Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 15. September 2006
Aktenzeichen: 6 U 25/06

(OLG Köln: Urteil v. 15.09.2006, Az.: 6 U 25/06)

Tenor

1.

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 04.01.2006 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 201/00 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 167.161,76 € nebst 4 % Zinsen seit dem 10.01.1997 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu ¼ und die Beklagte zu ¾. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

4.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil jeweils zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

5.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von im Wege der Lizenzanalogie berechnetem Schadensersatz in Anspruch. Im Vorverfahren 28 O 284/95 LG Köln (6 U 94/96 OLG Köln) ist rechtskräftig festgestellt worden, dass die Beklagte der Klägerin dem Grunde nach Schadensersatz schuldet wegen urheberrechtlicher Verletzungshandlungen in Zusammenhang mit dem Vertrieb von Kosmetik- bzw. Parfümerieartikeln in einer bestimmten Aufmachung und/oder Verpackung. Mit der Klage hat die Klägerin zunächst Zahlung von 220.992,35 € begehrt. Diesem Betrag liegt der Ansatz von 20 % der für die fraglichen - nach Art und Menge unstreitig vertriebenen - Artikel erzielten Vertriebshändlerabgabepreise zugrunde. Nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie nach Verfahrensaussetzung gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 2 UrhWahrnG hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, die Beklagte zur Zahlung eines Teilbetrags von 83.580,88 € nebst beantragter Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der im Verletzungszeitraum (bis einschließlich 1996) maßgebliche Tarif der Klägerin für "Textilien, Leder und ähnliche Materialien", auszugsweise wiedergegeben in der Anlage K 6, nicht unmittelbar Anwendung finde, sondern nur als Anhaltspunkt dienen könne, und dass im Zuge der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Schätzung wegen im einzelnen dargelegter Besonderheiten des Streitfalls Abschläge an der prozentualen Beteiligung vorzunehmen seien; Berechnungsgrundlage des zuerkannten Schadensersatzes, der einem Ansatz von 7,5 % des Vertriebshändlerabgabepreises entspricht, sei mangels erheblichen Bestreitens der Beklagten die als Anlage K 1 vorgelegte Preisliste ihrer Vertreiberin, der W. E. GmbH.

Hiergegen wenden sich die selbständigen Berufungen der Parteien. Die Klägerin verfolgt ihr Klageziel unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens nur noch insoweit weiter, als sie Zahlung weiterer 83.580,88 € nebst Zinsen geltend macht, d.h. den begehrten Schadensersatz auf einen Betrag begrenzt, der insgesamt 15 % des Vertriebshändlerpreises entspricht. Die Beklagte wendet sich hiergegen sowie gegen ihre Teilverurteilung, wobei sie ihr Ziel der Klageabweisung weiterhin mit der Auffassung verteidigt, dass die Klage hinsichtlich ihrer Berechnungsgrundlagen unschlüssig sei. Sie ist insoweit der Ansicht, dass nur ihre eigenen Fabrikabgabepreise angesetzt werden könnten. Außerdem hält sie an dem Bestreiten fest, dass es sich bei den in der Preisliste ihrer Vertreiberin ausgewiesenen Beträgen um deren tatsächliche Abgabepreise gehandelt habe.

II.

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig. In der Sache führt indes nur das klägerische Rechtsmittel zum Erfolg. Der Senat folgt der Klägerin darin, dass der von der Beklagten geschuldete Schadensersatz auf der Grundlage eines Anteils von 15 % des maßgeblichen Vertriebshändlerabgabepreise zu berechnen ist, und dass dessen Höhe der offiziellen Preisliste der für die Beklagte tätigen Vertriebsgesellschaft zu entnehmen ist.

1.

Der Senat hat wie schon die Kammer die in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung bestätigten Grundsätze einer Schadensberechnung im Wege der Lizenzanalogie zugrunde zu legen. Auszugehen ist demnach von dem, was vernünftige Vertragsparteien als Vergütung für die fraglichen Verletzungshandlungen vereinbart hätten. Maßgebend für die Bemessung der angemessenen Lizenzgebühr ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung, für welchen es auf die gesamten wesentlichen Umstände des Einzelfalls ankommt. Die zu zahlende Lizenz ist vom Gericht gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung aller Umstände in freier Beweiswürdigung zu schätzen, wobei branchenübliche Vergütungssätze und Tarife als Maßstab herangezogen werden können, wenn sich in dem entsprechenden Zeitraum eine solche Übung herausgebildet hat (BGH GRUR 2006, 136, 137, 138 - Pressefotos).

