Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 18. Dezember 2008
Aktenzeichen: I-6 U 139/07

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 18.12.2008, Az.: I-6 U 139/07)

Tenor

Die Berufung der Klägerin zu 3.) gegen das am 11. Mai 2007 verkünde-te Urteil der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düssel-dorf wird zurückgewiesen.

Der Klägerin zu 3.) werden die Kosten des Berufungsverfahrens aufer-legt. Die Streithelferin zu 2.) trägt ihre in der Berufungsinstanz entstan-denen Kosten der Streithilfe selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin zu 3.) wendet sich als Aktionärin der beklagten Aktiengesellschaft gegen den Zustimmungsbeschluss zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der E-GmbH in der außerordentlichen Hauptversammlung vom 4. November 2005. Mit ihrem Hauptklageantrag begehrt sie die Nichtigerklärung des Beschlusses, hilfsweise verlangt sie die Feststellung von dessen Nichtigkeit und äußerst hilfsweise verlangt sie die Feststellung, dass die Regelung der Fälligkeit der Ausgleichszahlung gemäß § 6.2 Satz 1 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages unwirksam ist. Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingereichte sowie rechtzeitig begründete Berufung der Klägerin zu 3.).

In der Berufungsinstanz verfolgt sie ihr Klagebegehren weiter, nimmt Bezug auf ihr gesamtes erstinstanzliches Vorbringen und macht sich den Vortrag der übrigen Klägerinnen in vollem Umfang zu eigen.

Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest, dass die streitgegenständliche Hauptversammlung nicht nach Gesetz und Satzung einberufen worden sei. Sowohl die erste Bekanntmachung vom 23. September 2005 als auch die zweite Bekanntmachung vom 26. September 2005 seien fehlerhaft gewesen: Wie aus der Überschrift hervorgehe, handele es sich bei der zweiten Bekanntmachung um eine "Berichtigung der [unwirksamen] Tagesordnung vom 23. September 2005" und nicht etwa um eine Neuvornahme der Einladung. Insoweit strahlten Mängel der Ausgangsbekanntmachung auf die Berichtigungsbekanntmachung aus. Auch die Einberufungs- und Anmeldefristen seien nicht eingehalten worden, weil sich die Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger nicht nur auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen, sondern auf das gesamte Gebiet beziehe, in dem das Aktiengesetz Geltung habe.

Eine Sperrung der Aktien, die eine Verfügungssperre bedeute und damit über eine Hinterlegung hinausgehe, sehe die Satzung nicht vor.

Durch die Verkürzung der Hinterlegungsfrist werde den Aktionären abseits der Satzung der Sondervorteil eingeräumt, noch nach Ablauf der Hinterlegungsfrist Aktien zu erwerben und/oder sich nachträglich als Aktionär anzumelden.

Die streitgegenständliche Fälligkeitsregelung der Ausgleichszahlung sei unangemessen zu Lasten des Konzernherrn ausgelegt und darauf angelegt, dem Minderheitsaktionär zumindest im Falle der Privatenteignung nach §§ 327a ff. AktG den zeitanteiligen Anspruch pro rata temporis im Hinblick auf die Ausgleichszahlung zu entziehen, was verfassungswidrig sei. In der Hauptversammlung vom 17. August 2007 habe die Beklagte einen Beschluss über die Enteignung der Minderheitsaktionäre nach §§ 327a ff. AktG vorgeschlagen. Auf ausdrückliche Frage ihres Vertreters habe der Vorstand unter Hinweis auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München erklärt, dass der Hauptaktionär eine Ausgleichszahlung für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum Tage des Wirksamwerdens des Enteignungsbeschlusses nicht leisten werde.

