Bundespatentgericht:
Urteil vom 31. März 2009
Aktenzeichen: 4 Ni 36/07

(BPatG: Urteil v. 31.03.2009, Az.: 4 Ni 36/07)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung hinsichtlich der Kosten in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist Rechtsvorgängerin der eingetragenen Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 1 084 369 (Streitpatent), das am 27. Mai 1999 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung DE 198 24 521 vom 2. Juni 1998 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Nr. 599 04 050 geführt. Es betrifft eine Regeleinrichtung für Gasbrenner und umfasst 6 Ansprüche, von denen nur die Ansprüche 1 und 2 angegriffen sind. Anspruch 1 lautet wie folgt:

Wegen des weiter angegriffenen und auf Anspruch 1 rückbezogenen Patentanspruchs 2 wird auf die Streitpatentschrift EP 1 084 369 B1 Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit, außerdem gehe der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus. Hierzu bezieht sie sich auf die ursprünglichen Anmeldeunterlagen und auf folgende Druckschriften und Veröffentlichungen:

D1 JP 58-224 226 A D2 DE 88 12 088 U1 D3 DE 86 03 886 U1 D4 Johnson R. G. und Higashi, R. E.: "A Highly Sensitive Silicon Chip Microtransducer For Air Flow And Differential Pressure Sensing Applications", in: Sensors and Actuators, 11 (1987), S. 63-72 D5 US 6 533 574 B1 D6 US 4 548 078 D7 EP 0 390 964 A2 D8 JP 60-029 516 A D9 JP 59-069 611 A D10 JP 59-142 329 A.

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 1 084 369 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Ansprüche 1 und 2 für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie widerspricht dem klägerischen Vorbringen voll umfänglich und hält das Streitpatent in der erteilten Fassung für patentfähig und für nicht unzulässig erweitert.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Gegenstand der Patentansprüche 1 und 2 des Streitpatents beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 56 EPÜ). Die mündliche Verhandlung hat keine Kenntnisse und Erfahrungen des Fachmanns, eines Fachhochschulingenieurs der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Berufserfahrung bei der Konstruktion von Gasbrennern und deren Regelung, ergeben, unter deren Berücksichtigung es für ihn aufgrund des in das Verfahren eingeführten Standes der Technik zum Prioritätszeitpunkt nahe lag, die streitpatentgemäße Lösung aufzufinden. " Der Gegenstand des Streitpatents geht auch über den Inhalt der Ursprungsanmeldung nicht hinaus, so dass auch der Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3, Art. 138 Abs. 1 Buchst. c) EPÜ) nicht gegeben ist.

II.

1.

Das Streitpatent betrifft eine Regeleinrichtung für Gasbrenner. Derartige Einrichtungen sind nach der Einleitung des Streitpatents im Stand der Technik bekannt gewesen, etwa aus den japanischen Offenlegungsschriften JP 60-029 516 A (D8) und JP 60-000 211 A und aus der EP 0 390 964 A1 (D7) (Sp. 1, Z. 5-16). In der letztgenannten Druckschrift erfolgt die Druckbestimmung auf pneumatischem Weg, was etwa wegen der Hysterese-Eigenschaften der Membran, durch die zwischen Membran und Gasventil wirkenden Kräfte und durch die aufgrund der kleinen Stellkräfte z. B. durch Temperaturschwankungen auftretenden Störeinflüsse zu einer Einschränkung des Arbeitsund Anwendungsbereichs führen soll (Sp. 1, Z. 16-32). Weiter setzt die Streitpatentschrift die deutschen Offenlegungsschriften DE 24 27 819 A1 und DE 43 17 981 A1 als Stand der Technik voraus (Sp. 1, Z. 33-35).

2.

Dieser Einschränkung des Anwendungsbereichs soll die streitpatentgemäße Erfindung entgegenwirken, indem eine Regeleinrichtung für Gasbrenner geschaffen wird, die die obigen Nachteile vermeidet und damit einen größeren Anwendungsbereich aufweist (Abs. [0006]).

3.

Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 des Streitpatents beschreibt daher eine M1 Regeleinrichtung für Gasbrenner zur Bereitstellung eines Gas/Luft-Gemisches, nämlich zum Zuführen eines Gasstroms und eines Verbrennungsluftstroms zu einem Brenner, wobei M2 der Gasstrom durch ein Gasventil (11) in Abhängigkeit vom Verbrennungsluftdruck einstellbar ist, wobei M3 zwischen einer den Gasstrom führenden ersten Leitung (10)

und einer den Verbrennungsluftstrom führenden zweiten Leitung (12) ein Sensor (16) angeordnet ist, wobei M4 der Sensor (16) mit einem ersten Messpunkt (17) an der den Gasstrom führenden ersten Leitung (10) und mit einemzweiten Messpunkt (18) an der den Verbrennungsluftstromführenden zweiten Leitung (12) gekoppelt ist, und wobei M5 ein vom Sensor erzeugtes elektrisches bzw. elektronisches Signal (19) zur Verstellung des Gasventils (11) verwendetwird, dadurch gekennzeichnet, dass M6 a) der erste Messpunkt (17) in Strömungsrichtung des Gases

(D7)vor einer Gasdüse (15) und M7 der zweite Messpunkt (18) in Strömungsrichtung der Verbrennungsluft vor einer Drosselstelle (14) angeordnet ist, wobei M8 die Gasdüse (15) in Strömungsrichtung der Verbrennungslufthinter der Drosselstelle (14) in die den Verbrennungsluftstrom führende zweite Leitung (12) mündet, M9 b) der Sensor (16) als Durchflussmesser ausgebildet ist.

Der Patentanspruch 2 lautet:

Regeleinrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass in Abhängigkeit des vom Durchflussmesser (16) erzeugten elektrischen bzw. elektronischen Signals (19) ein Regelungssignal (21) für einen dem Gasventil (11) zugeordneten Stellantrieb (22) erzeugt wird.

4.

Der verteidigte Patentanspruch 1 sowie der Unteranspruch 2 sind durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt und erweitern den Schutzbereich des Patents nicht. Die Ausbildung des Sensors als Durchflussmesser gemäß Merkmal [M9] gründet auf der DE 198 24 521, deren Priorität vom 2. Juni 1998 im Streitpatent beansprucht ist. Im Anspruch 10 der zugehörigen DE-Offenlegungsschrift bzw. im Anspruch 9 der Patentschrift ist ein Durchflussmesser als besondere Ausbildung eines Differenzdruck-Sensors beansprucht. Wie an Hand des Ausführungsbeispiels der Figur 1 dargelegt (vgl. in der Streitpatentschrift Abs. [0014] bzw. in der DE-Offenlegungsschrift 198 24 521, Sp. 2, Z. 17-32), reagiert der Durchflussmesser (ebenso wie ein Differenzdruck-Sensor) auf die Drücke bzw. die Druckunterschiede in den Leitungen für Gas und Verbrennungsluft. Insofern fußt das Merkmal [M9] auf der ursprünglichen Offenbarung.

5.

Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist der Senat davon überzeugt, dass die zweifelsohne gewerblich anwendbare Regeleinrichtung für Gasbrenner gegenüber dem den im Verfahren befindlichen Druckschriften entnehmbaren Stand der Technik sowohl neu ist, als demgegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

5.1.Die Neuheit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1, von der Klägerin ohnehin nicht bestritten, gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik ergibt sich schon daraus, dass aus keiner der genannten Druckschriften eine Regeleinrichtung für Gasbrenner mit einem als Durchflussmesser ausgebildeten Sensor bekannt ist, wie es aus den folgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit hervorgeht.

5.2.D8, die unbestritten den nächstliegenden Stand der Technik repräsentiert, beschreibt eine Regeleinrichtung für Gasbrenner. Der Luftstrom (blower 1) wird über eine Luftdrossel (air throttle 3), der Gasstrom über eine Gasdrossel (gas throttle 5) einem Mischer (Baugruppe mit Bezugszeichen 6), das Gas-Luftgemisch sodann dem Brenner (heater 7) zugeführt. Für die Verstellung eines Gasventils (gas control valve 15) werden der in der Luftleitung (Messpunkt P1) und der in der Gasleitung (Messpunkt P2) ermittelte Druck einem Differenzdruckdetektor als Sensor zwischen der ersten und zweiten Leitung zugeführt (vgl. im Abs. CONSTITUTION "The pressure of the upstream of an air throttle 3 and the pressure of the upstream of a gas throttle 5 are led to a differential pressure detector 16").

Aus dem Ausgangssignal des Differenzdruckdetektors 16 wird eine Stellgröße zum Ansteuern der Magnetspule eines Gasventils aufbereitet, um damit die Sicherheit und Stabilität der Verbrennung zu verbessern ("On the other hand, the signal of the detector 16 ..... to the solenoid coil of a gas proportional control valve 15".) Dazu erfolgt bei derartigen Regeleinrichtungen in Gasbrennern die Druckbestimmung in der Regel auf pneumatischem Weg mit Hilfe einer Membran, wie es in der Patentschrift anhand der EP 0 390 964 (D7), die ebenfalls auf die Patentinhaberin zurückgeht, erläutert ist (vgl. in der Streitpatentschrift Abs. [0004]).

