Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 23. August 2013
Aktenzeichen: 6 U 27/13

(OLG Köln: Urteil v. 23.08.2013, Az.: 6 U 27/13)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 30. 1. 2013 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 84 O 193/12 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu Ziff. I. wie folgt lautet:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

im Zusammenhang mit der Führung von "Reisewertkonten",

bei denen der Verbraucher durch monatliche Beiträge ein Guthaben anhäuft und diese "Reisewerte" für den Fall einer Reisebuchung auf den Reisepreis angerechnet werden, wobei die "Reisewerte" aus dem vorausgehenden Saldierungszeitraum in den neuen Saldierungszeitraum übertragen werden,

unter Hinweis auf §§ 195, 199 BGB einen Abzug für solche "Reisewerte" vorzunehmen, die in den Zeitraum des jeweils vor-vor-vorletzten Jahres fallen, wie mit Saldenaufstellungen vom 7. 1. 2009 ("Zeitraum 1. 12. 2008 - 31. 12. 2008") und vom 16. 5. 2012 ("Zeitraum 1. 9. 2011 - 31. 12. 2011") gegenüber der Verbraucherin S geschehen:

(Bild/Grafik nur in Originalentscheidung ersichtlich)

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil und das genannte Urteil des Landgerichts Köln - in der vorstehenden Fassung - sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung hinsichtlich des Unterlassungstenors durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 EUR abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen darf die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

(anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO)

I.

Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG. Die Beklagte vermittelt gewerbsmäßig Flüge, Pauschalreisen und andere Reiseleistungen und bietet Verbrauchern darüber hinaus den Abschluss von sogenannten Reisewertkonten an. Hierbei zahlt der Kunde monatlich ein "Serviceentgelt" und erhält im Gegenzug neben bestimmten Serviceleistungen (Reiseberatung, Reisevermittlung, Best Price Garantie, Krankenversicherung und anderes) "Reisewerte", die im Falle von Reisebuchungen über die Beklagte auf den Reisepreis angerechnet werden. Eine Barauszahlung dieser Reisewerte ist nicht möglich.

Unter dem 16. 5. 2012 ließ die Beklagte ihrer Kundin S, die bei ihr ein Reisewertkonto unterhält, eine mit "Ihre Salden" überschriebene Mitteilung über den aktuellen Stand ihrer Reisewerte übersenden. Der Saldo des Vormonates war mit 3.118,00 ausgewiesen. Hiervon war ein Betrag in Höhe von 718,00 mit dem Vermerk "Verjährung gem. §§ 195, 199 BGB" abgezogen. Der abgezogene "Reisewert" von 718,00 entsprach dem Schlussbetrag aus der Saldenabrechnung vom 7. 1. 2009 ("Zeitraum 1. 12. 2008 - 31. 12. 2008"). Unten auf der Mitteilung vom 16. 5. 2012 heißt es:

"Die vorstehende Mitteilung über den aktuellen Stand Ihrer gebildeten Reisewerte erfolgt unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Prüfung. Wir bitten Sie höflich, die vorstehende Saldenaufstellung zu prüfen. Die Saldenaufstellung gilt als genehmigt, wenn Sie nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen seit ihrem Zugang schriftliche Einwendungen dagegen an uns abgesandt haben. ... Wir weisen höflich darauf hin, dass Ihr im Reisewertkonto dokumentierter Anspruch auf Anrechnung der erworbenen Reisewerte auf den Reisepreis eine über die Deutsche Reise Touristik GmbH gebuchten Reise der gesetzlichen dreijährigen Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB unterliegt. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der jeweilige Reisewert Ihrem Reisewertkonto gutgeschrieben worden ist."

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die monatlichen Saldenaufstellungen seien Bestandteil eines zwischen der Beklagten und dem jeweiligen Kunden bestehenden Kontokorrentverhältnisses. Die Beklagte nehme daher unter Berufung auf die Verjährung unberechtigt Abzüge vor und täusche ihre Kunden über die geltende Rechtslage hinsichtlich der Verjährung.