Die Klägerin zu 3.) trägt erstmals im Berufungsverfahren vor, der streitgegenständliche Beschluss sei nicht mit der erforderlichen Mehrheit zustande gekommen, weil für die von der Hauptaktionärin gehaltenen Aktien wegen nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der Meldepflichten nach §§ 21, 22 WpHG gemäß § 28 Satz 1 WpHG ein Stimmrechtsverbot bestanden habe. Zum Zeitpunkt der Hauptversammlung am 4. November 2005 sei eine Reihe von ausländischen Gesellschaften an der Beklagten beteiligt gewesen (Anlage 1, Bl. 364 GA). Im Zusammenhang mit der Hauptversammlung der Beklagten am 17. August 2007 habe ihr Prozessbevollmächtigter Angaben zur aktuellen Meldelage erbeten. Er habe von der Verwaltung in diesem Zusammenhang die beiden Meldungen vom 23. April 2007 (Anlage 3, Bl. 368, 369 GA) und 5. Juni 2007 (Anlage 2, Bl. 365 - 367 GA) erhalten. Diesen beiden Mitteilungen sei zu entnehmen, dass das Konzerngeflecht des Grossaktionärs bereits am 11. April 2005, also mehrere Monate vor der Hauptversammlung vom 4. November 2005, meldepflichtige Grenzen überschritten habe. Ihr und den beiden anderen Klägerinnen sei es verwehrt gewesen, diesen Vortrag früher geltend zu machen, weil die tatsächlichen Konzernverhältnisse und Meldelagen nach WpHG den Aktionären zwei Jahre lang nicht mitgeteilt worden seien. Da der Konzernherr maßgebliche Informationen vorenthalten habe, könne er sich nach Treu und Glauben nicht auf Präklusion berufen.

Die Klägerin zu 3.) und die Streithelferin zu 2.) beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 11. Mai 2007

den in der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 4. November 2005 gefassten Beschluss über die Zustimmung zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der E-GmbH für nichtig zu erklären;

hilfsweise,

festzustellen, dass der in der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 4. November 2005 gefasste Beschluss über die Zustimmung zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der E-GmbH nichtig ist;

äußerst hilfsweise,

festzustellen, dass § 6 Absatz 2 Satz 1 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags, der wie folgt lautet: "Die Ausgleichszahlung ist jeweils am 1. Bankarbeitstag nach der ordentlichen Hauptversammlung der Organgesellschaft für das abgelaufene Geschäft fällig." unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Sie ist der Ansicht, die außerordentliche Hauptversammlung am 4. November 2005 sei ordnungsgemäß einberufen worden. Die am 26. September 2005 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichte Einladung zur außerordentlichen Hauptversammlung habe alle Anforderungen des § 124 Abs. 1 und 3 AktG erfüllt. Die Einberufungsfrist sei am 26. September 2005 noch nicht verstrichen gewesen.

Die Verkürzung der Hinterlegungsfrist sei eine Satzungsabweichung zugunsten der Aktionäre gewesen. Die in der Einberufung geforderte Sperrung der Aktien diene lediglich dem Zweck der Verhinderung einer Doppelvertretung der Aktien in der Hauptversammlung.

Die Fälligkeit der Ausgleichszahlung gemäß § 6.2 Satz 1 des Unternehmensvertrages am 1. Bankarbeitstag nach der ordentlichen Hauptversammlung für das abgelaufene Geschäftsjahr stelle keine unangemessene Benachteiligung der außenstehenden Aktionäre dar. Die von der Klägerin zu 3.) geforderte Fälligkeit zu Beginn des Kalenderjahres sei weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des § 304 Abs. 1 AktG zu entnehmen. Eine Unangemessenheit des Fälligkeitszeitpunkts ergebe sich auch nicht daraus, dass Minderheitsaktionären im Falle eines sog. Squeeze out keine zeitanteilige Ausgleichszahlung für den Zeitraum vor dem Squeeze out zustehe. Die nicht gezahlte, anteilige Ausgleichszahlung könne bei der Unternehmensbewertung im Rahmen des Squeeze out berücksichtigt werden und den Aktionären in Form einer entsprechend höheren Barabfindung gemäß § 327b AktG zugute kommen.

Mit ihrem neuen Vortrag in der Berufungsinstanz, infolge fehlender Meldungen gemäß §§ 21ff. WpHG durch Konzernobergesellschaften sei ein Rechtsverlust gemäß § 28 Satz 1 WpHG eingetreten, so dass die Stimmrechte der Mehrheitsaktionärin E-GmbH in der außerordentlichen Hauptversammlung am 4. November 2005 nicht wirksam hätten ausgeübt werden können, sei die Klägerin zu 3.) gemäß § 246 Abs. 1 AktG präkludiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge sowie die nachstehend getroffenen tatsächlichen Feststellungen.

II.

