklagte - im Gegenteil - erklärt hat, das Fahrzeug werde sowohl mit Airbag als auch mit ABS ausgestattet sein.

Der bereits vom Landgericht hierzu vernommene Zeuge W. L., der Ehemann der Klägerin, hat dies schon bei seiner Aussage vor dem Landgericht sehr eingehend und überzeugend geschildert. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen der Kammer in dem angefochtenen Urteil, denen sich der Senat in vollem Umfang anschließt, verwiesen werden. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung greifen demgegenüber nicht durch. Auch wenn der Zeuge als Ehemann der Klägerin naturgemäß ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat, steht dies der Glaubhaftigkeit seiner Aussage nicht notwendig entgegen. Für deren Glaubhaftigkeit sprechen insbesondere die vielen Details, über die der Zeuge bei seiner Vernehmung berichtet hat. Außer den bereits vom Landgericht erwähnten Umständen sind dies etwa der Hinweis auf einen Besuch bei der Firma D. sowie zwei Äußerungen des Beklagten, der Zeuge O. werde sich ärgern, und, bei der Reklamation sei der Beklagte erstaunt gewesen. Soweit der Beklagte behauptet, der Zeuge habe den gesamten Inhalt der gewechselten Schriftsätze gekannt, mag dies so gewesen sein. Das ändert aber nichts daran, daß die auf einer sehr eingehenden Vernehmung beruhende Aussage des Zeugen in sich schlüssig und überzeugend ist. Die ergänzende Vernehmung des Zeugen durch den Senat hat insoweit nichts anderes ergeben.

Die Aussage des Ehemannes der Klägerin wird auch bestätigt durch die Aussagen der vom Senat ebenfalls noch gehörten Zeugen O.L., des Sohnes der Klägerin, sowie des Zeugen O.. Der Zeuge O.L. hat berichtet, daß er zwei Tage nach Abholung des Fahrzeugs gemeinsam mit seinen Eltern den Beklagten aufgesucht habe, diesem einen Nissan-Prospekt vorgehalten und nach den Unterschieden zwischen dem alten und dem neuen Modell gefragt habe. Der Zeuge habe darauf geantwortet, bei dem gelieferten Modell handele es sich um das neueste Modell. Auch auf Nachfrage habe er zu den Unterschieden nichts sagen können; vielmehr habe er sich erkundigen wollen und sie gebeten, noch einmal wieder zu kommen. Der Beklagte habe auch einmal mit der Taschenlampe unter den Wagen geschaut. Vorhaltungen seien ihm bei diesem Gespräch noch nicht gemacht worden. Am nächsten Tag seien seine Eltern aber noch einmal zum Beklagten hingegangen. Der Zeuge O., ein alter Bekannter der Klägerin und ihres Ehemannes, hat bekundet, daß er mit diesem etwa zwei Tage nach Abholung des Fahrzeugs beim Beklagten gewesen sei. Sie hätten sich beschwert, daß das gelieferte Fahrzeug nicht dasjenige sei, was sie bestellt hätten. Der Beklagte habe darauf entgegnet, sie hätten dieses Fahrzeug so bestellt. Er habe den Eindruck gehabt, dem Beklagten sei gar nicht bewußt gewesen, daß es sich nicht um das aktuelle Modell gehandelt habe. Die Aussagen dieser beiden Zeugen, die keinerlei Beschönigungstendenzen gezeigt haben, sind in sich schlüssig und fügen sich mit der Aussage des Zeugen W. L. zu einem in sich stimmigen Bild zusammen.

Die Aussagen der vorgenannten Zeugen werden auch nicht durch die vom Beklagten angebotenen Beweismittel erschüttert.

Der Beklagte behauptet zunächst selbst nicht, daß er auf das Fehlen eines Airbags mündlich ausdrücklich hingewiesen habe. Ebensowenig hat der Zeuge R. die in sein Wissen gestellte Behauptung des Beklagten bestätigt, der Beklagte habe bei Abschluß des Kaufvertrages darauf hingewiesen, daß die von ihm angebotenen Fahrzeuge zwar aktuell seien, nicht aber aktuell in bezug auf den deutschen Markt. Wie der Zeuge bei seiner Vernehmung vor dem Senat eingeräumt hat, war er bei den eigentlichen Vertragsverhandlungen gar nicht zugegen. Er will lediglich am Rande, nämlich im wesentlichen aus Äußerungen des Beklagten, mitbekommen haben, daß die Klägerin zunächst einen roten Nissan bestellt und dann ein oder zwei Tage später diese Bestellung rückgängig gemacht und einen anderen PKW bestellt habe. Der Beklagte hat den Vortrag der Klägerin, bei den Vertragsverhandlungen sei weder der Zeuge R. noch irgendein anderer Zeuge zugegen gewesen, auch nicht bestritten; dementsprechend hatte er diesen Zeugen hierzu zunächst auch nicht benannt.