Die Verwendung einer Membran in einem Sensor schränkt zwar gemäß den Ausführungen im Absatz [0004] der Patentschrift den Arbeitsbereich der Regeleinrichtung ein, sie trennt jedoch im Hinblick auf den Sicherheitsaspekt in dem zwischen der den gasstromführenden Leitung und der den Verbrennungsluftstrom führenden Leitung angeordneten Sensor den Gasstrom vom Luftstrom.

Der Patentgegenstand geht nun erstmals von dem bekannten und bewährten Prinzip der Trennung von Gas und Luft durch eine Membran in einem Differenzdrucksensor von Regeleinrichtungen bei Gasbrennern, wie sie als Massenprodukt bislang von diversen Herstellern mannigfach vorgesehen wurden, ab und sieht stattdessen, einen völlig neuen Weg beschreitend, einen Durchflussmesser vor. Dessen Gestaltung im Einzelnen ist zwar nicht näher präzisiert, jedoch ist mit dem im Merkmal [M9] beanspruchten Durchflussmesser dem Fachmann bereits die entscheidende Richtung aufgezeigt. Dazu vermittelt, wie dargelegt, D8 keine Anregungen. Auch sind den weiteren im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen keine Hinweise entnehmbar, die den Fachmann dazu veranlassen könnten, von dem bewährten System eines mit einer Membran versehenen Sensors abzurücken und stattdessen einen Durchflussmesser vorzusehen.

Die Einrichtung zum Steuern der Brennstoffzufuhr aus D3 ist zwar mit einem Anemometer (Durchflussmesser) versehen, dieses befindet sich jedoch in einer Umgehungsleitung 20 der Luftzufuhrleitung 12 (vgl. die Figur); das Ausgangssignal des Anemometers steuert über einen Regler 23 das Ventil 24 für die Brennstoffzufuhr (vgl. auch den Anspruch 1). Eine Anordnung des Anemometers in dem sicherheitssensiblen Bereich zwischen Gasund Luftleitung mit zugehörigen Messpunkten gemäß den Merkmalen [M3, M4] des Patentanspruchs 1 ist damit bewusst nicht vorgesehen.

Der Fachartikel aus D4, deren Verfasser auch auf der US 4 548 078 (D6) als Erfinder genannt sind -, beschreibt ebenso wie die D6 hochempfindliche miniaturisierte Messfühler (Microtransducer). Deren Sensor (Detektor) weist eine mit konstanter Temperatur beheizte auf einem Siliciumsubstrat befindliche Brückenschaltung aus temperaturempfindlichen Metallwiderstandsbelägen auf. Ein Luftstrom kühlt den einen und heizt den anderen Widerstand, was eine Spannungsdifferenz über den Detektorwiderständen zur Folge hat, mit der die Durchflussrate bewertet wird (vgl. in D4 S. 65, die Figur 2 mit zugehörigem Absatz darunter bzw. in D6 die Beschreibung zu den Figuren 3 und 4 insbesondere in Sp. 4, Z. 67 bis Sp. 5 Z. 27). Als Anwendungsgebiete für den Sensor sind in Durchflussund Druckregelsystemen die Messung der Flussgeschwindigkeit (velvocity), die Durchflussmessung (mass flow) oder der Differenzdruck (differential pressure) für Luft und andere Gase genannt (vgl. in D4 S. 63 Abstract und Introduction, Z. 1 und 2 bzw. S. 71 "summary"). An eine Verwendung der beheizten Messfühleranordnung gemäß D4/D6 in einem Gasbrenner, wie im Patentanspruch 1 beansprucht, ist nicht gedacht und es findet sich auch kein Hinweis, diese speziell in dem temperatursensiblen Bereich eines Gasbrenners, wie im Patentanspruch 1 beansprucht, einzusetzen.

Diese Druckschriften können daher weder für sich noch in der Zusammenschau mit D8 die Patentfähigkeit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 in Frage stellen.

Die weiteren Druckschriften liegen dem Patentgegenstand noch ferner, sie haben dementsprechend in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt.

6. Der Unteranspruch 2 wird von der Patentfähigkeit des Patentanspruchs 1 mitgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.

Voit Schwarz-Angele Dr. Morawek Bernhart Dr. Müller Pr






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Urteil v. 31.03.2009
Az: 4 Ni 36/07


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