Die Berufung der Klägerin zu 3.) hat keinen Erfolg.

1. Die Nichtigkeitsklage ist unbegründet.

Der angefochtene Beschluss ist nicht nichtig, weil kein Einberufungsmangel gemäß § 241 Nr. 1 AktG gegeben ist. Entgegen der Ansicht der Klägerin zu 3.) liegt kein Verstoß gegen § 121 Abs. 3 AktG vor, wonach die Einberufung in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen ist und die Firma, den Sitz der Gesellschaft, Zeit und Ort der Hauptversammlung und die Bedingungen angeben muss, von denen die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts abhängen. Diese gesetzlich vorgeschrieben Mindestangaben enthalten beide gemäß § 25 AktG im elektronischen Bundesanzeiger vorgenommenen Bekanntmachungen vom 23. September 2005 (Anlage 1, Bl. 67 f. GA) und 26. September 2005 (Anlage 2, Bl. 69 ff. GA). Beide unterscheiden sich inhaltlich nur dadurch, dass die Bekanntmachung vom 23. September 2005 eine Kurzfassung der Tagesordnung enthält und wegen des vollständigen Wortlauts der Tagesordnung am Ende der Einladung auf die Internetadresse www.ebundesanzeiger.de und auf den Erhalt des Gesamttextes bei der Hinterlegungsstelle verweist, während die mit "Berichtigung der veröffentlichten Tagesordnung vom 23. September 2005" überschriebene Bekanntmachung vom 26. September 2005 die Tagesordnung im Einladungsschreiben vollständig wiedergibt.

2. Die Anfechtungsklage ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

a) Die Anfechtungsfrist ist gewahrt.

Die Klage der Klägerin zu 3.) ist mit der Zustellung an die beiden Vorstandsmitglieder (Bl. 84R u. 85R GA) und vier von sechs Aufsichtsratsmitgliedern der Beklagten am 11. Januar 2006 (Bl. 82R, 83R, 87R; 111 GA = 1. Februar 2006) ordnungsgemäß nach § 253 Abs. 1 ZPO erhoben worden, weil nach § 170 Abs. 3 ZPO die Zustellung an jeweils ein Mitglied des Vorstands und des Aufsichtsrats genügt. Dies geschah zwar nicht innerhalb der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG, der bestimmt, dass die Klage binnen eines Monats nach der Beschlussfassung - hier der 4. November 2005 - erhoben werden muss. Da sie jedoch "demnächst" zugestellt worden ist, weil die Klägerin zu 3.) die am 14. Dezember 2005 abgesandte Gerichtskostenrechnung (Bl. 79 GA) bereits sechs Tage später, nämlich am 20. Dezember 2005, an die Gerichtskasse überwiesen hat (Bl. II GA), wirkt die Zustellung gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung am Montag, den 5. Dezember 2005 (Bl. 56 GA), zurück.

b) Die Anfechtungsklage ist jedoch unbegründet.

aa) Die Klägerin zu 3.) ist nach § 245 Nr. 1 AktG anfechtungsbefugt.

aaa) Sie hatte ihre Aktien bereits vor der im September 2005 vorgenommenen Bekanntmachung der Einladung zur Hauptversammlung erworben. Denn sie hat durch Vorlage des Schreibens der H-Bank vom 29. Januar 2007 (Bl. 270 GA) nachgewiesen, dass sie seit dem 30. April 2004 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt Aktien der Beklagten besitzt.

bbb) Sie hat auch, vertreten durch Frau K., ordnungsgemäß gegen den streitgegenständlichen Beschluss der Hauptversammlung Widerspruch zur Niederschrift erklärt, wie Seite 7 des Protokolls zur Hauptversammlung (B 1, Bl. 191 GA) belegt.

ccc) Der Umstand, dass sie diesen Widerspruch bereits vor Beschlussfassung und nicht erst nach Verkündung des Beschlussergebnisses erklärt hat, schadet nicht. § 245 Nr. 1 AktG enthält zum Zeitpunkt des Widerspruchs keine ausdrückliche Regelung. Aus dem Zusammenhang des Widerspruchserfordernisses mit dem Erscheinen des Aktionärs in der Hauptversammlung ist aber abzuleiten, dass der Widerspruch gegen jeden Beschluss während der gesamten Dauer der Hauptversammlung erhoben werden kann. Das bedeutet, dass die Erklärung sowohl vor als auch nach der Beschlussfassung abgegeben werden kann (BGH, NJW-RR 2008, 289, 290; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 245 Rdnr. 14; MünchKomm/Hüffer, AktG, 2. Aufl., § 245 Rdnr. 36).

