Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Oktober 2002
Aktenzeichen: 24 W (pat) 207/01

(BPatG: Beschluss v. 01.10.2002, Az.: 24 W (pat) 207/01)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der aus der Marke 396 18 261 Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Juli 2001 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 396 18 261 zurückgewiesen worden ist.

Wegen des Widerspruchs aus der Marke 396 18 261 wird die Löschung der Marke 399 12 065 angeordnet.

2. Die Beschwerde der aus den Marken 161 499 und IR R 435 891 Widersprechenden ist zur Zeit gegenstandslos.

Gründe

I.

Die Wortmarke 399 12 065 Pascha by Mysteriaist für die Waren

"Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer."

am 1. Juni 1999 eingetragen und am 1. Juli 1999 veröffentlicht worden.

Dagegen ist aus der Wortmarke 161 499 Le Mystèreder international registrierten Wortmarke R 435 891 MYSTERE DE ROCHAS sowie aus der für die Waren

"Seifen, Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Zahnputzmittel"

eingetragenen Wortmarke 396 18 261 PASHA Widerspruch erhoben worden.

Mit Beschluß vom 17. Juli 2001 hat die Markenstelle für Klasse 3, besetzt mit einer Beamtin des höheren Dienstes, die Widersprüche aus den drei Marken wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen (§§ 43 Abs 2 S 2, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG).

Bezüglich des Widerspruchs aus der Marke 396 18 261 wird zur Begründung ausgeführt, daß trotz der hohen Anforderungen, die angesichts identischer oder sehr ähnlicher Waren und der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke an den einzuhaltenden Markenabstand zu stellen seien, die Marken im maßgeblichen Gesamteindruck keine für die Bejahung einer Verwechslungsgefahr hinreichende Ähnlichkeit aufwiesen. Der Gesamteindruck der jüngeren Marke werde dabei auch nicht allein durch den Bestandteil "Pascha" geprägt. Dieser individualisiere erst den nachgestellten, etwas sprechenden Wortbestandteil "Mysteria". Die angegriffene Marke werde als untrennbare gesamtbegriffliche Einheit gesehen. Bei der Form "by Mysteria" handle es sich auch nicht um einen zu vernachlässigenden Firmenbestandteil, da die Firma der Inhaberin der angegriffenen Marke H... GmbH heiße, sondern um einen Hinweis auf deren Serie von "Mysteria"-Marken.

Hiergegen richten sich die Beschwerden der aus den Marken 161 499 und IR R 435 891 Widersprechenden sowie der aus der Marke 396 18 261 Widersprechenden.

Die aus der Marke 396 18 261 Widersprechende trägt im wesentlichen vor, zwischen den Marken bestehe Verwechslungsgefahr. Das Wort "Pascha" in der angegriffenen Marke sei isoliert mit der Widerspruchsmarke zu vergleichen. Diese bilde keine untrennbare Einheit. In der Form "by Mysteria" werde vielmehr der Eindruck erweckt, die Produkte stammten von einer Firma, einem Unternehmensbereich oder Schöpfer des Namens "Mysteria". Auf dem Gebiet der Kosmetika existiere eine große Zahl von Marken mit dem Anhängsel "by" gefolgt von einem Namen oder einer Fantasiebezeichnung. Der Verkehr empfinde daher die vorangestellten Bezeichnungen als die speziellen und eigentlichen Kennzeichen der betreffenden Spezialwaren. Die Inhaberin der angegriffenen Marke übernehme systematisch bekannte Marken Dritter, die sie lediglich mit dem Zusatz "by Mysteria" versehe. Nach den hier anwendbaren Grundsätzen der BGH-Rechtsprechung (BGH GRUR 1996, 404 ff "Blendax Pep", GRUR 1996 , 977 ff "DRANO/P3-drano) werde daher die angegriffene Marke von dem Bestandteil "Pascha" geprägt.

Beide Widersprechenden beantragen (sinngemäß), den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt in bezug auf die Beschwerde der aus den Marken 161 499 und IR R 435 891 Widersprechenden, die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.

Zu der Beschwerde der aus der Marke 396 18 261 Widersprechenden hat sich die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde der aus der Marke 396 28 261 Widersprechenden ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats besteht zwischen der Widerspruchsmarke 396 28 261 und der angegriffenen Marke Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, weswegen die angegriffenen Marke zu löschen ist (§ 43 Abs 2 S 1 MarkenG).

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinn des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so daß ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (stRspr; vgl ua EuGH GRUR 1998, 387, 389 "Sabèl/Puma"; GRUR 1998, 922, 923 "CANON"; BGH GRUR 2000, 506, 508 "ATTACHÉ/TISSERAND").

Beide Marken genießen Schutz für identische Waren, was einen deutlichen Abstand der Marken zum Ausschluß einer relevanten Verwechslungsgefahr erfordert. Diesen hält die Widerspruchsmarke von der angegriffenen Marke nicht ein.