Der Kläger hat beantragt:

I. Der Beklagten wird untersagt, im Zusammenhang mit der Führung von "Reisewertkonten", bei denen der Verbraucher durch monatliche Beiträge ein Guthaben anhäuft und diese "Reisewerte" für den Fall einer Reisebuchung auf den Reisepreis angerechnet werden, wobei die "Reisewerte" aus dem vorausgehenden Saldierungszeitraum in den neuen Saldierungszeitraum übertragen werden,

im Jahr 2012 unter Hinweis auf §§ 195, 199 BGB einen Abzug für solche "Reisewerte" vorzunehmen, die in den Zeitraum des Jahres 2008 fallen, wie mit Saldenaufstellungen vom 7. 1. 2009 ("Zeitraum 1. 12. 2008 - 31. 12. 2008") und vom 16. 5. 2012 ("Zeitraum 1. 9. 2011 - 31. 12. 2011") gegenüber der Verbraucherin S geschehen:

[es folgt die Einblendung wie oben im Tenor wiedergegeben]

II. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, bei den von ihr versendeten Kundenanschreiben handele es sich um schlichte Informationsschreiben über den aktuellen Stand der Höhe der angesammelten Reisewerte. Die Kundenanschreiben seien kundenfreundlicher Service. Eine neue abstrakte Verbindlichkeit habe hiermit nicht begründet werden sollen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und zur Begründung ausgeführt, aus der Sicht des Kunden läge in den monatlichen Aufstellungen ein abstraktes Schuldanerkenntnis, durch das die Verjährung jeweils neu zu laufen beginne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Beklagte weiterhin das Ziel der Klageabweisung. Sie beanstandet am Antrag des Klägers, dass dieser eine unzutreffende Begrifflichkeit ("Guthaben") verwende und auf eine unmögliche Leistung gerichtet sei, da der Kläger die Unterlassung von Handlungen im Jahr 2012 verlange. Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie weist darüber hinaus darauf hin, dass sie als Folge einer früheren Auseinandersetzung mit dem Kläger die beanstandeten Informationsschreiben nicht mehr automatisch, sondern nur noch auf Verlangen der Kunden versende.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 30. 1. 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Seinen Klageantrag zu Ziff. I. hat der Kläger wie folgt gestellt:

Der Beklagten wird untersagt, im Zusammenhang mit der Führung von "Reisewertkonten",

bei denen der Verbraucher durch monatliche Beiträge ein Guthaben anhäuft und diese "Reisewerte" für den Fall einer Reisebuchung auf den Reisepreis angerechnet werden, wobei die "Reisewerte" aus dem vorausgehenden Saldierungszeitraum in den neuen Saldierungszeitraum übertragen werden,

unter Hinweis auf §§ 195, 199 BGB einen Abzug für solche "Reisewerte" vorzunehmen, die in den Zeitraum des jeweils vorvorvorletzten Jahres fallen, wie mit Saldenaufstellungen vom 7. 1. 2009 ("Zeitraum 1. 12. 2008 - 31. 12. 2008") und vom 16. 5. 2012 ("Zeitraum 1. 9. 2011 - 31. 12. 2011") gegenüber der Verbraucherin S geschehen:

(Bild/Grafik nur in Originalenscheidung vorhanden)

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Tenor des landgerichtlichen Urteils war wie geschehen zu modifizieren, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seinen Antrag entsprechend klargestellt hat. Hierin lag weder eine Klageänderung noch eine Klagerücknahme. Der ursprüngliche Antrag des Klägers war auslegungsbedürftig, da unklar war, ob die Formulierung "im Jahr 2012 unter Hinweis auf §§ 195, 199 BGB einen Abzug für solche ,Reisewerte‘ vorzunehmen..." noch zur abstrakten Umschreibung des beanstandeten Verhaltens oder bereits zur nachfolgend wiedergegebenen konkreten Verletzungsform gehörte. Dabei führte die - auch anhand der Anspruchsbegründung durchzuführende (vgl. BGH, Urteil vom 30. 4. 2008 - I ZR 73/05 - GRUR 2008, 702 Tz. 37 - Internet-Versteigerung III; Urteil vom 19. 5. 2010 - I ZR 177/07 - GRUR 2010, 855 Tz. 17 - Folienrollos) - Auslegung zu dem Ergebnis, dass der Kläger das Verhalten der Beklagten, wie es in den Schreiben Bl. 3-4 d. A. als konkreter Verletzungsform zum Ausdruck gekommen ist, untersagt wissen wollte. Weder in der Anspruchsbegründung noch den nachfolgenden Schriftsätzen findet sich ein Hinweis darauf, dass der Kläger die beanstandete Geschäftspraxis lediglich für das Jahr 2012 untersagt wissen wollte. Ein solches Begehren wäre bei einer im September 2012 erhobenen Klage auch unverständlich.