bb) Die Einberufung der außerordentlichen Hauptversammlung leidet aber nicht unter einem der Anfechtbarkeit unterliegenden Verfahrensmangel.

aaa) Die mit "Berichtigung der veröffentlichten Tagesordnung vom 23. September 2005" überschriebene Bekanntmachung vom 26. September 2005 im elektronischen Bundesanzeiger (§§ 25, 124 Abs. 1 Satz 1 AktG) erfüllt sämtliche in § 124 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AktG vorgeschriebenen inhaltlichen Erfordernisse. Sie enthält neben den Mindestangaben des § 121 Abs. 2 Satz 3 AktG insbesondere die vollständige Tagesordnung, bestehend aus dem Text des zwischen der E-GmbH und der Beklagten am 15. September 2005 abgeschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages sowie dem Beschlussvorschlag des Vorstands und des Aufsichtsrats, diesem Vertrag zuzustimmen. Der Umstand, dass in der ersten Bekanntmachung vom 23. September 2005 die vollständige Tagesordnung und der Beschlussvorschlag fehlten, führt nur zur Unwirksamkeit dieser ersten Einberufung. Fehler einer Einberufung können durch Wiederholung der gesamten Einberufung, wie es hier in der Bekanntmachung vom 26. September 2005 geschehen ist, geheilt werden (MünchKomm/Kubis, AktG, aaO, § 124 Rdnr. 19). Die Überschrift der zweiten Bekanntmachung ändert nichts daran, dass sie eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Einberufung zur Hauptversammlung enthält.

bbb) Die Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung im elektronischen Bundesanzeiger am 26. September 2005 ist auch fristgerecht erfolgt.

(1) Nach § 23 Ziffer 3 der Satzung der Beklagten (Bl. 63 GA) muss die Einberufung der Hauptversammlung mindestens einen Monat vor dem Ablauf der in § 25 bestimmten Hinterlegungsfrist bekannt gemacht werden, wobei der Tag der Bekanntmachung und der Tag des Ablaufs der Hinterlegungsfrist nicht mitzurechnen sind. § 25 der Satzung (Bl. 60 GA) enthält folgende Regelung:

"Zur Teilnahme an der Hauptversammlung ... sind diejenigen Aktionäre berechtigt, die spätestens am 4. Werktag vor dem Tag der Versammlung ... ihre Aktien bis zur Beendigung der Hauptversammlung hinterlegen. Die Hinterlegung kann auch bei einem deutschen Notar oder bei der Wertpapiersammelbank erfolgen. Die von diesen auszustellende Bescheinigung über die erfolgte Hinterlegung ist spätestens am 1. Werktag nach Ablauf der Hinterlegungsfrist bei der Gesellschaft einzureichen .... Sonnabende gelten nicht als Werktage im Sinne von Absatz 1, erster und letzter Absatz."

Die beiden Bekanntmachungen vom 23. und 26. September 2005 enthielten folgende Teilnahmebedingungen:

"Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts sind nach § 25 der Satzung diejenigen Aktionäre berechtigt, die spätestens Mittwoch, den 2. November 2005, bei der Gesellschaft oder bei der nachstehend aufgeführten Bank die Ausstellung einer Stimmkarte beantragen und ihre Aktien hinterlegt haben und bis zum Ablauf der Hauptversammlung gesperrt halten:

F-Bank, XY-Stadt.

Die Hinterlegung kann auch bei einem deutschen Notar oder bei einer Wertpapiersammelbank erfolgen. Die von diesen auszustellende Bescheinigung über die erfolgte Hinterlegung ist bis spätestens Donnerstag, den 3. November 2005, bei der Gesellschaft ... einzureichen. Die Hinterlegung ist auch dann ordnungsgemäß, wenn Aktien mit Zustimmung einer Hinterlegungsstelle für sie bei anderen Banken bis zur Beendigung der Hauptversammlung im Sperrdepot gehalten werden. ..."