Hinsichtlich der Beurteilung der Ähnlichkeit ist stets auf den Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Marken abzustellen, den diese hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Hierbei kommt es maßgebend darauf an, wie die Marken auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren wirken (EuGH GRUR 1998, 387, 389 "Sabèl/Puma"; BGH GRUR 2002. 342, 343 "ASTRA/ESTRA-PUREN"). Zwar unterscheiden sich die Marken in ihrer Gesamtheit betrachtet durch den zusätzlichen Wortbestandteil "by Mysteria" in der angegriffenen Marke ausreichend voneinander. Der genannte Grundsatz schließt jedoch die Erkenntnis ein, daß einem einzelnen Bestandteil eines Zeichens auch eine besondere, das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft beigemessen werden kann und deshalb bei Übereinstimmung einer Bezeichnung mit dem so geprägten Zeichen die Verwechslungsgefahr zu bejahen ist (BGH Mitt 1996, 166 "Blendax Pep"; GRUR 1997 897, 898 "IONOFIL"; MarkenR 2000, 20, 21 "RAUSCH/ELFI RAUCH"). Eine solch prägende Bedeutung für den Gesamteindruck der jüngeren Marke kommt dem mit der Widerspruchsmarke weitgehend übereinstimmenden Markenwort "Pascha" zu, weil dem weiteren Bestandteil "by Mysteria" lediglich die Wirkung einer gegenüber einem individuellen Produktkennzeichen zurücktretenden Herstellerangabe innewohnt.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH tritt eine bloße Herstellerangabe als Bestandteil einer Marke im allgemeinen weitgehend in den Hintergrund, weil der Verkehr die Waren, sofern es sich nicht um den Warenbereich der Bekleidung handelt, meist nicht nach den Namen des Herstellers unterscheidet, sondern seine Aufmerksamkeit auf die sonstigen Merkmale zeichenmäßiger Kennzeichnung richtet (ua BGH Mitt 1996, 166, 167 "Blendax Pep"; Mitt 1996, 167, 168 "JUWEL", GRUR 1997, 897, 898 "IONOFIL"). Ob in der Sicht des Verkehrs die Herstellerangabe in den Hintergrund tritt, bleibt dabei der Beurteilung des Einzelfalls vorbehalten und hängt insbesondere auch davon ab, ob die Herstellerangabe als solche dem Verkehr bekannt ist oder nicht (BGH, aaO "IONOFIL"). Zwar ist das Markenwort "Mysteria" tatsächlich keine Herstellerangabe, sondern ein willkürlich gewählter Fantasiebegriff. Daß ein Markenbestandteil als Herstellerangabe hinter einer weiteren Produktkennzeichnung zurücktritt, ist jedoch nicht ausschließlich auf die Fälle einer im Verkehr bekannten Herstellerangaben beschränkt, sondern kann grundsätzlich auch dann angenommen werden, wenn sich eine Angabe aus sonstigen Gründen als Herstellerangabe erkennen läßt (vgl BGH GRUR 1997, 897, 898 f "IONOFIL"). Sonstige Gründe sind vorliegend in der besonderen Art der Markenbildung aufgrund des dem Bestandteil "Mysteria" vorangestellten Wortes "by" zu sehen. Die englische Präposition "by", der ua die Bedeutung "von" zukommt (vgl Collins Großwörterbuch, Englisch-Deutsch, Ausg 1997, S 982, zB painting by Picasso = Gemälde von Picasso) wird auch im inländischen Geschäftsverkehr nicht selten in Verbindung mit einem (Firmen-) Namen als Kurzform für "made, produced, created by" zum Hinweis auf einen bestimmten Hersteller gebraucht. Ferner ist zu berücksichtigen, daß Hersteller von Parfümerien und kosmetischen Erzeugnissen meist ein breitgefächertes Produktsortiment haben und Zweitkennzeichnungen mit Produkt- und Herstellerkennungen häufig anzutreffen sind, insbesondere auch in der Form, daß auf die Herkunft aus einem Unternehmen bzw von einem bestimmten Hersteller mit Zusätzen wie "von", (franz) "de", (ital) "di" oder auch (engl) "by" hingewiesen wird (vgl zB unter www.usashop.ch das Produktverzeichnis "Parfumes" eines Online-Shops, in dem fast durchgängig auf die Hersteller der einzelnen Parfums unter Verwendung des Zusatzes "by" hingewiesen wird, zB "Cool Water by Davidoff", "Ck One by Calvin Klein", "Curve by Liz Claiborne", "Eternity by Calvin Klein", "Grey Flannel by Geoffrey Beene", "Opium by Yves St Laurent" usw). Auch wenn ein Unternehmen mit dem Namen "Mysteria" dem Verkehr nicht bekannt ist, muß daher damit gerechnet werden, daß gleichwohl beachtliche Teile der angesprochenen Verkehrsteilnehmer den Markenbestandteil "Mysteria" wegen des vorangestellten "by" als Herstellerangabe auffassen und ihre Aufmerksamkeit dann - unter Vernachlässigung der vermeintlichen Herstellerangabe - auf die Einzelprodukt-Kennzeichnung "Pascha" richten und sich allein hieran orientieren werden.

Angesichts der nahezu vollständigen klanglichen, schriftbildlichen und begrifflichen Übereinstimmung des mithin prägenden Markenwortes "Pascha" mit der Widerspruchsmarke "PASHA" ist daher im Ergebnis eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 2 Nr 1 MarkenG zu bejahen.

2. Im Hinblick auf die in Ziffer I. des Beschluß-Tenors angeordnete Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 396 18 261 ist festzustellen, daß die Beschwerde der aus den Marken 161 499 und IR R 435 891 Widersprechenden derzeit (dh vorbehaltlich einer Eintragungsbewilligungsklage) gegenstandslos ist.

3. Es besteht kein Anlaß, einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 MarkenG). Insbesondere sind keine Gründe erkennbar oder vorgetragen, die den Antrag der Inhaberin der angegriffenen Marke rechtfertigen würden, die Kosten des Beschwerdeverfahrens abweichend von dem Grundsatz der eigenen Kostentragung aus Billigkeitsgründen der aus den Marken 161 499 und IR R 435 891 Widersprechenden zu überbürden.

Ströbele Guth Kirschneck Bb






BPatG:
Beschluss v. 01.10.2002
Az: 24 W (pat) 207/01


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