Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 9. Juni 2005
Aktenzeichen: L 9 AL 196/04

(LSG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 09.06.2005, Az.: L 9 AL 196/04)

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23. Juli 2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Mit der vom Sozialgericht zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren auf einen höheren Erstattungsbetrag der Kosten eines Widerspruchsverfahrens weiter.

Der Kläger wurde während des laufenden Leistungsbezugs von der Beklagten aufgefordert, sich am 02.04.2002 einer Begutachtung zu stellen. Der Kläger erschien zu diesem Termin, legte jedoch Widerspruch gegen die Meldeaufforderung ein. Daraufhin unterblieb eine Begutachtung. Die Beklagte stellte ihre Leistungen ab 03.04.2002 ein. Hiergegen legte der anwaltlich vertretene Kläger mit folgendem Schreiben vom 01.05.2002 Widerspruch ein: " ...Wie mein Mandant anlässlich einer Benachrichtigung durch die Barmer Ersatzkasse mit Datum vom 24.04.2002 erfahren musste, endete sein Leistungsanspruch gemäß Mitteilung der Bundesanstalt für Arbeit angeblich am 02.04.2002. Da dies mangels Mitteilung meinen Mandanten nicht bekannt ist, wird um Bekanntgabe eines entsprechenden Bescheides gebeten sowie vorsorglich Widerspruch erhoben. Da eine stillschweigende Leistungseinstellung auf jeden Fall rechtswidrig ist, werden Sie zur Zahlung des ausstehenden Restbetrages aufgefordert. Gleichzeitig wird Akteneinsicht beantragt."

Die Beklagte erteilte daraufhin im Juni 2002 einen Abhilfebescheid und zahlte dem Kläger die Leistungen bis zur Erschöpfung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach. Gleichzeitig erklärte sie sich bereit, die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.

Mit Schreiben vom 30.08.2002 stellte der Bevollmächtigte des Klägers eine Gebühr nach § 116 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) in Höhe von 355 Euro in Rechnung, so dass sich einschließlich Nebenkosten und Mehrwertsteuer ein Betrag von 435 Euro ergab. Die Beklagte setzte mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 05.09.2002 eine Gebühr von 200 Euro fest, so dass daraus einschließlich Nebenkosten und Mehrwertsteuer ein Betrag von 255,20 Euro resultierte. Sie legte ihrer Berechnung einen Gebührenrahmen von 33 bis 440 Euro im Vorverfahren zu Grunde.

Hiergegen legte der Kläger am 07.09.2002 Widerspruch mit der Begründung ein, es sei der (volle) Gebührenrahmen des § 116 BRAGO in Höhe von 50 bis 660 Euro maßgeblich. Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 24.09.2002).

Mit der am 25.10.2002 erhobenen Klage hat der Kläger beantragt,

den Kostenfestsetzungsbescheid vom 05.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2002 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, weitere Kosten in Höhe von 179,80 Euro zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen ab dem 30.09.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 23.07.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der Kläger habe grundsätzlich einen Anspruch gemäß § 63 Abs. 1 10. Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) auf Erstattung der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts. Die Höhe der Gebühren sei allgemein nach den Vorschriften der BRAGO zu ermitteln. Da diese eine spezielle Vorschrift für das sozialgerichtliche Vorverfahren nicht enthalte, sei dem Bundessozialgericht folgend insofern die Auffangregelung des § 118 BRAGO maßgebend, wonach eine Gebühr von etwa 2/3 des gerichtlichen Verfahrens für angemessen erachtet werde. Im Hinblick auf die Mittelgebühr, die danach im Verwaltungsverfahren bei 240 Euro liege, sei die vom Bevollmächtigten des Klägers festgesetzte Gebühr von 355 Euro unter Berücksichtigung von § 12 BRAGO unbillig. Denn sowohl hinsichtlich des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit als auch hinsichtlich der Schwierigkeit der Sache und der Bedeutung für den Kläger - Leistungen für einen Zeitraum von einem Monat - sei die Angelegenheit deutlich unterdurchschnittlich. Dementsprechend sei der Ansatz der Beklagten in Höhe von 200 Euro nicht zu beanstanden. Diese Gebühr sei auch nicht nach Maßgabe des § 116 Abs. 4 BRAGO zu erhöhen, weil keine besondere, gebührenrechtlich erhebliche Mitwirkungshandlung des Bevollmächtigten des Klägers erkennbar sei.

