Amtsgericht Kassel:
Urteil vom 12. November 2009
Aktenzeichen: 800 C 612/08

(AG Kassel: Urteil v. 12.11.2009, Az.: 800 C 612/08)

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, folgende, auf dem Haus € montierte Videokameras zu entfernen:

a) über dem Balkon der Arztpraxis € an oder auf der Metalleinfassung der darüber liegenden Dachterrasse (Doppelvideokamera), gerichtet auf den Haupteingang des Wohn- und Geschäftshauses €,

b) an der rechten Seite des Hauses € an der Metallbrüstung des Daches befestigte Kamera gerichtet auf den Innenhof des Hauses, die Toreinfahrt zu diesem Innenhof und gegenüberliegenden Parkstreifens,

c) an der Brüstung der Terrasse des Beklagten (linke Hausseite), vormontiert vor einem Vogelhäuschen, ausgerichtet auf die linke Hausfront,

d) auf dem höchsten Punkt des Dachgiebels, die rückseitig die Hauseingangsseite überwacht.

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, in seinem Briefkasten vor dem Haus €. eine Kamera aufzustellen, die gerichtet ist auf den unteren Hausinnenraum und den Eingangsbereich. Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000 EUR, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 150 EUR ein Tag Ordnungshaft angedroht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000 EUR vorläufig vollstreckbar.

Das Urteil ist auch für den Beklagten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist Teileigentümerin, der Beklagte Wohnungseigentümer der Miteigentümergemeinschaft € in €. Der Beklagte ist Eigentümer einer Wohnung im Haus €, die von der Klägerin betriebene Apotheke befindet sich im Hause €.

Neben den bereits im Tenor aufgeführten Kameras hat der Beklagte eine weitere in der Türlaibung seiner Wohnungseingangstür installiert. Er unterhielt vormals überdies eine Videokamera, die in seinem Briefkasten im Eingangsbereich des Hauses €installiert war. Neben der Beseitigung der derzeit montierten Videokameras begehrt die Klägerin ferner die Unterlassung der erneuten Montage einer Videokamera im Briefkasten. Sie begehrt ferner die Vernichtung der mit den Videokameras aufgezeichneten Daten und eine sich hierzu verhaltende eidesstattliche Versicherung des Beklagten.

Wegen der Positionierung der unter a) bis c) des Tenors aufgeführten Kameras wird auf den zur Akte gereichten Flächenplan (BI. 9 der Akte) verwiesen, wobei nachfolgend zur besseren Orientierung die dort gewählte Nummerierung übernommen wird. Wegen der Örtlichkeiten wird auf die zur Akte gereichten Lichtbilder BI.6 - 8, 62 verwiesen, wobei daraus auch die auf dem Dachfirst befindliche Kamera (Punkt d) des Tenors; nachfolgend: Kamera 5)ersichtlich ist.

Die Klägerin meint, die Kameras seien schon deswegen zu entfernen, weil es sich hierbei um bauliche Veränderungen im Sinne des § 22 WEG handelt, die ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer vorgenommen worden seien.

Sie behauptet, die Videokameras würden Bereiche erfassen, die zum Gemeinschaftseigentum gehören. Sie fühle sich in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, da sie sich zwangsläufig im Überwachungsbereich der Kameras aufhalte, egal, ob durch einfaches Befahren mit ihrem Fahrzeug, beim Parken des Fahrzeugs oder auch nur beim Begehen der Örtlichkeit. Sie sei immer betroffen, unabhängig davon, wo sie sich genau um die Miteigentumsanlage herum bewegt.