Der 4. Werktag vor dem Versammlungstag am Freitag, dem 4. November 2005, also der satzungsmäßige Hinterlegungstag, war Freitag, der 28. Oktober 2005. Bei der Rückrechnung ist neben Samstag, dem 29. Oktober 2005, und Sonntag, dem 30. Oktober 2005, nur Dienstag, der 1. November 2005 (Allerheiligen als gesetzlicher Feiertag in Nordrhein-Westfalen), nicht mitzuzählen. Entgegen der Ansicht der Klägerin zu 3.) zählt Montag, der 31. Oktober 2005, zu den Werktagen, weil an dem für die Fristberechnung maßgeblichen Sitz der Beklagten (MünchKomm/Kubis, aaO, § 123 Rdnr. 33) in Nordrhein-Westfalen der 31. Oktober (Reformationstag) kein gesetzlicher Feiertag ist. Zwischen dem satzungsmäßigen Hinterlegungstag, dem 28. Oktober 2005, und dem Tag der Bekanntmachung am 26. September 2005, die beide nicht mitzurechnen sind, liegt genau ein Monat, nämlich vom 27. September bis zum 27. Oktober. Die Veröffentlichung der Einladung zur Hauptversammlung am 26. September 2005 ist daher fristgemäß erfolgt.

(2) Der Umstand, dass die Beklagte die Hinterlegung bis zum 2. November 2005 anstatt nur bis zum 28. Oktober 2005 und die Vorlage der Hinterlegungsbescheinigung bis zum 3. November 2005 gestattet hat, führt nicht zu einer Anfechtbarkeit des Beschlusses. Eine derartige Verkürzung der satzungsmäßigen Hinterlegungsfrist weicht zugunsten der Aktionäre von der Satzung ab, weil ihnen damit ein längerer Zeitraum zur Hinterlegung ihrer Aktien zur Verfügung steht, was ihnen die Teilnahme an der Versammlung erleichtert. Auch ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot liegt nicht vor, weil die in der Einladung getroffene Regelung gleichermaßen für alle Aktionäre gilt. Bei einer solchen der Satzung widersprechenden Fristverkürzung unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots sind die Aktionäre nicht beschwert, weil sie die Hinterlegung später als nach der Satzung vornehmen können (MünchKomm/Kubis, aaO, § 123 Rdnr. 48; Großkomm/Werner, AktG, 4. Aufl., § 123 Rdnr. 69). Soweit die Klägerin zu 3.) ihre Rechtsauffassung auf den Beschluss gemäß § 91a ZPO des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15. Dezember 1999 (B1, S. 9, Bl. 340 ff., 347 GA) stützt, in welchem festgestellt wird, dass eine Verkürzung der Anmeldefrist entgegen der Satzung nicht hingenommen werden könne, fehlt jegliche Begründung, warum mit einer Verkürzung der Hinterlegungsfrist ein Nachteil für die Aktionäre verbunden sein soll.