Soweit der Beklagte in der Berufungsinstanz nunmehr die Durchschrift eines Schreibens an die Firma C. in A. vom 31.07.1996 (Blatt 163 d.A.) vorgelegt hat, in dem die Bestellung eines roten Nissan Primera 1,6 l storniert und ein Nissan Primera 1,6 l in silbermetallic "ohne Fahrerairbag" bestellt wird und das als Unterschrift auch den Namenszug der Klägerin trägt, ist ein entsprechender Urkundsbeweis gemäß § 416 ZPO hierdurch nicht geführt. Die Klägerin bestreitet, ein solches Schreiben unterschrieben oder auch nur jemals gesehen zu haben. Der Urkundsbeweis kann bei einer Privaturkunde aber nur durch Vorlage des Originals nach § 420 ZPO geführt werden, da nur anhand der Urschrift Echtheit und Fehlerfreiheit der Urkunde hinreichend sicher festgestellt werden können (BGH NJW 92, 829 f. m. w. N.; OLG Düsseldorf, NJW - RR 95, 737). Bei der vorgelegten Durchschrift wird die Möglichkeit einer Manipulation besonders deutlich. Es handelt sich nämlich um eine Durchschrift, die ohne Blaupause gefertigt worden ist und bei der sich der auf ein loses darüberliegendes Blatt Papier aufgebrachte Schriftzug ohne weiteres durchdrückt. So ist z. B. auch die Unterschrift des Beklagtenvertreters sowie die Blattzahl von Blatt 162 d.A. auf diese Durchschrift übertragen worden. Die Möglichkeit einer Manipulation dieser Durchschrift mittels Unterschiebens derselben unter ein anderes Schriftstück liegt damit auf der Hand. Die Urschrift soll sich nach Angaben des Beklagten in den Händen der Klägerin befinden, was diese bestreitet. Der Beklagte beantragt aber nicht, der Klägerin die Vorlage der Urkunde aufzugeben (gemäß § 421 ZPO). Eine Vernehmung der Klägerin zum Verbleib der Urkunde gemäß § 426 ZPO käme im übrigen schon deshalb nicht in Betracht, weil nicht feststeht, daß es eine solche Urkunde überhaupt gibt (siehe Zöller-Geimer, 18. Auflage, § 426 Rnr. 1). Mangels Vorlage der Originalurkunde kam daher die Einholung eines Gutachtens eines Schriftsachverständigen nicht in Betracht. Die vorliegende Durchschrift war dementsprechend lediglich im Wege des Freibeweises (gemäß § 286 ZPO) zu würdigen.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ist der Senat insoweit überzeugt, daß die Klägerin ein solches Schreiben nicht unterschrieben hat.

Der hierzu vom Senat ergänzend vernommene Zeuge W. L. hat bekundet, die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt einen roten PKW Nissan Primera bestellt; es sei auch nie von einem roten Fahrzeug die Rede gewesen. Das Modell Nissan Primera 1,6 l habe der Beklagte lediglich in zwei Farben beschaffen können, nämlich in grün und silbermetallic. Sie hätten sich daraufhin sogleich für das silberne Fahrzeug entschieden. Ein Schriftstück wie die Durchschrift Blatt 163 d.A. sei ihnen zu keinem Zeitpunkt vorgelegt worden. Auch diese Aussage des Zeugen ist in sich stimmig und deckt sich mit seiner früheren Aussage vor dem Landgericht, bei der er ebenfalls schon die beiden Farben grün und silbermetallic angegeben hatte - lange bevor der Beklagte erstmalig eine vorausgegangene Bestellung eines roten PKW Nissan behauptet hat.