Der Antrag ist auch hinreichend bestimmt. Unschädlich ist die Erwähnung von "Guthaben". Beide Parteien wissen, was gemeint ist; die Beklagte möchte an diesen Sachverhalt lediglich andere Rechtsfolgen anknüpfen. Auch sie stellt nicht in Abrede, dass es sich bei den angesammelten "Reisewerten" um Ansprüche des Kunden handelt. Ob diese nun als Guthaben oder wie auch immer bezeichnet werden, ist für die entscheidende Rechtsfrage - wann diese Ansprüche verjähren - unerheblich. Nur ergänzend ist daher noch darauf hinzuweisen, dass die Beklagte selber in ihren Mitteilungen formuliert, die Reisewerte würden dem "Reisewertkonto" "gutgeschrieben".

2. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch aus §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 7, 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG zu.

a) Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass die beanstandeten Schreiben nicht von der Beklagten, sondern von ihrer Komplementär-GmbH stammen. Dies ändert nichts an der Haftung der Beklagten, die bereits gemäß §§ 31, 89 BGB für das Verhalten ihrer Organe einzustehen hat (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, § 8 Rn. 2.19).

b) Bei den Mitteilungen handelt es sich um geschäftliche Handlungen. Eine solche liegt vor, wenn das Verhalten objektiv darauf gerichtet ist, die geschäftlichen Entscheidungen des Vertragspartners bei Abschluss oder Durchführung des Vertrages zu beeinflussen. Irreführende Angaben im Zusammenhang mit der Abwehr von Ansprüchen des Vertragspartners, wie beispielsweise die falsche Behauptung, ein möglicher Anspruch des Vertragspartners sei verjährt, stellen eine Irreführung im Sinne des § 5 UWG dar (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Auflage 2013, § 5 Rn. 2.12).

c) Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung die Mitteilungen der Beklagten als Saldenabschlüsse mit der Wirkung eines Schuldanerkenntnisses im Sinn des § 781 BGB bewertet.

In den Mitteilungen liegt allerdings, entgegen der Ansicht des Klägers, kein "Anerkenntnis" im Sinn des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB, worunter kein Rechtsgeschäft, sondern ein rein tatsächliches Verhalten des Schuldners zu verstehen ist. Für ein Anerkenntnis im Sinn dieser Vorschrift ist ein tatsächliches Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger erforderlich, aus dem sich sein Bewusstsein vom Bestehen des gegen ihn erhobenen Anspruchs - wenigstens dem Grunde nach - klar und unzweideutig ergibt und das deswegen das Vertrauen des Gläubigers begründet, dass sich der Schuldner nicht nach Ablauf der Verjährungsfrist alsbald auf Verjährung berufen werde (BGH, Urteil vom 9. 5. 2007 - VIII ZR 347/06 - NJW 2007, 2843 Tz. 12 zu § 208 BGB a. F.; MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl. 2012, § 212 Rn. 6). Dies ist im vorliegenden Sachverhalt allerdings nicht der Fall, soweit auf den Mitteilungen der Beklagten - wie auf der aus dem Jahr 2012 - ausdrücklich auf die Verjährung der Reisewerte drei Jahre nach Gutschrift hingewiesen wird. Damit waren diese Mitteilungen nicht geeignet, ein entsprechendes Vertrauen des Verbrauchers hervorzurufen, so dass sich die Unrichtigkeit der Mitteilung aus dem Jahr 2012 nicht über § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB begründen lässt.

