Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. April 2003
Aktenzeichen: 19 W (pat) 317/02

(BPatG: Beschluss v. 28.04.2003, Az.: 19 W (pat) 317/02)

Tenor

1. Die Erinnerung gegen den Beschluss des Rechtspflegers vom 19. November 2002 wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I Auf die am 25. August 1999 eingegangene, ein

"Verfahren und (eine) Vorrichtung zur berührungslosen Messung der Deformation einer Messprobe"

betreffende Anmeldung hatte die Prüfungsstelle für Klasse G 01 B des Deutschen Patent- und Markenamtes ein Patent erteilt. Veröffentlichungstag ist der 2. Mai 2002.

Gegen das Patent hat die Patentanwaltskanzlei Z... & Partner, Patentanwalt Dr. G..., mit Schriftsatz vom 23. Juli 2002 namens zweier Einsprechender Einspruch eingelegt und diesen einheitlich mit mangelnder Patentfähigkeit und hilfsweise mit widerrechtlicher Entnahme begründet. Der Verfahrensbevollmächtigte hat eine Einzugsermächtigung erteilt und auf dem Formblatt den Gebührencode "313 600", den Verwendungszweck "Einspruchsverfahren", sowie den (einfachen) Gebührenbetrag "EUR 200.00" vermerkt. Er hat ein Zusatzblatt beigefügt, demzufolge das Deutsche Patent- und Markenamt ermächtigt sein sollte, "auch den fälligen Betrag einzuziehen, soweit der in der Einzugsermächtigung genannte Betrag nicht hinreichend sein sollte".

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Akten dem Bundespatentgericht gemäß PatG § 147 zur Entscheidung vorgelegt. Der Rechtspfleger am Bundespatengericht, der diese Gebührenleistung für ungenügend gehalten und die Einsprechenden mit Bescheid vom 21. Oktober 2002 auf seine Bedenken aufmerksam gemacht hatte, hat mit Beschluss vom 19. November 2002 die Feststellung getroffen, dass die Einsprüche als nicht erhoben zu gelten hätten.

Zur Begründung hat er ausgeführt, dass mehrere Einsprechende eine ihrer Zahl entsprechende Anzahl von Einspruchsgebühren zu entrichten hätten, wie dies die Rechtsprechung für die Gebühren im Einspruchsbeschwerdeverfahren verlange. Die Einsprechenden hätten nicht angegeben, für welchen der Einsprüche die Abbuchung gelten solle; eine allgemeine Abbuchungsermächtigung genüge nicht.

Gegen diesen, am 28. November 2002 zugestellten, Beschluss haben die Einsprechenden am 3. Dezember 2002 Erinnerung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, nach den "allgemeinen Grundsätzen des Kostenrechts" genüge für ein Verfahren mit einheitlichem Streitgegenstand die Entrichtung einer Gebühr, wenn die Beteiligten durch einen gemeinsamen Verfahrensbevollmächtigten vertreten würden, der einen gemeinsamen Schriftsatz eingereicht und das Verfahrensbegehren auf einen einheitlichen Grund gestützt habe. Das sei hier der Fall.

Entgegen der Auffassung des Rechtspflegers sei auf das vorliegende Verfahren die höchstrichterliche Rechtsprechung für das Nichtigkeitsverfahren anzuwenden - die eine einzelne Gebühr bei mehreren Klägern für ausreichend erachte -, nicht jene für das Beschwerdeverfahren, dies umso mehr, als der Bundesgerichtshof angedeutet habe, die genannte Rechtsprechung zur Mehrzahl von Beschwerdegebühren aufgeben zu wollen. Überdies entspreche die von ihnen vertretene Auffassung der Handhabung durch das Europäische Patentamt.

Die Einsprechenden beantragen, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Einspruch als erhoben und zulässig anzusehen, hilfsweise mündliche Verhandlung anzusetzen, hilfsweise den Beschluss aufzuheben, die bezahlte Gebühr für den ersten der beiden Einsprechenden zu werten und diesen Einspruch als erhoben und zulässig anzusehen, hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II 1. Die Erinnerung ist statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt (RPflG § 23 Abs 1 Nr. 4 entsprechend, Abs 2).

2. Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen (vgl BPatGE 9, 272, 275; Busse, PatG, 5. Aufl, § 78, Rdn 2 und 10; Schulte, PatG 6. Aufl, § 78, Rdn 15).

3. Die zulässige Erinnerung kann jedoch sachlich keinen Erfolg haben. Der Rechtspfleger hat zu Recht festgestellt, dass die Einsprüche als nicht erhoben zu gelten haben.

3.01. Nach "einem allgemeinen Grundsatz des Kostenrechts", auf den sich die Einsprechenden berufen und den der Bundesgerichtshof (X. Senat) aus GKG § 27; GVKostG § 15; KostO §§ 2 Abs 1, 5 Abs 1; JVKostO § 6 Abs 2 herleitet (vgl BGH, GRUR 1987, 348 - Bodenbearbeitungsmaschine), genügt bei einem einheitlichen Gegenstand des Rechtsstreits oder Verfahrens auch dann die Zahlung einer Gebühr, wenn mehrere Kläger oder Antragsteller beteiligt sind. Der BGH wendet diesen Grundsatz auch auf die Gebühr für die Nichtigkeitsklage (PatG idF von 1999 § 81 Abs 6, jetzt PatKostG §§ 3 Abs 1, 5 Abs 1 Satz 3, Gebührenverzeichnis 412 100) an, "wenn mehrere nicht in Rechtsgemeinschaft stehende Kläger durch einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten mit einem gemeinsamen Schriftsatz eine Nichtigkeitsklage gegen dasselbe Patent einreichen".

Dies wird damit begründet, dass sie Streitgenossen sind (vgl BPatGE 32, 204; Schulte, PatG § 81 Rdn 15) und dass deshalb "dieselbe Instanz" iS des GKG § 27 vorliege (vgl Hartmann/Albers, Kostengesetze, 32. Aufl, § 27 GKG Rdn 13).

Streitgenossenschaft, ein Begriff der ZPO, zwischen mehreren Personen besteht ua dann, wenn diese in Rechtsgemeinschaft stehen, wenn sie aus demselben tatsächlichen oder rechtlichen Grund berechtigt oder verpflichtet sind (etwa aus demselben Vertrag), oder wenn gleichartige oder im wesentlichen gleichartige Ansprüche oder Verpflichtungen Gegenstand eines Rechtsstreits bilden (vgl ZPO §§ 59, 60, 64; Thomas-Putzo, ZPO, 24. Aufl, Vorbem § 59, §§ 59, 60 Rdn 2, 3, 4 und 5; Baumbach Lauterbach, ZPO, 60. Aufl, § 59 Rdn 4, 5, § 60, Rdn 3).

3.02. Das Bestehen dieses Rechtsverhältnisses - der Streitgenossenschaft (ZPO §§ 59 ff) zwischen mehreren Beschwerdeführern - aber verneinen für das Beschwerdeverfahren sowohl derselbe Senat des BGH (vgl GRUR 1984, 36 - Transportfahrzeug) als auch zwei Senate des BPatG (vgl BPatGE 12, 158, 159; 12, 163 jeweils mit ausführlicher Begründung). Dementsprechend haben der BGH und die genannten Senate des BPatG die Auffassung vertreten, dass bei der Beschwerde mehrerer Beschwerdeführer Gebühren entsprechend ihrer Anzahl zu entrichten sind (vgl BGH, aaO und GRUR, 1982, 414 - Einsteckschloss -; sowie BPatGE, aaO).

Darüber hinaus hat der BGH die Anwendbarkeit der Regelungen des GKG auf das patentgerichtliche Beschwerdeverfahren ausdrücklich verneint (vgl GRUR 1984, 36, 38) und die unterschiedliche Gebührenstruktur hervorgehoben (vgl GRUR, 1982, 414, 416).