Daneben könne sie auch nicht ausschließen, dass gegen ihren Willen entsprechende Aufnahmen gefertigt werden, deren Beseitigung sie beansprucht.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verpflichten, die von ihm in bzw. auf dem Hause € in € montierten Videokameras zu entfernen und zwara) die über dem Balkon der Arztpraxis € an oder auf der Metalleinfassung der darüber liegenden Dachterrasse montierten Doppelvideokameras, gerichtet auf dem Bereich vor dem Haupteingang des Wohn- und Geschäftshauses €,b) sowie die an der rechten Seite des Hauses € an der Metallbrüstung des Daches befestigten Kamera, gerichtet auf den Innenhof des Hauses und Toreinfahrt zu diesem Innenhof und des gegenüberliegenden Parkplatzes,c) die an der Brüstung der Dachterrasse des Beklagten (linke Hausseite) montierten Videokamera, vormontiert vor einem Vogelhäuschen, ausgerichtet auf die linke Hausfront,d) die auf dem höchsten Punkt des Dachgiebels von dem Beklagten angebrachte weitere Videokamera, die rückseitig die Hauseingangseite "überwacht",e) die in einem Schmucktürkranz an der Wohnungseingangstür des Angeklagten im zweiten Obergeschoss befindlichen Kamera, gerichtet auf den Flur im zweiten Obergeschoss,2. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, in seinem Briefkasten vor dem Hause € eine Kamera aufzustellen, die gerichtet ist auf den unteren Hausinnenraum und den Eingangsbereich,3. den Beklagten zu verpflichten, die gesamten mit den Kameras gesammelten Daten zu vernichten und die Vernichtung eidesstattlich zu erklären,hilfsweise,den Beklagten zu verurteilen, an Eides statt zu versichern, dass er keine Aufzeichnungen mittels der von ihm installierten Videoanlagen gefertigt und archiviert hat,4. dem Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung anzudrohen,eine Geldstrafe von 10.000 EUR je Einzelfall zu zahlen oder ersatzweise sechs Monate Haft anzuordnen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, eine Verletzung des Gemeinschaftseigentums liege durch das Anbringen der Außenkameras nicht vor, weil diese mit Ausnahme der Kamera 5 auf dem eigenen bzw. mit Erlaubnis der Miteigentümer €X€ (den Nachbarn des Beklagten) auf deren Sondereigentum angebracht seien. Ein Eingriff in das gemeinschaftliche Eigentum sei deswegen nicht gegeben. Die Kamera 5wiederum sei mittels Aluminiumbügel auf dem Dachfirst angebracht,so dass auch dies bezüglich des Gemeinschaftseigentums in keiner Weise beeinträchtigt wäre. Es ergeben sich ferner auch keine Beeinträchtigungen der Fassadengestaltung, weil diesbezüglich zu bedenken sei, dass die Kameras 2006 montiert und erst viel später überhaupt bemerkt worden seien.

Die Videokameras würden überdies lediglich Bereiche erfassen,die weder zum Sonder- noch zum Gemeinschaftseigentum gehören. Es handelt sich vielmehr um öffentliche Bereiche, wobei der Beklagte zur näheren Erläuterung seines Vortrags auf einen von ihm vorgelegten Auszug aus der Liegenschaftskarte Bezug genommen hat,auf die wegen der Einzelheiten, insbesondere der durch die Kameras abgetasteten Bereiche, verwiesen wird (Anlage zum Protokoll vom 12.11.2009). Deswegen würde auch gar kein Bereich erfasst, die die Klägerin nutzen würde, zumal Kamera 3 ohnehin inaktiv sei. Mit Ausnahme der in der Türlaibung angebrachten Kamera (Innenkamera)sei die von ihm benutzte Ausrüstung gerade nicht mit einer Aufnahmefunktion ausgestattet, so dass er keine Bilder aufnehmen und speichern würde. Er habe überdies keinen Tonempfang. Die Kameras seien nicht schwenkbar und hätten auch keine Zoomfunktion;ihm eröffne sich damit lediglich einen Standbild. Die Auflösung der Kameras sei derart gering, dass eine entsprechende Identifizierung von Personen nicht möglich sei. Der Beklagte bezieht sich zum besseren Verständnis seines Vorbringens auf eine Nachtaufnahme der Kamera 2, auf die ebenfalls verwiesen wird (BI. 156 der Akte). Da Datenspeicherung nicht erfolge und keine selektive Beobachtung möglich sei, habe die Klägerin nach seiner Auffassung auch keinen Anspruch auf Beseitigung.