Bedenken gegen die Richtigkeit des diesbezüglichen Vortrags des Beklagten ergeben sich im übrigen schon aus dem Prozeßverhalten des Beklagten sowie der Urkunde selbst. Auffällig ist dabei zunächst, daß die Durchschrift vom 31.07.1996 bzw. eine Kopie hiervon nicht spätestens mit der Berufungsbegründung vom 24.11.1997 und auch nicht mit der Einspruchsschrift vom 17.02.1998, sondern erst mit einem weiteren Schriftsatz vom 18.02.1998 vorgelegt worden ist. Mit der Berufungsbegründung ist zunächst lediglich die Beweiswürdigung des Landgerichts angegriffen und "aus Gründen der Waffengleichheit" Parteivernehmung des Beklagten beantragt worden. Selbst in der Einspruchsschrift vom 17.02.1998, in der erstmalig behauptet wird, der Klägerin seien alle Fahrzeuge mit sämtlichen Merkmalen einzeln beschrieben worden, woraufhin sie zunächst einen roten PKW Nissan Primera bestellt und einen Tag später eine Umbestellung vorgenommen habe, ist ein entsprechendes Schriftstück vom 31.07.1996 noch nicht erwähnt. Merkwürdig mutet auch die Erklärung des Beklagten an, das Original des Schreibens sei der Klägerin ausgehändigt und die Durchschrift an die Firma C. in Belgien übersandt worden. Eine solche Handhabung würde jeglichen Gepflogenheiten im geschäftlichen Verkehr widersprechen, schon weil der Beklagte dann diesbezüglich keine Unterlage mehr in Händen gehabt hätte. Dies ist um so bemerkenswerter, als der Beklagte gleichzeitig auch noch die ursprüngliche schriftliche Bestellung des roten PKW Nissan vernichtet haben will. Abgesehen davon, als auch dies im Geschäftsleben absolut unüblich ist, hätte der Beklagte danach überhaupt keine Unterlagen bezüglich der ursprünglichen Bestellung eines roten Pkws und der anschließenden Stornierung und Umbestellung mehr in Besitz gehabt. Ungewöhnlich ist bei dieser Sachlage auch, daß es demnach zu entsprechenden Nachfragen bei der Firma C. gekommen ist.

Hinzu kommt, daß die Durchschrift vom 31.07.1996 auch keinen Eingangsstempel der Firma C. trägt. Soweit der Beklagte zum Beweis für die ursprüngliche Bestellung eines roten PKW Nissan Primera mit Schriftsatz vom 08.06.1998 schließlich noch ein Bestätigungsschreiben der Firma C. vom 30.07.1996 (Kopie eines Telefaxes €; Blatt 205 d.A.) vorgelegt hat, bestätigt dieses allenfalls eine entsprechende Bestellung des Beklagten bei der genannten Firma, nicht aber der Klägerin bei dem Beklagten.

Der vom Senat vernommene Zeuge Co. hat zur Frage der Stornierung bekundet, er erinnere sich recht gut daran, daß der Beklagte Ende Juli 1996 zunächst telefonisch einen roten Nissan bestellt und diese Bestellung einen Tag später wieder geändert habe; so kurzfristige Umbestellungen kämen nicht sehr häufig vor. Während die Bestellungen als solche immer nur telefonisch getätigt würden, habe er über die Stornierungen etwas Schriftliches haben müssen. Er habe deshalb vom Beklagten ein entsprechendes Telefax erhalten. Die Durchschrift Blatt 163 d.A. habe er allerdings nicht bekommen und auch nie gesehen. Das neubestellte Fahrzeug habe genau dieselbe Ausstattung gehabt wie das stornierte Fahrzeug; deshalb habe es einer Preisangabe in diesem Schreiben nicht bedurft.

