Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 5. September 2007
Aktenzeichen: 21 K 3395/06

(VG Köln: Urteil v. 05.09.2007, Az.: 21 K 3395/06)

Tenor

Die Regulierungsverfügung vom 23. Juni 2006 wird insoweit aufgehoben als sie die Klägerinnen in Ziffer 2 dazu verpflichtet, Entgeltmaßnahmen für inländische VoIP-Verbindungen zwei Monate vor dem geplanten Inkrafttreten der Bundesnetzagentur zur Kenntnis zu geben, und sie in Ziffer 4 dazu verpflichtet, zeitgleich mit der Vorlage der Tarifanzeige die für eine fundierte Offenkundigkeitsprüfung der beabsichtigten Entgeltmaßnahmen für inländische VoIP-Verbindungen erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

Im Óbrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerinnen zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin zu 1) - die E. U. B. - ist Rechtsnachfolgerin der E1. C. bzw. der E1. C. U. und Eigentümerin eines bundesweiten Telekommunikationsnetzes; die Klägerin zu 2) - die Fa. U2. -T. C1. T1. GmbH - und die Klägerin zu 3) - die Fa. U1. - T. F. T1. GmbH - gehören zum Konzernverbund der Klägerin zu 1). Am 24. November 2004 veröffentlichte die Beklagte in ihrem Amtsblatt (Abl. BNetzA 2004,1609) einen Entwurf zur Marktdefinition und Marktanalyse im Bereich des Zugangs zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten, der öffentlichen Orts- und/oder Inlandsgespräche an festen Standorten und der öffentlichen Auslandsgespräche an festen Standorten (Märkte 1 bis 6 der Empfehlung der EU- Kommission über relevante Produkt- und Dienstemärkte des elektronischen Kommunikationssektors). Zu diesem Entwurf gingen bei der Beklagten 13 Stellungnahmen interessierter Parteien ein, darunter auch eine Stellungnahme der Klägerin zu 1). Diesen Parteien übersandte die Beklagte am 12. August 2005 einen modifizierten Entwurf, der sich von dem im Amtsblatt veröffentlichten Entwurf u.a. darin unterschied, dass er VoIP- Verbindungen und Anschlüsse und Verbindungen im Rahmen sog. kundenindividueller Verträge ausdrücklich in die Marktdefinition mit einbezog.

Mit Schreiben vom 09. Januar 2006 informierte die Beklagte die Klägerinnen bzw. deren Rechtsvorgängerinnen über die beabsichtigte Auferlegung von Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 TKG. Hierzu nahmen die Klägerinnen - ebenso wie die seinerzeit rechtlich selbständige U1. - P. J. B. (U1. - P. ) mit Schreiben vom 22. März 2006 Stellung.

Mit Regulierungsverfügung vom 23. Juni 2006 entschied die Beklagte, dass die Klägerin zu 1) und die mit ihr "verbundenen Unternehmen im Sinne des § 3 Nr. 29 TKG, derzeit insbesondere die Unternehmen U1. -T. J. GmbH und U1. - P. J. B. ", auf folgenden "regulierungsbedürftigen relevanten bundesweiten Märkten" über beträchtliche Marktmacht verfügen:

1. den Zugang zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten, mit Ausnahme derjenigen Zugangsleistungen, die im Rahmen von Gesamtverträgen mit einem einzelnen Kunden und einem Jahresumsatz von mehr als einer Millionen EUR ohne Umsatzsteuer (d.h. netto) erbracht werden,

und

2. öffentliche Inlandsgespräche an festen Standorten (hierzu zählen auch Verbindungen, die über VoIP- Dienste hergestellt werden, sofern der betreffende Dienst neben Verbindungen innerhalb der genutzten IP- Netze auch einen Zugang ins Festnetz gewährleistet und somit Verbindungen in nationale und internationale Festnetze im Sinne einer Anyto-Any- Verbindung ermöglicht), mit Ausnahme derjenigen Verbindungsleistungen, die im Rahmen von Gesamtverträgen mit einem einzelnen Kunden und einem Jahresumsatz von mehr als einer Millionen EUR ohne Umsatzsteuer (d.h. netto) erbracht werden.

3.

Weiter traf die Beklagte unter anderem folgende Regelungen:

1. Zugang zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten (Märkte 1-2 der EU Empfehlung)

2.

a) Verpflichtung zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl

Die Betroffene wird verpflichtet, ihren Teilnehmern bzw. Teilnehmern der mit ihr verbundenen Unternehmen den Zugang zu den Diensten aller unmittelbar zusammengeschalteten Anbieter von Telekommunikationsdiensten für die Öffentlichkeit zu ermöglichen, und zwar sowohl durch Betreiberauswahl durch Wählen einer Kennzahl als auch durch Betreibervorauswahl, wobei jedoch bei jedem Anruf die Möglichkeit besteht, die festgelegte Vorauswahl durch Wählen einer Betreiberkennzahl zu übergehen. Der Teilnehmer soll dabei auch unterschiedliche Voreinstellungen für Orts- und Fernverbindungen vornehmen können (§ 40 Abs. 1 TKG). Etwaige Entgelte für Endnutzer, welche die vorgenannten Leistungen in Anspruch nehmen, unterliegen gemäß § 40 Abs. 1 S. 5 TKG der nachträglichen Entgeltregulierung nach Maßgabe des § 38 Abs. 2 bis 4 TKG.

b) Anzeigepflicht für Anschlussentgelte

Gemäß § 39 Abs. 3 S. 1 TKG unterliegen die Entgelte der Betroffenen für Endnutzerleistungen auf dem Markt für den Zugang zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten der nachträglichen Regulierung. Der Betroffenen wird darüber hinaus auferlegt, ihre Entgeltmaßnahmen sowie Entgeltmaßnahmen der mit ihr verbundenen Unternehmen im Bereich der Entgelte für den Zugang zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten (Märkte 1-2 der EU- Empfehlung) zwei Monate vor dem geplanten Inkrafttreten der Bundesnetzagentur zur Kenntnis zu geben (§ 39 Abs. 3 S. 2 TKG). Entgeltmaßnahmen bezüglich individuell vereinbarter Leistungen, die nicht ohne weiteres auf eine Vielzahl von Endnutzern übertragbar sind, sind der Bundesnetzagentur unmittelbar nach Vertragsschluss zur Kenntnis zu geben, sofern die betroffenen Zugangsleistungen nicht ausnahmsweise im Rahmen von Gesamtverträgen mit einem einzelnen Kunden und einem Jahresumsatz von mehr als einer Millionen EUR ohne Umsatzsteuer (d.h. netto) erbracht werden (§ 39 Abs. 3 S. 4 TKG).

3. Öffentliche Inlandsgespräche an festen Standorten (Märkte 3 und 5 der EU- Empfehlung)

Gemäß § 39 Abs. 3 S. 1 TKG unterliegen die Entgelte der Betroffenen für Endnutzerleistungen auf dem Markt für öffentliche Inlandsgespräche an festen Standorten der nachträglichen Regulierung. Hierzu zählen aufgrund der durch die Präsidentenkammer getroffenen Festlegung neben den herkömmlichen im Festnetz geführten Sprachtelefondienstverbindungen insbesondere auch solche Verbindungen, die über VoIP- Dienste hergestellt werden, sofern der betreffende Dienst neben Verbindungen innerhalb der genutzten IP- Netze auch einen Zugang ins Festnetz gewährleistet und somit Verbindungen in nationale und internationale Festnetze im Sinne einer Anyto-Any- Verbindung ermöglicht. Der Betroffenen wird darüber hinaus auferlegt, ihre Entgeltmaßnahmen, bzw. Entgeltmaßnahmen der mit ihr verbundenen Unternehmen im Bereich der Entgelte für öffentliche Inlandsgespräche an festen Standorten (Märkte 3 und 5 der EU- Empfehlung), d.h. sowohl Entgeltmaßnahmen bei herkömmlichen Festnetz- Inlandsverbindungen als auch Entgeltmaßnahmen für inländische VoIP- Verbindungen zwei Monate vor dem geplanten Inkrafttreten der Bundesnetzagentur zur Kenntnis zu geben (§ 39 Abs. 3 S. 2 TKG). Entgeltmaßnahmen bezüglich individuell vereinbarter Leistungen, die nicht ohne weiteres auf eine Vielzahl von anderen Endnutzern übertragbar sind, sind der Bundesnetzagentur unmittelbar nach Vertragsschluss zur Kenntnis zu geben, sofern die betroffenen Verbindungsleistungen nicht ausnahmsweise im Rahmen von Gesamtverträgen mit einem einzelnen Kunden und einem Jahresumsatz von mehr als einer Millionen EUR ohne Umsatzsteuer (d.h. netto) erbracht werden (§ 39 Abs. 3 S. 4 TKG).

3. ...

4. Anordnungen im Rahmen der Entgeltregulierung

Die Betroffene wird verpflichtet, der Bundesnetzagentur zeitgleich mit der Vorlage der Tarifanzeige die für eine fundierte Offenkundigkeitsprüfung der beabsichtigten Entgeltmaßnahme erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen (§ 29 Abs. 1 TKG).

Die Klägerinnen haben am 21. Juli 2006 Klage erhoben. Sie tragen vor, die Regulierungsverfügung sei sowohl formell als auch materiell rechtswidrig. Dadurch, dass die Beklagte den bezüglich der Einbeziehung von VoIP- Verbindungen und von sog. kundenindividuellen Verträgen modifizierten Entwurf im August 2005 nur noch an die 13 Parteien, die zuvor Stellungnahmen abgegeben hätten, versandt habe, habe sie Verfahrensrechte der U1. - P. sowie der Klägerinnen zu 2) und zu 3) verletzt. Diese Unternehmen seien von der Einbeziehung von VoIP- Verbindungen und sprachorientierten Systemlösungen erstmals betroffen gewesen, so dass sie zwingend hätten angehört werden müssen. Dieser Verfahrensfehler sei auch nicht durch die später im Rahmen des Verfahrens nach § 13 Abs. 1 TKG abgegebenen Stellungnahmen der Klägerinnen und der U1. -P. geheilt worden, denn in diesem Verfahrensstadium sei die Beklagte an die von der Präsidentenkammer im Verfahren der Marktdefinition und -analyse getroffenen Festlegungen gebunden gewesen. Außerdem hätte die Beklagte vor Erlass der Regulierungsverfügung - jedenfalls für die Auferlegung von Regulierungsverpflichtungen nach § 13 Abs. 1 TKG - eine mündliche Verhandlung durchführen müssen.

Die von der Beklagten vorgenommene Marktdefinition sei zunächst im Hinblick auf die Einbeziehung von Verbindungen, die über VoIP- Dienste hergestellt werden, in die Märkte Nr. 3 und 5 der Märkteempfehlung der EU- Kommission rechtswidrig. Richtigerweise handele es sich bei VoIP- Verbindungen um einen eigenständigen, sachlich abgrenzbaren Markt. Das ergebe sich nicht nur daraus, dass es sich bei den VoIP- Verbindungen und Verbindungen über einen PSTN- Anschluss um technisch unterschiedliche Leistungen handele, sondern vor allem auch daraus, dass diese Leistungen weder aus Kunden- noch aus Anbietersicht austauschbar seien. Der Beklagten stehe im Rahmen der Marktabgrenzung nach § 10 Abs. 1 TKG auch kein Beurteilungsspielraum zu, weil sich dieser allenfalls auf den sog. "3-Kriterien-Test" nach § 10 Abs. 2 Satz 1 TKG beziehe. Aber selbst wenn von einem Beurteilungsspielraum bei der Marktabgrenzung auszugehen sei, entfalle die gerichtliche Prüfung nicht vollständig. Vielmehr sei die Marktdefinition im Hinblick auf die Einbeziehung von VoIP- Verbindungen in den Markt für PSTN- Verbindungen auch in diesem Fall rechtswidrig, weil die Beklagte den maßgeblichen Sachverhalt nicht vollständig ermittelt habe. Sie habe sich darauf beschränkt, die öffentlich zugänglichen Daten von 33 VoIP- Anbietern auf deren Internetseiten zu ermitteln. Das sei nicht ausreichend. Sie hätte darüber hinaus eine Kundenbefragung zur Feststellung der Austauschbarkeit aus Nachfragerperspektive durchführen müssen. Weiter hätte sie Kunden-, Absatz- und Umsatzzahlen bei den VoIP- Anbietern erfragen müssen, um die VoIP- Penetration festzustellen. Auch hätte sie internationale Anbieter, die gerade in diesem Segment aktiv seien, nicht ausblenden dürfen. Schließlich habe sie auch keine ausreichenden Ermittlungen zur Marktposition der Klägerinnen im VoIP- Bereich durchgeführt. Hätte sie dies getan, dann hätte sich ergeben, dass die Klägerinnen auf diesem sich überaus dynamisch entwickelnden Markt über keine herausgehobene Marktposition verfügen. Die Marktdefinition sei auch insoweit rechtswidrig, als die Beklagte festgelegt habe, dass Anschlüsse und Verbindungen im Rahmen von sog. sprachorientierten Systemlösungen den Märkten Nr. 1 und 2 sowie 3 und 5 der Märkte- Empfehlung der EU- Kommission zuzurechnen seien. Bei Verbindungsleistungen, die im Rahmen derartiger Systemlösungen angeboten würden, handele es sich nicht um öffentliche Telefonverbindungen i.S. der Märkte 1 bis 6 der Kommissionsempfehlung, weil es sich nicht um Angebote für die Öffentlichkeit, sondern um Angebote an spezifische Nutzerkreise handele. Auch seien kundenindividuelle Gesamtverträge mit sprachorientierten Systemlösungen weder aus Anbieter- noch aus Nachfragersicht gegen Leistungen im Rahmen allgemeiner Produkte der Sprachtelefonie austauschbar, weil sie anderen Verwendungszwecken dienten und anderen Tarifierungsgrundsätzen unterlägen.

Die Marktabgrenzung sei weiter deswegen rechtswidrig, weil die Beklagte nicht zwischen Geschäfts- und Privatkundenmärkten differenziert habe. Dies sei jedoch erforderlich gewesen, wie sich aus der Märkteempfehlung der EU- Kommission ergebe, die eine solche Differenzierung ausdrücklich vorsehe. Nur ausnahmsweise könne die Beklagte davon abweichen, wobei vorliegend für ein solches Abweichen keine hinreichenden Gründe vorlägen. Die Annahme der Beklagten, es gebe keine ausreichenden Kriterien für eine Trennung der Märkte, werde schon dadurch widerlegt, dass in anderen EU- Mitgliedstaaten eine entsprechende Differenzierung vorgenommen worden sei. Es gebe auch Produkte und Tarife, wie z.B. ISDN- Primärmultiplexanschlüsse, die nur von Geschäftskunden nachgefragt würden. Es würde am Markt von allen Anbietern üblicherweise zwischen Geschäftskunden- und Privatkundenangeboten getrennt.

Auch die im einzelnen gem. § 13 Abs. 1 TKG auferlegten Regulierungsverpflichtungen seien rechtswidrig.