Er benötige die Videoausstattung zum einen deshalb, weil er angesichts seiner anerkannten Schwerbehinderung Einschränkungen unterliege, die er mittels der Anlage ausgleichen könne. Die Videoanlage sei auch deshalb installiert, um Schäden an seinem hinter dem Haus geparkten Fahrzeug zu verhindern und auch sonstige Ereignisse beobachten zu können, die Anlass zum Einschreiten geben.Denn innerhalb der letzten Jahre seien sämtliche Fahrzeuge des Beklagten beschädigt und mehrere Male in Geschäfte, die zum Miteigentumsobjekt gehören, eingebrochen worden. Auf dem Platz vor dem Gebäude sind daneben in der Nacht erhebliche Geräuschbelästigungen zu beklagen. Wenn er diese Geschehnisse mitbekomme, könne er die Kameras einzelnen durchschalten und sodann über seine Dachterrasse oder eine persönliche Vorsprache in die Angelegenheit eingreifen, nötigenfalls die Polizei rufen.

Die Kameraanlage im Briefkasten sei deshalb notwendig, weil entgegen einer gerichtlichen Entscheidung die Haustür nach 18:00Uhr nicht verschlossen bleibe. Dies eröffne Unbefugten ein nicht gewolltes Zutrittsrecht.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Inhaltes des Gutachtens wird auf BI. 91 - 96 verwiesen.

Gründe

Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob der Beseitigungsanspruch bereits aus den §§ 14 Nr.1, 15 Abs. 3, 22 WEG folgt, den jeder einzelne Miteigentümer geltend machen kann (vgl. hierzu AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 30.09.2008, Az.: 72 C 26/08).

Es bedarf ferner keine Entscheidung, ob der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) hergeleitet werden kann. Dementsprechend muss das Gericht nicht abschließend klären, ob und inwieweit Privatpersonen an die Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG gebunden sind, wobei das Gericht insbesondere unbeantwortet lassen kann, ob vorliegend nicht lediglich eine persönliche oder familiäre Tätigkeit des Beklagten vorliegt.

Denn der Beseitigungs- und Abwehranspruch folgt bereits aus den §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB. Hierbei ist anerkannt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 ist (vgl. etwa Palandt/Sprau, BGB, 67. Auflage 2008, § 823 Rd. 83 ff), dessen Störung in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB die dort vorgesehenen Beseitigung- und Unterlassungsmöglichkeiten eröffnet. Eine Videoüberwachung berührt unmittelbar das allgemeine Persönlichkeitsrecht jedes Menschen, der sich in den Überwachungsbereich der Videokameras begibt (Hitpaß, WuM 2007,3555). Die Videoüberwachung in Miteigentumsanlagen hat bereits mehrfach die Gerichte beschäftigt (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.01.2007, Aktenzeichen: 3 Wx 199/06, OLG München, Beschluss vom 11.03.2005, Aktenzeichen: 32 Wx 2/05, KG, Beschluss vom 26.06.2002, Aktenzeichen: 24 W 309/01, zusammenfassend: Huff, NZM 2004, 535 - 537).

Die Gerichte sind in diesem Zusammenhang gehalten, das Spannungsverhältnis zwischen den Interessen des Betroffenen und diejenigen Personen, die die Kameras betreiben, sachgerecht zu bewerten und aufzulösen. Bei der anzustellenden Bewertung, ob das Informationsinteresse des Beklagten oder der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin höher zu bewerten ist, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Es muss praktischer Konkordanz zwischen den jeweils betroffenen, grundsätzlich geschützten Positionen der Parteien hergestellt werden.

Diesbezüglich gilt folgendes:

1. Außenkameras

Im Rahmen der Bewertung der den Außenbereich überwachenden Kameras ist zunächst das berechtigte Interesse des Beklagten an Teilhabe am öffentlichen Leben zu berücksichtigen, das durch die vielfältigen Erkrankungen und seine Schwerbehindertenanerkennung eingeschränkt ist. Überdies ist auf Seiten des Beklagten zu beachten, dass er nach unbestrittenem Vortrag mehrfach Nachteile für sein Eigentum hinnehmen musste, als sein im öffentlichen Parkraum abgestellter PKW beschädigt wurde.

