Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 30. Juli 2009
Aktenzeichen: Xa ZB 28/08

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss des 23. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 24. April 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

Gründe

I. Die Rechtsbeschwerdeführerin hat gegen das am 18. Dezember 2001 unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität vom 19. Juni 2001 angemeldete deutsche Patent 101 62 242 (Streitpatent), das ein "Leistungshalbleiterbauelement für beispielsweise Halbbrückenschaltungen" betrifft, am 18. Mai 2005 Einspruch erhoben und beantragt, das Streitpatent zu widerrufen, weil sein Gegenstand nicht patentfähig sei. Die Einsprechende hat den Einspruch auf zwei im Prüfungsverfahren genannte Patentveröffentlichungen, darunter die am 22. November 2001 veröffentlichte deutsche Offenlegungsschrift 100 23 950 (D 1) sowie auf vier weitere druckschriftliche Entgegenhaltungen gestützt. Sie hat die geltend gemachte mangelnde Patentfähigkeit damit begründet, dass das Leistungshalbleiterbauelement nach Patentanspruch 1 des Streitpatents sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus den Druckschriften D 1 und D 3 ergeben habe.

Das Patentgericht hat den Einspruch als unzulässig verworfen.

Hiergegen richtet sich die vom Patentgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Einsprechenden, der die Patentinhaberin entgegentritt.

II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

Zu Unrecht möchte die Patentinhaberin die Rechtsbeschwerde verworfen wissen, weil diese nach § 100 Abs. 1 PatG nur gegen Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts stattfinde, durch die über eine Beschwerde nach § 73 PatG oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 PatG entschieden wird.

Zutreffend ist zwar, dass die Rechtsbeschwerde ungeachtet ihrer Zulassung durch das Patentgericht zu verwerfen wäre, wenn sie nach dem Gesetz unstatthaft wäre, da ein unstatthaftes Rechtsmittel auch durch seine Zulassung durch den iudex a quo nicht statthaft wird (BGHZ 97, 9, 10 - Transportbehälter; BGHZ 154, 102). Im Streitfall ist die Rechtsbeschwerde jedoch schon deshalb zulässig, weil das Patentgericht nicht nach § 61 Abs. 2 PatG, sondern nach § 147 Abs. 3 Nr. 1 PatG a.F. zur Entscheidung über den Einspruch berufen war und ungeachtet der Aufhebung dieser Vorschrift berufen geblieben ist (BGHZ 173, 47 Tz. 10 - Informationsübermittlungsverfahren II; BGH, Beschl. v. 16.9.2008 - X ZB 28/07, GRUR 2009, 90 Tz. 5 - Beschichten eines Substrats; Beschl. v. 9.12.2008 - X ZB 6/08, GRUR 2009, 184 Tz. 4 ff. - Ventilsteuerung). Dementsprechend findet nach § 147 Abs. 3 Satz 5 PatG a.F., der im gleichen Umfang anwendbar bleibt, die Rechtsbeschwerde gegen den angefochtenen Beschluss statt.

Diese Rechtslage gilt im Übrigen auch für Einspruchsentscheidungen unverändert fort, die nicht mehr unter die Übergangsregelung des § 147 Abs. 3 PatG fallen. Eine Entscheidung "über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 PatG" im Sinne des § 100 Abs. 1 PatG ist entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerdeerwiderung (ebenso Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 100 Rdn. 13) jede das Einspruchsverfahren abschließende Entscheidung, die das Patentgericht anstelle des Patentamts trifft, und damit auch die Verwerfung des Einspruchs. Denn nach der Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostengesetzes (BT-Drucks. 16/735 S. 13 = BlPMZ 2006, 228, 231) soll auch mit der Neufassung des § 100 Abs. 1 PatG das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde in dem Umfang eröffnet werden, in dem es bereits nach § 147 Abs. 3 Satz 5 PatG a.F. statthaft ist, der allgemein auf "die Beschlüsse der Beschwerdesenate" abstellt. Es sei deshalb, so heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs (aaO), in § 100 Abs. 1 PatG "ausdrücklich auch die Entscheidung des Bundespatentgerichts nach § 61 Abs. 2 PatG - neu - aufzunehmen". Danach ist aber die Formulierung "Beschlüsse der Beschwerdesenate ..., durch die über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden wird" nur deshalb gewählt worden, weil § 61 Abs. 1 PatG von eben solchen Beschlüssen der Patentabteilungen spricht. Hieraus kann mithin nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber künftig die Verwerfung des Einspruchs dem bei einer Sachentscheidung eröffneten Rechtsmittel entziehen wollte, wenn sie nicht durch das Patentamt, sondern durch das Patentgericht erfolgt.

III. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Patentgericht hat den Einspruch zu Unrecht als unzulässig verworfen.

1. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Patentgericht ausgeführt: Eine Einspruchsbegründung genüge nur dann den gesetzlichen Anforderungen, wenn die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen Umstände im Einzelnen so dargelegt würden, dass Patentinhaber und Patentamt oder Patentgericht daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des Widerrufsgrunds ziehen könnten. Dieser Substantiierungspflicht würden die innerhalb der Einspruchsfrist vorgetragenen Darlegungen der Einsprechenden nicht gerecht. Sie habe geltend gemacht, dass der Gegenstand der Erfindung nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Dabei habe sie jedoch nicht berücksichtigt, dass die Entgegenhaltung D 1, auf die sie sich hierbei gestützt habe, zwar auf eine Patentanmeldung vom 16. Mai 2000 zurückgehe, jedoch nachveröffentlicht sei. Die Veröffentlichung sei mithin zur Substantiierung des geltend gemachten Widerrufsgrunds nicht geeignet. Es könne auch nicht angenommen werden, die Einsprechende habe den Einspruch auch auf den "Widerrufsgrund der mangelnden Neuheit" stützen wollen, denn sie habe die Neuheit des Gegenstands der Erfindung gegenüber der D 1 in der Einspruchsbegründung dargelegt. Ebenso wenig lasse die Begründung erkennen, dass dem Streitpatent nur der Zeitrang seiner Anmeldung zukomme. Schließlich seien auch die Darlegungen zu den übrigen angeführten Entgegenhaltungen nicht geeignet, den geltend gemachten Widerrufsgrund zu substantiieren.

2. Diese Beurteilung hält der Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht stand.

Nach § 59 Abs. 1 PatG ist der Einspruch schriftlich zu erklären und zu begründen. Er kann nur auf die Behauptung gestützt werden, dass einer der in § 21 PatG genannten Widerrufsgründe vorliege. Die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, sind im Einzelnen anzugeben. Die Angaben müssen, soweit sie nicht schon in der Einspruchsschrift enthalten sind, bis zum Ablauf der Einspruchsfrist schriftlich nachgereicht werden. Diese Voraussetzungen erfüllt die Einspruchsschrift im Streitfall.

a) Eine Einspruchsbegründung genügt der formellen gesetzlichen Anforderung, wenn sie die für die Beurteilung der behaupteten Widerrufsgründe maßgeblichen Umstände im Einzelnen so darlegt, dass der Patentinhaber und insbesondere das Patentamt daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrunds ziehen können (BGH, Beschl. v. 30.3.1993 - X ZB 13/90, GRUR 1993, 651, 653 - Tetraploide Kamille). Der Vortrag muss erkennen lassen, dass ein bestimmter Tatbestand behauptet werden soll, der auf seine Richtigkeit nachgeprüft werden kann (Beschl. v. 29.4.1997 - X ZB 13/96, GRUR 1997, 740 - Tabakdose). Da der Einspruch nur auf die Behauptung gestützt werden kann, einer der in § 21 PatG genannten Widerrufsgründe liege vor, muss die überprüfbare Tatsachenangabe sich außerdem auf den geltend gemachten Widerrufsgrund beziehen (BGHZ 100, 243, 246 - Streichgarn). Ob die Tatsachen den Widerruf auch tatsächlich rechtfertigen, ist alsdann keine Frage der an die Einspruchsschrift zu stellenden förmlichen Anforderungen mehr, sondern eine solche der Begründetheit.

b) Danach hat die Einsprechende den Anforderungen an die Zulässigkeit des Einspruchs genüge getan, indem sie innerhalb der Einspruchsfrist diejenigen druckschriftlichen Entgegenhaltungen genannt hat, die den geltend gemachten Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit ausfüllen sollen. Ob sie die mangelnde Patentfähigkeit tatsächlich zu begründen vermögen oder ob dies etwa daran scheitert, dass eine von zwei Entgegenhaltungen, auf die sich die Einsprechende stützt, nicht zu dem bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigenden Stand der Technik zählt, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Einspruchs.

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. April 1997 (X ZB 13/96, aaO - Tabakdose). In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof für die Zulässigkeit eines auf fehlende Patentfähigkeit des patentierten Gegenstandes infolge einer offenkundigen Vorbenutzung gestützten Einspruchs bestimmte Angaben in dreierlei Hinsicht für erforderlich gehalten: Die Einspruchsbegründung müsse einen bestimmten Gegenstand der Benutzung bezeichnen, damit überprüft und festgestellt werden könne, ob und gegebenenfalls inwieweit er den patentgemäßen Gegenstand vorwegnehme oder nahelege. Ferner sei die Angabe bestimmter Umstände der Benutzung dieses Gegenstandes im Sinne des § 3 Abs. 1 PatG erforderlich, damit überprüft und festgestellt werden könne, ob er der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei. Schließlich bedürfe es einer nachprüfbaren Angabe dazu, wann der Gegenstand in dieser Weise benutzt worden sei, damit ermittelt und gegebenenfalls festgestellt werden könne, ob der Gegenstand zum Stand der Technik gehöre, von dem aus Neuheit und erfinderische Tätigkeit zu beurteilen seien. Auch wenn man diese Anforderungen auf einen auf druckschriftliche Entgegenhaltungen gestützten Einspruch übertragen wollte, wären sie im vorliegenden Fall erfüllt. Denn aufgrund der Vorlage oder bestimmten Bezeichnung der Druckschrift steht der als vorbekannt angeführte Gegenstand ebenso fest wie der sich aus der Veröffentlichung ergebende Zeitpunkt, zu dem dieser Gegenstand der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Ob dieser Zeitpunkt vor oder nach dem für den Zeitrang des Streitpatents maßgeblichen Datum liegt, ist auch in diesem Zusammenhang keine Frage der Zulässigkeit des Einspruchs, sondern der sachlichen Prüfung der Patentfähigkeit.

IV. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (§ 107 Abs. 1 PatG).

Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens Berger Bacher Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 24.04.2008 - 23 W (pat) 334/05 -






BGH:
Beschluss v. 30.07.2009
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