Dies gelte zunächst für die Kenntnisgabepflicht betreffend Entgeltmaßnahmen für VoIP- Verbindungen. Nach § 39 Abs. 3 Satz 2 TKG könne eine solche Pflicht nur unter Beachtung von § 39 Abs. 1 Satz TKG auferlegt werden, also nur dann, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Verpflichtungen im Zugangsbereich oder zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl nicht zur Erreichung der Regulierungsziele nach § 2 Abs. 2 TKG ausreichen. Entsprechende Tatsachen habe die Beklagte nicht ermittelt. Auch habe sie die teilweise gegenläufigen Ziele nach § 2 Abs. 2 TKG nicht im Rahmen einer einheitlichen Prognoseentscheidung gegeneinander abgewogen. Gerade bei den VoIP- Produkten sei es in besonderer Weise ersichtlich, dass eine Regulierung nicht erforderlich sei. Die Zahl der Anbieter von VoIP- Produkten steige stetig, wobei auf die frühere U1. -P. nur ein Anteil von 6 % der Kunden entfalle. Diesbezüglich habe die Beklagte auch ihr durch § 39 Abs. 3 Satz 2 TKG eröffnetes Ermessen nicht im erforderlichen Umfang ausgeübt. Selbst wenn man davon ausginge, dass VoIP- Verbindungen den Märkten 3 und 5 der Kommissionsempfehlung zuzurechnen seien, sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der VoIP- Telefonie um ein neues, bisher nicht etabliertes Produkt handele, für das ein Regulierungsbedarf auch nach Auffassung der EU- Kommission nicht bestehe.

Weiter sei die Kenntnisgabepflicht von Entgeltmaßnahmen bezüglich kundenindividueller Verträge rechtswidrig. Auch insoweit sei eine Abwägungsentscheidung erforderlich, die die Beklagte nicht getroffen habe. Es fehle an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die vorhandenen Verpflichtungen im Zugangsbereich oder zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl zur Erreichung der Regulierungsziele nach § 2 Abs. 2 TKG nicht ausreichen. Schließlich sei die Kenntnisgabeverpflichtung unverhältnismäßig. Sie lasse unberücksichtigt, dass Einzelverträge für den Wettbewerb erheblich geringere Bedeutung als Standardverträge hätten und dass mit der Bekanntgabe individueller Vereinbarungen ein wesentlich höherer Aufwand als mit der Bekanntgabe von Standardtarifen verbunden sei.

Auch im Übrigen sei die Kenntnisgabepflicht von Entgeltmaßnahmen rechtswidrig. Abgesehen davon, dass es generell keine hinreichende Tatsachen für die Annahme gebe, dass Verpflichtungen im Zugangsbereich oder zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl zur Erreichung der Regulierungsziele nicht ausreichen, verbiete es § 39 Abs. 1 Satz 1 TKG, von einer kraft Gesetzes geltenden expost- Regulierung auszugehen. Eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 39 TKG ergebe, dass auch die Auferlegung einer expost- Regulierung eine Ermessensentscheidung der Beklagten voraussetze, die vorliegend unterblieben sei. Schließlich habe die Beklagte auch nicht ausreichend berücksichtigt, dass sie - die Klägerinnen - durch die nach Auffassung der Beklagten bestehende "Karenzzeit", die dazu führe, dass vor Ablauf von zwei Monaten nach erfolgter Bekanntgabe der Entgeltmaßnahmen keine Verträge geschlossen werden dürften, in einer Weise belastet würden, die einem Genehmigungsverfahren gleichkomme.

Rechtswidrig sei auch die Auferlegung der Verpflichtung zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl. Die Auferlegungsentscheidung nach § 40 Abs. 1 TKG dürfe nur "nach Maßgabe des Satzes 4" dieser Vorschrift erfolgen. Daraus folge auch insoweit die Notwendigkeit einer an den Regulierungszielen des § 2 Abs. 2 TKG orientierten umfassenden Abwägungsentscheidung, die unterblieben sei. Die uneingeschränkte Auferlegung einer Callby-Call- und Preselection- Verpflichtung sei auch unverhältnismäßig. Jedenfalls für kundenindividuelle Gesamtverträge sei diese Verpflichtung unangemessen und nicht erforderlich. Auch für Auslandsverbindungen könne sie nicht auferlegt werden, weil die Klägerinnen auf diesem Markt auch nach den Feststellungen der Beklagten nicht mehr über beträchtliche Marktmacht verfügten.

Schließlich halte auch die Verpflichtung, zeitgleich mit der Vorlage der Tarifanzeige die für eine fundierte Offenkundigkeitsprüfung der Entgeltmaßnahme erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Hierdurch werde das Verfahren der Kenntnisgabe in ein "Quasi- Genehmigungsverfahren" verkehrt, weil schon mit der Anzeige der Entgeltmaßnahmen Kostenunterlagen vorgelegt werden müssten. Außerdem verstoße das Erfordernis der Vorlage von Kostenunterlagen gegen den Grundsatz des Vorrangs der Vergleichsmarktbetrachtung bei der expost- Entgeltregulierung.

Die Klägerinnen beantragen,

1. die Regulierungsverfügung der Beklagten vom 23.06.2006 aufzuheben;

2. hilfsweise: die Regulierungsverfügung vom 23.06.2006 aufzuheben und die Beklagte dazu zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Feststellungen nach §§ 10 und 11 TKG und über die Auferlegung von Regulierungsverpflichtungen zu entscheiden.

3.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, im Verfahren der Marktdefinition und Marktanalyse nach §§ 10 und 11 TKG sei interessierten Parteien eine einmalige Stellungnahmemöglichkeit zu geben, die die Klägerinnen ebenso wie die U1. -P. erhalten hätten. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die U1. -P. frühzeitig von der Möglichkeit der Einbeziehung von VoIP- Verbindungen in die Marktdefinition Kenntnis gehabt hätte, dass die Klägerin zu 1), zu deren Konzern die U1. -P. gehöre, - ohne Rechtspflicht - auch noch den modifizierten Entwurf erhalten habe, dass sich die Klägerin zu 1) sodann in ihrer zweiten Stellungnahme auch zur Einbeziehung von VoIP- Verbindungen geäußert habe und dass auch unter Berücksichtigung der Argumente der U1. -P. gegen die Einbeziehung von VoIP- Verbindungen der Sache nach keine andere Entscheidung getroffen worden wäre. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei nicht erforderlich gewesen, weil die Bestimmungen in § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 TKG für das Verfahren Sonderregelungen enthielten, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entbehrlich machten.

Die Einbeziehung von VoIP- Verbindungen in die Märkte für Inlandsgespräche an festen Standorten sei rechtmäßig. Insbesondere habe sie - die Beklagte - den maßgeblichen Sachverhalt durch Rückgriff auf die Internetseiten der VoIP- Anbieter ausreichend ermittelt. Sie habe dadurch festgestellt, dass VoIP- Verbindungen demselben Zweck wie herkömmliche PSTN- Verbindungen dienten, dass potenzielle Kunden insbesondere Nutzer von Breitbandanschlüssen seien, dass Wechselkosten anschlussspezifisch und nicht VoIP- spezifisch seien, dass zwischen VoIP- und PSTN- Verbindungen kaum noch Qualitätsunterschiede bestünden, dass es hinsichtlich der Tarife parallele Strukturen gebe, dass hinsichtlich Nummerierung und Vermarktungsstrategien Austauschbarkeit gegeben sei und dass die zahlreichen Markteintritte in jüngster Zeit auch eine Angebotsumstellungsflexibilität aus Anbietersicht belegten. Auf die Erhebung von VoIP- spezifischen Absatz- und Umsatzzahlen habe sie verzichten können, weil sich die Nutzerzahlen in einer Größenordnung bewegten, die sich auf das Gesamtergebnis der Marktanteilsberechnungen nicht ausgewirkt hätten. Auch Kundenbefragungen sowie weitere Erhebungen zu Preiselastizitäten seien nicht erforderlich gewesen. Dass die Klägerinnen im Bereich der VoIP- Dienste nur eine schwache Marktposition hätten, führe zu keinem anderen Ergebnis, weil es vorliegend nicht um einen eigenständigen VoIP- Markt gehe, sondern um einen einheitlichen Markt, der sowohl PSTN- als auch VoIP- Verbindungen umfasse. In diesem "reinen" Verbindungsmarkt seien PSTN- und VoIP- Verbindungen austauschbar. Soweit die Klägerinnen dies bezweifelten, beruhe dies darauf, dass sie Anschlüsse und Verbindungen gemeinsam betrachteten.

Auch die Einbeziehung von kundenindividuellen Verträgen in die Marktdefinition begegne keinen rechtlichen Bedenken. Verbindungsleistungen, die im Rahmen solcher Systemlösungen angeboten und erbracht werden, seien öffentliche Telefonverbindungen im Sinne der Märkte 1 bis 6 der Kommissionsempfehlung. Dies ergebe sich aus § 3 Nr. 16 und 17 TKG i.V.m. mit den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie). Weiter sei auch die Austauschbarkeit mit herkömmlichen Anschlüssen und Verbindungen gegeben, weil die Zugangs- und Verbindungsleistungen im Rahmen von individuell auf einzelne Kunden zugeschnittenen sprachorientierten Systemlösungen kein "untrennbares Bündel" darstellten, sondern sich in Einzelleistungen aufteilen ließen, die den üblichen Anschlüssen und Verbindungen entsprächen.

Eine Unterscheidung von Privatkunden- und Geschäftskundenmärkten sei nicht erforderlich gewesen. Zwar sei sie - die Beklagte - insoweit von der Märkteempfehlung der EU- Kommission abgewichen. Dies sei jedoch zulässig gewesen, weil sie nach einer umfassenden Prüfung zum Ergebnis gekommen sei, dass die Marktteilnehmer in der Bundesrepublik Deutschland keine strikte Trennung zwischen Produkten für Privatkunden und solchen für Geschäftskunden durchführten. Vielmehr spiele der von der EU- Kommission für die Trennung von Geschäftskunden- und Privatkundenmärkten angeführte Grund - unterschiedliche Infrastruktur hinsichtlich Kundenbetreuung und Fähigkeit zur Ausweitung des Leistungsangebots - für die überwiegende Anzahl der auf diesen Märkten tätigen Unternehmen keine Rolle. Von der Abgrenzung eines eigenständigen Marktes für ISDN- Primärmultiplexanschlüssen habe sie abgesehen, weil die Mehrzahl der Geschäftskunden nicht einmal diese Anschlüsse in Anspruch nehme. Auch die in Folge der Marktabgrenzung und -analyse nach § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG auferlegten Verpflichtungen seien rechtmäßig. So lägen zunächst die Voraussetzungen für die Auferlegung der Anzeigepflicht für VoIP- Verbindungen nach § 39 Abs. 3 Satz 1 TKG vor. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen habe sie - die Beklagte - Tatsachen ermittelt, die die Annahme rechtfertigten, dass die Verpflichtungen im Zugangsbereich oder zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl nicht zur Erreichung der Regulierungsziele ausreichten. Die Verpflichtung zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl sei für VoIP- Verbindungen ohne Bedeutung. Zwar seien die notwendigen Zusammenschaltungsleistungen für das Angebot eigenständiger VoIP- Verbindungen vorhanden. Die bestehenden alternativen Zugangsmöglichkeiten seien allerdings nicht geeignet, einer Übertragung der überragenden Marktstellung der Klägerinnen im Festnetzbereich auf den VoIP- Bereich entgegen zu wirken, denn nach wie vor verfügten die Klägerinnen in diesem Bereich über eine überragende Marktstellung (86,9 % aller Telefonanschlüsse). Zu berücksichtigen sei auch, dass das Marktsegment für VoIP- Verbindungen sich in einer Frühphase des Wettbewerbs befinde und deswegen besonders anfällig sei. Diese Umstände machten es erforderlich, dass sie über eine reine expost- Regulierung hinaus die Möglichkeit bekomme, besonders kurzfristig missbräuchliche Tarifmaßnahmen zu erkennen und auf diese zu reagieren.

Die Anzeigepflicht für Entgeltmaßnahmen hinsichtlich kundenindividueller Verträge folge unmittelbar aus § 39 Abs. 3 Satz 4 TKG. Die Regulierungsverfügung enthalte insoweit keine Regelung, sondern lediglich einen Hinweis auf die Rechtslage. Auch im Übrigen sei die Kenntnisgabepflicht bezüglich der weiteren Entgeltmaßnahmen rechtmäßig. Es lägen hinreichende Tatsachen dafür vor, dass auch insoweit die bestehenden Verpflichtungen im Zugangsbereich oder zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl zur Erreichung der Regulierungsziele nicht ausreichten. Denn zum einen habe sich trotz der vorhandenen Möglichkeiten zum entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung der Wettbewerb im Anschlussbereich nur sehr schleppend entwickelt. Zum anderen habe die Klägerin zu 1) bei den Verbindungsleistungen trotz der seit Jahren bestehenden Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl immer noch einen überragenden Marktanteil in Höhe von 52 %. Sie - die Beklagte - habe auch ihr Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Insbesondere hätte sie nicht vorab entscheiden müssen, ob überhaupt eine expost Regulierung Anwendung finden solle. Europäisches Gemeinschaftsrecht verbiete es nicht, dass der nationale Gesetzgeber in § 39 Abs. 3 Satz 1 TKG die nachträgliche Entgeltregulierung als Mindeststandard vorgebe und den Ermessensspielraum der nationalen Regulierungsbehörde dahingehend begrenze, dass diese darüber hinausgehend auch eine Genehmigungspflicht anordnen könne.

Soweit die Klägerinnen sich auch dagegen wehrten, dass die Regulierungsverfügung eine Feststellung dahingehend treffe, dass anzeigepflichtige Entgeltmaßnahmen selbst dann erst nach Ablauf der 2-Monatsfrist nach § 39 Abs. 3 Satz 2 TKG am Markt eingeführt werden dürften, wenn die Beklagte die angezeigte Entgeltmaßnahme nicht nach § 39 Abs. 3 Satz 3 TKG untersagt habe, sei darauf hinzuweisen, dass die darauf bezogenen Ausführungen in der Regulierungsverfügung lediglich einen behördlichen Hinweis auf die Rechtslage darstellten. Aber selbst wenn man - zu Unrecht - davon ausginge, dass diesen Ausführungen eine regelnde Wirkung zukomme, seien sie jedenfalls zutreffend. Das ergebe sich aus § 39 Abs. 3 Satz 2 TKG. Auch die Auferlegung der Verpflichtungen zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl seien rechtmäßig. Sie folgten unmittelbar aus § 40 Abs. 1 TKG. Dieser Vorschrift sei weder ein behördliches Ermessen noch eine Einschränkung auf bestimmte Fallgestaltungen im Sinne einer Dispensierung von kundenindividuellen Verträgen oder von Auslandsverbindungen zu entnehmen.

