Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. März 2001
Aktenzeichen: 25 W (pat) 7/01

(BPatG: Beschluss v. 29.03.2001, Az.: 25 W (pat) 7/01)

Tenor

Der Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Juni 1999 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Die Bezeichnung AloeTenderist am 1. April 1998 für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 3 und 42 "Seifen; Wasch- und Bleichmittel, Spülmittel für Wäsche und Geschirr, Weichspülmittel, Putz- und Poliermittel; Forschung auf dem Gebiet der Wasch- und Spülmittel" zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden. Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach Beanstandung die Markenanmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zurückgewiesen. Die angemeldete Wortzusammenstellung werde, auch wenn ihre Verwendung nicht belegbar sei, vom Verkehr nur als Hinweis auf die Pflegewirkung des Produkts und nicht als Marke verstanden. Denn bei "Aloe" handele es sich um einen Hinweis auf die Wirkstoffe der "Aloe Vera" Pflanze, die wegen ihrer feuchtigkeitsspendenden, beruhigenden, weichmachenden, regenerierenden, adstringierenden, pflegenden und schützenden Wirkung als Inhaltsstoffe der beanspruchten Waren Verwendung fänden. Der zweite Begriff "Tender" sei ein zum Grundwortschatz der englischen Sprache gehörendes, auch im Inland zB durch den Hit "Love me tender" geläufiges Wort und stelle hier einen Wirkungshinweis im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen einen festen Begriff im Sinne von "sanft, schonend, weich" dar. Für die ganz überwiegende Mehrzahl des deutschen Publikums liege somit eine Aneinanderreihung von unmittelbar beschreibenden Bezeichnungen mit der wirkungsbeschreibenden Bedeutung "aloeweich" ähnlich wie die Wortzusammensetzung "cremeweich" vor.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag, den Beschluß der Markenstelle des DPMA aufzuheben.

Der angefochtene Beschluß stelle überzogene Anforderungen an die Unterscheidungskraft, da der Begriff "Aloe" allenfalls als Bestandteil der Pflanzenbezeichnung "Aloe Vera" Bestandteil des deutschen Sprachgebrauchs geworden sei, nicht aber zur Bezeichnung von Kosmetikprodukten. Ebenso sei der Begriff "Tender" im Englischen wegen seiner vielen Bedeutungsinhalte (zB Pfleger, Kohlewagen, Begleitschiff, weich usw) nicht nur vielseitig und schwer faßbar, sondern es fehlten bereits tatsächlichen Feststellungen, daß das Wort "Tender" überhaupt zum deutschen Sprachgebrauch zähle und als Sachhinweis verstanden werde. Selbst wenn der Verkehr dieses im Sinne von "weich" verstehen sollte, ergebe die Kombination mit "Aloe" noch keine deutliche Beschreibung einer Produkteigenschaft der unter diesem Zeichen vertriebenen Ware. Hierzu bedürfte es erst einer analytischen Betrachtung, die den angesprochenen Verbrauchern fremd sei, zumal der Verkehr etwa bei kosmetischen Pflegeprodukten allein an den Begriff "Aloe" im Zusammenhang mit der Pflanze "Aloe Vera" gewöhnt sei. Eine Verwendung in Alleinstellung müsse deshalb insbesondere im Zusammenhang mit Waschmitteln zunächst verwirrend sein, da auf diesem Warensektor Aloe-Extrakte eine Neuheit darstellten. Das angemeldete Zeichen weise deshalb keinen beschreibenden Charakter auf, sondern sei vielmehr eine kreative Wortneuschöpfung aus zwei zusammengesetzten semideskriptiven Bestandteilen, die im Hinblick auf Waschmittel keinen ohne weiteres Nachdenken erkennbaren Aussagegehalt vermittelten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Anmelderin Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats stehen der Eintragung der Bezeichnung "Aloe Tender" für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Schutzhindernisse im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG entgegen.

Auch wenn man unterstellt, daß es sich bei den Wörtern "Aloe" und "Tender", aus welchen die angemeldete Bezeichnung zusammengesetzt ist, in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen für sich betrachtet um beschreibende, freihaltebedürftige Angaben im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG handelt, sind für die allein maßgebliche Wortkombination der Anmeldung "AloeTender", die weder lexikalisch nachweisbar noch sprachüblich gebildet ist, keine Umstände ersichtlich, die eine derartige Annahme rechtfertigen. Dies gilt unabhängig davon, ob man wegen der Großschreibung des Anfangsbuchstabens in "Tender" trotz des fehlenden Abstands zu "Aloe" in dem angemeldeten Zeichen eine aus zwei Wörtern bestehende Wortkombination oder eine Einwortmarke sieht.