ccc) Bei der in der Einberufung geforderten Sperrung der Aktien bzw. Hinterlegung in einem Sperrdepot handelt es sich nicht um eine zusätzliche, über die in der Satzung geforderte Hinterlegung (§ 123 Abs. 2 AktG) hinausgehende Belastung der Aktionäre. In § 25 der Satzung ist zwar für den Fall der Hinterlegung der Aktien bei einem Notar oder einer Bank eine Sperrung der Aktien nicht ausdrücklich vorgesehen. Diese von der Satzung abweichende Teilnahmebedingung wirkt sich jedoch ebenfalls nicht zum Nachteil der Aktionäre aus. Der vom Gesetz und der Satzung verfolgte Zweck der Hinterlegung von Inhaberaktien ist der Ausschluss einer Verfügung über die hinterlegten Aktien während der Hinterlegungsfrist. Allerdings bewirkt die Hinterlegung allein materiellrechtlich keine Verfügungssperre. Die Teilnahmebedingung dient daher nur der Sicherstellung der mit der Hinterlegung eigentlich bezweckten Verfügungssperre und der Vermeidung eines ohnehin verbotenen Aktionärsverhaltens. Durch die Sperrung der Aktien soll nämlich verhindert werden, dass Aktionäre an der Hauptversammlung mitwirken, obwohl sie infolge der Veräußerung der Aktien, an der sie durch die bloße Hinterlegung nicht gehindert sind, nicht mehr teilnahme- und stimmberechtigt sind. Die Teilnahme an der Hauptversammlung ohne Aktienbesitz stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG dar. Hinzu kommt, dass in der Depotpraxis die Stellung des Aktionärs, der die Veräußerung seiner Aktien nach deren Hinterlegung beabsichtigt, durch das Sperrungserfordernis ohnehin nicht verändert wird, weil es dem Aktionär schwer fallen dürfte, die Depotbank ohne gleichzeitige Rückgabe seiner Hinterlegungsbescheinigung (in praxi: seiner Eintrittskarte) zur Übertragung der hinterlegten Aktien zu bewegen (MünchKomm/Kubis, aaO, § 123 Rdnr. 21). Denn die Hinterlegungsbescheinigung muss gleichzeitig ausweisen, dass die Sperre bis zur Beendigung der Hauptversammlung aufrechterhalten wird, da sie nur dann den Zweck, die Doppelvertretung der Aktien in der Hauptversammlung zu vermeiden, erfüllen kann. Das bedeutet nicht, dass der Hinterleger die Hinterlegung während der Sperrdauer nicht rückgängig machen kann. Er muss in diesem Fall jedoch die Hinterlegungsbescheinigung zurückgeben, weil sich das Institut anderenfalls gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig machen würde (Großkomm/Werner, aaO, § 123 Rdnr. 45).

cc) Die Klägerin kann auch nicht geltend machen, der in der Hauptversammlung gefasste Beschluss sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen.

aaa) Mit dem erstmals in der Berufung vorgetragenen und damit nachgeschobenen Anfechtungsgrund, der Beschluss sei nicht mit der erforderlichen Mehrheit zustande gekommen, weil für die von der Hauptaktionärin gehaltenen Aktien wegen nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der Meldepflichten nach §§ 21, 22 WpHG gemäß § 28 Satz 1 WpHG ein Stimmrechtsverbot bestanden habe, ist die Klägerin zu 3.) präkludiert.

Sie hat mit einem am 31. August 2007 bei Gericht eingereichten Schriftsatz vom 29. August 2007 (Bl. 362 ff. GA) vorgetragen, dass ihr Prozessbevollmächtigter im Zusammenhang mit der Hauptversammlung der Beklagten am 17. August 2007 Angaben zur aktuellen Meldelage gemäß §§ 21 ff. WpHG erbeten und von der Verwaltung die Meldung der M-AB in Schweden vom 23. April 2007 (Anlage 3, Bl. 368, 369 GA) und die Meldung der N-AG in der Schweiz vom 5. Juni 2007 (Anlage 2, Bl. 365 - 367 GA) erhalten habe, wonach das Konzerngeflecht des Grossaktionärs E-GmbH am 11. April 2005, also mehrere Monate vor der Hauptversammlung vom 4. November 2005, meldepflichtige Grenzen nach §§ 21 ff. WpHG überschritten habe, so dass die Aktien des herrschenden Unternehmens gemäß § 28 Satz 1 WpHG einem gesetzlichen Stimmverbot unterlegen hätten.