Schließlich sei auch die Anordnung zur Vorlage der für eine fundierte Offenkundigkeitsprüfung erforderlichen Unterlagen nicht zu beanstanden. Sie finde ihre Rechtsgrundlage in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG. Danach könne sie - die Beklagte - die Klägerinnen zur Vorlage solcher Unterlagen verpflichten, die sie zur sachgerechten Ausübung ihres Entgeltregulierungsrechts für erforderlich halte. Den Umfang der Unterlagen habe sie auf S. 68 f der Regulierungsverfügung dahingehend bestimmt, dass näher bezeichnete "Basisunterlagen" für eine erste Einschätzung, ob ein missbräuchliches Vorhalten vorliege, vorzulegen seien. Keineswegs seien die Klägerinnen verpflichtet worden, "Kostenunterlagen" vorzulegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Weiter wird verwiesen auf den Inhalt der beigezogenen Verfahrensakte des Verfahrens 21 L 1228/06 und die in diesem Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die streitgegenständliche Regulierungsverfügung vom 23. Juni 2006 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerinnen in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO), als sie die Klägerinnen verpflichtet, der Bundesnetzagentur Entgeltmaßnahmen für VoIP- Verbindungen zwei Monate vor deren geplantem Inkrafttreten zur Kenntnis zu geben und zugleich mit der Tarifanzeige die für eine fundierte Offenkundigkeitsprüfung dieser Tarife erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen ist die Regulierungsverfügung rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten.

Die von den Klägerinnen gerügten Fehler bei der Durchführung des Konsultations- und Konsolidierungsverfahrens liegen nicht vor. Die Beklagte hat der Klägerin zu 1) den hinsichtlich der Einbeziehung von VoIP- Verbindungen und von kundenindividuellen Verträgen modifizierten Entwurf im August 2005 übersandt; die Klägerin zu 1) hat dazu sodann auch im Hinblick auf die Einbeziehung von VoIP- Verbindungen und kundenindividuellen Verträgen nochmals umfassend Stellung genommen. Damit ist - sofern man ein gesondertes Anhörungsrecht der U1. - P. und der Klägerinnen zu 2) und zu 3) annähme - diesem jedenfalls der Sache nach genügt, denn die U1. -P. und die Klägerinnen zu 2) und zu 3) gehörten bzw. gehören nach § 3 Nr. 29 TKG zum Unternehmensverbund der Klägerin zu 1), der als solcher mit der Regulierungsverfügung verpflichtet wurde. Ihre aus ihrer Beteiligtenstellung nach § 134 Abs. 2 Nr. 2 TKG resultierenden Verfahrensrechte sind damit gewahrt worden. Dass das in § 12 Abs. 1 TKG verankerte Gebot, im Rahmen des Konsultations- und Konsolidierungsverfahrens interessierten Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, erweiterte Verfahrensrechte für Verfahrensbeteiligte im Sinne von § 134 Abs. 2 TKG begründet, kann nicht angenommen werden.

Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 135 Abs. 3 TKG war nicht erforderlich. Dies gilt zunächst für das Verfahren vor der Präsidentenkammer, für das § 12 TKG ein besonderes Anhörungs- und Konsultationsverfahren vorsieht, welches von den üblichen Anhörungsbestimmungen des § 135 Abs. 1 und 2 TKG abweicht und für das die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht vorgeschrieben ist,

vgl. VG Köln, Urteil vom 17.11. 2005 - 1 K 2924/05 - S. 13 des Urteilsumdrucks.

Dies gilt aber auch für die nachfolgende Auferlegung von Abhilfemaßnahmen nach § 13 TKG. § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG verweist hinsichtlich des auch in diesem Rahmen anzuwendenden Verfahrens auf die Bestimmungen nach § 12 Abs. 1, 2 Nr. 1, 2 und 4 TKG. Diese Verweisung gilt trotz ihres missverständlichen Wortlauts nicht etwa nur für solche Maßnahmen, die Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten haben. Nach Art. 6 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und - dienste (Rahmenrichtlinie) kommt das Konsultationsverfahren bei allen behördlichen Entscheidungen zur Anwendung, die beträchtliche Auswirkungen auf den betreffenden Markt haben, also auch bei Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 TKG. Entsprechend erfasst das Konsolidierungsverfahren nach Art. 7 der Rahmenrichtlinie alle Maßnahmen im Anwendungsbereich von Art. 7 - 8 der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie) und im Anwendungsbereich von Art. 16 der Universaldienstrichtlinie. Da darüber hinaus auch Art. 5 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie und Art. 16 Abs. 3 der Universaldienstrichtlinie ebenfalls auf das Konsolidierungsverfahren verweisen, erfasst dieses den Katalog von Regulierungsverfügungen nach § 13 Abs. 1 TKG,

vgl. Gurlit in Berliner Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, 2006, § 13 Rdnr. 17; im Ergebnis auch Korehnke in Beck'scher TKG- Kommentar, 3. Auflage, § 13 Rdnr. 8.

Auch für die darüber hinaus unter Ziffer 4 der Regulierungsverfügung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 TKG auferlegten Verpflichtungen zur Vorlage von Unterlagen, die eine Offenkundigkeitsprüfung von beabsichtigten Entgeltmaßnahmen ermöglichen, war die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 135 Abs. 3 TKG nicht erforderlich, denn die nach § 29 Abs. 1 Satz 1 TKG ergangenen Anordnungen, Unterlagen vorzulegen, stellen im Rahmen der von § 132 Abs.1 TKG erfassten Entgeltregulierungsentscheidungen lediglich vorbereitende Maßnahmen dar, wie sich aus § 29 Abs. 1 Satz 1 TKG ergibt.

Die Regulierungsverfügung vom 23. Juni 2006 ist - mit Ausnahme der aus dem Tenor ersichtlichen, VoIP- Verbindungen betreffende Kenntnisgabeverpflichtungen - materiell- rechtlich nicht zu beanstanden. Das gilt sowohl für die von der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur getroffene Festlegung zur beträchtlichen Marktmacht der Klägerinnen auf den Märkten für den Zugang zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten und für öffentliche Inlandsgespräche an festen Standorten (1.) als auch für den überwiegenden Teil der nach § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG auferlegten Regulierungsverpflichtungen (2.). Im Hinblick auf die vorherige Anzeigepflicht betreffend Entgeltmaßnahmen für VoIP- Verbindungen ist die Regulierungsverfügung rechtswidrig (3.).

1. Nach § 10 Abs. 1 TKG legt die Regulierungsbehörde im Rahmen der Marktdefinition die sachlich und räumlich relevanten Telekommunikationsmärkte fest, die für eine Regulierung nach den Vorschriften des Teiles 2 des TKG in Betracht kommen. Dies sind nach § 10 Abs. 2 Satz 1 TKG solche Märkte, die durch beträchtliche und anhaltende strukturell oder rechtlich bedingte Marktzutrittschranken gekennzeichnet sind, längerfristig nicht zu wirksamem Wettbewerb tendieren und auf denen die Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts allein nicht ausreicht, um dem betreffenden Marktversagen entgegenzuwirken (sog. 3-Kriterien-Test). Ausgehend vom Wortlaut des § 10 Abs. 2 Satz 2 TKG und nach dem systematischen Zusammenhang der Regelungen in den Absätzen 1 und 2 des § 10 TKG ist der der Bundesnetzagentur in diesem Rahmen vom Gesetzgeber ausdrücklich eingeräumte Beurteilungsspielraum nicht auf einzelne der im Zusammenhang mit der Marktdefinition erforderlichen Prüfschritte, insbesondere nicht auf den sog. 3- Kriterien-Test nach § 10 Abs. 2 Satz 1 TKG, beschränkt. Nach § 10 Abs. 1 TKG hat die Bundesnetzagentur die sachlich und räumlich relevanten Telekommunikationsmärkte festzulegen, die für eine Regulierung in Betracht kommen. Welche Märkte dies sind, ist nach § 10 Abs. 2 Satz 1 TKG anhand des sog. 3-Kriterien-Tests zu ermitteln. § 10 Abs. 2 Satz 1 TKG stellt damit in systematischer Hinsicht eine Konkretisierung der Voraussetzungen dar, unter denen Telekommunikationsmärkte für eine Regulierung nach § 10 Abs. 1 TKG in Betracht kommen. Die Prüfung dieser Voraussetzungen dient damit unmittelbar der Festlegung regulierungsbedürftiger Märkte nach § 10 Abs. 1 TKG. Die nach § 10 Abs. 2 Satz 2 TKG im Rahmen des der Bundesnetzagentur zustehenden Beurteilungsspielraums zu treffende Entscheidung besteht in der "Bestimmung" dieser Märkte, die sowohl die sachliche und räumliche Marktabgrenzung als auch die Beurteilung der Regulierungsbedürftigkeit anhand des sog. 3-Kriterien-Tests voraussetzt. Das wird auch dadurch bestätigt, dass die Bundesnetzagentur nach § 10 Abs. 2 Satz 3 TKG "dabei", d.h. bei der Bestimmung der Märkte nach § 10 Abs. 2 Satz 2 TKG, die Märkteempfehlung der EU- Kommission weitestgehend zu berücksichtigen hat, wodurch der der Bundesnetzagentur zustehende Beurteilungsspielraum in sachlicher Hinsicht beschränkt wird. Mit dieser Bestimmung wurde Art.15 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie in nationales Recht umgesetzt. Art. 15 der Rahmenrichtlinie und die darauf fußende Märkteempfehlung der EU- Kommission setzt aber gleichfalls eine umfassende Marktdefinition voraus, d.h. sowohl - in einem ersten Schritt - eine Marktabgrenzung als auch - in einem weiterem Schritt - die Beurteilung der Regulierungsbedürftigkeit der abgegrenzten Märkte. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der Marktabgrenzung und der Beurteilung der Regulierungsbedürftigkeit von Märkten nicht um klar trennbare, voneinander isoliert vorzunehmende Entscheidungen handelt, was durch die Kriterien für die Abgrenzung der sachlich und räumlich relevanten Märkte belegt wird, die den nach § 11 Abs. 1 Satz 4 TKG im Rahmen der Marktanalyse von der Bundesnetzagentur weitestgehend zu berücksichtigenden "Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste" (Leitlinien) zu entnehmen sind. Danach hängt die Darstellung eines relevanten Marktes maßgeblich auch von den Wettbewerbskräften ab, die das Preisverhalten der Hersteller oder Dienstleister beeinflussen können (Nr. 38 der Leitlinien). Auch die Kriterien der Austauschbarkeit auf Nachfragerseite und der Angebotsumstellungsflexibilität lassen sich nicht ohne Beurteilung der Wettbewerbskräfte anwenden, wie der in diesem Zusammenhang anzuwendende "hypothetische Monopolistentest" zeigt (Nr. 40 der Leitlinien). Sachlich relevante Märkte sind nicht nur anhand der objektiven Austauschbarkeit, sondern auch anhand der Wettbewerbsbedingungen zu bestimmen (Nr. 44 der Leitlinien). Auch der räumlich relevante Markt lässt sich ohne Berücksichtigung der - homogenen oder heterogenen - Wettbewerbsbedingungen nicht bestimmen (Nr. 56 der Leitlinien). Dies zeigt, dass bereits im Rahmen der Marktabgrenzung in vielerlei Hinsicht die Wettbewerbsbedingungen und -kräfte zu berücksichtigen sind, die im Rahmen des sog. 3-Kriterien-Tests nach § 10 Abs. 2 TKG die Regulierungsbedürftigkeit bestimmen. Die Marktdefinition stellt damit insgesamt einen vorausschauenden, dynamischen Vorgang dar (vgl. Nr. 35 der Leitlinien) und enthält wertende und prognostische Elemente, die einen behördlichen Beurteilungsspielraum rechtfertigen,

so im Ergebnis auch Schütz in Beck'scher TKG- Kommentar, 3. Aufl. 2006, § 10 Rdnr. 110.

Zu einer anderen Beurteilung führt auch nicht der Hinweis der Klägerinnen darauf, dass für die Marktabgrenzung nach wettbewerbsrechtlichen Kriterien (§ 19 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB - ) auch von den Verwaltungsgerichten anerkannt sei, dass ein Beurteilungsspielraum bei der Bestimmung des sachlich und räumlich relevanten Marktes nicht bestehe und insoweit eine volle gerichtliche Kontrolle erfolge. Denn der Zweck und die Ziele der Regulierung der Telekommunikationsmärkte, wie sie in §§ 1, 2 TKG beschrieben sind, weichen von denen des allgemeinen Wettbewerbsrechts ab. Namentlich die Ziele, nachhaltig wettbewerbsorientierte Märkte der Telekommunikation im Bereich der Telekommunikationsdienste und -netze sowie effiziente Infrastrukturinvestitionen zu fördern und Innovationen zu unterstützen (§ 2 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 TKG), verdeutlichen, dass es hier - anders als im allgemeinen Wettbewerbsrecht - auch um die Erreichung regulierungspolitischer Zielsetzungen geht, was es rechtfertigt, diesbezügliche wertende und prognostische behördliche Entscheidungen, wie sie die zu Regulierungszwecken erfolgende Marktdefinition erfordert, einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen.

Kommt der Bundesnetzagentur damit insgesamt bei der Marktdefinition nach § 10 TKG ein - allerdings durch die Vorgabe der "weitestgehenden" Berücksichtigung der Märkteempfehlung der EU- Kommission begrenzter - Beurteilungsspielraum zu, so ist die gerichtliche Überprüfung der von der Präsidentenkammer getroffenen Festlegung der maßgeblichen Märkte darauf beschräkt, ob diese die Verfahrensbestimmungen eingehalten hat, ob sie ihrer Entscheidung einen zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt zugrunde gelegt hat, ob sie sich an allgemein gültige Bewertungsgrundsätze und -maßstäbe gehalten hat, ob sie bei ihrer Entscheidung die konkurrierenden Belange nicht schwerwiegend, d.h. in einer zur objektiven Gewichtigkeit dieser Belange außer Verhältnis stehenden Weise fehlgewichtet hat, ob sie objektive Kriterien zugrunde gelegt und das Willkürverbot nicht verletzt hat und ob sie ihre Beurteilung so ausführlich und nachvollziehbar begründet hat, dass dem Gericht die ihm obliegende beschränkte inhaltliche Kontrolle möglich wird,

vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.1971 - BVerwG I C 31.68 - BVerwGE 39, 198,204; Urteil vom 26.6.1980 - BVerwG 2 C 8.78 - BVerwGE 60, 245,246; Urteil vom 25.6.1981 - BVerwG 3 C 35.80 - BVerwGE 62, 330,340; Urteil vom 3.3.1987 - BVerwG 1 C 16.86 - BVerwGE 77, 75,85; Beschluss vom 24.1.1995 - BVerwG 1 WB 68.94 - BVerwGE 103, 200,204; Beschluss vom 25.9.2002 - BVerwG 1 WB 27.02 - BVerwGE 117, 81,82; Urteil vom 16.5.2007 - BVerwG 3 C 8.06 - juris.