Andererseits ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin Teileigentum an der Wohnungseigentumsanlage besitzt mit der einhergehenden Berechtigung, mit diesem Eigentum im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen nach Belieben umzugehen, es insbesondere zu nutzen. Diese Nutzungsmöglichkeit wird durch die Überwachung durch den Beklagten in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob und inwieweit die Klägerin die überwachten Gebiete im Rahmen des Betriebs der Apotheke mit einhergehender An und Abreise überhaupt betritt. Maßgeblich ist vielmehr allein, dass der Beklagte durch die Montage der Kameras das Umfeld der Eigentumsanlage überwacht und damit der Klägerin mehr oder weniger vorgibt, an welchen Stellen sie sich aufhalten darf, um nicht einem Überwachungsdruck ausgesetzt zu sein. Das muss die Klägerin nicht hinnehmen. Sie hat vielmehr im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen einen Anspruch darauf, sich unbeschwert im Umfeld der Wohnungseigentumsanlage zu bewegen, ohne befürchten zu müssen, mittels einer Kamera beobachtet oder gefilmt zu werden. Für den Anspruch auf Beseitigung aufgestellter Videokameras ist es unerheblich, ob durch die Videokameras Gemeinschafts- und Sondereigentum betroffen oder daran angrenzender öffentlicher Raum überwacht wird. Selbst wenn nur Letzteres zutrifft, schränkt dies die Eigentumsrechte des Miteigentümers unangemessen ein, was er nicht zu erdulden hat. Dabei kommt es auch gar nicht darauf an, ob - wie vom Beklagten behauptet und vom Sachverständigen bestätigt - die Kamera Nr. 3 überhaupt funktioniert. Denn auch von einer nicht funktionierenden Kamera geht ein entsprechender Überwachungsdruck aus, den die Klägerin ebenfalls nicht hinnehmen muss. Dementsprechend ist es nicht erforderlich, der klagenden Partei, die die Funktionsunfähigkeit bestreitet, einen hierauf gerichteten Schriftsatz nachzulassen.

Bei der anzustellenden Abwägung ist zwar auch von Bedeutung, dass der Beklagte aufgrund seiner Erkrankungen in seiner Mobilität eingeschränkt ist. Diesem Interesse kommt aber keine überragende Bedeutung zu. Denn wie die Teilnahme an der Verhandlung zeigt, kann der Beklagte durchaus am öffentlichen Leben ohne unzumutbare Anstrengungen teilhaben. Die krankheitsbedingten Einschränkungen haben nicht ein Ausmaß erreicht, das ein Recht zur vollständigen Überwachung des Umfelds des Miteigentumsobjekts begründen würde. Das Gericht verkennt bei dieser Entscheidung auch nicht, dass der Beklagte angesichts seiner behaupteten Beschädigungen des PKW für den rückwärtigen Bereich durchaus ein Überwachungsinteresse hinsichtlich des Abstellorts seines Pkws nachvollziehbar darlegen kann. Unter Beachtung des hohen Gutes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts rechtfertigt das allerdings nicht die entsprechende Überwachung öffentlichen Verkehrsraums. Die Überwachung öffentlichen Verkehrsraums steht nicht dem Beklagten zu. Insofern kommt auch dem Vortrag des Beklagten, dass auf dem Vorplatz zur Eigentumsanlage Geräuschbelästigungen auftreten würden, keine Bedeutung in dem Maße zu, die ein Beseitigungsanspruch ausschließen würde. Denn die Abwehr dieser Rechtsgutsverletzungen obliegt den Ordnungs- und Polizeibehörden und nicht dem Beklagten.

Soweit der Beklagte vorträgt, die Kameras seien starr angebracht, seien nicht zoombar und überdies auch gar nicht geeignet, bestimmte Personen oder Fahrzeuge zu identifizieren, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn maßgeblich ist nicht, was der Betreiber einer Videoanlage sieht. Entscheidend ist diesbezüglich, welchem Überwachungsdruck die Betroffene hierdurch ausgeliefert ist. Denn die Klägerin kann nicht einschätzen, welche genauen Bilder in die Räumlichkeiten des Beklagten übermittelt werden. Die Qualität der Videoüberwachung ist zwar im Rahmen der Abwägung von Bedeutung; ihr kommt aber kein überragendes Gewicht zu. Der Beseitigungsanspruch ist auch nicht davon unabhängig, ob die technische Ausrüstung eine Aufnahme der Bilder erlaubt.