Damit hat die Klägerin zu 3.) nach Ablauf der Anfechtungsfrist gemäß § 246 Abs. 1 AktG neue Tatsachen für einen neuen Anfechtungsgrund vorgetragen. Das Nachschieben von Anfechtungsgründen nach Ablauf der Anfechtungsfrist ist jedoch ausgeschlossen. Es genügt nicht, dass innerhalb der Anfechtungsfrist Klage erhoben wird. Vielmehr ist erforderlich, dass die Anfechtungsgründe innerhalb der Frist in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern dargelegt werden. Nachgeschobene Anfechtungsgründe bleiben daher unbeachtlich (BGHZ 15, 177, 180 f.; 120, 141, 157; NJW-RR 2006, 1110, 1112; Hüffer, aaO, § 246 AktG Rdnr. 26 m. w. N.; Großkomm/K. Schmidt, aaO, § 246 Rdnr. 24; MünchKomm/Hüffer, aaO, § 246 Rdnr. 42, 43; K. Schmidt/Lutter/Schwab, AktG, § 246 Rdnr. 11). Zwar erschiene es sinnvoll, den Kläger nicht mit der Geltendmachung von Anfechtungsgründen zu präkludieren, deren tatsächliche Grundlagen - wie im vorliegenden Fall - für ihn erst im Laufe des Prozesses erkennbar geworden sind (so die von Zöllner in: Kölner Komm. z. AktG, 2. Aufl., § 246 Rdnr. 18 ff. u. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 8 IV 2 b, [zitiert nach Hüffer, aaO] vertretene Gegenansicht), aber die Präklusion von auf neuem Lebenssachverhalt beruhenden Anfechtungsgründen entspricht dem Zweck der Befristung, Rechtssicherheit zu schaffen. Gegen eine Zulassung neuer Anfechtungsgründe nach Ablauf der Anfechtungsfrist spricht auch der Gleichheitssatz: Ein Anfechtungsberechtigter, der ganz auf die Erhebung einer Klage verzichtet hat, ist unzweifelhaft auch mit der Geltendmachung von solchen Anfechtungsgründen präkludiert, die während des Laufs der Monatsfrist noch gar nicht erkennbar waren, so dass nicht einzusehen ist, warum für einen Kläger, der seine Klage zunächst auf ganz andere als die nach Ablauf der Frist bekannt gewordenen Gründe gestützt hat, etwas anderes gelten soll (Kindl, ZGR 2000, 166, 176). Es sollte nicht in der Macht des Gerichts stehen, durch Sachdienlicherklärung nach § 263 ZPO im Rahmen eines laufenden Anfechtungsprozesses dem Kläger mit Anfechtungsgründen zum Erfolg zu verhelfen, die er in einem neuen Anfechtungsprozess nicht mehr geltend machen könnte (Großkomm/K. Schmidt, aaO, § 246 Rdnr. 24).

bbb) Neuer Tatsachenvortrag nach Ablauf der Anfechtungsfrist ist nur beachtlich, soweit es auf die Frist nicht ankommt, also, wenn er der Klage gemäß § 241 Nr. 1 bis 4 AktG als Nichtigkeitsfeststellungsklage zum Erfolg verhelfen kann (Großkomm/K. Schmidt, aaO; MünchKomm/Hüffer, aaO, § 246 Rdnr. 43; K. Schmidt/Lutter, aaO, § 246 Rdnr. 11). Das ist aber nicht der Fall. Übt der Aktionär trotz des Rechtsverlusts nach § 28 Satz 1 WpHG sein Stimmrecht aus, ist der betroffene Hauptversammlungsbeschluss nicht nach § 241 Nr. 3 Fall 3 AktG nichtig, weil der Beschluss nicht "durch seinen Inhalt" gegen Vorschriften, die im öffentlichen Interesse gegeben sind, verstößt, sondern nur gemäß § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar (BGH, NJW-RR 2006, 1110, 1113; Assmann/Schneider, WpHG, 4. Aufl., § 28 Rdnr. 28).

dd) Auf die von der Klägerin zu 3.) beanstandete Fälligkeitsklausel im streitgegenständlichen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag kann eine Anfechtbarkeit des streitgegenständlichen Zustimmungsbeschlusses schon deshalb nicht gestützt werden, weil sie wirksam ist.

Die Regelung zur Fälligkeit der Ausgleichszahlung in § 6.2 Satz 1 des zwischen der Beklagten und der E-GmbH abgeschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. September 2005 (Anlage 2, Bl. 72 GA), die wie folgt lautet:

"Die Ausgleichszahlung ist jeweils am 1. Bankarbeitstag nach der ordentlichen Hauptversammlung der Organgesellschaft [= Beklagte] für das abgelaufene Geschäftsjahr fällig."

stellt entgegen der Ansicht der Klägerin zu 3.) keine unangemessene Benachteiligung der außenstehenden Aktionäre dar.