3.03. Zwar hat der BGH in einem "obiter dictum" angedeutet, diese Rechtsprechung "mit Rücksicht auf die Neugestaltung des Einspruchsverfahrens" überprüfen zu wollen (vgl BGH GRUR, 1987, 348 -Bodenbearbeitungsmaschine -, = Mitt 1987, 71, mit Anm Lichti). Diese Absicht hat er jedoch bisher nicht in die Tat umgesetzt.

In den Kommentaren (vgl Schulte, PatG 6. Aufl, § 73, Rdn 97; Busse, PatG, 5. Aufl, § 73, Rdn 110) finden sich außer Hinweisen auf das obiter dictum keine Angaben einer Entscheidung des BGH bzw des BPatG, die von der genannten Rechtsprechung abgewichen wäre.

Dass mit der in der Entscheidung - 1986 - angesprochenen "Neugestaltung des Einspruchsverfahrens" nicht die Regelung nach PatG § 147 Abs 3 gemeint war, liegt auf der Hand. Eine Übertragung des Einspruchsverfahrens auf das BPatG war seinerzeit nicht vorgesehen und auch nicht vorstellbar.

3.04. Wenn nun derselbe Senat des BGH mit diesem Zwiespalt leben konnte, sieht der erkennende Senat auch keinen Anlass, von der Auffassung abzugehen, dass Beschwerdegebühren entsprechend der Zahl der Beschwerdeführer zu entrichten sind.

3.05. Der Rechtspfleger hat auch zutreffend in dem vorliegenden Fall eine Parallele zum (Einspruchs-) Beschwerdeverfahren und nicht zur Nichtigkeitsklage gezogen.

Die Neuregelung des Einspruchsverfahrens gemäß PatG § 147 Abs 3 hat den Abstand zwischen Einspruchsverfahren und (Einspruchs-) Beschwerdeverfahren eher verringert, da nun der Beschwerdesenat (nicht etwa der Nichtigkeitssenat) über den Einspruch entscheidet.

3.06. Beide Verfahren gleich zu behandeln, liegt umso näher, als die Neuregelung eine Beschleunigung des Einspruchsverfahrens beabsichtigt, nicht jedoch eine gebührenrechtliche Bevorzugung der Einsprechenden. Während nämlich mehrere Beschwerdeführer, der BGH-Rechtsprechung folgend, für die gerichtliche Prüfung der Bestandskraft des Patents ein mehrfaches der Beschwerdegebühr (€ 200, vgl Kostenverzeichnis zum PatKostG, Nr. 411 200) zu zahlen hätten, könnten mehrere Einsprechende, wenn die Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten zutreffend wäre, das gleiche Ziel mit nur einer einzigen Einspruchsgebühr (€ 200, vgl Kostenverzeichnis zum PatKostG, Nr. 313 600) erreichen.

Das entspricht nicht der mit der Einführung der Einspruchsgebühr verfolgten Absicht des Gesetzgebers (vgl Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums, BlPMZ 2002, 36 ff, 46, zu Nr. 313 600).

3.07. Eine Möglichkeit, die entrichtete Beschwerdegebühr wenigstens einem der beiden Einsprechenden zuzuordnen und damit den Einspruch zu retten, sieht der Senat nicht.

Wie der BGH in den beiden zitierten Entscheidungen hervorgehoben hat, ist eine Beschwerdeerklärung (und dementsprechend auch die Erhebung des Einspruchs) zwar auslegungsfähig. Es muss jedoch aufgrund der Auslegung zweifelsfrei festgestellt werden können, welchem von mehreren Einsprechenden die Zahlung zugeordnet werden soll.

Anhaltspunkte dafür, dass die Gebühr für den erstgenannten Einsprechenden entrichtet sein sollte, sind dem Schriftsatz nicht zu entnehmen; die Reihenfolge der Namensnennung begründet keine rechtliche Rangfolge.

Nachträglich, nach Ablauf der Einspruchsfrist, aber kann die Bestimmung, für wen die Gebühr bezahlt sein sollte, nicht mehr getroffen werden.