Nach Maßgabe dieser Kriterien ist es nicht zu beanstanden, dass die Kammer im Rahmen der nach § 287 ZPO vorgenommenen Schätzung das Tarifverzeichnis der Klägerin "für den Abdruck von Werken der Bildenden Kunst ... auf Textilien, Leder und ähnliche Materialien" betreffend den Zeitraum 1994 - 1996 als Anhaltspunkt herangezogen, indes auch die weiteren Besonderheiten des Einzelfalls ergänzend berücksichtigt hat.

Mit dem Landgericht und in Übereinstimmung mit der sowohl von dem Sachverständigen Prof. Dr. M. als auch der Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt vertretenen Auffassung ist zunächst davon auszugehen, dass sich die Bemessung des Schadensersatzes im Streitfall nach der an einem bestimmten Prozentsatz von bestimmten Vertriebspreisen orientierten Lizenzgebühr für eine mit einem Werk der bildenden Kunst versehene Ware ausrichtet.

Vorgesehen war nach dem obengenannten Tarif der Klägerin eine prozentuale Berechnung in diesem Sinne, nämlich eine Lizenzgebühr in Höhe von 20 % des "Ladenendverkaufspreises". Der Sachverständige Prof. Dr. M. betont in seinem Gutachten ebenso wie die Schiedsstelle des DPMA in ihrem schriftlichen Einigungsvorschlag vom 27.09.2004 zu Recht, dass der fragliche Tarif anders als etwa der damals weiter bekannte (und niedrigere) Pauschaltarif für "Tonträgerhüllen - Kassettenverpackungen" zwar noch am dichtesten an die hier fraglichen Waren heranreicht i.S. der BGH-Entscheidung "Tarifüberprüfung II (GRUR 1983, 565, 567), sich aber dennoch eine unmittelbare Anwendung dieses Tarifs mangels Nennung von Kosmetikprodukten bzw. deren Aufmachungen verbiete. Dies hindert allerdings nicht, die in dem Tarif niedergelegten Berechnungsgrundsätze mit gewissen Einschränkungen zur Höhe heranzuziehen. Soweit der Tarif allerdings einen Prozentsatz von 20 % vorsieht, lässt sich dieser, wie die Kammer richtig festgestellt hat, nicht schon als branchenüblich bezeichnen, nachdem die Klägerin ihn nur einmal angewendet haben will.

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls schätzt der Senat die angemessene Höhe des prozentualen Anteils vielmehr auf insgesamt 15 %.

a)

Für die Schätzung eines Anteils von (mindestens) 15 % spricht bereits die Lizenzierungspraxis der Klägerin in vergleichbaren Fällen.

Die als Anlagen K 7, 8 und 9 vorgelegten Verträge aus den Jahren 1993 bis 1996 verhalten sich über die Gestattung der Verwendung bestimmter Werke N. auf Schmuckstücken, Schuhen und auf Textilien/Papier/Porzellan. In den beiden erstgenannten Verträgen sind jeweils Anteile von 20 % vereinbart worden, in dem dritten ein solcher von 15 %. In zwei weiteren, Werke von N. betreffenden Lizenzverträgen aus den Jahren 1995 bzw. 1998 (Anlagen K 10 und 11) sind Stückentgelte festgesetzt worden, und zwar für Alben mit Reproduktionen bzw. für Kaffeeservices, welche prozentualen Beteiligungen von 15 % bzw. sogar 30 % entsprechen.

Da es um Werke desselben Malers und Lizenzvereinbarungen des auch im Streitfall relevanten Zeitpunkts gegangen ist, steht zu vermuten, dass die Parteien sich im Fall erfolgreich zum Abschluss gebrachter Vertragsverhandlungen auf einen Anteil im Bereich von 15 - 20 % geeinigt hätten.