"Aloe" (Wundkaktus, Bitterschopf) stellt zwar eine Gattungsbezeichnung dar, die nicht nur in der Botanik, sondern auch in der Kosmetik und Heilkunde wegen der bereits im angefochtenen Beschluß genannten Wirkungen einiger Aloe-Arten als beschreibende Angabe Verwendung findet - wie zB der "Aloe vera" oder die "Aloe ferox - (vgl zB Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 8. Aufl "Aloe"; Fey-Otte, Wörterbuch der Kosmetik, 4. Aufl "Aloe"). Diese Verwendung mag auch auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu erstrecken sein, wie auch der englische Begriff "Tender" in seiner deutschen Übersetzung mit "weich, zärtlich usw" einen beschreibenden Sinngehalt aufweist. Allein maßgeblich ist jedoch, daß es sich jedenfalls bei der Verbindung der beiden konkreten Wörter in Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen um keine Bezeichnung handelt, die ausschließlich aus Angaben besteht, welche im (allein maßgeblichen) Geltungsbereich des MarkenG eine freihaltebedürftige Angabe im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG darstellt.

Wie bereits die Markenstelle festgestellt hat - was der Senat auch aufgrund einer zusätzlich durchgeführten Internet-Recherche bestätigen kann - läßt sich eine Verwendung der angemeldeten Wortkombination oder einer sonstigen Zusammenstellung der Wörter "Aloe" und "Tender" weder lexikalisch noch in sonstiger Weise belegen. Bereits dies steht einer vergleichbaren Beurteilung der angemeldeten Marke mit dem im angegriffenen Beschluß genannten Beispiel "cremeweich" oder mit anderen vergleichbaren, tatsächlich existierenden Wortbildungen wie zB "blütenweiß" wesentlich entgegen.

Zwar schließt der fehlende Nachweis einer Verwendung als Sachbezeichnung nicht die Annahme aus, daß auch eine Wortneuschöpfung bzw neue Wortzusammenstellung als beschreibende Sachangabe dienen kann und ein aktuelles oder zukünftiges Interesse der Mitbewerber an der Verwendung der Gesamtbezeichnung besteht (vgl hierzu BGH MarkenR 2000, 330, 332 - Bücher für eine bessere Welt; Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 114 mit weiteren Hinweisen). Voraussetzung hierzu ist jedoch, daß diese sich in einer beschreibenden Gesamtaussage im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG erschöpft, die so deutlich und unmißverständlich ist, daß sie ihre Funktion als Sachbegriff ohne weiteres erfüllen kann, insbesondere ohne daß eine analysierende, möglichen Bestandteilen und/oder deren (beschreibenden) Begriffsbedeutungen nachgehende Betrachtungsweise Platz greift. Hierbei ist die für Sachangaben erforderliche schnelle Erfaßbarkeit ohne die Notwendigkeit besonderer Denkprozesse nur gewährleistet, wenn sich eine konkret beschreibende Aussage unmittelbar erschließt (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 142). Wenn diese Aussage auch durchaus allgemein, vage und begrifflich unspezifisch sein kein, weil sich auch begriffliche unbestimmte, verallgemeinernde Aussagen als treffende Sachbegriffe eignen können (vgl hierzu BGH MarkenR 2000, 330, 332 - Bücher für eine bessere Welt), so sind hiervon mehrdeutige Begriffe oder auch solche zu unterscheiden, die sich wie hier als fremdsprachige Ausdrücke zur Beschreibung der gekennzeichneten Waren oder Leistungen nicht oder nur eingeschränkt eigenen (vgl zur Mehrdeutigkeit BGH MarkenR 2000, 330, 332 - Bücher für eine bessere Welt).

Denn auch für die Beurteilung eines Freihaltebedürfnisses der Mitbewerber an fremdsprachigen Ausdrücken ist die Verkehrsauffassung jedenfalls mittelbar für die Vorfrage von Bedeutung, ob die fragliche Angabe für die angesprochenen Verkehrskreise verständlich ist und deshalb als freihaltebedürftige Merkmalsangabe im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG "dienen kann" (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 69). Die gilt jedenfalls bei solchen Angaben, an denen wie hier kein fachsprachliches, sondern nur ein Verwendungsinteresse der Unternehmen als verbraucherorientierte Sachinformation in Betracht kommt und bei denen auch keine markenrechtliche Gleichbehandlung mit deutschen Übersetzungen wegen eines Freihalteinteresses im Hinblick auf den Ex- und Import von Waren festgestellt werden kann (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 134). Wenn hierbei auch die Verständnisfähigkeit des Publikums nicht zu gering veranschlagt werden darf, so reicht jedenfalls die bloße theoretische Möglichkeit, daß die Sachangabe durch die Bezeichnung vermittelt werden könnte, für die Annahme eines Freihaltebedürfnisses nicht aus (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 142).