Die Klägerin muss im Außenbereich keine Überwachung durch den Kläger hinnehmen. Dem Beklagten kann nicht zugestanden werden, polizeiliche Befugnisse für sich in Anspruch zu nehmen.

Dies gilt auch für die Abwehr einer weiteren Kamera, die vormals, d.h. im Zeitraum vom 19. bis 27.09.2006, im Briefkasten des Beklagten installiert war und den Hauseingangsbereich entsprechend überwachen soll. Auch wenn diese Kamera derzeit nicht montiert ist, besteht unter Beachtung des wechselseitigen Parteivortrags gleichwohl die Gefahr, dass der Beklagte die Kamera wieder montiert und in Betrieb nimmt. Die Wiederholungsgefahr ergibt sich zum einen aus der bereits stattgefundenen Rechtsgutsverletzung durch den vorherigen Betrieb. Sie folgt zum anderen aber auch aus der Tatsache, dass die Parteien im hiesigen Verfahren heftig um die Umsetzung der vormals durch das Gericht angeordneten Türschließzeiten streiten, die durch diese Kamera gerade überwacht werden sollen. Denn der Beklagte führt selbst aus, dass er ein berechtigtes Interesse am Einbau der Briefkastenkamera habe, weil die Klägerin und deren Personal permanent und hartnäckig gegen die gerichtliche Entscheidung verstoßen würden. Das Gericht verkennt bei dieser Entscheidung auch nicht, dass der Beklagte als Miteigentümer ein Interesse daran hat, den Publikumsverkehr außerhalb der üblichen Öffnungszeiten der Geschäfte zu überwachen, um unbefugtes Betreten und Nutzen fremden Eigentums zu verhindern. Aber auch diesbezüglich vermag das Gericht sein nachvollziehbares Interesse nicht höher zu bewerteten als das Interesse der Klägerin, kein Überwachungsobjekt zu sein. Denn im Rahmen dieser Beurteilung muss außerdem bedacht werden, dass mit der Hauseingangstür ein Bereich überwacht werden soll, der im Gemeinschaftseigentum steht. Sofern der Beklagte diesbezügliche Gefahrenabwehr betreiben möchte, kann er das nicht auf eigene Faust und ohne Rücksprache mit den anderen Miteigentümern tun. Er kann sich in diesem Zusammenhang nicht zum Sachwalter aller Eigentümer aufschwingen, sondern muss die nach dem Wohnungseigentumsgesetz vorgegebenen rechtlichen Rahmenbedingungen beachten. Es bleibt ihm mithin unbenommen, die Wohnungseigentümergemeinschaft zu entsprechenden Überwachungsmaßnahmen zu verpflichten. Er kann aber nicht eigene Überwachungssysteme installieren, die durch einen Einbau in einen Briefkasten überdies den Eindruck einer heimlichen Überwachung ergeben. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang auf die Außenkamera der im gleichen Objekt befindlichen Bank verweist, verkennt der Beklagte die unterschiedliche Interessenlage, die beim Schutz eines Kreditinstituts auf der Hand liegt.

Soweit der Beklagte behauptet, die Klägerin habe ihrerseits gegen die nach dem WEG zu beachtenden Bestimmungen verstoßen (Betrieb einer eigene Überwachungskamera bzw. Attrappe; unberechtigter Tausch der Tür zur Apotheke usw.), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Das Gericht hat bei der Entscheidung beachtet, dass die Parteien bereits anderweit gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen haben, um ihre widerstreitenden Interessen überprüfen zu lassen. Das Gericht hat aber in diesem Verfahren allein über die Berechtigung des Betriebs der durch den Beklagten installierten Kameras zu befinden, nicht über Verstöße der Klägerin. Selbst wenn man diese als gegeben unterstellt, könnte sich der Beklagte nicht mit Erfolg auf ein nach § 242 BGB zu beachtenden treuwidriges Verhalten berufen.

Die Androhung der Ordnungsmittel des § 890 ZPO beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO.

