Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Juli 2009
Aktenzeichen: 14 W (pat) 309/06

(BPatG: Beschluss v. 30.07.2009, Az.: 14 W (pat) 309/06)

Tenor

Das Patent 100 37 845 wird widerrufen.

Gründe

I Die Erteilung des Patents 100 37 845 mit der Bezeichnung

"Streichmasse für bedruckbare Papiere und Verfahren zur Herstellung bedruckbarer Papiere"

ist am 29. September 2005 veröffentlicht worden.

Gegen dieses Patent ist am 29. Dezember 2005 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber dem durch die Entgegenhaltungen D1 Brookfield: More solutions to sticky problems, S. 6, 22, 23 D2 Roper III J.A. et al, Vol. 76, No. 5 (1993) Tappi Journal, S. 55 bis 61 D3 US5861209A D3a Datenblätter von Speciality Minerals sowie Beschreibung von OMYA, S. 16 D4 Ubrich J.M. et al, PTS-Streicherei-Symposium 1987, S. 43 bis 47 D5 US4689381 D6 US4812550 D7 DE4022651C2 D8 DE19529661C1 D13 Gosh T., Tappi Proceedings, 1997, Advanced Coating Fundamentals Symposium, May 9-10 1997, S. 43 bis 72, Abb. 1, 2 und 7 aus D13 D13a LAB REPORT: Viskositätsmessung mit dem Brookfield Rheometer Typ DV-III ultra mit DIN-Adaptern D14 Blechschmidt J. et al, Cellulose Chem. Technol. 17, 1983, S. 401 bis 415, Abb. 2 aus D14 D15 "Blanc fixe", CD Römpp Chemie Lexikon -Version 1.0 Stuttgart/New York:

G. Thieme Verlag 1995 D16 "China Clay", CD Römpp Chemie Lexikon -Version 1.0 Stuttgart/New York:

G. Thieme Verlag 1995 D17 Harsveldt A., Paper Technology and Industry January/February 1981, S. 15 bis 32 D18 Triantafillopoulos N. et al, Tappi Proceedings, Coating Conference 1992, S. 23bis 36 D19 Internet-Auszug vom 02.05.2007: Brookfield High Shear CAP-2000+ D20 OMYA: Comparison of the measurements Malvern Mastersizer S vs.

Sedigraph 5100 vom 15.03.2007 belegten Stand der Technik nicht patentfähig. Ferner gehe unter anderem der Gegenstand des Patentanspruches 12 über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie bei der für die Einreichung zuständigen Behörde eingereicht worden sei (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).

Die Patentinhaberin verteidigt ihr Patentbegehren im Umfang eines Hauptantrags und von vier Hilfsanträgen. Die nebengeordneten Ansprüche 1, 6, 12 und 16 bis 18 des Hauptantrags lauten:

"1. Streichmasse für bedruckbare Papierbahnen in Form einer wässrigen Dispersion von Pigmenten und Hilfsstoffen mit einem Feststoffanteil von 50 bis 80 Gew.-%, worin die Viskosität dieser Streichmasse (gemessen nach der Methode von Brookfield) bei einem Schergefälle von 10 sec-1 mehr als 104 mPa sec beträgt und bei einem Schergefälle von 5 à 105 sec-1 auf Werte von 30 bis 100 mPa sec abfällt.

6. Streichmasse für bedruckbare Papierbahnen in Form einer wässrigen Dispersion von Pigmenten und Hilfsstoffen mit einem Feststoffanteil von 50 bis 80 Gew.-%, worin die Streichmasse 0,1 bis 1,0 Gew.-%, bezogen auf den Feststoffanteil, von mindestens einem löslichen Pfropfpolymeren als Schutzkolloid für die Pigmentteilchen enthält, das sich von Proteinen ableitet, die mit ethylenisch ungesättigten Monomeren, die Amidund/oder primäre, sekundäre und/oder tertiäre Aminogruppen enthalten, gepfropft worden sind.