So ist es auch hier. Denn es ist zu berücksichtigen, daß es sich bei dem englischen Wort "Tender" um ein im Inland insbesondere im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht gebräuchliches Fremdwort handelt, welches auch in Verbindung mit der Gattungsbezeichnung "Aloe" nicht an Transparenz gewinnt. "AloeTender" stellt sich deshalb in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht nur als eine unspezifische, sondern für inländische Verbraucher ungebräuchliche und nicht ohne weiteres verständliche beschreibende Angabe dar. Es ist deshalb nicht ersichtlich, weshalb Mitbewerber hieran ein Interesse an der Freihaltung besitzen sollten, wenngleich diese durchaus auch ein berechtigtes Interesse haben können, zur Beschreibung einer Eigenschaft der angemeldeten Waren oder der Dienstleistung die Gattungsbezeichnung "Aloe" in Kombination mit einem Adjektiv wie "weich", "zart" oder ähnliches zu Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu verwenden. Hiermit korrespondiert, daß für die Beurteilung der Schutzfähigkeit der angemeldeten Bezeichnung nicht nur allein die konkret beanspruchte Gesamtbezeichnung maßgebend ist, sondern daß die angemeldete Marke auch nur für diese konkrete Bezeichnung Schutz genießt (vgl auch Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 142 auf die "konkrete Eigenprägung des Gesamtausdrucks" hinweisend) und deshalb andere Mitbewerber nicht an der (beschreibenden) Verwendung einzelner Bestandteile oder anderssprachiger Wortkombinationen wie zB auch "alloeweich" gehindert sein müssen. Denn eine mit der angemeldeten Marke verbundene Sachangabe im Sinne von "weich, mild durch Aloe usw" ist nicht Gegenstand des beanspruchten markenrechtlichen Schutzes, sondern nur die gewählte, spezielle sprachliche Form.

Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung steht auch das in § 8 Abs 1 Nr 1 MarkenG geregelte Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft nicht entgegen. Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die der Anmeldung zugrundeliegenden Waren oder Dienstleistungen gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden, wobei grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen ist, um das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zu überwinden (ständige Rechtsprechung, vgl zB BGH MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION mit weiteren Hinweisen). Insbesondere liegt die Annahme fehlender Unterscheidungskraft eher fern, wenn wie hier der angesprochene Verkehr einer fremdsprachlichen Bezeichnung keinen für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt zuordnen kann und es sich bei der Gesamtbezeichnung auch sonst nicht um einen allgemein gebräuchlichen Ausdruck der deutschen oder einer bekannten fremden Sprache handelt, welches vom Verkehr nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl auch BGH MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWA-RE CORPORATION; BGH MarkenR 1999, 349, 351 - YES).

Insoweit ist auch für die Beurteilung der Schutzfähigkeit nach § 8 Abs 1 Nr 1 MarkenG maßgeblich, daß der Verkehr ein zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit so aufnimmt wie es ihm entgegentritt und sich deshalb eine zergliedernde Analyse verbietet (vgl zB HABM MarkenR 2000, 294 296 - combiTab; vgl auch zu Mehrwortmarken BGH MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Selbst wenn man trotz fehlender Anhaltspunkte davon ausginge, daß sich den maßgeblichen inländischen Verkehrskreise oder erheblichen Teilen hiervon aufgrund hinreichender Sprachkenntnisse ohne weiteres die angemeldete Gesamtbezeichnung in einer begrifflichen Bedeutung erschließt, so würde die hier vorliegende Wortverbindung bzw Wortzusammenstellung dennoch wegen der sprachlich gewählten Form nicht ausschließlich den Eindruck einer allein warenbezogenen Aussage, sondern zugleich auch denjenigen einer betriebsbezogenen Hinweis vermitteln, mithin Unterscheidungskraft besitzen (vgl auch Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 51, 57 jeweils am Ende).

Auf die Beschwerde der Anmelderin war deshalb der angefochtene Beschluß aufzuheben.

Kliems Knoll Engels Pü






BPatG:
Beschluss v. 29.03.2001
Az: 25 W (pat) 7/01


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