Bestätigt wird eine Bemessung in dieser Höhe durch die von der Kammer zu Recht in ihre Würdigung einbezogenen und weiterhin nicht angegriffenen sachverständigen Feststellungen in dem Gutachten Prof. Dr. M., wonach für Lizenzierungen von Werken der vergleichbar bekannten Künstler Q. und X. Anteile von 10 - 12 % bis 18 % vereinbart worden sind.

An der oberen Grenze dieses Rahmens, nämlich mit 18 %, hat überdies die in Lizenzangelegenheiten besonders erfahrene und sachkundige Schiedsstelle beim DPMA die im Streitfall angemessene Lizenzgebühr bemessen.

b)

Abschläge von dem mithin mindestens in Höhe des noch verlangten Prozentsatzes von 15 % anzusetzenden Lizenzentgelts sind demgegenüber unter keinem Gesichtspunkt vorzunehmen.

Eine Reduzierung der sonst üblichen angemessenen Vergütung rechtfertigt sich nicht aus dem von dem Landgericht herangezogenen Grund, dass der Beklagten lediglich eine Bearbeitung i.S. des § 23 UrhG vorgeworfen werden könne und keine identische Übernahme eines bestimmten Werkes von N..

Der Senat lässt offen, ob die Nähe der Nachbildung bzw. der Grad der Übernahme im Rahmen der Bemessung grundsätzlich Berücksichtigung finden kann (so Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 97 Rn. 63; Schricker-Wild, Urheberrecht, 2. Aufl., § 97 Rn. 63). Jedenfalls im Streitfall ist diese Differenzierung nicht sachgerecht. Der Sachverständige Prof. Dr. M. hat in seinem Gutachten einleuchtend dargestellt, dass gerade durch die von der Beklagten getroffene Auswahl und sodann erfolgte Anordnung einzelner typischer Stilelemente N. das künstlerische Gesamtwerk dieses weltbekannten Malers vereinnahmt und die diesem innewohnende Stimmung und Aussage im Ganzen verwendet wird. Der Senat schließt sich der Auffassung des Sachverständigen an, dass die mit dieser Art der Verwendung einhergehenden Vorteile aus der Nachahmung eines urheberrechtlich geschützten (Gesamt-)Werks eher über diejenigen aus der identischen Reproduktion eines einzelnen Werkes hinausgehen, keinesfalls aber geringer anzusetzen sind.

Eine Ermäßigung des sonst üblicherweise anzusetzenden prozentualen Anteils von 15 % kommt insbesondere nicht unter dem weiteren Gesichtspunkt in Betracht, dass nicht die Ware selbst, also die im Streitfall vertriebenen Kosmetik- bzw. Parfümerieartikel, mit für N. typischen Stilelementen versehen worden seien, sondern - nur - deren Aufmachung und/oder Verpackung, weshalb eine Anlehnung an das regelmäßig geringer bemessene Entgelt bei bestimmten Verpackungstarifen vorzunehmen sei.

Eine Unterscheidung nach der - mit einem geschützten Werk zu versehenden - Ware einerseits und deren reiner Verpackung andererseits hat das Tarifwerk der Klägerin für 1994 - 1996 noch nicht vorgesehen. Dass diese Unterscheidung in den ab 2000 geltenden Tarifen vorgenommen worden ist, führt wegen des hier relevanten Verletzungszeitraums nicht notwendig zur Heranziehung der späteren Tarifwerke.

Ungeachtet dessen erscheint es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, im Rahmen der nach § 287 ZPO vorzunehmenden Schätzung zwischen Lizenzentgelten für mit dem Kunstwerk unmittelbar versehene Waren und denjenigen nur für deren Verpackung zu unterscheiden. Wegen der Besonderheiten der im Streitfall betroffenen Waren ist eine derartige Unterscheidung nach Verzierungen auf der Ware selbst oder nur auf ihrer Verpackung indes nicht gerechtfertigt.