d) Bei den Mitteilungen der Beklagten handelt es sich aber um abstrakte Schuldanerkenntnisse, durch die die Verjährung jeweils neu zu laufen beginnt. Es ist anerkannt, dass ein Saldoanerkenntnis im Rahmen eines Kontokorrentverhältnisses die Wirkungen eines abstrakten Schuldanerkenntnisses hat (MünchKomm-BGB/Habersack, § 781 Rn. 9 m. w. N.). Ein Kontokorrentverhältnis nach § 355 Abs. 1 HGB setzt ein Geschäftsverhältnis zwischen zwei Parteien voraus (die nicht notwendig Kaufleute sein müssen), bei dem die Abrede besteht, dass die wechselseitigen Leistungen periodisch miteinander verrechnet werden (Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl. 2012, § 355 Rn. 2 ff.). Ein Kontokorrentverhältnis kann daher nicht nur im Verhältnis zu einer Bank bestehen, sondern in jeder Geschäftsbeziehung, in der eine Mehrzahl von Leistungen abzurechnen ist: Es ist nicht einmal erforderlich, dass Ansprüche und Leistungen auf beiden Seiten bestehen (Baumbach/Hopt a. a. O. Rn. 4). Daher ist das Argument der Beklagten, dass ihre Geschäfte von der BaFin nicht beanstandet worden seien, unerheblich: Es kommt nicht darauf an, ob sie Bankgeschäfte betreibt. Aus diesem Grund ist auch die Bezeichnung der Reisewertkonten als "Guthaben" unschädlich. Das Geschäftsmodell, wie es die Beklagte beispielsweise in der Klageerwiderung vom 2. 11. 2012 beschrieben hat, basiert auf eine Verrechnung der wechselseitigen Ansprüche: Den von dem Kunden durch seine Einzahlungen erworbenen "Reiserechten" stehen die Ansprüche auf Leistung des Reisepreises gegenüber, die durch Verrechnung mit den Reisewerten - gegebenenfalls teilweise - erfüllt werden.

Eine Kontokorrentabrede muss nicht ausdrücklich geschlossen worden sein, sie kann auch konkludent erfolgen. Indizien für eine solche Abrede liegen in der Übersendung der regelmäßigen Abschlüsse zur Anerkennung und in der Anerkennung selbst. In dem Schweigen auf die während eines längeren Zeitraums übersandten periodischen Rechnungsabschlüsse und in der Fortsetzung der Geschäftsverbindung auf der Basis dieser Abrechnungen kann eine stillschweigende Anerkennung der Salden liegen (BGH, Urteil vom 18. 6. 1991 - XI ZR 159/90 - NJW-RR 1991, 1251).

Gerade aus den vorliegenden Mitteilungen der Beklagten kann auf das Bestehen eines Kontokorrentverhältnisses geschlossen werden. In ihnen werden die Einzelbuchungen für jeweils eine bestimmte Periode unter den Rubriken "Belastung" und "Entlastung" zusammengefasst und zu einem "neuen Saldo" addiert. Auch das Geschäftsmodell der Beklagten beruht gerade auf der Verrechnung der jeweiligen Leistungen; der Kunde erbringt ein "Serviceentgelt" (so in der Klageerwiderung; auf den Mitteilungen wird es unter "Mitgliedschaft" verbucht). Wenn er eine Reise über die Beklagte bucht, kann er den geschuldeten Reisepreis gegen die angesammelten "Reisewerte" verrechnen. Von daher unterliegt es keinem Zweifel, dass der Vertragsbeziehung zwischen der Beklagten und ihren Kunden ein Kontokorrentverhältnis zugrunde liegt.

