Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 15. Dezember 2003
Aktenzeichen: 1 L 2594/03

(VG Köln: Beschluss v. 15.12.2003, Az.: 1 L 2594/03)

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage (1 K 6304/03) der Antrag-stellerin gegen den Bescheid der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 02. September 2003 (C. 0a 00/000) wird angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene je zur Hälfte; die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt diese selbst.

2. Der Streitwert wird auf 50.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

G r ü n d e I.

Die Beigeladenene bietet bundesweit Sprachtelefondienst auf der Basis eines selbst betriebenen Telekommunikationsnetzes an. Neben den Standardtarifen um- fasst das Angebot u.a. die Optionstarife "AktivPlus", "AktivPlus basis" und "AktivPlus xxl", welche zuletzt mit Bescheid der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) vom 11. April 2003 befristet bis zum 30. September 2004 geneh- migt wurden.

Am 24. Juni 2003 beantragte die Beigeladene die Genehmigung des weiteren Optionstarifs "AktivPlus xxl (neu)" zum 01. September 2003. Dieser unterscheidet sich von den Bedingungen des Tarifs "AktivPlus" im Wesentlichen dadurch, dass dem Kunden gegen Zahlung eines um 3,58 EUR höheren monatlichen Überlassung- sententgelts von 7,94 EUR (netto) an Samstagen, Sonn- und Feiertagen unentgeltli- che City- und Deutschlandverbindungen eingeräumt werden.

Mit Bescheid vom 02. September 2003 entschied die RegTP u.a.: " 1. Die Entgelte und entgeltrelevanten Bestandteile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Optionsangebot "AktivPlus xxl (neu)" werden gemäß der dem Antrag beigefügten Allgemeinen Geschäfts- bedingungen und Preisliste "AktivPlus xxl (neu)" genehmigt. in Bezug auf die beantragte Änderung von Punkt 2.1 der entgeltrele- vanten Bestandteile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen "Aktiv- Plus xxl (neu)" (Ausschluss der Preselection-Möglichkeit) wird die Genehmigung versagt. 2. Die Anwendung der unter Ziffer 1 genehmigten Entgelte im Rahmen des Kundenwertprogrammes "Happy Digits" wird genehmigt. 5. Die Genehmigung wird bis zum 30.06.2004 befristet."

Am 30. September 2003 hat die Antragstellerin - Inhaberin von Lizenzen der Klassen 3 und 4 - Anfechtungsklage (1 K 6304/03) erhoben und am 27. Oktober 2003 den vorliegenden Aussetzungsantrag gestellt. Sie macht im Wesentlichen gel- tend: Die angefochtene Entgeltgenehmigung entspreche offenkundig nicht den Anforde- rungen des § 24 Abs. 2 Nr. 2 TKG. Die im Tarif "AktivPlus xxl (neu)" enthaltene Flatrate werde nicht kostendeckend angeboten. Der darauf entfallende Anteil des monatlichen Überlassunsgentgelts liege weit unterhalb des von der RegTP nach der sog. "IC+25%"-Formel errechneten Vergleichsmaßstabes von maximal 0,0314 EUR je Minute. Abgesehen davon verstoße die Genehmigung gegen § 27 Abs. 3 TKG i.V.m. §§ 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB sowie Art. 82 lit. d EGV. Der in Rede stehende Tarif führe nämlich zu einer unzulässigen Bezugskonzentration und Sogwirkung zugunsten der Angebote der Beigeladenen, enthalte eine unzulässige Leistungskoppelung und verdränge Preselection- und Call by call -Angebote von Wettbewerbern in einer deren Wettbewerbsmöglichkeiten erheblich beeinträchtigenden Weise. Auch eine von den Erfolgsaussichten der Klage unabhängige Interessenabwägung müsse zur Aussetzung der weiteren Vollziehbar- keit der Entgeltgenehmigung führen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sie - die Antragstellerin - nicht nur durch den Tarif "AktivPlus xxl (neu)", sondern vor allem durch seine massive Bewerbung und Verknüpfung mit U-Net und U-ISDN- Anschlüssen in Form der Tarifvarianten "U-Net xxl" und "U-ISDN xxl" gravierende Wettbewerbsnachteile erleide. Sie werde darin beeinträchtigt, neue Kunden für eine Nutzung ihres Verbindungsnetzes im Wege von Call by call oder Preselection zu gewinnen und alte Kunden zu halten. Die erhebliche Sogwirkung des Tarifs zeige sich daran, dass die Beigeladene nach eigenen Angaben in weniger als einem halben Monat seit dem Angebot von "AktivPlus xxl (neu)" und der Einführung des weiteren Optionstarifs "AktivPlus basis calltime 120" fast ein halbe Million Neukunden für diese Angebote geworben habe.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 6304/03 gegen den Bescheid der RegTP vom 02. September 2003 (Az.: C. 0a 00/000) anzuord- nen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