Zu den von der Beklagten vertriebenen Waren gehörten mit Duschgel, Bodylotion und Deo kosmetische Produkte, deren Konsistenz flüssig ist und welche deshalb nicht nur für die Vertriebs- bzw. Verkaufssituation einer diesen flüssigen Wareninhalt verschließenden Verpackung bedürfen, sondern während der gesamten Zeit ihres Verbrauchs. Sie unterscheiden sind damit deutlich von sonstigen Waren, die nur des geschützten Transports und/oder der ansprechenderen Optik wegen in der Kaufsituation in einer Verpackung angeboten werden. Aus den in den Tenor des zum Haftungsgrund ergangenen Senatsurteils vom 10.01.1997 - 6 U 94/96 - eingeblendeten Abbildungen eines Duschgels ist ersichtlich, dass die fragliche Ware selbst mit N.-Stilelementen verziert war und nicht etwa nur eine zusätzliche Kartonverpackung wie bei dem weiter abgebildeten Eau de Toilette. In der Verbalisierung des Tenors wird deshalb auch ausdrücklich zwischen "Aufmachung" und "Verpackung" unterschieden. Die Erwägung der Beklagten, dass mit den angegriffenen Stilelementen versehene "Verpackungen" erfahrungsgemäß sofort nach dem Kauf entsorgt werden, weshalb nur ein geringeres Entgelt anzusetzen sei, trifft also bei etwa der Hälfte der betroffenen Produkte schon im Ansatz nicht zu.

Zu den vorstehenden Erwägungen kommt hinzu, dass eine aus der Art der betroffenen Waren begründete Reduzierung den Besonderheiten beim Vertrieb gerade von Duftserien nicht Rechnung tragen würde. Der Aufmachung bzw. Verpackung von Düften und diesen zugeordneten Pflegeprodukten wie Duschgel etc. kommt, wie die Klägerin zu Recht betont, herausragende Bedeutung zu. Die Verpackung ist der Teil, der dem interessierten Verbraucher als erstes entgegen tritt. Sie hat im Idealfall mittels Farbgebung und sonstiger Gestaltung den enthaltenen Duft vorwegzunehmen und ist deshalb in hohem Maße entscheidend für die Frage, ob der Verbraucher sich dem Produkt überhaupt zuwenden wird.

Entsprechende Erwägungen hat die Schiedsstelle in ihren Spruch einfließen lassen und sind auch von dem Sachverständigen angestellt worden. Soweit er nämlich hervorgehoben hat, dass man Assoziationen an die dem Werk N. innewohnende Fröhlichkeit und südliche Lebensfreude wecken wollte, liegt dem ersichtlich das werbewirksame Konzept einer Ausrichtung und Typ des Dufts widerspiegelnden Aufmachung zugrunde.

Im Streitfall war für den Verkaufserfolg der Produkte also die Verpackungsgestaltung von keineswegs untergeordneter Bedeutung. Es ist deshalb nicht gerechtfertigt, die betroffenen Kosmetikprodukte anders zu behandeln als Waren, die mit den Kunstwerken unmittelbar versehen werden wie Schmuck oder Schuhe, weshalb in die Schätzung nicht abwertend einzufließen hat, dass vorliegend "nur" Produktaufmachungen bzw. -verpackungen betroffen sind.

2.

Die Beklagte wendet sich ohne Erfolg gegen den Ansatz des Vertriebshändlerabgabepreises anstelle ihres eigenen Fabrikabgabepreises. Es gibt nämlich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien sich im Fall von Vertragsverhandlungen auf letzteren geeinigt hätten.

Der damalige Tarif der Klägerin "für den Abdruck von Werken der Bildenden Kunst ... auf Textilien, Leder und ähnliche Materialien" hatte mit dem "Ladenendverkaufspreis" an den in der Regel höchsten Preis der letzten Handelsstufe angeknüpft. Ihrer jetzigen Berechnung legt die Klägerin allerdings von vorneherein nur den regelmäßig geringeren Vertriebspreis zugrunde, nämlich den von der beteiligten Vertriebsgesellschaft gegenüber dem Einzelhandel verlangten Abgabepreis. Sowohl der Sachverständige als auch die Schiedsstelle haben unter Bezugnahme auf § 13 UrhWahrnG bestätigt, dass im Interesse einer angemessenen Beteiligung des Verletzten am wirtschaftlichen Nutzen seines Werkes dieser Preis und damit derjenige einer späteren Vertriebsstufe anzusetzen ist. Dem schließt der Senat sich an. Es ist nämlich zum einen nicht ersichtlich, dass die Beklagte einen Direktvertrieb beabsichtigt hätte, weshalb auch nicht nachvollziehbar ist, dass die Klägerin sich auf den Ansatz von Fabrikpreisen eingelassen hätte. Zum anderen spricht auch die unstreitig schon während der Produktentwicklung enge Kooperation zwischen der Beklagten und ihrer Vertreiberin dafür, die Preise einer höheren Handelsstufe anzusetzen.