Diese Aussage des Zeugen Co. hält der Senat für wenig überzeugend. Zum einen leuchtet schon nicht recht ein, weshalb, wenn Bestellungen bei der Firma C. stets nur telefonisch erfolgten, bezüglich Stornierungen etwas Schriftliches erforderlich gewesen sein soll. Außerdem hat der Zeuge Co. gerade nicht bestätigt, daß die Firma C. seinerzeit die hier vorgelegte Durchschrift erhalten hatte; er konnte sich auch nicht an eine Unterschrift speziell der Klägerin erinnern. Auf entsprechende Vorhalte des Beklagten im Termin ist zudem deutlich geworden, daß der Zeuge bemüht war, es dem Beklagten mit seiner Aussage recht zu machen. So hat der Zeuge zunächst auf die Erklärung des Beklagten, nach seiner Kenntnis sei der Zeuge zu der Zeit, als die Durchschrift übermittelt wurde (gemeint war deren Rücksendung an den Beklagten wegen des vorliegenden Prozesses), wegen der Geburt seines Kindes in Urlaub gewesen, bekundet, sein Sohn sei am 20.08.1996 geboren und er habe "wahrscheinlich" schon einige Wochen vorher Urlaub gemacht, weil er "gewußt habe, daß es Probleme geben werde". Auf die weitere Erklärung des Beklagten, seines Wissens sei der Zeuge Anfang 1998 in Urlaub gewesen, als es wegen des vorliegenden Prozesses Probleme gegeben habe, hat der Zeuge erklärt, am 20.02.1998 sei ein weiters Kind von ihm geboren; er werde deshalb zum fraglichen Zeitpunkt ebenfalls in Urlaub gewesen sein. Der Zeuge hat damit dem Beklagten ersichtlich "nach dem Mund geredet". Die Angabe des Zeugen Co., abgesehen von der Farbe habe die Ausstattung des am 31.07.1996 bestellten Fahrzeuges dem des stornierten Fahrzeugs genau entsprochen, steht im übrigen in Widerspruch zum Inhalt der vorgelegten Durchschrift. Danach bestanden sogar mehrere Unterschiede, nämlich bezüglich der Merkmale Airbag, geteilte Rückbank, Lenkradverstellung, Heckspoiler und Bereifung.

Wenig zuverlässig ist auch die Aussage des vom Senat des weiteren vernommenen Zeugen R.. Dieser Zeuge hat - wie schon erwähnt - eingeräumt, daß er bei den maßgeblichen Verkaufsverhandlungen mit der Klägerin und deren Ehemann nicht zugegen war. Er habe aber - so der Zeuge - mitbekommen, daß ein roter Nissan bestellt worden sei, für den er eine Anhängerkupplung habe beschaffen sollen. Einen Tag später habe der Beklagte ihm dann gesagt, daß die Klägerin und ihr Mann den roten Nissan doch nicht haben wollten und er (der Beklagte) jetzt mit dem Belgier wegen einer Umbestellung "klarkommen müsse". Zu der Durchschrift vom 31.07.1996 (Blatt 163 d.A.) konnte er nichts sagen.

Es stellt sich schon die Frage, wieso dieser Zeuge sich angesichts des Umfangs des vom Beklagten betriebenen Automarkts nach über 1 1/2 Jahren noch an entsprechende Einzelheiten bezüglich des Kaufvertragsabschlusses erinnern können will, obwohl er mit der Sache nicht mehr befaßt war, insbesondere auch vom Beklagten bis Anfang dieses Jahres nicht als Zeuge benannt worden war und keinerlei schriftliche Unterlagen über eine Umbestellung im Geschäft des Beklagten existierten. Vor allem aber konnte auch dieser Zeuge, wie bereits gesagt, zu der eigentlichen Bestellung der Klägerin keine konkreten Angaben machen.