12. Streichmasse für bedruckbare Papierbahnen in Form einer wässrigen Dispersion von Pigmenten und Hilfsstoffen mit einem Feststoffanteil von 50 bis 80 Gew.-%, worin die Streichmasse mindestens ein primäre, sekundäre und/oder tertiäre Aminogruppenenthaltendes lösliches Polymer als Schutzkolloid für die Pigmentteilchen enthält, das sich ableitet von dem Ester einer ethylenisch ungesättigten Carbonsäure mit einem Aminoalkohol.

16.

Verfahren zur Herstellung von bedruckbaren Papierbahnen, worin eine Streichmasse nach Anspruch 1 mittels einer Rakel einoder beidseitig auf eine Papierbahn aufgetragen wird.

17.

Verfahren zur Herstellung von bedruckbaren Papierbahnen, worin eine Streichmasse nach Anspruch 6 mittels einer Rakel einoder beidseitig auf eine Papierbahn aufgetragen wird.

18.

Verfahren zur Herstellung von bedruckbaren Papierbahnen, worin eine Streichmasse nach Anspruch 12 mittels einer Rakel einoder beidseitig auf eine Papierbahn aufgetragen wird."

Zum Wortlaut der jeweils rückbezogenen Ansprüche des Hauptantrags als auch zum Wortlaut der Ansprüche der Hilfsanträge 1 bis 4 wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Die Einsprechende trägt zu den geltenden Patentansprüchen unter anderem vor, die beanspruchte Kombination der Merkmale im Anspruch 12 des Hauptantrags sei nicht ursprünglich offenbart. Die Polymere in diesem Anspruch seien in den ursprünglichen Unterlagen nicht als löslich und als Schutzkolloid dargestellt. Auch der Zusatz von "primären, sekundären und/oder tertiären Aminogruppen enthaltenden Polymeren" sei nicht eindeutig im Zusammenhang mit den Polymeren des Anspruchs 12 offenbart. Die diesbezügliche Offenbarung in den ursprünglich eingereichten Unterlagen und in der Streitpatentschrift beziehe sich nur auf die von Proteinen abgeleiteten Polymere. Der Anspruch 12 sei daher unzulässig erweitert.

Die Einsprechende beantragt, das Patent vollständig zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt sinngemäß, das Patent in der Fassung des Hauptantrags, hilfsweise in einer der Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 4 aufrecht zu erhalten.

Die ordnungsgemäß geladene Patentinhaberin hat zuletzt mitgeteilt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen wird; sie hat Entscheidung nach Aktenlage beantragt.

Schriftsätzlich macht sie unter anderem geltend, die Streichmasse gemäß Anspruch 12 des Hauptantrags sei ursprünglich offenbart. Gemäß den ursprünglich eingereichten Unterlagen sei die Streichmasse des Anspruchs 12 mit gleichem Feststoffanteil wie die des Anspruchs 6 auf Grund ähnlicher Viskositätseigenschaften bevorzugt. Der Beschreibung entnehme der Fachmann, dass den Streichmassen beider Ansprüche der gleiche Wirkungsmechanismus unterstellt werde, d. h. er trete mit den erfindungswesentlichen jedoch unterschiedlichen Polymeren ein, denen jeweils die gleiche Funktion zukomme. Die Funktion sei die eines Schutzkolloids für die Pigmentteilchen. Um diese Funktion zu gewährleisten, müsse das Polymer ausreichend löslich bleiben. Dass es sowohl "primäre, sekundäre und/oder tertiäre Aminogruppen" enthalten könne, ergebe sich ebenfalls aus der Beschreibung und aus den Beispielen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II 1.

Der Einspruch ist fristund formgerecht erhoben und mit Gründen versehen, somit zulässig. Er führt zum Widerruf des Patents.

2.