Die hierauf beschränkte gerichtliche Überprüfung der Entscheidung der Präsidentenkammer begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar gebietet Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, dass die Gerichte die Verwaltungstätigkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht grundsätzlich vollständig nachprüfen. Der Gesetzgeber kann jedoch der Verwaltung für bestimmte Fälle einen Beurteilungsspielraum einräumen und damit anordnen, dass sich die gerichtliche Nachprüfung auf die Einhaltung der rechtlichen Grenzen dieses Spielraums zu beschränken hat, was insbesondere dann möglich ist, wenn die zu treffende Entscheidung - wie hier - in hohem Maße wertende und prognostische Elemente enthält,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 - BVerfGE 88, 40,56 ff; Urteil vom 20.2.2001 - 2 BvR 1444/00 - BVerfGE 103, 142,157: BVerwG, Urteile vom 7.11.1985 - BVerwG 5 C 29.82 - BVerwGE 72, 195,199; vom 10.11.1988 - BVerwG 3 C 19.87 - BVerwGE 81,12,17; vom 25.11.1993 - BVerwG 3 C 38.91 - BVerwGE 94, 307,309; Urteil vom 21.12.1995 - BVerwG 3 C 24.94 - BVerwGE 100, 221,225; Urteil vom 16.5.2007 - BVerwG 3 C 8.06 - juris Rdnr. 26,27.

Hiervon ausgehend ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur dem Markt für öffentliche Inlandsgespräche an festen Standorten auch solche Verbindungen zugerechnet hat, die über VoIP- Dienste hergestellt werden (a). Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass sie dem Mark für den Zugang zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten und dem Markt für öffentliche Inlandsgespräche an festen Standorten auch Zugangs- bzw. Verbindungsleistungen zugerechnet hat, die im Rahmen von kundenindividuellen Gesamtverträgen bis zu einem Jahresnettoumsatz von einer Million Euro erbracht werden (b). Schließlich ist die Marktdefinition auch nicht deswegen fehlerhaft, weil sie nicht zwischen Privatkunden- und Geschäftskundenmärkten differenziert (c).

a) Mit der ausdrücklichen Einbeziehung von Verbindungen, die über VoIP- Dienste hergestellt werden - sofern der betreffende Dienst neben Verbindungen innerhalb der genutzten IP- Netze auch einen Zugang ins Festnetz gewährleistet und somit Verbindungen in nationale und internationale Festnetze im Sinne einer Anyto- Any- Verbindung ermöglicht - in den Markt für öffentliche Inlandsgespräche an festen Standorten hat die Präsidentenkammer die Grenzen des ihr bei der Marktdefinition nach § 10 TKG zustehenden Beurteilungsspielraums nicht überschritten. Dabei kann offen bleiben, ob die genannten VoIP- Verbindungen als Folge des in § 1 TKG verankerten Grundsatzes der technologieneutralen Regulierung nicht auch ohne ihre ausdrückliche Erwähnung im Klammerzusatz unter Ziffer 2 der Festlegung der Präsidentenkammer als Bestandteil des Marktes für öffentliche Inlandsgespräche an festen Standorten zu gelten hätten. Denn jedenfalls erweist sich ihre Einbeziehung in diesen Markt nicht als rechtsfehlerhaft.

Zunächst hat die Präsidentenkammer sich bei ihrer Marktdefinition an die Märkteempfehlung der EU- Kommission gehalten und im hier relevanten Zusammenhang die Märkte 3 und 5 - Öffentliche Orts- und Inlandsgespräche an festen Standorten - einer Betrachtung unterzogen. Sie ist der Empfehlung insbesondere auch insoweit gefolgt, als sie die Gesprächsmärkte (Märkte 3 bis 6) und die Zugangs- bzw. Anschlussmärkte (Märkte 1 und 2) getrennt untersucht hat. Zwar gehören die Märkte 1 bis 6 einem gemeinsamen Marktverbund an und entsprechen in ihrer Gesamtheit dem "Anschluss an das öffentliche Telefonnetz und dessen Nutzung an festen Standorten" gemäß Anhang I der Rahmenrichtlinie. Dennoch soll eine getrennte Betrachtung der Anschluss- und Nutzungsmärkte stattfinden, weil viele Endkunden sich für abgehende Anrufe für einen anderen Betreiber als den, der den Anschluss bereitstellt, entscheiden. Maßgeblich weist die EU- Kommission insoweit auch auf die Möglichkeiten zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl hin,

vgl. hierzu die Begründung zur Empfehlung der EU- Kommission: http://ec.europa.eu/information_society/topics/telecoms/regulato ry/maindocs/documents/explanmemode.pdf - S. 16.

Im Hinblick auf die Einbeziehung von VoIP- Verbindungen in die Gesprächsmärkte 3 und 5 hat die Präsidentenkammer ihre Entscheidung in der Festlegung ausführlich begründet. Sie hat dabei insbesondere darauf abgestellt, dass VoIP- Verbindungen demselben Endzweck wie herkömmliche PSTN- Verbindungen dienen und dass derzeit damit etwa 17 % der Haushalte - als Inhaber von Breitbandanschlüssen - in der Lage seien, VoIP- Dienste zu nutzen, worin sie eine nicht nur theoretische, sondern auch praktische Austauschbarkeit gesehen hat. In einem hypothetischen Monopolistentest bilde diese Personengruppe im Falle einer Verteuerung von PSTN- Verbindungen eine relevante Größe, die einen Umsatzrückgang bewirken könne. Weil Anschluss- und Verbindungsmärkte aufgrund der Märkteempfehlung der EU- Kommission getrennt zu betrachten seien, hindere auch der Umstand, dass Breitbandanschlüsse einen eigenständigen Markt bildeten, die Einbeziehung von VoIP- Verbindungen in den Verbindungsmarkt nicht. Daher spreche auch der Umstand, dass VoIP- Dienste möglicherweise nur als Ergänzungen zur herkömmlichen PSTN- Telefonie angesehen würden, nicht gegen die Einbeziehung von VoIP- Verbindungen in den (reinen) Verbindungsmarkt. Eventuelle Wechselkosten seien auf den Anschluss bezogen und nicht VoIP- spezifisch. Die Austauschbarkeit mit PSTN- Verbindungen sei aus Nachfragersicht im Hinblick auf die Qualität von VoIP- Verbindungen, im Hinblick auf die Tarife, auf die Nummerierung und auf die Vermarktungsstrategien anzunehmen. Sie sei auch aus Anbietersicht gegeben, was dadurch belegt werde, dass die Kosten für den Markteinstieg nicht übermäßig hoch seien und zahlreiche neue - auch kleinere - Anbieter in den letzten Monaten mit Angeboten in den Markt eingetreten seien. Diese Feststellungen sind nicht zu beanstanden. Sie entsprechen in ihrer Methodik den in den Leitlinien unter Ziffer 2.2. niedergelegten Anforderungen und untersuchen die Austauschbarkeit aus Nachfrager- und Anbietersicht - auch anhand des "hypothetischen Monopolistentests" - sowie die Angebotsumstellungsflexibilität. Dass sie insoweit von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, ist nicht erkennbar; dies wird von den Klägerinnen auch nicht substantiiert dargelegt. Die Klägerinnen rügen in diesem Zusammenhang zunächst ein Ermittlungsdefizit und meinen, die Beklagte hätte für die Frage der Austauschbarkeit aus Nachfragerperspektive und Preiselastizitäten eine Kundenbefragung durchführen und für die Beurteilung der VoIP- Penetration Kunden-, Absatz- und Umsatzzahlen der VoIP- Anbieter erheben müssen. Außerdem hätte sie internationale Anbieter nicht ausblenden dürfen und Ermittlungen zur Marktposition der Klägerinnen im VoIP- Bereich durchführen müssen. Diese Ausführungen der Klägerinnen verkennen allerdings, dass im Rahmen des Marktes für öffentliche Inlandsgespräche nicht VoIP- Dienste oder - produkte zu betrachten waren, sondern lediglich "Verbindungen", über die öffentliche Inlandsgespräche geführt werden. Für die Frage, ob auch Gespräche, die über VoIP- Verbindungen hergestellt werden, diesem Markt zuzurechnen sind, war zunächst die Feststellung ausreichend, dass solche VoIP- Verbindungsleistungen am Markt angeboten werden und dass diese sowohl aus Nachfrager- als auch aus Anbietersicht dasselbe Bedürfnis wie PSTN- Verbindungen abdecken, nämlich Gespräche zu führen. Ermittlungen dazu, ob Kunden gewillt sind, zugunsten von VoIP- Verbindungen auf PSTN- Verbindungen gänzlich zu verzichten und ob und in welchem Umfang sie tatsächlich PSTN- Verbindungen mit VoIP- Verbindungen substituieren, sind für die Betrachtung eines Marktes für Gespräche nicht erforderlich. Aus diesem Grunde kam es auch nicht entscheidend auf die Betrachtung der Angebote von internationalen Anbietern und auch nicht auf die Marktposition der Klägerinnen bei VoIP- Verbindungen an. Auch der Umstand, dass VoIP heute ganz überwiegend nicht als Ersatz, sondern als Zusatz zur PSTN- Telefonie angeboten wird, ist in diesem Zusammenhang ebenso wenig von Bedeutung wie der Umstand, dass bestimmte Leistungsmerkmale wie die Nutzung von Mehrwertdiensterufnummern, die Notruffunktionalität oder Anklopfen, Rückrufen/ Makeln bei VoIP- Diensten nicht oder nur eingeschränkt nutzbar sind. Die dahingehenden Einwände der Klägerinnen verkennen, dass vorliegend nicht die Frage entscheidungserheblich war, ob VoIP- Dienste die entsprechenden PSTN- Dienste ersetzen können, sondern ausschließlich die Frage, ob dem Markt für öffentliche Inlandsgespräche auch solche Gespräche zuzurechnen sind, die über VoIP- Verbindungen geführt werden. Dies hat die Präsidentenkammer in ihrer Marktdefinition mit vertretbaren Gründen und in nachvollziehbarer Weise angenommen. Wegen der im Rahmen des behördlichen Beurteilungsspielraums nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit der Entscheidung der Präsidentenkammer kommt es für die gerichtliche Entscheidung in diesem Zusammenhang auf den VoIP- Verbindungen betreffenden und von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2007 gestellten "Hilfsbeweisantrag" (Ziffer 5 des Antrags) nicht an.

b) Auch die Einbeziehung von Zugangs- und Verbindungsleistungen, die im Rahmen von Gesamtverträgen mit einem einzelnen Kunden und einem Jahresumsatz von bis zu einer Millionen Euro ohne Umsatzsteuer erbracht werden (sog. "Systemlösungen") in die Märkte für den Zugang zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten (Märkte 1 und 2 der Märkteempfehlung der EU- Kommission) und für öffentliche Inlandsgespräche an festen Standorten (Märkte 3 und 5 der Märkteempfehlung der EU- Kommission) ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Einbeziehung der Systemlösungen in die Märkte 1 bis 6 scheitert nicht bereits aus Rechtsgründen daran, dass es sich bei den Anschluss- und Verbindungsleistungen, die in diesem Rahmen erbracht werden, nicht um den Anschluss zum öffentlichen Telefonnetz bzw. nicht um öffentliche Gespräche handelt. Nach § 3 Nr. 16 TKG ist ein öffentliches Telefonnetz ein Telekommunikationsnetz, das zur Bereitstellung des öffentlich zugänglichen Telefondienstes genutzt wird. Als "Telekommunikationsnetz" gilt nach § 3 Nr. 27 TKG die Gesamtheit von technischen Einrichtungen, die zur Signalübertragung genutzt werden. Das "öffentliche" Telefonnetz unterscheidet sich nach § 3 Nr. 16 TKG von einem nicht- öffentlichen Telefonnetz dadurch, dass es zur Bereitstellung des öffentlich zugänglichen Telefondienstes genutzt wird, worunter wiederum gem. § 3 Nr. 17 TKG ein der Öffentlichkeit zur Verfügung stehender Dienst für das Führen von Inlands- und Auslandsgesprächen verstanden wird. Diese Begriffsbestimmung knüpft an Art. 2 c) der Universaldienstrichtlinie an. Das Telefonnetz, mittels dessen die Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen aus Art. 4 der Universaldienstrichtlinie - die Bereitstellung des Zugangs an festen Standorten - erfüllen, ist damit ein öffentliches Telefonnetz. Es unterliegt deswegen keinem Zweifel, dass das Telefonnetz der Klägerin zu 1), die - wie sich aus § 150 Abs. 9 TKG ergibt - in der Bundesrepublik Deutschland faktisch die Universaldienstleistungen erbringt, die Voraussetzungen eines öffentlichen Telefonnetzes erfüllt.

Auch über die sog. Systemlösungen gewähren die Klägerinnen ihren Kunden den Zugang, d.h. den Anschluss an das öffentliche Telefonnetz (Märkte 1 und 2). Unter einem "Anschluss" ist gem. § 3 Nr. 21 TKG die physische Verbindung zu verstehen, mit dem der Netzabschlusspunkt in den Räumlichkeiten des Teilnehmers mit dem Hauptverteilerknoten oder einer gleichwertigen Einrichtung in festen öffentlichen Telefonnetzen verbunden wird. Es bedeutet keinen rechtlich relevanten Unterschied, ob diese physische Verbindung im Rahmen eines AGB- Produktes oder im Rahmen eines kundenindividuellen Gesamtvertrages, der über einen oder mehrere Anschlüsse hinaus noch erweiterte Leistungen, individuelle Konfigurationen und besondere, von den AGB- Produkten abweichende Tarifierungskonditionen enthält, realisiert wird.

Entsprechendes gilt auch für die im Rahmen von "Systemlösungen" bereit gestellten Verbindungsleistungen (Märkte 3 bis 6). Auch diese sind als "öffentliche Gespräche" i.S. der Märkte 3 bis 6 der Märkteempfehlung der EU- Kommission zu qualifizieren. Das ergibt sich daraus, dass der Verbund der Märkte 1 bis 6 den "Anschluss an das öffentliche Telefonnetz und dessen Nutzung an festen Standorten" im Sinne des Anhangs I der Rahmenrichtlinie umfasst. Die Verbindungsmärkte werden damit durch das Merkmal der Nutzung des öffentlichen Telefonnetzes bestimmt mit der Folge, dass alle Verbindungen erfasst werden, die über das öffentliche Telefonnetz realisiert werden. Nur Verbindungsleistungen, die über vom öffentlichen Telefonnetz physikalisch getrennte technische Infrastrukturen hergestellt werden, können somit die Eigenschaft als "öffentliche" verlieren. Das aber ist nach den insoweit unwidersprochen geblieben Feststellungen der Präsidentenkammer bei den Systemlösungen nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich bei den sprachorientierten Systemlösungen um virtuelle Privatnetze (VPN), die die Klägerinnen unter den Bezeichnungen "U. E2. O. (U3. )" oder "U. W. Q. O1. (U1. -W1. )" am Markt anbieten und für deren Herstellung Teile des öffentlichen Telefonnetzes benutzt werden. Nach den von den Klägerinnen im Verwaltungsverfahren vorgelegten Verträgen zeichnen sich diese Angebote vornehmlich dadurch aus, dass verschiedene im öffentlichen Telefonnetz vorhandene Lokationen des Kunden wunsch- und bedarfsgerecht konfiguriert und besondere Verbindungsentgelte vereinbart werden, wobei mitunter zwischen sog. On-Net- Verbindungen, d.h. solchen Verbindungen, die zwischen zwei Lokationen desselben Kunden hergestellt werden und sog. Off-Net- Verbindungen, d.h. Verbindungen, die zu Anschlüssen außerhalb des W1. hergestellt werden, unterschieden wird. Diesen Lösungen ist gemeinsam, dass ihre Realisierung im öffentlichen Telefonnetz durch eine entsprechende Konfiguration von Anschlüssen erfolgt. Die über W1. hergestellten Verbindungen sind damit Verbindungen für öffentliche Gespräche im Sinne der Märkte 3 bis 6 der Märkteempfehlung der EU- Kommission.