Es mag sogar sein, daß es im Sommer 1996 eine Bestellungsänderung bezüglich eines roten PKW Nissan gegeben hat und die Zeugen Co. und R. diesbezüglich noch gewisse Anknüpfungspunkte in Erinnerung hatten. Aufgrund der überzeugenden Aussage der Zeugen W. L., O.L. und Ru. O. sowie aufgrund des gesamten Prozeßverhaltens des Beklagten und der aufgezeigten Indizien schließt der Senat es jedoch aus, daß die Klägerin ein Schreiben vom 31.07.1996 mit dem Zusatz "ohne Fahrerairbag" - entsprechend der vorgelegten Durchschrift - bewußt unterschrieben hat. Für eine diesbezügliche Manipulation des Beklagten spricht nicht zuletzt auch der wechselnde Vortrag des Beklagten zu der seinerseits gegebenen Beschreibung der Fahrzeuge sowie zur Herstellergarantie. Während der Beklagte in der Berufungsinstanz mit dem Einspruchsschriftsatz vom 17.02.1998 (erstmals) behauptet hat, er habe der Klägerin etwa 6 Fahrzeuge handschriftlich auf jeweils gesonderten Zetteln nach Fahrzeugtyp, Farbe, der jeweils lieferbaren Ausstattung und dem entsprechenden Preis beschrieben, hat er mit Schriftsatz vom 07.04.1998 vorgetragen, nach seiner "genauen Erinnerung" habe er diese "handschriftlichen Aufzeichnungen hinsichtlich der Fahrzeuge und ihrer Ausstattung auf einem Firmenbogen geschrieben und mit seinen Aufzeichnungen selbstverständlich auf der Vorderseite des Firmenbogens begonnen". Tatsächlich hat die Klägerin einen kleinen Zettel vorgelegt, auf dem lediglich ein Toyota sowie zwei Nissan Fahrzeuge handschriftlich beschrieben sind, wobei lediglich bei einem Fahrzeug mehrere Einzelmerkmale aufgeführt sind (Blatt 183 d.A.). Zur Herstellergarantie hat der Beklagte zunächst vorgetragen, die Gewährleistungsfrist beginne mit dem Datum der Erstzulassung des Fahrzeugs, so daß es bei Grauimporten von EG-Neuwagen zu einer Verkürzung der Gewährleistungsfrist für den Verbraucher kommen könne; in der Berufungsinstanz trägt er demgegenüber vor, die Herstellergarantie beginne mit dem Tag der Auslieferung des Fahrzeugs an die Klägerin.

Nach alledem hält der Senat es für bewiesen, daß der Beklagte der Klägerin die Ausstattung des Fahrzeugs mit Airbag und ABS zugesichert hat.

Einer weiteren Beweiserhebung bedurfte es nicht mehr; insbesondere war den im Verhandlungstermin vom 23.06.1998 gestellten Beweisanträgen des Beklagten nicht mehr zu entsprechen. Die Anträge auf Vorlage von Unterlagen der Firma C. sowie auf Vernehmung von Zeugen, die bei der Firma C. beschäftigt sind, sind gemäß §§ 527, 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Die Erhebung dieser Beweise würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögern. Der Beklagte hat die Verspätung auch nicht ausreichend entschuldigt. Beide Anträge hätten spätestens nach dem Hinweisbeschluß des Senats vom 18.05.1998 gestellt werden können und müssen, als klar war, daß zum Beweis der Echtheit der Durchschrift vom 31.07.1996 kein Gutachten eines Schriftsachverständigen eingeholt werden würde, sondern dieser Beweis gegebenenfalls anders geführt werden müßte.

Eine Parteivernehmung des im Termin anwesenden Beklagten gemäß § 448 ZPO kam ebenfalls nicht in Betracht, da der Senat von der Richtigkeit des klägerischen Vorbringens bereits überzeugt war.

Dementsprechend ist der Beklagte zur Wandelung des Kaufvertrages und damit zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung und Rückgabe des gelieferten Fahrzeugs verpflichtet.

Die Klägerin hat allerdings für die von ihr gezogenen Nutzungen - rund 9.200 gefahrene km - gemäß § 346 Satz 2 BGB Wertersatz in Höhe von 1.510,18 DM (0,67 % des Kaufpreises je 1.000 km) zu leisten, die sie sich auf den Kaufpreis von 24.500,00 DM anrechnen lassen muß und die vom Beklagten zur Höhe nicht bestritten worden sind. Insoweit ist der Rechtsstreit in Höhe von 1.219,17 DM mit Recht für erledigt erklärt worden.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 347 Satz 3, 246 BGB.

Der Beklagte befindet sich auch in Annahmeverzug, so daß die entsprechende Feststellung ebenfalls zu Recht getroffen worden ist. Auf die zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil kann insoweit verwiesen werden.

Insgesamt war daher das Versäumnisurteil des Senats vom 03.02.1998 im zuerkannten Umfang aufrechtzuerhalten.

Der Schriftsatz des Beklagten vom 1. Juli 1998 gab keinen Anlaß zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91 a, 92 Abs. 2, 97 Abs. 1, 344 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert der Berufung: bis zum 02.02.1998 24.097,15 DM

(siehe Beschluß vom 02.12.1997);

vom 03.02. bis 22.06.1998

23.719,63 DM (s. VU vom

03.02.1998);

ab dem 23.06.1998 23.492,53 DM

(22.992,53 DM + 500,00 DM Fest-

stellungsantrag)






OLG Köln:
Urteil v. 14.07.1998
Az: 15 U 155/97


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