Der Klägerin steht aber kein Anspruch auf Vernichtung des durch die Außenkameras gesammelten Datenmaterials nebst eidesstattlicher Versicherungen hierüber zu. Denn diesbezüglich ist Bezug nehmend auf die gerichtlichen Hinweise kein ausreichender Vortrag dazu gehalten worden, dass überhaupt eine solche Datenspeicherung stattfindet, die jedenfalls vom Sachverständigen verneint worden ist. Wenn keine Datenspeicherung stattfindet, hat die Klägerin nach § 823, 1004 BGB auch kein Anspruch auf Löschung der Daten und Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung hierüber.

Sie kann auch mit ihrem Hilfsantrag keinen Erfolg verzeichnen, wonach an Eides statt versichert werden soll, dass keine Aufzeichnungen gefertigt und archiviert werden. Zum einen ist unklar, woraus sich ein Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung überhaupt ergeben soll. Zum anderen ist aber auch in diesen Zusammenhang hervorzuheben, dass diesem Begehren erst dann nachgegangen werden kann, wenn feststeht, dass überhaupt eine Datenspeicherung stattfindet. Daran fehlt es.

2. Kamera an der Wohnungseingangstür

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Entfernung der Kamera an der Wohnungseingangstür gemäß den §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB. Diesbezüglich ist zwar zu bedenken, dass der Beklagte nach den Feststellungen des Sachverständigen und auch nach der für das Gericht ersichtlichen Position der Kamera nicht lediglich den unmittelbaren Bereich vor seiner Wohnungseingangstür, sondern auch den zuführenden Flur überwachen kann. Die Interessenlage ist aber in diesem Zusammenhang eine ganz andere, so dass die Klägerin diesbezüglich mit ihrem Beseitigungsanspruch unterliegt. Denn der Beklagte hat ein schutzwürdiges Interesse daran, den Bereich vor seiner Wohnungseingangstür einsehen zu können, was üblicherweise durch den Einsatz eines sogenannten "Spions" gewährleistet wird und auch anerkannt ist. Denn nur dadurch können nicht willkommene Besucher effektiv abgewehrt werden. Durch diese Kamera werden zwar auch Bereiche erfasst, die zum gemeinschaftlichen Eigentum gehören und mithin durch die Klägerin als Miteigentümerin betreten werden dürfen. Ein nachvollziehbares Interesse, direkt vor der Wohnungstür des Beklagten nicht überwacht zu werden, kann die Klägerin jedoch nicht für sich in Anspruch nehmen.

Soweit der Beklagte im Rahmen des Betriebs dieser Kamera auch die technische Möglichkeit einer Aufnahmefunktion hat, hat die Klägerin gleichwohl keinen Anspruch aus § 823 Abs. 1, 1004 BGB auf Löschung der Daten. Denn die Klägerin hat Bezug nehmend auf die gerichtlichen Hinweise nicht ausreichend dargetan, ob und in welchem Umfang sie dort aufgenommen worden sein soll.

Ein Anspruch auf Beseitigung der Innenkamera ergibt sich auch nicht unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben des BDSG, da eine Überwachung den Voraussetzungen des § 6b Abs. 1 Nr. 2 und 3 BDSG entspricht, sofern man überhaupt die Anwendbarkeit des BDSG bejahen würde.

Ein Anspruch auf Beseitigung folgt diesbezüglich auch nicht aus § 14 Nr. 1, 15 Abs. 3, 22 Abs. 1 WEG, weil eine Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin durch Einsatz eines Türspions bzw. dessen Ersatz an der Wohnung des Beklagten nicht ersichtlich ist.

Da durch den Schriftsatz der klagenden Partei vom 26.10.2009 kein neuer entscheidungserheblicher Vortrag gehalten wurde, bedurfte es entgegen des Antrages keines Schriftsatznachlasses für den Beklagten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Parteien unterliegen und obsiegen zu gleichen Anteilen, so dass nach Teilung der Gerichtskosten jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich für die Klägerin aus § 709 ZPO, für den Beklagten aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.






AG Kassel:
Urteil v. 12.11.2009
Az: 800 C 612/08


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