Allerdings führt nicht jede Übersendung einer Mitteilung der Kontostände auch zu einem Saldoanerkenntnis im Sinn des § 781 BGB. Auch bei einem Kontokorrentverhältnis ist zu unterscheiden zwischen der schlichten Mitteilung eines Kontostandes, bei dem es sich um eine einfache Information des Kunden handelt, und dem periodischen Rechnungsabschluss, der die Wirkung des § 781 BGB auslöst. Solche Rechnungsabschlüsse müssen - entgegen der Ansicht des Klägers - grundsätzlich auch nicht jährlich erfolgen; es sind auch Fälle denkbar, in denen das gesamte Kontokorrentverhältnis nur eine einzige Rechnungsperiode umfasst, so dass der Rechnungsabschluss erst am Ende des Vertrages erfolgt (Baumbach/Hopt, a. a. O. Rn. 6). Ein entscheidendes Kriterium dafür, ob es sich um eine schlichte Kundeninformation oder einen Rechnungsabschluss im Sinn des § 355 Abs. 2 HGB handelt, ist, ob der Kontoführer mit der Übersendung erkennbar rechtliche Wirkungen auslösen möchte (vgl. BGH, Urteil vom 28. 6. 1968 - I ZR 156/66 - BGHZ 50, 277, zitiert nach juris Rn. 17 ff.). Genau dies ist hier der Fall, wie die oben wiedergegebene Formulierung auf den Schreiben zeigt, die Saldenmitteilung gelte als genehmigt, wenn nicht binnen zwei Wochen Einwendungen erhoben würden.

Das zentrale Argument der Beklagten, die Auslegung ihrer Mitteilungen durch das Landgericht werde ihrem Geschäftsmodell nicht gerecht, weil so die Ansprüche des Kunden nie verjähren würden, greift nicht. Auch wenn das Amtsgericht Köln in einer Entscheidung vom 3. 9. 2012 (Anlage 2, Bl. 13 ff. AH) nicht beanstandet hat, dass der Kunde keine Auszahlung der Barwerte verlangen kann, so spielte bei dieser Entscheidung die Frage der Verjährung keine Rolle. Sachlich greift das Argument der Beklagten bereits deshalb nicht, weil sie es durch die Beendigung des Vertrages in der Hand hat, den Saldo endgültig festzustellen, der dann - drei Jahre nach Beendigung des Vertrages - verjährt. Ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten, Ansprüche ihrer Kunden während laufender Geschäftsbeziehung verjähren zu lassen, vermag der Senat nicht zu erkennen. Soweit sie sich darauf berufen hat, ihr Geschäftsmodell setze eine gewisse Frequenz der Buchungen voraus, so hat sie es in der Hand, Verträge, bei denen diese Frequenz nicht erreicht wird, durch Kündigung zu beenden.

Auch das Argument der Beklagten, aus dem Hinweis auf die Verjährung in dem Mitteilungen folge, dass es sich um kein Anerkenntnis handeln könne, da bei einem Anerkenntnis gerade keine Verjährung eintrete, überzeugt nicht. Dieses Argument ist im Rahmen des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB erheblich, da diese Vorschrift das tatsächliche Vertrauen des Gläubigers schützt, der Schuldner werde sich nicht auf Verjährung berufen. Vorliegend geht es aber um die Frage, ob die Beklagte an die Mitteilungen rechtliche Wirkungen anknüpfen möchte. Dies ist der Fall, wie die Formulierung zum Einwendungsausschluss zeigt. Der Hinweis auf die Verjährung ist daher schlicht fehlerhafte Rechtsanwendung.

e) Im Ergebnis handelt es sich bei den Mitteilungen um Saldoanerkenntnisse, mit der Wirkung, dass für jeden Saldo die Verjährung neu zu laufen beginnt (Baumbach/Hopt, a. a. O. Rn. 11). Dies steht im Einklang mit der Rechtsauffassung, die der Senat bereits in dem Urteil vom 21. 10. 2011 (6 U 64/11 - WRP 2012, 221 - Drittunterwerfung) zum Ausdruck gebracht hat, das ebenfalls das Geschäftsmodell der Beklagten - wenn auch unter einem anderen Aspekt - zum Gegenstand hatte.

f) Nur ergänzend ist schließlich noch darauf hinzuweisen, dass vieles dafür spricht, dass die Information, Reisewerte würden der dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen, die mit dem Schluss des Jahres beginne, in dem der Betrag dem Konto gutgeschrieben worden sei, auch unter einem anderen Gesichtspunkt falsch ist.