3.08. Angesichts der eindeutigen Bestimmung, die in der Einzugsermächtigung zum Gebührencode und dementsprechend über die Höhe der einzuziehenden Gebühr, sowie den Verwendungszweck getroffen wurde, konnte die im "Zusatzblatt" enthaltene allgemeine Ermächtigung, "auch den fälligen Betrag einzuziehen, soweit der in der Einzugsermächtigung genannte Betrag nicht hinreichend sein sollte", die fristgerechte Zahlung der zweiten Einspruchsgebühr nicht ersetzen.

Die Gebührenzahlung ist nicht nur die Erfüllung einer Kostenschuld, sondern auch Verfahrenshandlung; denn von ihr hängt die Rechtsbeständigkeit des Einspruchs ab.

Eine Verfahrenshandlung lässt aber grundsätzlich keine Bedingung zu, soweit sie die Einleitung des Verfahrens oder der Instanz beinhaltet; denn dann verträgt sie keinen Schwebezustand (vgl für die Prozesshandlung: Baumbach/Lauterbach, aaO, Grdz § 128, Rdn 54; Schulte, aaO, vor § 34, Rdn 52). Damit kann die Gebührenzahlung nicht wirksam von einer Bedingung abhängig gemacht werden, wie dies mit der hilfsweisen Ermächtigung beabsichtigt gewesen sein könnte.

3.09. Schließlich kann auch die Spruchpraxis des EPA die Auffassung der Einsprechenden nicht rechtfertigen. Dabei ist nicht so sehr auf Verbindlichkeit der Rechtsansichten des EPA für den Senat oder - aus der Gegensicht - auf die beabsichtigte Harmonisierung des deutschen und des europäischen Rechts abzustellen.

Eine neuere Entscheidung der Grossen Beschwerdekammer des EPA (G 3/99 vom 18. Februar 2002, Amtsblatt EPA 07/2002) könnte geeignet erscheinen, die Auffassung der Verfahrensbeteiligten zu erhärten, insbesondere der Leitsatz 1 scheint dies zu rechtfertigen.

Der dort referierte Sachverhalt (Einspruch namens der "Fraktion der Grünen" im Europa-Parlament mit einer Liste von 27 natürlichen Personen) macht aber deutlich, dass mit dem "gemeinsamen Einspruch" gemäß EPÜ Regel 100 (1) letzter Satz etwa das gemeint ist, was nach deutschem Verfahrensrecht als "Streitgenossenschaft" bezeichnet werden könnte. Für eine weitere Einzelperson ist nämlich korrekt eine weitere Einspruchsgebühr bezahlt worden.

Entscheidend aber scheint dem Senat, dass sich durch die Verlagerung der Zuständigkeit zur Entscheidung über den Einspruch auf das Gericht gemäß PatG § 147 Abs 3 ein so deutlicher Abstand zum reinen Amtsverfahren des EPA ergeben hat, dass eine Übertragung seiner Rechtsansichten auf das gerichtliche Einspruchsverfahren des deutschen Rechts ausscheidet.

3.10. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Zwar spricht PatG § 100 von der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse, "durch die über eine Beschwerde" entschieden wurde. Da PatG § 147 Abs 3 Satz 5 jedoch die Rechtsbeschwerde ausdrücklich einführt, kann diese sich auch gegen Beschlüsse richten, "durch die über einen Einspruch" entschieden wird. Für das Beschwerdeverfahren hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass auch die Entscheidung, die feststellt, dass eine Beschwerde als nicht erhoben gilt, als eine Entscheidung über die Beschwerde anzusehen ist, weil mit ihr in der Sache über die Beschwerde entschieden wird vgl BGH, GRUR, 1972, 196 - Dosiervorrichtung -, GRUR 1979, 696 - Kunststoffrad und GRUR 1997, 636 - Makol -, letzterer für das Markenrecht).

Damit stellt auch die Feststellung, dass der Einspruch als nicht erhoben gilt, eine Entscheidung in der Sache dar.

Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt wirft Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung auf; eine Entscheidung des BGH dient der Fortbildung des Rechts (PatG § 100 Abs 2 Nr. 1 und 2).

Dr. Kellerer Schmöger Dr. Mayer Groß

Be






BPatG:
Beschluss v. 28.04.2003
Az: 19 W (pat) 317/02


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