Gegen dieses ihm am 11.08.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 08.09.2004 eingelegte Berufung. Zu ihrer Begründung verweist der Kläger darauf, dass der vom Bundessozialgericht "erfundene Gebührenrahmen" abzulehnen sei. Vielmehr sei § 116 Abs. 1 BRAGO in vollem Umfang entsprechend anzuwenden. Ferner sei auch die Erledigungsgebühr entstanden, da sich die Verwaltungsangelegenheit durch Änderung des ergangenen Verwaltungsaktes erledigt habe. Bei richtiger Betrachtung sei dementsprechend in Anwendung von § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 BRAGO eine Gebühr von 470 Euro zugrunde zu legen, so dass sich unter Berücksichtigung der Auslagen und der Mehrwertsteuer insgesamt ein Erstattungsbetrag in Höhe von 568,40 Euro ergebe, der nunmehr gefordert werde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.07.2004 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.09.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2002 zu verurteilen, Kosten für das Widerspruchsverfahren in Höhe von 568,40 Euro sowie gesetzliche Verzugszinsen auf Grund der Rechtsanwaltsgebührenrechnung vom 30.08.2002 aus 179,80 Euro ab dem 30.09.2002 zu zahlen.

Die Beklagte, die in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Ihrem schriftsätzlichen Vorbringen ist zu entnehmen, dass sie beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Der Senat konnte die Streitsache im Termin zur mündlichen Verhandlung einseitig verhandeln und entscheiden. Die Beklagte ist mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Sie hat ferner zuvor mitgeteilt, dass sie zur mündlichen Verhandlung keinen Vertreter entsenden werde.

Die vom Sozialgericht zugelassene Berufung ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auch die vom Kläger erst im Berufungsverfahren in der Hauptsache gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG zulässig erweiterte Klage erweist sich aus den vom Sozialgericht dargelegten Gründen als unbegründet. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des Sozialgerichts, der er nach eigener Überprüfung beitritt, Bezug ( § 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin: Soweit der Kläger meint, der vom Bundessozialgericht entwickelte und hier vom Sozialgericht als auch vom Senat zugrunde gelegte Gebührenrahmen sei frei erfunden, verweist der Senat auf das grundlegende Urteil des 11. Senats des Bundessozialgericht vom 22.03.1984 (Az: 11 RA 16/83, SozR 1300 § 63 Nr. 3). Auf die dort gegebene Begründung, die der Senat teilt, wird Bezug genommen. Ihr ist zur Frage des grundsätzlichen Gebührenrahmens nichts hinzuzufügen.

Im Übrigen nimmt der Senat auf sein dem Kläger vor der mündlichen Verhandlung übermitteltes Urteil vom 03.02.2005 (Az.: L 9 AL 85/04) Bezug. Ebenso wie in dieser Entscheidung kommt auch hier die Anwendung der §§ 116 Abs. 4, 24 BRAGO unter dem Gesichtspunkt der Bewilligung einer Erledigungsgebühr nicht in Betracht, weil auch der vorliegende Sachverhalt ein über die normale Tätigkeit herausgehendes anwaltliches Bemühen nicht erkennen lässt. Den diese Frage behandelnden Ausführungen des Sozialgerichts ist aus Sicht des Senats nichts hinzuzufügen. Zu betonen ist lediglich erneut, dass die Erhöhung der Rahmengebühr nur dann gerechtfertigt ist, wenn der Bevollmächtigte daran mitgewirkt hat, dass sich die Rechtssache durch beiderseitiges Nachgeben erledigt hat. An einem derartigen gegenseitigen Nachgeben fehlt es, wenn der Widerspruchsbescheid dem Widerspruch voll entspricht (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 09. August 1995, Az.: 9 RVs 7/94, SozR 3-1930 § 116 Nr. 7).

Soweit der Senat in seinem Beschluss vom 29.03.2004 (Az.: L 9 B 62/03 AL) eine von den hier gemachten Darlegungen abweichende Auffassung vertreten haben sollte, hält der Senat daran ausdrücklich nicht fest.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).






LSG Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 09.06.2005
Az: L 9 AL 196/04


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