Dass ähnliche Produkte unter der Geltung des inzwischen außer Kraft getretenen Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996 nicht als Sprachtelefondienst i.S. von § 3 Nr. 15 dieser Fassung des Gesetzes und damit als nicht der exante- Regulierung nach § 25 Abs. 1 dieses Gesetzes unterliegend angesehen wurden,

vgl. VG Köln, Beschluss vom 13.12. 2001 - 1 L 2442/01 - und OVG NRW, Beschluss vom 13. 3. 2002 - 13 B 32/02 -,

steht dem nicht entgegen. Dies hatte seinen Grund darin, dass nach § 3 Nr. 15 TKG a.F. Sprachtelefondienst nur ein Dienst "für die Öffentlichkeit" sein konnte und nach § 3 Nr. 19 TKG a.F. das gewerbliche Angebot von Telekommunikation lediglich für die Teilnehmer geschlossener Benutzergruppen nicht als Telekommunikationsdienstleistung "für die Öffentlichkeit" anzusehen war. Das nunmehr geltende Telekommunikationsgesetz vom 22. Juni 2004 enthält diese Begrifflichkeiten, deren wesentliche Funktion in der Bestimmung der Lizenztatbestände in §§ 6 ff TKG a.F. und der daran anknüpfenden Regulierungspflichten lag, nicht mehr. Sie sind damit für die nunmehr einem gänzlich anderen System folgende Bestimmung der Regulierungsbedürftigkeit und - pflichtigkeit von Märkten und Maßnahmen unergiebig.

Die Präsidentenkammer hat dadurch, dass sie Zugangs- und Verbindungsleistungen im Rahmen von kundenindividuellen Gesamtverträgen in die Märkte für den Zugang zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten (Märkte 1 und 2 der Märkteempfehlung der EU- Kommission) und für öffentliche Inlandsgespräche an festen Standorten (Märkte 3 und 5 der Märkteempfehlung der EU- Kommission) einbezogen hat, auch nicht den ihr im Rahmen der Marktdefinition nach § 10 TKG zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten. Sie hat dies in ihrer Festlegung ausführlich damit begründet, dass Zugangs- und Verbindungsleistungen im Rahmen von sprachorientierten Systemlösungen sowohl aus Nachfrager- als auch aus Anbietersicht mit den anderen im Rahmen der Märkte 1 bis 6 zu betrachtenden Produkten austauschbar seien. Sie dienten demselben Verwendungszweck, nämlich der Realisierung von Telefongesprächen. Dieser Verwendungszweck sei aus Nachfragersicht unabhängig davon, ob er im Rahmen eines Standardvertrages, eines Optionsvertrages oder einer sog. sprachorientierten Systemlösung in Anspruch genommen werde. Ein Unternehmen mit mehreren Standorten werde vor Abschluss eines Vertrages alle Angebote prüfen, wobei es seine Kommunikationsbedürfnisse auch über AGB- Produkte realisieren könne. Dass eine der möglichen Lösungen in wirtschaftlicher Hinsicht attraktiver sei, rechtfertige es nicht, von unterschiedlichen Märkten auszugehen. Etwaige Nebenleistungen, die im Rahmen eines Paketes bereitgestellt würden, seien aus Kundensicht in der Regel sekundär und rechtfertigten ebenfalls keine getrennte Marktbetrachtung. Technische Unterschiede bezögen sich nur auf wenige Nebenleistungen und träten hinter der funktionellen Austauschbarkeit zurück. Die Substituierbarkeit werde daher - genau wie bei den üblichen Options- und Bündeltarifen - weder von der Bündelung der Einzelprodukte noch von der Vertragsart beeinflusst. Eine Erhebung unter den Marktteilnehmern habe darüber hinaus ergeben, dass auch andere Unternehmen den Systemlösungen vergleichbare Produkte am Markt anböten, diese jedoch im Wesentlichen aus Einzelleistungen im Form von Paket- oder Optionstarifen im Rahmen von kundenindividuellen Verträgen bedarfsgerecht zusammensetzten. Eigene Märkte für Bündelprodukte oder Optionstarife seien aber auch in der Märkteempfehlung der EU- Kommission nicht vorgesehen und würden zu einer zu engen Marktabgrenzung führen.

Diese von der Präsidentenkammer vorgenommene Bewertung hält sich im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums. Sie entspricht in ihrer Methodik den in den Leitlinien unter Ziffer 2.2. niedergelegten Anforderungen und untersucht insbesondere die Austauschbarkeit aus Nachfrager- und Anbietersicht und die Produkthomogenität. Dass die Präsidentenkammer insoweit von unvollständigen oder unzutreffenden Tatsachen ausgegangen ist, ist nicht erkennbar. Sie hat sowohl von den Klägerinnen als auch von den übrigen Marktteilnehmern umfassende Informationen über die entsprechenden Angebote eingeholt und keine erkennbar unvertretbaren Schlussfolgerungen aus den ihr vorliegenden Informationen gezogen. Die Klägerinnen haben dagegen im Wesentlichen vorgebracht, sprachorientierte Systemlösungen seien mit den allgemeinen Produkten der Sprachtelefonie nicht austauschbar. Sie böten eine größere Leistungsbreite, ein kundenindividuelles Order- und Changemanagement, eine kundenindividuelle zentrale Störungsannahme einschließlich eines Notfallkonzeptes sowie kundenindividuelle Ansprechpartner und Beratungsleistungen. Außerdem seien besondere Leistungsmerkmale realisierbar wie eine zentrale Nummer für die Erreichung einer Vermittlungsstelle, bei der über einen Nummernnutzungsplan auch Filialen oder Home- Offices der Mitarbeiter eingebunden werden könnten. Auch könnten Kunden den Marktauftritt mehrerer Standorte unter einer eigenen zentralen Rufnummer zusammenfassen. Weiter könnten über das Merkmal "zentrale Vermittlung" ankommende Gespräche über die jeweiligen Einwahlrufnummern an eine zentrale Stelle netzintern weitergeleitet werden. Bei der Lösung "Home Office" könnten ankommende Gespräche für einen Mitarbeiter an seinen jeweiligen Aufenthaltsort weitergeleitet werden. Diese Leistungsmerkmale seien über AGB- Produkte nicht realisierbar. Auch die unterschiedlichen Preisgestaltungsmodelle dürften nicht außer Betracht bleiben und sprächen für unterschiedliche Märkte. Zudem bestünden bei Systemlösungen "fertigungstechnische Besonderheiten", die dazu führten, dass keine Austauschbarkeit aus Anbietersicht vorliege.

Es kann offen bleiben, ob diese Einwände der Klägerinnen andere Ergebnisse der Marktdefinition in Bezug auf "Systemlösungen" hätten rechtfertigen können. Jedenfalls führen sie nicht zu dem Schluss, dass die Präsidentenkammer die Grenzen ihres Beurteilungsspielsraums überschritten hat. Die Präsidentenkammer ist im Wesentlichen davon ausgegangen, dass die im Rahmen von Systemlösungen angebotenen Leistungen ein Bündel von Einzelleistungen innerhalb eines Gesamtpakets darstellen und hat entscheidend auf diese Einzelleistungen abgestellt. Das ist im Hinblick darauf, dass Gegenstand ihrer Untersuchungen der Markt für Anschlüsse und Gespräche war, nicht nur vertretbar, sondern naheliegend, denn auch das Produkt "Systemlösung" enthält als notwendige Bestandteile Anschlüsse und Verbindungen, die sich nach den getroffenen Feststellungen im Kern nicht von den übrigen am Markt angebotenen Anschlüssen und Verbindungen unterscheiden. Die im Rahmen von Systemlösungen zusätzlich angebotenen Leistungsmerkmale und die unterschiedliche Tarifierung mögen dazu führen, dass für viele Kunden die Inanspruchnahme von Anschlüssen und Verbindungen im Rahmen von kundenindividuellen Systemlösungen gänzlich unattraktiv ist und sie solchen Kunden deswegen von den Unternehmen auch nicht angeboten wird. Daraus folgt jedoch nicht, dass den Anschluss- und Verbindungsleistungen als solchen die Austauschbarkeit mit Anschluss- und Verbindungsleistungen im Rahmen von AGB- Produkten fehlt. Werden Anschlüsse und Verbindungen zu einem individuell oder im Rahmen von AGB angebotenen Produkt mit zusätzlichen Leistungen und gesonderten Bedingungen und Tarifen verbunden, so verlieren sie nicht notwendig ihre Zugehörigkeit zu den Anschluss- und Verbindungsmärkten. Anderenfalls bestünde die auch von der Präsidentenkammer gesehene Gefahr, dass "im Extremfall" für jedes dieser Bündelprodukte bzw. für jeden Optionstarif ein eigenständiger Markt entstünde, was der von den nationalen Regulierungsbehörden weitestgehend zu berücksichtigenden Märkteempfehlung der EU- Kommission zu den Märkten 1 bis 6 zuwiderliefe.

Wegen der im Rahmen des behördlichen Beurteilungsspielraums nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit der Entscheidung der Präsidentenkammer kommt es für die gerichtliche Entscheidung in diesem Zusammenhang auf die kundenindividuelle Systemlösungen betreffenden und von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2007 gestellten "Hilfsbeweisanträge" (Ziffern 3 und 4 der Anträge) nicht an. Offen bleiben kann weiter, ob die Beschränkung der Marktdefinition auf kundenindividuelle Verträge mit weniger als einer Millionen Euro Netto- Umsatz rechtmäßig ist, denn durch diese Beschränkung werden die Klägerinnen nicht belastet.

c) Die Präsidenkammer hat auch dadurch, dass sie in ihrer Marktdefinition nicht zwischen Privatkunden- und Geschäftskundenmärkten differenziert hat, nicht die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums überschritten. Zwar ist sie insoweit von der Märkteempfehlung der EU- Kommission abgewichen, die sowohl für die Zugangsmärkte als auch für die Gesprächsmärkte zwischen Märkten für Privatkunden (Märkte 1,3 und 4) und solchen für andere Kunden (Märkte 2, 5 und 6) eine Unterscheidung trifft. Diese Abweichung ist rechtlich jedoch nicht zu beanstanden.

Allerdings ist aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber die Märkteempfehlung der EU- Kommission zum Tatbestandsmerkmal des § 10 TKG erhoben hat, zu folgern, dass eine Abweichung von ihr nur ausnahmsweise aufgrund nationaler Besonderheiten gerechtfertigt sein kann. Im Regelfall ist im Rahmen der Marktabgrenzung lediglich die räumliche Tragweite des relevanten Marktes zu bestimmen,

vgl. Ziff. 36 der Leitlinien - Abl. EG Nr. C 165); VG Köln, Urteile vom 17.11. 2005 - 1 K 2924/05 - und vom 1. 3.2007 - 1 K 4148/06 -.

Andererseits schließen es weder Art. 15 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie noch das Erfordernis der "weitestgehenden" Berücksichtigung in § 10 Abs. 2 TKG aus, dass Märkte aufgrund nationaler Besonderheiten im Einzelfall anders definiert werden als in der Märkteempfehlung der EU- Kommission. Für die Zulässigkeit derartiger Abweichungen lassen sich naturgemäß keine allgemein gültigen Regeln aufstellen. Sie ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, namentlich davon wie gravierend die Abweichung sich darstellt und ob sie etwa dazu führt, dass von der EU- Kommission als regulierungsbedürftig angesehene Märkte oder Marktsegmente gänzlich unreguliert bleiben oder umgekehrt von der EU- Kommission als regulierungsfrei bewertete Märkte einer Regulierung unterzogen werden. In den Blick zu nehmen sind auch die Gründe und Erkenntnisse, die zu der Märkteempfehlung der EU- Kommission geführt haben, wobei zu fragen ist, ob und welche Bedeutung diese im nationalen Kontext entfalten. Schließlich sind die nationalen Besonderheiten der Märkte selbst von Bedeutung, wobei diese umso mehr ein Abweichen von der Märkteempfehlung der EU- Kommission rechtfertigen als ihnen durch die Übernahme der Empfehlung nicht hinreichend Rechnung getragen werden kann; die Übernahme also z.B. zu unklaren, unbeabsichtigten oder gar untragbaren Ergebnissen führen würde.

In Anwendung dieser Grundsätze ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Präsidentenkammer nur insoweit von der Märkteempfehlung der EU- Kommission abgewichen ist als sie Privatkunden- und Geschäftskundenmärkte zusammengefasst hat. Sie hat damit in Abweichung von der Empfehlung keinen Markt bzw. kein Marktsegment unberücksichtigt gelassen und auch keinen von der Empfehlung nicht umfassten Markt definiert. Zwar kann die Zusammenfassung zweier Teilmärkte dazu führen, dass Besonderheiten auf einem der Teilmärkte in der Gesamtbetrachtung weniger Gewicht erhalten. Dies ist jedoch dann hinnehmbar, wenn derartige Besonderheiten gar nicht oder nur in unbedeutendem Umfang bestehen. Vorliegend hat die EU- Kommission Besonderheiten, die eine Unterscheidung der Anschluss- und Verbindungsmärkte in Privatkunden- und Geschäftskundenmärkte nahe legen, darin gesehen, dass die Vertragsbedingungen für Zugang und Diensteangebot unterschiedlich sein können und dass ein Anbieter auf einem Markt für Geschäftskunden auf Preiserhöhungen eines mutmaßlichen Monopolträgers auf dem Privatkundenmarkt in der Regel nicht reagieren könne, da die Systeme der Kundenbetreuung an beiden Standorten erheblich voneinander abwichen,

vgl. hierzu die Begründung zur Empfehlung der EU-Kommission: http://ec.europa.eu/information_society/topics/telecoms/regulato ry/maindocs/documents/explanmemode.pdf - S. 16.