den Antrag abzulehnen.

Sie treten dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen und verteidigen den an- gegriffenen Bescheid.

II.

Der Antrag ist begründet.

Die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 a Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse bzw. dem Interesse der Beigeladenen an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehbarkeit der Entgeltgenehmigung vom 02. September 2003 und dem Interesse der Antragsstellerin an der Aussetzung der Vollziehung fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Es ist nämlich davon auszugehen, dass die Entgeltgenehmigung gemäß § 27 Abs. 3 TKG hätte versagt werden müssen, weil sie im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Bescheides offenkundig den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Nr. 2 TKG nicht entsprach und die Antragstellerin dadurch in ihren Rechten verletzt wird,

vgl. zur wettbewerberschützenden Funktion dieser Vorschrift: VG Köln, Urteil vom 31.Juli 2003 - 1 K 1246/02 -, Juris.

Nach § 24 Abs. 2 Nr. 2 TKG dürfen Entgelte keine Abschläge enthalten, die die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen auf einem Markt der Telekommunikation beeinträchtigen, es sei denn, dass hierfür ein sachlich gerechtfertigter Grund nachgewiesen wird. Ein derartiger Abschlag lag am 02. September 2003 in Bezug auf die den Tarif "AktivPlus xxl (neu)" wesentlich kennzeichnende Flatrate offenkundig vor.

1. Wie der systematische Zusammenhang des § 24 Abs. 2 Nr. 2 TKG mit der Regelung des § 24 Abs. 2 Nr. 1 TKG über Aufschläge und dem in beiden Vorschriften als Prüfungsgrundlage heranzuziehenden § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG,

so: BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2002, DVBl. 2003, 403 (409),

zeigt, liegen Abschläge vor, wenn das zu beurteilende Entgelt die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung unterschreitet,

vgl.: Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, Rn. 21 zu § 24; Schuster/Stürmer, in Beck`scher TKG-Kommentar, 2. Aufl., Rn. 41 zu § 24; auch auf Normalpreise und hypothetische Wettbe- werbspreise als Referenzgrößen abstellend: Spoerr, in Trute/Spoerr/Bosch, Telekommunikationsgesetz mit FTEG, 1. Aufl., Rn. 69 und 70 zu § 24.

1.1 Ob dies vorliegend der Fall ist, hat die RegTP nicht unter Zugrundelegung der dafür eigentlich maßgeblichen Bestimmungen des § 3 TEntgV, sondern - wie in ihrer bisherigen Regulierungspraxis üblich - anhand der sog. "IC+25 %"-Formel ermittelt (vgl. Bescheid S. 17). Das bedeutet z.B. für die im umstrittenen Tarif enthaltene teuerste Leistung (Deutschlandverbindungen montags bis freitags zwischen 7.00 und 18.00 Uhr), dass die RegTP als Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung angesetzt hat (vgl. Bescheid der RegTP vom 02. September 2003, C. 2a 03/011, betreffend den Tarif AktivPlus basis calltime 120):

0,0251 EUR/Minute (Interconnection-Entgelte U. -B.1 Tarifzone I = 0,0065 EUR/Minute plus U. -B.2 Tarifzone III = 0,0186 EUR/Minute)

+ 0,0063 EUR/Minute (25 % Zuschlag für Vertriebskosten, Inkasso und Delkredere)

= 0,0314 EUR/Minute.