Der Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG) liegt vor. In der ursprünglich eingereichten Fassung war die Streichmasse des Anspruches 12 beschrieben als in Form einer wässrigen Dispersion von Pigmenten und Hilfsstoffen mit einem Feststoffanteil von 50 bis 80 Gew.-% vorliegend, die mindestens ein Aminogruppenenthaltendes Polymer enthält, das sich von dem Ester einer ethylenisch ungesättigten Carbonsäure mit einem Aminoalkohol ableitet (Urspr. Anspr. 12). Im Unterschied dazu sind die Aminogruppen des Anspruchs 12 in der Fassung des vorliegendem Hauptantrags näher beschrieben als primäre, sekundäre und/oder tertiäre Gruppen; ferner wird das Polymer nun als lösliches Polymer bezeichnet und es wird ihm die Funktion als Schutzkolloid für die Pigmentteilchen zugeschrieben.

Diese Funktion als Schutzkolloid kommt dem insbesondere von einem Ester einer ethylenisch ungesättigten Carbonsäure mit einem Aminoalkohol abgeleiteten Polymer allein jedoch nicht zu. Denn den ursprünglich eingereichten Unterlagen ist zu entnehmen, dass das entstehende Polymer mit dem zur Polymerisation eingesetzten Polyvinylalkohol Wasserstoffbrückenbindungen ausbildet und erst dieser Komplex das Schutzkolloid für die Pigmentteilchen bildet (Urspr. Beschreibung S. 7, Z. 20 bis 22). Auch ist diesen Unterlagen nicht zu entnehmen, dass das Polymer des Anspruches 12 löslich ist; diese Eigenschaft wird lediglich den Pfropfpolymeren des Anspruches 6, die sich von Proteinen ableiten, zugeschrieben, und zwar insofern als die Reaktionsführung während der Pfropfreaktion so geführt werden soll, dass das erhaltene Polymer ausreichend löslich bleibt, um als Schutzkolloid dienen zu können (Urspr. Beschreibung S. 6, Z. 9 bis 14). Ferner sind die Aminogruppen des Polymers in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als primäre, sekundäre und/oder tertiäre Gruppen charakterisiert. Zwar ist den in Rede stehenden Unterlagen, wie die Patentinhaberin zutreffend geltend macht, je ein Beispiel für einen eine primäre Aminogruppe aufweisenden Aminoalkylenalkohol und für das eine tertiäre Aminogruppe enthaltende Dimethylaminoethylmethacrylat oder -acrylat zu entnehmen (Urspr. Beschreibung S. 7, Z. 13); Polymere mit sekundären Aminogruppen oder solche mit unterschiedlichen funktionellen Gruppen -wie durch die Formulierung "und/oder" im Anspruch 12 des Hauptantrags zum Ausdruck gebracht -finden indessen in der Beschreibung keine Stütze.

Demnach ist der Patentanspruch 12 des Hauptantrags unzulässig erweitert. Da die Patentansprüche 7 des ersten Hilfsantrags und die jeweiligen Ansprüche 6 der Hilfsanträge 2 bis 4 mit dem Anspruch 12 des Hauptantrags identisch sind, gilt für sie das Gleiche.

Der Patentanspruch 12 gemäß Hauptantrag und die Ansprüche 7 bzw. 6 der Hilfsanträge 1 bis 4 haben daher keinen Bestand.

Es erübrigt sich bei dieser Sachlage auf die Frage der Patentfähigkeit einzugehen.

3. Die Patentansprüche 1 bis 11 und 13 bis 18 gemäß Hauptantrag als auch die Patentansprüche 1 bis 6 und 8 bis 12 des Hilfsantrags 1 sowie die Ansprüche 1 bis 5 und 7 bis 10 der Hilfsanträge 2 bis 4 teilen das Schicksal der jeweiligen Patentansprüche 12, 7 bzw. 6 ("Elektrisches Speicherheizgerät", GRUR 1997, 120).

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BPatG:
Beschluss v. 30.07.2009
Az: 14 W (pat) 309/06


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