Diese Umstände bzw. Besonderheiten hat die Präsidentenkammer im Rahmen ihrer Marktdefinition für die inländischen Märkte nicht feststellen können. Sie hat ausgeführt, dass nur fünf von 39 befragten, den Zugang zum Telefonnetz anbietenden Unternehmen diesen nur für Geschäftskunden realisierten. Vier weitere Unternehmen hätten ihr ursprünglich nur für Geschäftskunden bestehendes Angebot innerhalb von maximal 2 Jahren auf alle Endkunden ausgedehnt. Die weit überwiegende Anzahl der Unternehmen verfüge damit über die notwendige Infrastruktur für eine Ausweitung des Angebots und der Kundenbetreuung. Deswegen sei der von der EU- Kommission angeführte Gesichtspunkt, dass ein Anbieter auf dem Markt für Geschäftskunden nicht auf Preiserhöhungen eines Monopolträgers auf dem Privatkundenmarkt reagieren könne, auf die deutschen Märkte nicht übertragbar. Auch die unterschiedlichen am Markt angebotenen Anschlussarten ließen keinen Rückschluss auf spezifische Kundengruppen zu. Zwar seien ISDN - Primärmultiplexanschlüsse wegen ihrer Kapazitäten wohl nur für größere Geschäftskunden interessant. Die Realität zeige aber, dass größere Unternehmen und Organisationen ihre Kommunikationsbedürfnisse nicht ausschließlich über derartige Anschlüsse realisierten. Vielmehr werde häufig - was gerade auch die Systemlösungen zeigten - ein Mix unterschiedlicher Anschlussarten flexibel eingesetzt. Selbst wenn man aber die ISDN- Multiplexanschlüsse eindeutig einem Geschäftskundenmarkt zuordnen würde, sei in Gänze keine produktscharfe Trennung der Märkte möglich, weil sich die übrigen Anschlüsse nicht einem bestimmten Kundensegment zuordnen ließen. Die ISDN- Basisanschlüsse würden sowohl von Privat- als auch von Geschäftskunden benutzt. In der Bundesrepublik Deutschland sei - im Gegensatz zu anderen Ländern - ISDN frühzeitig flächendeckend angeboten worden, so dass sich ISDN- Anschlüsse hier nicht zu einem "Premium- Dienst" entwickelt hätten, der vorwiegend von Geschäftskunden nachgefragt werde. Im Übrigen komme es auch durchaus vor, dass selbst analoge Anschlüsse von Geschäftskunden genutzt werden.

Auch die Möglichkeit einer hinreichend deutlichen Trennung in Anknüpfung an unterschiedliche Angebots-, Preis- und Absatzstrategien hat die Präsidentenkammer nicht gesehen. Bei der Befragung habe sich gezeigt, dass viele Anbieter identische oder nur geringfügig variierende Preise für Geschäfts- und Privatkunden hätten. Zwar gebe es am Markt unterschiedliche Tarifbezeichnungen, die auf eine private oder geschäftliche Nutzung hindeuteten. Diese Tarife könnten jedoch nicht eindeutig bestimmten Gruppen von Abnehmern zugeordnet werden. Manche Unternehmen träfen gar keine Unterscheidung, andere überließen dem Kunden die Auswahl des Tarifs. Auch wenn für bestimmte Tarife ein Mindestumsatz gefordert werde, ließe dieser nicht den eindeutigen Schluss auf eine geschäftliche oder private Nutzung zu. Wo die Wahl eines sog. Geschäftskundentarifs vom Nachweis eines Gewerbes abhängig gemacht werde, würden u.U. Kunden mit hohem Gesprächssaufkommen (z.B. Freiberufler oder gemeinnützige Organisationen) ausgeschlossen. All dies zeige, dass für die überwiegende Mehrheit der Anbieter keine konsistenten und eindeutigen Kriterien für eine Differenzierung zwischen Privatkunden- und Geschäftskundenangeboten feststellbar seien.

Diese Ausführungen und Feststellungen der Präsidentenkammer sind nachvollziehbar und im Ergebnis nicht zu beanstanden. Sie fußen auf umfangreichen Erhebungen und Untersuchungen in tatsächlicher Hinsicht und führen insbesondere dazu, dass die von der EU- Kommission für eine Trennung der Märkte in Privat- und Geschäftskunden angeführten Gründe - unterschiedliche Angebote und fehlende Angebotsumstellungsflexibilität - als für den nationalen Markt nicht zutreffend erachtet wurden. Die von den Klägerinnen dagegen vorgebrachten Einwendungen führen jedenfalls nicht dazu, dass die von der Präsidentenkammer im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums getroffenen Marktdefinitionen unvertretbar oder unhaltbar würden. Selbst wenn ISDN- Multiplexanschlüsse ausschließlich von Geschäftskunden nachgefragt würden, bliebe die Erwägung der Präsidentenkammer zutreffend, dass sich die übrigen Anschlussarten nicht eindeutig einem Marktsegment zuordnen lassen und deswegen eine an die Anschlussarten anknüpfende Marktdifferenzierung insgesamt nicht möglich ist. Soweit die Klägerinnen vortragen, am Markt werde durchaus zwischen Geschäftskunden- und Privatkundenangeboten differenziert, hat die Präsidentenkammer die unterschiedlichen Angebote bei ihrer Bewertung durchaus berücksichtigt, ihnen aber - in vertretbarer Weise - deshalb keine hinreichende Unterscheidungskraft beigemessen, weil sie im Ergebnis die Überschneidungen als zu groß angesehen hat.

Wegen der im Rahmen des behördlichen Beurteilungsspielraums nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit der Entscheidung der Präsidentenkammer kommt es für die gerichtliche Entscheidung in diesem Zusammenhang auf die die Unterschiede zwischen Privatkunden- und Geschäftskundenmärkten betreffenden und von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2007 gestellten "Hilfsbeweisanträge" (Ziffern 1 und 2 der Anträge) nicht an.

Dass die Präsidentenkammer die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums im Rahmen des sog. 3-Kriterien- Tests nach § 10 Abs. 2 TKG überschritten hätte, ist nicht ersichtlich. Dies wird von den Klägerinnen auch nicht substantiiert behauptet. Die darauf bezogenen Ausführungen in der Festlegung tragen den Schluss, dass auf den definierten Märkten beträchtliche, anhaltende strukturelle oder rechtlich bedingte Marktzutrittsschranken bestehen, dass die Märkte längerfristig nicht zu wirksamem Wettbewerb tendieren und dass die Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts allein nicht ausreicht, um dem betreffenden Marktversagen entgegenzuwirken.

Schließlich ist auch die Marktanalyse gem. § 11 TKG rechtlich nicht zu beanstanden. Auch in diesem Rahmen, d.h. bei der Beantwortung der Frage, ob wirksamer Wettbewerb besteht und ob ein oder mehrere Unternehmen auf den untersuchten Märkten über beträchtliche Marktmacht verfügen, steht der Präsidentenkammer ein Beurteilungsspielraum zu mit der Folge einer nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit. Dies folgt daraus, dass die Behörde bei ihrer Prüfung auch in diesem Zusammenhang die Leitlinien der Kommission "weitestgehend" zu berücksichtigen hat und diese Leitlinien in Ziffern 22 und 71 ausdrücklich betonen, dass die Nationalen Regulierungsbehörden bei der Ausübung ihrer Befugnisse gemäß den Artikeln 15 und 16 der Rahmenrichtlinie - also im Verfahren der Marktdefinition und Marktanalyse - "aufgrund der komplizierten ineinandergreifenden Faktoren (wirtschaftlicher, sachlicher und rechtlicher Art), die bei der Definition relevanter Märkte und bei der Ermittlung von Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht gewürdigt werden müssen, über einen weitreichenden Ermessensspielraum" verfügen. Da sich dieser "Ermessensspielraum" auf die Tatbestandsseite bezieht, entspricht er im nationalen Recht einem Beurteilungsspielraum,

vgl. VG Köln, Urteil vom 1. 3. 2007 - 1 K 4148/06 - S. 18 des Urteilsumdrucks.

Die Präsidentenkammer hat ihre Beurteilung für jeden der zu untersuchenden Märkte nachvollziehbar und anhand der in den Leitlinien bestimmten Kriterien vorgenommen und in ihrer Festlegung ausführlich begründet. Soweit die Klägerinnen in diesem Zusammenhang auf ihre nur geringen Marktanteile bei den VoIP- Verbindungen verweisen, ist dieser Einwand deshalb unerheblich, weil die Beklagte zu dem - von den Klägerinnen nicht substantiiert angegriffenen - Ergebnis gekommen ist, dass die Anteile der über VoIP- geführten Verbindungen insgesamt noch so gering sind, dass sie sich auf die Frage der Marktbeherrschung auf dem gesamten, von ihr einheitlich definierten Verbindungsmarkt nicht entscheidungserheblich auswirken und deshalb ein nur geringer Marktanteil der Klägerinnen an den VoIP- Verbindungen keinen entscheidenden Einfluss auf ihre beträchtliche Marktmacht im gesamten Verbindungsmarkt hat. Die von den Klägerinnen im vorliegenden Verfahren vorgelegten VoIP- Marktdaten lassen keinen davon abweichenden Schluss zu; sie sind für die Beurteilung der beträchtlichen Marktmacht im gesamten Verbindungsmarkt unergiebig, weil sie lediglich die Verteilung der VoIP- Nutzer auf die am Markt agierenden Anbieter abbilden, aber keinen Hinweis darauf erlauben, wie hoch der Anteil der VoIP- Verbindungen gemessen am Gesamtverbindungsmarkt ist. Vielmehr deutet auch der Hinweis der Klägerinnen, dass Ende 2005 39 Millionen PSTN- Anschlüssen 7,6 Millionen DSL- Anschlüsse gegenüberstanden, darauf hin, dass die Annahme der Beklagten zum Anteil der VoIP- Verbindungen am gesamten Verbindungsmarkt zutreffend ist.

2. Die den Klägerinnen nach § 13 TKG im Einzelnen auferlegten Regulierungsverpflichtungen sind - mit Ausnahme der auf VoIP- Verbindungen bezogenen Anzeigepflichten - ebenfalls rechtmäßig.

Dies gilt zunächst für die in Ziffer 1 a) der Regulierungsverfügung für die Zugangsmärkte auferlegte Verpflichtung zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 13 Abs. 1 i.V.m. § 40 TKG. Nach § 40 TKG verpflichtet die Regulierungsbehörde Unternehmen, die bei der Bereitstellung des Anschlusses an das öffentliche Telefonnetz und dessen Nutzung an festen Standorten als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft wurden, nach Maßgabe des Satzes 4 dazu, ihren Teilnehmern den Zugang zu den Diensten aller unmittelbar zusammengeschalteten Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit zu ermöglichen, was sowohl durch Betreiberauswahl als auch durch Betreibervorauswahl zu gewährleisten ist. Diese Vorschrift entspricht Art. 19 der Universaldienstrichtlinie und ist - auch vor diesem europarechtlichen Hintergrund - nicht beschränkt. Die Voraussetzungen für ihre Anwendung liegen vor, denn die Klägerinnen sind durch die Festlegung der Präsidentenkammer bei der Bereitstellung des Anschlusses an das öffentliche Telefonnetz und dessen Nutzung an festen Standorten (Märkte 1,2,3 und 5 der Empfehlung der EU- Kommission) als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft worden. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte für die gleichfalls zu diesem Marktverbund gehörenden Märkte 4 und 6 der Empfehlung der EU- Kommission (Märkte für Auslandsgespräche) eine marktbeherrschende Stellung der Klägerinnen nicht festgestellt hat. Weder Art. 19 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie noch § 40 Abs. 1 TKG setzen voraus, dass sich die beträchtliche Marktmacht auf sämtliche Märkte des Marktverbundes erstrecken muss. Mit der Bezugnahme auf den Marktverbund soll klargestellt werden, dass sich die Verpflichtung auf das Festnetz bezieht,

vgl. Piepenbrock/ Attendorn in Beck'scher TKG- Kommentar, 3. Aufl. 2006, Rdnr. 11; Brodkorb in Säcker (Hrsg.): Berliner Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, § 40, Rdnr. 26.

Es genügt deswegen, wenn das verpflichtete Unternehmen die beträchtliche Marktmacht auf dem Anschlussmarkt hat, d.h. dass es Festnetzbetreiber mit beträchtlicher Marktmacht ist. Demgemäss bestimmte bereits § 43 Abs. 6 TKG a.F. - die "Vorläuferregelung" des geltenden § 40 TKG - "Betreiber von Telekommunikationsnetzen" als Verpflichtete für die Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl. Dass sich an diesem Adressatenkreis unter dem derzeit geltenden Telekommunikationsgesetz grundsätzlich nichts geändert hat - insbesondere dass er keine über das Merkmal der beträchtlichem Marktmacht hinausgehende Eingrenzung erfahren hat -, ergibt sich auch daraus, dass die Verpflichtung aus § 40 Abs. 1 TKG eine Zusammenschaltungsleistung ist, die die Betreiber von öffentlichen Telekommunikationsnetzen trifft (§ 16 TKG). Diese sind - soweit sie über beträchtliche Marktmacht verfügen - verpflichtet, ihren Teilnehmern den Zugang zu den Diensten der mit ihnen zusammengeschalteten Unternehmen zu ermöglichen. Daraus ergibt sich zum einen, dass diese Möglichkeit für alle Teilnehmer des marktmächtigen Netzbetreibers bestehen muss und dass es nicht darauf ankommen kann, ob diese im Rahmen eines AGB- Produkts oder einer Systemlösung an das Netz angeschlossen sind. In beiden Fällen ist der Vertragspartner des marktmächtigen Unternehmens nämlich dessen "Teilnehmer" im Sinne von § 3 Nr. 20, § 40 Abs. 1 TKG. Zum anderen ist diese Verpflichtung auch nicht auf bestimmte Dienste des zusammengeschalteten Unternehmens beschränkt mit der Folge, dass der marktmächtige Netzbetreiber den Zugang zu allen Diensten des Zusammenschaltungspartners, die dieser im Wege der Betreiberauswahl oder Betreibervorauswahl anbietet, ermöglichen muss.

§ 40 Abs. 1 TKG eröffnet daher nicht die Möglichkeit, den Zugang zu den Diensten des zusammengeschalteten Unternehmens zu beschränken und etwa Auslandsverbindungen davon auszunehmen.

Die Beklagte war auch nicht gehalten, bei ihrer Entscheidung nach § 40 Abs. 1 TKG bereits das Entscheidungsprogramm des § 40 Abs. 1 Satz 4 TKG "abzuarbeiten." Die Kammer hat dazu im Urteil vom 26. Oktober 2005 - 21 K 4639/05 - folgendes ausgeführt:

"Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 4 TKG, nach dem die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Satz 4 TKG im Rahmen der zur Ausgestaltung der Verpflichtung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 TKG erforderlichen Zusammenschaltung zu gewährleisten sind; mithin sind die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Satz 4 TKG allein im Rahmen der Zusammenschaltung zu prüfen. Dies folgt auch aus der Entstehungsgeschichte des § 40 Abs. 1 TKG. So wird im Entwurf eines Telekommunikationsgesetzes festgehalten, dass § 40 Abs. 1 Satz 1 TKG der Vorgängervorschrift des § 43 Abs. 6 TKG a.F. entspreche. Im Rahmen des § 43 Abs. 6 Satz 1 TKG a.F. konnte aber das Vorliegen der Voraussetzungen des § 43 Abs. 6 Satz 4 TKG gar nicht vorweg "abgearbeitet" werden, da die Verpflichtung nach § 43 Abs. 6 Satz 1 TKG a.F. von Gesetzes wegen bestand.

Vergl. zur Entstehungsgeschichte BT-Drs. 15/2316, S. 70.