Gemäß § 6.1 des Vertrages garantiert die E-GmbH den außenstehenden Aktionären einen jährlich wiederkehrenden festen Ausgleich im Sinne von § 304 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AktG, der nach § 6.2 Satz 1 am 1. Bankarbeitstag nach der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten für das abgelaufene Geschäftsjahr fällig werden soll. § 304 AktG enthält keine gesetzliche Fälligkeitsregelung. Nach herrschender Meinung wird mangels besonderer vertraglicher Regelung ein Anspruch auf jährlich wiederkehrenden festen, also gewinnunabhängigen Ausgleich am Tag der ordentlichen Hauptversammlung fällig, weil sonst an diesem Tag der Gewinnverwendungsbeschluss gefasst und damit ein etwaiger Dividendenzahlungsanspruch fällig geworden wäre. Wenn eine Aktiengesellschaft wie die Beklagte durch Vertrag die Leitung der Gesellschaft einem anderen Unternehmen - hier der E-GmbH - unterstellt und sich verpflichtet, ihm ihren Gewinn abzuführen, dann hat dieses Unternehmen den außenstehenden Aktionären der Gesellschaft gemäß § 304 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AktG durch wiederkehrende Leistungen die Dividendenverluste auszugleichen, die ihnen infolge des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages entstehen. Diesem Zweck dient die Ausgleichszahlung. Der Ausgleich soll den Verlust des mitgliedschaftlichen Dividendenrechts kompensieren (MünchKomm/Bilda, aaO, § 304 Rdnr. 9), also die dem außenstehenden Aktionär entgangene Dividende ersetzen. Deshalb kann der Anspruch auf Ausgleichszahlung nicht früher fällig werden als die Dividende selbst (Koppensteiner in: Kölner Komm. z. AktG, 2. Aufl., § 304 Rdnr. 5). Entscheidend ist damit, wenn wie hier infolge Gewinnabführung kein Gewinnverwendungsbeschluss gefasst wird, das Ende der ordentlichen Hauptversammlung der beherrschten Gesellschaft, in welcher der Jahresabschluss festgestellt oder der vorher festgestellte Jahresabschluss entgegengenommen wird und in der sonst über die Gewinnverwendung beschlossen worden wäre (Hüffer, aaO, § 304 Rdnr. 13; K. Schmidt/Lutter/Stephan, aaO, § 304 Rdnr. 35; MünchKomm/Bilda, aaO, § 304 Rdnr. 104; Großkomm/Hasselbach/Hirte, aaO, § 304 Rdnr. 42; Krieger in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, Aktiengesellschaft, 3. Aufl., § 304 Rdnr. 85). Auch das Oberlandesgericht München hat die dort vertraglich vereinbarte Fälligkeit des Ausgleichsanspruchs einen Tag nach der ordentlichen Hauptversammlung nicht beanstandet (WM 2007, 937, 938). Die von der Klägerin zu 3.) und von Emmerich (Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 3. Aufl., § 304 AktG Rdnr. 42a) vertretene Gegenmeinung, die entsprechend dem Zeitpunkt, in dem der Verlustausgleichsanspruch nach § 302 AktG entsteht, auf das Ende des Geschäftsjahres der abhängigen Gesellschaft abstellen will, wird dem Charakter des Ausgleichsanspruchs als Dividendenersatz nicht hinreichend gerecht.

Entgegen der Auffassung der Klägerin zu 3.) ergibt sich eine Unangemessenheit des Fälligkeitszeitpunkts auch nicht daraus, dass Minderheitsaktionären im Falle eines sog. Squeeze out keine zeitanteilige Ausgleichszahlung für den Zeitraum vor dem Squeeze out gewährt wird. Denn da die nicht gezahlte, anteilige Ausgleichszahlung bei der Unternehmensbewertung im Rahmen des Squeeze out zu berücksichtigen ist und damit den Aktionären in Form einer entsprechend höheren Barabfindung gemäß § 327b Abs. 1 AktG zugute kommt, entsteht den ausscheidenden Aktionären somit auch in diesem Sonderfall kein Nachteil durch die Fälligkeitsregelung (OLG München, WM 2007, 937, 938).

3. Wegen fehlender Nichtigkeitsgründe ist die Klage auch mit dem ersten Hilfsantrag unbegründet.

4. Es kann dahin stehen, ob die mit dem zweiten Hilfsantrag erhobene Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig ist, weil auch ihr mangels Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Fälligkeitsklausel der Erfolg in der Sache zu versagen ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.000,-- € festgesetzt (§§ 247 Abs. 1 AktG, 47, 45 Abs. 1 Satz 2 u. 3, 40 GKG).






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 18.12.2008
Az: I-6 U 139/07


Link zum Urteil:
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