Die Kammer muss wegen des summarischen Charakters des vorliegenden Eilverfahrens offen lassen, ob die Anwendung dieser Formel den regulierungsrechtlichen Anforderungen zumindest im Ergebnis genügt. Sie geht hier auch deshalb von dem im Bescheid angenommenen "IC+25 %"-Grenzwert aus, weil - zum einen - die Antragstellerin nichts dargelegt hat, was zweifelsfrei zur Annahme einer höheren Dumpingrenze zwänge. Dass - soweit ersichtlich - keine konkrete Kostenprüfung anhand von Kostennachweisen durchgeführt wurde, kann im vorliegenden Zusammenhang auf sich beruhen, da wenig dafür spricht, dass § 3 TEntgV Schutzwirkung zugunsten von Wettbewerbern des Marktbeherrschers hat. Denn diese Vorschrift konkretisiert den gesetzlichen Maßstab des § 24 Abs. 1 TKG, der - wie inzwischen höchstrichterlich,

so: BVerwG, Urteil vom 10.10.2002, a.a.O.

geklärt ist - nicht dem Wettbewerberschutz dient. Zum anderen geht die Kammer hier deshalb von der "IC+25%"-Formel aus, weil diese auch Grundlage der - trotz Beteiligung der Antragstellerin - bestandskräftig gewordenen Genehmigung des Optionstarifs "AktivPlus" vom 11. April 2003 war.

1.2 Bei der Frage, ob das auf die Flatrate entfallende Entgelt die anhand der "IC+25%"-Formel gekennzeichnete Abschlagsgrenze unterschreitet, ist entgegen der Auffassung der RegTP nicht das gesamte monatliche Überlassungsentgelt in Höhe von 7,94 EUR (netto), sondern nur die Differenz zum Überlassungsentgelt für "AktivPlus" (4,36 EUR) in Höhe von 3,58 EUR anzusetzen. Es wird nämlich weder nachvollziehbar dargelegt noch ist sonst ersichtlich, dass - wie im Bescheid (S. 18) behauptet - die Kosten der außerhalb der Flatrate nutzungsdauerabhängig tarifierten Sprachtelefondienstleistung bereits durch die verschiedenen Verbindungspreise (ohne Berücksichtigung des Überlassungsentgelts) gedeckt seien. Träfe dies nämlich zu, so verstieße das Überlassungsentgelt des Tarifs "AktivPlus" gegen § 24 Abs. 2 Nr. 1 TKG. Da die RegTP diesen Tarif aber mit Bescheid vom 11. April 2003 genehmigt und niemand dagegen geklagt hat, muss die Kammer davon ausgehen, dass das "AktivPlus"-Überlassungsentgelt mit dazu dient, die Kosten der nutzungsdauerabhängigen Sprachtelefondienstleistungen zu decken. Dies muss dann aber auch für den entsprechenden, außerhalb der Flatrate liegenden Leistungsteil des hier umstrittenen Tarifs "AktivPlus xxl (neu)" gelten. Daraus folgt, dass nur die Differenz zwischen den Überlassungsentgelten dieser beiden, an- sonsten preislich identischen Optionstarife als Gegenleistung für die Flatrate in Be- tracht gezogen werden kann.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der RegTP zur Begründung herangezogenen Beschluss der Kammer vom 04. April 2001 - 1 L 298/01 -. Zwar heißt es darin:

"Es kann derzeit auch nicht festgestellt werden, dass die in den Optionstarifen XXL der Beigeladenen enthaltene sog. "Sonntagsflatrate" offensichtlich gegen die Anforderungen des § 24 Abs. 2 Nr. 2 TKG verstößt. Beim gegenwärtigen Sachstand ist nämlich durchaus unklar, ob als Bezugsgröße für diese "flatrate" ein Endkundenpreis von ca. 5,00 DM (Differenz zum "niedrigeren" Optionstarif) oder -wie die Beigeladene meint- ein Endkundenpreis von ca. 15,00 DM (Differenz zu den Basistarifen) in Ansatz zu bringen ist. Zwar mag aus der Sicht des Endkunden für diese Leistung ein monatlicher Mehrpreis von "nur" 5,00 DM zu zahlen sein. Entscheidend dürfte insoweit aber nicht die am derzeit geltenden abgestuften Endkundentarifmodell der Beigeladenen orientierte Kundensicht sein, sondern der tatsächliche Kostendeckungsgrad aller in den Optionstarifen enthaltenen Leistungen. Sollte sich dabei - und darauf läuft der Vortrag der Beigeladenen hinaus - für einzelne der im Paket angebotenen Leistungen eine Kostenüberdeckung ergeben, stünde diese vorbehaltlich der Reichweite des § 27 Abs. 2 Satz 1 TKG zur Kostendeckung der "Sonntagsflatrate" mit zur Verfügung. Da es sich bei allen insoweit in Rede stehenden Tarifvarianten um Entgelte für Sprachtelefondienstleistungen handelt - die Nutzung der "Sonntagsflatrate" für den Internetzugang scheint in der Praxis jedenfalls keine Rolle mehr zu spielen - könnte eine solche pauschalierende Betrachtung auch nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die Beantwortung der Frage nach der Kostendeckung setzte dann aber umfängliche Kostenprüfungen aller in den abgestuften Optionstarifen enthaltenen Entgelte für Sprachtelefondienstleistungen voraus, die mit den dem Gericht im Eilverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln nicht ge- leistet werden kann".

Doch lassen sich diese Ausführungen schon deshalb nicht auf den vorliegenden Fall übertragen, weil hier der kostenmäßige Unterschied zwischen den Optionstarifen "AktivPlus xxl (neu)" und "AktivPlus" nicht zweifelhaft ist. Demgegenüber war im damaligen Entscheidungszeitpunkt das Verhältnis zwischen der im - alten - Optionstarif XXL enthaltenen Sonntagsflatrate und den Basistarifen unklar.

Außerdem hat die Kammer im vorerwähnten Beschluss entgegen der Interpretation der RegTP (Bescheid S. 18) eine pauschalierende Betrachtung nicht uneingeschränkt und erst recht nicht in dem Sinne befürwortet, dass von den Besonderheiten der AktivPlus-Tarifvarianten abzusehen sei, wenn - wie im vorliegenden Falle - klar ist, welche Kosten auf die einzelnen Leistungsbestandteile entfallen.

Wollte man in einem solchen Fall Kostenunterdeckungen innerhalb des einen Optionstarifs mit Kostenüberschreitungen in anderen Varianten der "Aktiv-Plus"- Tarifgruppe verrechnen und die Abschlagsprüfung auf die gesamte Tarifgrupppe beziehen, so entspäche dies nicht den in § 27 Abs. 1 Nr. 1 TKG enthaltenen regulierungsrechtlichen Vorgaben. Denn danach erfolgt die Einzelgenehmigung auf der Grundlage der auf die "einzelne" Dienstleistung entfallenden Kosten. Dementsprechend hat gemäß § 2 Abs. 1 TEntgV das beantragende Unternehmen die Kostenunterlagen für die "jeweilige" Dienstleistung vorzulegen. Diese ist nach § 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 TKG auch Bezugspunkt der Gemeinkostenzuordnung.