Auch systematische Erwägungen sprechen dagegen, dass im Rahmen der Entscheidung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 TKG die Voraussetzungen nach § 40 Abs. 1 Satz 4 TKG zu prüfen sind. Zwar sieht § 40 Abs. 1 Satz 1 TKG vor, dass die Verpflichtung "nach Maßgabe" des § 40 Abs. 1 Satz 4 TKG auferlegt wird. Damit ist aber angesichts des klaren Wortlautes des § 40 Abs. 1 Satz 4 TKG nicht gemeint, dass die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Satz 4 TKG bereits im Rahmen der Entscheidung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 TKG zu prüfen wären. Sonst würde eine Prüfung der Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Satz 4 TKG sowohl im Rahmen des Verfahrens nach § 40 Abs. 1 Satz 1 TKG als auch im Rahmen des Verfahrens nach § 40 Abs. 1 Satz 4 TKG erfolgen; es läge eine "Doppelprüfung" vor, die verfahrensökonomisch nicht zu rechtfertigen wäre. Der "Maßgabevorbehalt" des § 40 Abs. 1 Satz 1 TKG zielt nach Sinn und Zweck der Bestimmung vielmehr allein darauf, dass die nach § 40 Abs. 1 Satz 1 TKG jedenfalls gegenüber den Teilnehmern bestehende Verpflichtung nur soweit besteht, wie im Rahmen der Zusammenschaltung nach § 40 Abs. 1 Satz 4 TKG die Betreiber(vor)auswahl technisch ermöglicht worden ist; umgekehrt soll das Prüfungsprogramm nach § 40 Abs. 1 Satz 4 TKG nicht damit ausgehebelt werden können, dass sich die Verbindungsnetzbetreiber im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 4 TKG auf § 40 Abs. 1 Satz 1 TKG berufen."

Hieran hält das Gericht auch unter Berücksichtigung der von den Klägerinnen dagegen vorgebrachten Einwände fest.

Die unter Ziffer 1 b) der angefochtenen Regulierungsverfügung den Klägerinnen aufgegebene Pflicht, Entgeltmaßnahmen für den Zugang zum öffentlichen Telefonnetz zwei Monate vor dem geplanten Inkrafttreten der Bundesnetzagentur zur Kenntnis zu geben, ist ebenfalls rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 39 Abs. 3 Satz 2 TKG. Nach dieser Bestimmung kann die Regulierungsbehörde unter Beachtung von Absatz 1 Satz 1 Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht verpflichten, ihr Entgeltmaßnahmen zwei Monate vor dem geplanten Inkrafttreten zur Kenntnis zu geben. Die Auferlegung dieser Verpflichtung setzt voraus, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Verpflichtungen im Zugangsbereich oder zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl nach § 40 TKG nicht zur Erreichung der Regulierungsziele nach § 2 Abs. 2 TKG - hier kommen namentlich die Wahrung der Nutzerinteressen nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG sowie die Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs und die Förderung nachhaltig wettbewerbsorientierter Märkte nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG in Betracht - ausreichen. Die Auferlegung der Pflicht zur vorherigen Kenntnisgabe von Entgeltmaßnahmen nach § 39 Abs. 3 Satz 2 TKG ist mithin davon abhängig, dass die in § 39 Abs. 1 Satz 1 TKG genannten Ermessensvoraussetzungen erfüllt sind,

vgl. VG Köln, Urteil vom 26. 1. 2006 - 1 K 266/05 - S. 7 ff des Urteilsumdrucks.

Dabei eröffnet allerdings die Frage, ob die festgestellten Tatsachen die Annahme der Nichterreichung der Regulierungsziele rechtfertigen, der Beklagten wiederum einen gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum. Das ergibt sich zum einen daraus, dass ihre Beantwortung in hohem Maße prognostischen Charakter hat,

vgl. Kühling/ Neumann in Säcker (Hrsg.): Berliner Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, § 39, Rdnr. 60 f; Schuster/Ruhle in Beck'scher TKG- Kommentar, 3. Aufl. § 39, Rdnr. 17 f.

Zum anderen lässt § 39 Abs. 1 TKG es ausdrücklich genügen, dass "Tatsachen die Annahme rechtfertigen", dass die Regulierungsziele nicht erreicht werden. Dies bedeutet einerseits zwar, dass bloße Vermutungen nicht ausreichen. Andererseits ist aber auch keine Sicherheit dahingehend erforderlich, dass vorrangige Maßnahmen nicht zur Erreichung der Regulierungsziele führen würden.

Die Beklagte hat die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums bei der Frage, ob vorrangige Verpflichtungen im Zugangsbereich oder zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl zur Erreichung der Regulierungsziele ausreichen und deswegen zusätzliche Maßnahmen nicht erforderlich sind, nicht überschritten. Sie hat ihre Entscheidung auf den Seiten 54 ff der angegriffenen Regulierungsverfügung begründet und dabei insbesondere darauf abgestellt, dass trotz der seit längerem bestehenden Möglichkeiten des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung und trotz der exante- Regulierung dieser Vorleistung der Wettbewerb auf dem Anschlussmarkt deutlich weniger stark entwickelt sei als im Verbindungsbereich. Sie hat weiter festgestellt, dass die Verpflichtung zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl auf den Anschlussmarkt kaum Auswirkungen hat. Vor diesem Hintergrund hat sie ausgeführt, dass die Klägerinnen Ende 2005 die Tarife für ISDN- Anschlüsse innerhalb verschiedener Optionsangebote abgesenkt haben, wenn der Endnutzer zugleich einen DSL- Anschluss bestellt, und in einem derartigen Marktverhalten die nicht nur theoretische Gefahr gesehen, die Klägerinnen könnten versuchen, ihre Marktstellung durch gezielte Dumping -, Cost-Prize-Squeeze- oder Bündelungsstrategien zu verteidigen. Diese Feststellungen stellen Tatsachen dar (hohe Marktanteile trotz seit längerem bestehender Verpflichtungen; früheres Marktverhalten), die die Annahme der Nichterreichung der Regulierungsziele zu rechtfertigen vermögen. Ob die Beklagte bei ihrer Prognoseentscheidung auch zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, bedarf vorliegend keiner Beantwortung, denn jedenfalls hat sie die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums nicht überschritten. Deswegen kommt es auch nicht darauf an, dass die Klägerinnen aus den angeführten Tatsachen andere Schlüsse ziehen und insbesondere meinen, die nachträgliche Entgeltregulierung (ohne Vorab- Kenntnisgabepflicht hinsichtlich der Tarife) würde ausreichen. Die Beklagte hat sich auch mit diesem Einwand auseinander gesetzt und ist zu dem Schluss gelangt, bei einer reinen expost- Kontrolle bestünde die Gefahr, dass die Wettbewerbsmöglichkeiten der betroffenen Netzbetreiber bereits nachhaltig und ggf. irreversibel geschädigt werden könnten. Auch könnten potentielle Kunden bei einer offensichtlich missbräuchlichen Tarifmaßnahme vor den nachteiligen Folgen einer ggf. erforderlich werdenden Rückabwicklung geschützt werden. Diese Überlegungen orientieren sich an den Regulierungszielen in § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 TKG und halten sich im Rahmen des der Beklagten zustehenden Beurteilungsspielsraums. Die Beklagte hat bei ihrer Entscheidung auch die Grenzen des ihr nach § 39 Abs. 3 Satz 2 TKG eröffneten Ermessens nicht überschritten. Insbesondere war sie nicht gehalten, im Rahmen ihres Ermessens zunächst zu entscheiden, ob sie die Endkundenentgelte überhaupt einer expost- Kontrolle unterwirft. Zutreffend ist die Beklagte nämlich davon ausgegangen, dass sich diese Rechtsfolge bereits aus § 39 Abs. 3 Satz 1 TKG ergibt und nicht von ihrer Ermessensentscheidung abhängig ist. Soweit die Klägerinnen meinen, durch die Anordnung der expost- Kontrolle in § 39 Abs. 3 Satz 1 TKG werde das den nationalen Regulierungsbehörden durch Art. 16 Abs. 4 der Rahmenrichtlinie und Art. 17 Abs. 2 Satz 2 und 3 der Universaldienstrichtlinie auferlegte Entscheidungsprogramm nur unzureichend umgesetzt, weshalb § 39 Abs. 3 Satz 1 TKG europarechtskonform im Sinne einer Ermessensentscheidung ausgelegt werden müsse, kann dem nicht gefolgt werden. Die Vorschrift des § 39 Abs. 3 Satz 1 TKG ist keiner Auslegung im Sinne einer behördlichen Ermessensentscheidung gegen ihren eindeutigen Wortlaut zugänglich. Art. 17 der Universaldienstrichtlinie enthält - außer der Vorgabe, dass die auferlegten Verpflichtungen "geeignet" sein müssen - auch keine enumerative Aufzählung möglicher Verpflichtungen, sondern lässt dem mitgliedstaatlichen Gesetzgeber wie auch den nationalen Regulierungsbehörden erhebliche Gestaltungsspielräume. Insbesondere steht Art. 17 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie nicht einer Befugnis des mitgliedstaatlichen Gesetzgebers, die nationale Regulierungsbehörde auf bestimmte regulatorische Vorabverpflichtungen festzulegen, entgegen,

vgl. Kühling/Neumann in Säcker (Hrsg.): Berliner Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, § 39 Rdnr. 23.

Die Beklagte hat mit zutreffenden Gründen (S. 55 ff der Regulierungsverfügung) die daran anknüpfende Auferlegung der Anzeigepflicht für geeignet, erforderlich und angemessen gehalten und dabei insbesondere auch die Belange der Klägerinnen in die Abwägung mit eingestellt. Soweit die Klägerinnen dagegen einwenden, die vorherige Anzeigepflicht wirke im Zusammenhang mit der Rechtsauffassung der Beklagten, dass vor Ablauf der 2- Monatsfrist keine wirksamen Verträge abgeschlossen werden dürften, genauso belastend wie eine Genehmigungspflicht, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen enthält der angegriffene Bescheid keine bindende Feststellung zu dieser "Karenzzeit", sondern lediglich die Wiedergabe einer Rechtsauffassung der Beklagten, die diese in ihre Ermessenserwägungen eingestellt hat. Sollte diese Rechtsauffassung nicht zutreffen, wäre die Belastung der Klägerinnen durch die auferlegte Kenntnisgabepflicht noch geringer. Zum anderen unterscheidet sich das Genehmigungsverfahren nach §§ 39 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 31 bis 37 TKG vor allem hinsichtlich der anzuwendenden Prüfmaßstäbe erheblich vom Verfahren der expost- Kontrolle nach §§ 39 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. 38 Abs. 2 bis 4 TKG.

Soweit man in der in Ziffer 1 b) der Regulierungsverfügung erwähnten Verpflichtung, Entgeltmaßnahmen bezüglich individuell vereinbarter Leistungen im Rahmen sog. sprachorientierter Systemlösungen unmittelbar nach Vertragsschluss zur Kenntnis zu geben, nicht nur einen behördlichen Hinweis auf die Rechtslage, sondern eine bindende Regelung erblickt - was im Hinblick auf den entgegenstehenden Vortrag der Beklagten im vorliegenden Verfahren erheblichen Zweifeln unterliegt -, ist diese jedenfalls rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 39 Abs. 3 Satz 4 TKG. Die Anwendung dieser Bestimmung, die für den Endnutzerbereich eine gleichartige Verpflichtung wie in § 38 Abs. 1 Satz 4 TKG statuiert, ist an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. Keiner Beantwortung bedarf im vorliegenden Zusammenhang die Frage, ob die von der Beklagten verfügte Beschränkung der Vorlagepflicht auf Verträge mit einem Jahresumsatz von weniger als einer Million Euro rechtmäßig ist, denn durch diese Beschränkung werden die Klägerinnen nicht belastet.

Die in Ziffer 2 der Regulierungsverfügung angeordnete Pflicht, Entgeltmaßnahmen im Bereich der Entgelte für öffentliche Inlandsgespräche an festen Standorten zwei Monate vor dem geplanten Inkrafttreten der Bundesnetzagentur zur Kenntnis zu geben, ist bezogen auf die von der Bundesnetzagentur in der Begründung der Regulierungsverfügung so bezeichneten "herkömmlichen Sprachtelefondienstverbindungen" ebenfalls rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 39 Abs. 3 Satz 2 TKG.

Die Beklagte hat auch insoweit den ihr eröffneten Beurteilungsspielraum bei der Prüfung der Frage, ob Verpflichtungen im Zugangsbereich oder zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl zur Erreichung der Regulierungsziele ausreichen, nicht überschritten. Als Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass Verpflichtungen im Vorleistungsbereich und nach § 40 TKG nicht ausreichen, hat sie - für die "herkömmlichen Verbindungen" - auf die trotz der seit längerem praktizierten Vorleistungsregulierung und Verpflichtung zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl immer noch bestehende, überragende Marktstellung der Klägerinnen im Verbindungsbereich und auf bisherige Erfahrungen, die sie vor allem im Bereich der Optionsentgelte gewonnen hat, abgestellt. Als Beispiel hat sie die geplante Einführung eines kostenunterdeckenden 10-Cent- Tarifes angeführt, mit dem die Klägerinnen offenbar den Versuch unternommen hätten, die Preisführerschaft im Bereich der "Langtelefonierer" zu übernehmen. Daraus, d.h. aus der bestehenden Marktstellung der Klägerinnen und ihrem früheren Marktverhalten, hat sie den Schluss gezogen, dass die bestehenden Instrumentarien allein nicht zur Erreichung der Regulierungsziele ausreichen. Die dem zu Grunde liegenden - wenn auch knappen - Darlegungen stellen Tatsachen im Sinne von § 39 Abs. 1 TKG dar. Zwar benennt die Beklagte die Marktanteile der Klägerinnen im Verbindungsbereich nicht konkret, was jedoch mit Blick auf deren allgemeine Bekanntheit in Branchenkreisen entbehrlich erscheint. Wenn die Klägerinnen darüber hinaus einwenden, dass ein einziges Beispiel allein nicht ausreiche, um die Annahme zu rechtfertigen, dass vorrangige Verpflichtungen zur Erreichung der Regulierungsziele nicht ausreichten und dass die Tatsache, dass seit 1998 "eine dreistellige Zahl von Genehmigungen erteilt worden sei", ebenso hätte berücksichtigt werden müssen, so stellen sie im Kern nicht in Abrede, dass Tatsachen im Sinne von § 39 Abs. 1 TKG vorliegen, sondern postulieren, dass diese nicht ausreichten, um den von der Beklagten daraus gezogenen Schluss zu rechtfertigen. Dies berührt jedoch den gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren behördlichen Beurteilungsspielraum. Dieser kann zwar verletzt sein, wenn die Behörde die entgegenstehenden Belange schwerwiegend, d.h. in einer zur objektiven Gewichtigkeit dieser Belange außer Verhältnis stehenden Weise fehlgewichtet, was vorliegend dann denkbar wäre, wenn sie entscheidungserhebliche und gegen ihre Annahme sprechende Gesichtspunkte nicht zur Kenntnis genommen und deswegen nicht in ihre Abwägung eingestellt hätte. Dies ist aber nicht der Fall. Insbesondere lässt der Umstand, dass die Klägerinnen sich in zahlreichen - möglicherweise in den weitaus meisten - Fällen gesetzeskonform verhalten und beantragte Entgeltgenehmigungen erhalten haben, in einer Gesamtbewertung die Annahme einer Gefährdung der Regulierungsziele nicht entfallen, denn diese kann sich bereits bei einem einmaligen Verstoß realisieren.