Die aus den 60er bzw. 70er Jahren des letzten Jahrhunderts stammenden und zum Warenzeichen- bzw. Geschmacksmusterrecht ergangenen BGH-Entscheidungen "Meßmer-Tee II" (GRUR 1966, 375) und "Clarissa" (GRUR 1975, 85) rechtfertigen entgegen der Ansicht der Beklagten keine abweichende Beurteilung. Soweit dort auf Fabrikabgabepreise abgestellt worden ist (vgl. "Meßmer-Tee II" a.a.O. Seite 378 bzw. "Clarissa" a.a.O. Seite 87), war dies offensichtlich durch die Klagen vorgegeben und nur die Höhe des Prozentanteils bzw. die Unterscheidung nach brutto oder netto noch Gegenstand der richterlichen Beurteilung.

3.

Vor dem Hintergrund, dass es sich bei den in der Anlage K 1 dokumentierten Preisen unstreitig um die offizielle Preisliste der von der Beklagten eingeschalteten Vertriebsgesellschaft, der W. E. GmbH, handelt, ist mit der Kammer das Bestreiten der Beklagten, dass es sich hierbei um die von der Vertreiberin auch tatsächlich erzielten Preise handeln würde, als unerheblich zu bewerten.

Ausgangspunkt der Erwägungen ist die Situation, in der sich die Parteien im Fall von Lizenzvertragsverhandlungen befunden hätten. Im Streitfall spricht alles dafür, dass solcherart zustande gekommene Vereinbarungen auf eine offizielle Preisliste gestützt worden wären, ohne dass Rabatte oder sonstige Ermäßigungen, die eine künftig tätig werdende Vertriebsgesellschaft für bestimmte Großabnehmer anbieten mag, in die Bemessung einfließen. Die Ausgabe einer Preisliste macht nur dann Sinn, wenn bestimmte Abnehmer diesen Preis auch werden zahlen müssen. Der Senat konzediert durchaus, dass voraussichtlich nicht jeder Kunde des Vertreibers den offiziellen Abgabepreis wird entrichten müssen, sondern dass im Zuge des Produktvertriebs z.B. Zugeständnisse an Großkunden notwendig werden können. Nichts desto trotz streitet zunächst ein Vermutungstatbestand dafür, dass bei den in der Vorbereitungsphase des Herstellungsprozesses stattfindenden Lizenzverhandlungen, wo also überhaupt erst die - über den späteren Verkaufserfolg durchaus mitentscheidende - Produktaufmachung festgelegt wird, mangels fassbarer sonstiger, von Produkterfolg und Verhandlungsgeschick eines Vertreibers abhängiger Daten nur die offiziellen Preislisten zugrunde gelegt werden.

Dass im Streitfall etwa aufgrund branchenspezifischer Besonderheiten Anderes gelten könnte, hat die Beklagte nicht vorgebracht. Sie hat auch nicht konkret zu den von ihr pauschal als geringer behaupteten tatsächlichen Vertriebshändlerpreisen vorgetragen, obwohl ihr dies aufgrund ihrer unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit der Vertreiberin ohne weiteres möglich gewesen wäre. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung, von dem zutreffenden Ansatz des Landgerichts abzuweichen.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Rechtssache, deren Entscheidungsschwerpunkt im tatrichterlichen Bereich liegt. Ihr kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordert die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 167.161,76 €






OLG Köln:
Urteil v. 15.09.2006
Az: 6 U 25/06


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