Die Verjährung beginnt mit der Entstehung des Anspruchs. Ein Anspruch ist dabei entstanden, sobald er erstmals geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann, was grundsätzlich voraussetzt, dass der Anspruch auch fällig ist (BGH, Urteil 23. 1. 2001 - X ZR 247/98 - NJW 2001, 1724, 1725; MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl. 2012, § 199 Rn. 4; jeweils m. w. N.). Die Beklagte hat in ihren AGB Ansprüche auf Barauszahlung der Reisewerte ausgeschlossen, so dass der Kunde die Reisewerte daher nur durch Verrechnung mit Ansprüchen für über die Beklagte gebuchte Reiseleistungen realisieren kann. Geltend machen kann der Kunde seinen Anspruch daher erst, wenn er auch eine Reise bucht. Es handelt sich somit um einen sogenannten verhaltenen Anspruch, der jederzeit, aber erst auf Verlangen des Gläubigers zu erfüllen ist. An sich ist ein solcher Anspruch sofort entstanden und müsste daher unabhängig von einem Verlangen des Gläubigers drei Jahre nach seiner Entstehung verjähren. Dies ist jedoch nach Einführung der kurzen Regelverjährung nicht mehr haltbar, zum einen wegen des ersatzlosen Wegfalls der Sondervorschriften für gestaltungsrechtsabhängige Ansprüche (§§ 199, 200 BGB a. F.), zum anderen wegen der drohenden Ergebnisse, könnte doch ein großer Teil der betreffenden Ansprüche verjähren, ehe sie überhaupt geltend gemacht worden sind. Eine auf unbestimmte Zeit verliehene Sache beispielsweise ließe sich nach Ablauf von drei Jahren nicht mehr durchsetzbar zurückfordern. Daher hat der Gesetzgeber bei der Leihe (§ 604 Abs. 5 i. V. m. Abs. 3 BGB), der Hinterlegung (§ 695 S. 2 BGB) und der Verwahrung (§ 696 S. 2 BGB) angeordnet, dass die Verjährung erst mit der Rückforderung beziehungsweise dem Rücknahmeverlangen beginnt. In diesen Vorschriften ist ein allgemeiner Rechtsgedanke zum Ausdruck gekommen, der sich auch auf andere Ansprüche übertragen lässt, die auf Dauerschuldverhältnissen beruhen und bei denen ein Verlangen des Gläubigers über den Zeitpunkt der Leistungspflicht entscheidet. Daher entstehen all diese Ansprüche, sofern sie der Regelverjährung nach §§ 195, 199 BGB unterliegen und ihr Verjährungsbeginn nicht besonders normiert ist, erst in dem Zeitpunkt, in dem der Gläubiger seine Ansprüche tatsächlich geltend macht (MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl. 2012, § 199 Rn. 7; so auch BeckOK/Henrich/Spindler, BGB, Stand 1. 5. 2013, § 199 Rn. 10; Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl. 2013, § 199 Rn. 8; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearbeitung 2009, § 199 Rn. 12 f.; vgl. BGH, Urteil vom 3. 11. 2011 - III ZR 105/11 - NJW 2012, 58 Tz. 29 betreffend den Anspruch auf Rechnungslegung während eines laufenden Auftragsverhältnisses).

Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Verjährung der Reisewerte - anders als auf den Mitteilungen der Beklagten angegeben - nicht mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem sie dem Konto des Kunden gutgeschrieben werden, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Kunde erstmals die Verrechnung mit Reiseleistungen begehrt. Vor diesem Hintergrund verliert auch das Argument der Beklagten, es könne nicht sein, dass sie sich durch die Versendung der Mitteilungen als Serviceleistungen zugunsten ihrer Kunden schlechter stelle als ohne die Versendung, an Überzeugungskraft.

3. Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung außer Streit. Im Übrigen beruht die Entscheidung auf einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.000 EUR festgesetzt.






OLG Köln:
Urteil v. 23.08.2013
Az: 6 U 27/13


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