Die Beklagte hat insoweit auch das ihr gemäß § 39 Abs. 3 Satz 2 TKG eröffnete Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Sie hat mit zutreffenden Gründen (S. 64 ff der Regulierungsverfügung) die Auferlegung der Anzeigepflicht für geeignet, erforderlich und angemessen gehalten und dabei insbesondere auch die Belange der Klägerinnen in die Abwägung mit eingestellt. Soweit die Klägerinnen auch in diesem Zusammenhang einwenden, die vorherige Anzeigepflicht wirke im Zusammenhang mit der Rechtsauffassung der Beklagten, dass vor Ablauf der 2- Monatsfrist keine wirksamen Verträge abgeschlossen werden dürften, genauso belastend wie eine Genehmigungspflicht, verweist das Gericht auf die obigen Feststellungen zur Anzeigepflicht von Entgeltmaßnahmen für Zugangsleistungen.

Die Kenntnisgabepflicht für Entgeltmaßnahmen bezüglich individuell vereinbarter Leistungen (sprachorientierte Systemlösungen) folgt - soweit man in der Regulierungsverfügung eine dahingehende Anordnung erblickt - auch für den Verbindungsbereich aus § 39 Abs. 3 Satz 4 TKG. Das Gericht verweist insoweit auf seine bezüglich dieser Verpflichtung für den Zugangsbereich getroffenen Feststellungen, die hier entsprechend gelten.

Schließlich ist auch die unter Ziffer 4 der Regulierungsverfügung statuierte Verpflichtung der Klägerinnen, zeitgleich mit der Vorlage der Tarifanzeige die für eine fundierte Offenkundigkeitsprüfung der beabsichtigten Entgeltmaßnahme erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, für die "herkömmlichen Verbindungen" rechtmäßig.

Auch wenn im Tenor der Regulierungsverfügung die im Einzelnen unter diese Verpflichtung fallenden Unterlagen nicht näher bezeichnet sind, mangelt es dieser Maßnahme nicht an der erforderlichen Bestimmtheit. Nach § 37 Abs. 1 VwVfG ist es erforderlich, dass aus der getroffenen Regelung, d.h. aus dem Entscheidungssatz mit den Gründen und den sonstigen für die Betroffenen bekannten oder für sie ohne weiteres erkennbaren Umständen für die Beteiligten die Regelung, die den Sinn, Zweck und Inhalt des Verwaltungsaktes ausmacht, so vollständig klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass sie ihr Verhalten danach richten können, vgl. Kopp/ Ramsauer. VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 37 Rdnr. 5.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, denn auf S. 69 der Regulierungsverfügung finden sich hinreichende Präzisierungen des Begriffs der "erforderlichen Unterlagen" dahingehend, dass es sich um "die dem vorzulegenden Entgelt zugrunde liegende Leistungsbeschreibung", "die entsprechenden Preislisten", "die Allgemeinen Geschäftsbedingungen", "vergleichbare Angebote von Wettbewerbern" und "detaillierte Angaben über erwartete und in der Vergangenheit gemessene Nutzungscharakteristika, soweit diese die Grundlage für die Kalkulation der betreffenden Tarifmaßnahme darstellen", handelt.

Zutreffend hat die Beklagte ihre unter Ziffer 4 der Regulierungsverfügung getroffene Anordnung nicht als Abhilfemaßnahme nach § 13 Abs. 1 Satz TKG - diese Vorschrift ermöglicht ihrem Wortlaut nach keine Anordnungen nach § 29 TKG - auferlegt, sondern durch gesonderte Entscheidung außerhalb der nach § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG auferlegten Verpflichtungen, wie sich aus den Gründen der Regulierungsverfügung (S. 70) ergibt.

Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 TKG kann die Regulierungsbehörde im Rahmen oder zur Vorbereitung von Verfahren der Entgeltregulierung anordnen, dass ihr von einem Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht detaillierte Angaben zum Leistungsangebot, zum aktuellen und erwarteten Umsatz für Dienstleistungen, zu den aktuellen und erwarteten Absatzmengen und Kosten, zu den voraussehbaren Auswirkungen auf die Endnutzer sowie auf die Wettbewerber und sonstige Unterlagen und Angaben zur Verfügung gestellt werden, die sie zur sachgerechten Ausübung ihres Entgeltregulierungsrechts auf Grund dieses Gesetzes für erforderlich hält.

Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind vorliegend erfüllt. Danach kann die Beklagte bereits zur Vorbereitung von Verfahren der Entgeltregulierung entsprechende Anordnungen treffen. Die Formulierung "für erforderlich hält" belegt überdies, dass ihr im Interesse der Wirksamkeit der Entgeltregulierung dabei ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. Vorliegend hat die Beklagte die Vorlage solcher Unterlagen angeordnet, die sie für die Durchführung einer Offenkundigkeitsprüfung und damit zur Erfüllung der ihr gem. § 39 Abs. 3 Satz 3 TKG obliegenden gesetzlichen Aufgaben für erforderlich hält. Diese Entscheidung lässt zum einen hinsichtlich der Art und des Umfangs der angeforderten Unterlagen Rechtsfehler nicht erkennen. Insbesondere ist es nicht fehlerhaft, wenn die Beklagte in diesem Zusammenhang auch "detaillierte Angaben über erwartete und in der Vergangenheit gemessene Nutzungscharakteristika, soweit diese die Grundlage für die Kalkulation der betreffenden Tarifmaßnahme darstellen", fordert. Wenn die Klägerinnen meinen, diese Verpflichtung verstoße gegen den im Verfahren der expost- Regulierung nach § 38 Abs. 2 Satz 3 TKG geltenden Vorrang der Vergleichsmarktbetrachtung, kann dem schon deshalb nicht gefolgt werden, weil die Beklagte insoweit nicht die Vorlage einer Kostenkalkulation verlangt, sondern lediglich - in einem auf ihre Kalkulationsrelevanz beschränkten Umfang - Angaben über Nutzungscharakteristika. Im Übrigen ist das Verfahren der expost- Kontrolle auch keineswegs auf eine Vergleichsmarktbetrachtung beschränkt, wie sich aus §§ 38 Abs. 2 Satz 3, 33 TKG ergibt.

Zum anderen ist die Verpflichtung auch ohne Ermessensfehler. Die Beklagte hat auf S. 69 der Regulierungsverfügung insbesondere die möglicherweise entgegenstehenden Belange der Klägerinnen hinreichend gewürdigt und in ihre Entscheidung eingestellt. Soweit die Klägerinnen auch in diesem Zusammenhang einwenden, das Kenntnisgabeverfahren mutiere auf diese Weise zu einem "Quasi- Genehmigungsverfahren", verweist das Gericht auf seine oben im Zusammenhang mit der Überprüfung der Vorabkenntnisgabeverpflichtung von Entgeltmaßnahmen im Zugangsbereich getroffenen Feststellungen.

3. Die unter Ziffer 2 der Regulierungsverfügung den Klägerinnen auferlegte Verpflichtung, Entgeltmaßnahmen für inländische VoIP- Verbindungen zwei Monate vor dem geplanten Inkrafttreten der Bundesnetzagentur zur Kenntnis zu geben, ist hingegen rechtswidrig und verletzt die Klägerinnen in ihren Rechten. Die Voraussetzungen von § 39 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 39 Abs. 1 Satz 1 TKG liegen nicht vor. Die Beklagte hat nicht in ausreichendem Umfang Tatsachen festgestellt, die die Annahme rechtfertigen, dass die Verpflichtungen im Zugangsbereich oder nach § 40 TKG zur Erreichung der Regulierungsziele nicht ausreichen. Zwar hat die Beklagte im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 TKG auf S. 63 der Regulierungsverfügung zunächst zutreffend darauf hingewiesen, dass Verpflichtungen bei der Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl für dieses Marktsegment keine Bedeutung haben. Sie hat dann weiter darauf abgestellt, dass die notwendigen Zusammenschaltungsleistungen für das Angebot eigenständiger VoIP- Verbindungsleistungen am Markt zwar vorhanden seien, und ausgeführt, diese reichten allerdings nicht aus, um einer Übertragung der überragenden Marktstellung der Klägerinnen im Festnetzbereich auf den VoIP- Bereich entgegen zu wirken. Für diesen - ihrem Beurteilungsspielraum unterliegenden - Schluss hat sie aber keine Tatsachen angeführt, die ihn rechtfertigen könnten. Zwar handelt es sich bei dem Hinweis auf die überragende Marktstellung der Klägerinnen im Festnetzbereich um die Wiedergabe einer Tatsache. Diese auf die Zugangsmärkte bezogene Feststellung reicht für sich genommen aber nicht zur Begründung einer Gefährdung auf den - hier in Rede stehenden - Verbindungsmärkten aus. Insbesondere hat die Beklagte ihre in diesem Zusammenhang auf S. 63 der Regulierungsverfügung geäußerte Befürchtung, die Klägerinnen könnten durch eine entsprechende Ausgestaltung ihrer VoIP- Angebote versuchen, Wettbewerber mit gezielten Dumping - und Cost-Prize-Squeeze- Strategien oder Bündelungs- Strategien aus dem sich noch in der Frühphase des Wettbewerbs befindlichen Marktsegment zu verdrängen, nicht durch Tatsachen belegt. Weder hat sie die Tarifmaßnahmen der Klägerinnen im VoIP- Bereich im Hinblick darauf einer näheren Betrachtung unterzogen noch hat sie Hinweise tatsächlicher Art dafür ermittelt, dass ein derartiges Verhalten der Klägerinnen wahrscheinlich ist. Ihre für den "herkömmlichen" Verbindungsmarkt getroffenen Feststellungen über das Marktverhalten der Klägerinnen sind jedenfalls nicht ohne weitere tatsächliche Feststellungen auf den VoIP- Bereich übertragbar, da sich die Marktverhältnisse in diesem jungen, sich entwickelnden Teilmarkt von denen in den übrigen Verbindungsmärkten nicht unerheblich unterscheiden. Stellt man - wie es die Beklagte getan hat - auf denkbare Beeinträchtigungen allein im Marktsegment für VoIP- Verbindungen ab, wäre die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Klägerinnen in diesem Segment derzeit bzw. zum hier entscheidungserheblichen Zeitpunkt unwidersprochen nur einen - auf die Nutzerzahlen bezogenen - Marktanteil von 6 % haben bzw. hatten, so dass der Einfluss ihres Verhaltens auf das Geschehen im gesamten VoIP- Marktsegment von vornherein begrenzt ist. Nimmt man demgegenüber befürchtete Beeinträchtigungen der gesamten Verbindungsmärkte in den Blick, wäre zu berücksichtigen, dass nach den eigenen Feststellungen der Beklagten der Anteil der VoIP- Verbindungen an diesen Märkten noch so gering ist, dass sich ein Marktversagen allein auf dem Segment für VoIP- Verbindungen auf die Gesamtmärkte nicht nennenswert auswirken würde. Unter diesen Umständen beruht die Annahme, Verpflichtungen im Zugangsbereich würden nicht zur Erreichung der Regulierungsziele ausreichen, so dass über die expost- Entgeltkontrolle hinausgehende weitere Maßnahmen erforderlich sind, nicht auf Tatsachen, sondern lediglich auf Vermutungen über das zukünftige Marktverhalten der Klägerinnen und daraus folgende denkbare oder mögliche Konsequenzen. Dies genügt für die Annahme rechtfertigender Tatsachen im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 1 TKG nicht,

vgl. hierzu auch: VG Köln, Urteil vom 26.01.2006 - 1 K 266/05 - S. 11 des Urteilsumdrucks.

Einer auf Entgeltmaßnahmen für VoIP- Verbindungen beschränkten Teilaufhebung der in Ziffer 2) der Regulierungsverfügung angeordneten Anzeigepflicht stehen rechtliche Hindernisse nicht entgegen. Ein Verwaltungsakt kann teilweise aufgehoben werden, wenn die rechtlich unbedenklichen Teile nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Teil stehen, was durch eine Auslegung des jeweiligen Verwaltungsaktes festzustellen ist,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 2.05.2005 - 6 B 6.05 - S. 4 des Beschlussumdrucks.

Vorliegend spricht für die rechtliche Teilbarkeit bereits der Umstand, dass die Beklagte die Anzeigepflicht für Tarifmaßnahmen in Bezug auf "herkömmliche Verbindungen" und VoIP- Verbindungen im Entscheidungstenor gesondert erwähnt und sodann gesondert begründet hat. Dem Umstand, dass beide Sachverhalte - zu Recht - im Verfahren nach §§ 9 ff TKG als demselben Verbindungsmarkt zugehörig festgestellt wurden, steht einer Teilbarkeit demgegenüber nicht zwingend entgegen, denn die Entscheidungen nach § 39 Abs. 1, Abs. 3 TKG müssen nicht notwendig für jeden festgestellten Markt einheitlich ergehen. Das folgt daraus, dass § 39 Abs. 1 Satz 1 TKG an Entgelte für das Angebot von Telekommunikationsdiensten für Endnutzer anknüpft und verschiedene Dienste im Sinne von § 3 Nr. 24 TKG zusammen einen einheitlichen Markt bilden können, sofern sie hinreichend austausch- bzw. substituierbar sind (vgl. Nr. 44 der Leitlinien der EU- Kommission). Nicht ausgeschlossen ist es daher, dass Prognosen im Rahmen des § 39 Abs. 1 Satz 1 TKG hinsichtlich verschiedener, demselben Markt zugehöriger Dienste zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können.

Die Rechtswidrigkeit der in Ziffer 2) der Regulierungsverfügung angeordneten vorherigen Kenntnisgabepflicht für Entgeltmaßnahmen für VoIP- Verbindungen hat auch die Rechtswidrigkeit der unter Ziffer 4) der Regulierungsverfügung angeordneten Vorlagepflicht, soweit sich diese auf Entgeltmaßnahmen für VoIP- Verbindungen bezieht, zur Folge. Das folgt schon daraus, dass die in Ziffer 4) angeordneten Vorlagepflichten "zeitgleich mit der Vorlage der Tarifanzeige" ausgelöst werden und demnach abhängig sind vom Bestand der in Ziffer 2) angeordneten Kenntnisgabepflichten. Es folgt ferner daraus, dass die Offenkundigkeitsprüfung nach § 39 Abs. 3 Satz 3 TKG die vorherige Kenntnisgabe von Entgeltmaßnahmen nach § 39 Abs. 3 Satz 2 TKG voraussetzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die getroffene Quotelung beruht darauf, dass das Gericht zunächst die Festlegungen der Präsidentenkammer und die angeordneten Abhilfemaßnahmen nach § 13 TKG mit je 1/2 des Werts des Streitgegenstandes bewertet hat. Innerhalb der Abhilfemaßnahmen hat das Gericht die Anschluss- und Verbindungsmärkte wiederum mit je ½ bewertet und innerhalb der Verbindungsmärkte berücksichtigt, dass die auf VoIP- Verbindungen entfallenden Kenntnisgabepflichten am Gesamtumfang der Verpflichtungen nur einen vergleichsweise geringfügigen Anteil haben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gem. § 135 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.






VG Köln:
Urteil v. 05.09.2007
Az: 21 K 3395/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/565a18fecd91/VG-Koeln_Urteil_vom_5-September-2007_Az_21-K-3395-06




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