Somit handelt es sich bei den Varianten der "Aktiv-Plus"-Tarifgruppe ("AktivPlus", "AktivPlus xxl (neu)", "AktivPlus basis", "AktivPlus basis calltime 120" ) nicht um bloße Differenzierungen innerhalb eines einzelgenehmigungsfähigen Entgelts (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 6 TEntgV). Vielmehr liegt diesen Varianten jeweils eine eigenständige Leistung zugrunde. Das gilt nicht nur für diejenigen Tarife, welche auf City- und Deutschlandverbindungen beschränkt sind ("AktivPlus basis" und "AktivPlus basis calltime 120"), sondern auch für die Tarife, die zusätzlich Verbindungen zu Mobilfunknetzen und Auslandsverbindungen (so "AktivPlus") beinhalten oder neben diesen Optionen unentgeltlichen Sprachtelefondienst an Wochenenden und Verbindungen zu Online-Diensten (so "AktivPlus xxl (neu)") umfassen. Dass auch hier ein Leistungsunterschied besteht, ergibt sich daraus, dass bei "AktivPlus xxl (neu)" für Sprachtelefondienst im City- und Deutschlandbereich nur an Werktagen ein Verbindungspreis berechnet wird. Diese Besonderheit grenzt aus Nachfragersicht die Leistungen AktivPlus und AktivPlus xxl (neu) sachlich gegeneinander ab, so dass die Beigeladene gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 TKV zu deren gesonderter Aufführung und Tarifierung verpflichtet ist. Dementsprechend sind auch die jeweiligen "AktivPlus"- Genehmigungsanträge der Beigeladenen von der RegTP mit selbstständigen Bescheiden genehmigt oder sonstwie beschieden worden.

1.3 Ist somit bei der Kostenbeurteilung der Flatrate von einem monatlichen Engelt in Höhe von - nur - 3,58 EUR (netto) auszugehen, so ergibt sich, dass dieses - unter Zugrundelegung der von der RegTP für die teuerste Deutschlandverbindung (montags bis freitags von 7.00 bis 18.00 Uhr) ermittelten Kosten der effektiven Leistungsbereitstellung von 0,0314 EUR/Min - bereits ausgeschöpft wäre, wenn ein AktivPlus xxl (neu)-Kunde nur 114 Minuten telefonierte. Die durch den Inhalt der Verwaltungsvorgänge (vgl. Bl. 1082 der Verwaltungsvorgänge) gestützte Lebenserfahrung lehrt indes, dass das tatsächliche Nutzerverhalten bei Inanspruchnahme einer Flatrate weitaus höher als 114 Minuten liegt. Das bedeutet, dass bei ausschließlicher Verwendung der Flatrate auf die teuerste Deutschlandverbindung die Kostendeckungsschwelle bei Weitem unterschritten wird.

Zwar ist durchaus denkbar, dass es nicht immer zu einer maximalen Ausnutzung der Flatrate durch alle Tarifkunden kommt. Doch ist nichts dafür vorgetragen oder sonstwie erkennbar, dass sich der Anteil der Kunden, die die von ihnen im Voraus bezahlte Flatrate nicht in vollem oder maximalem Umfange ausnutzen, aufgrund allgemein anerkannter Methodik einigermaßen genau voraussagen ließe. Abgesehen davon ist nach der Lebenserfahrung gerade hier von einer weitaus über 114 Minuten liegenden Ausnutzung auszugehen, weil der Tarif nur für solche Kunden Sinn macht, die besonders preissensibel (so die Formulierung der Beigeladenen im Entgeltantrag) sind und die deshalb aus dem vorgeleisteten höheren Grundpreis durch billigere Telefonate den für sie höchsten Nutzen ziehen wollen.

2. Der dargestellte Abschlag bei der Flatrate beeinträchtigt die Wettbewerbsmög- lichkeiten des Unternehmens der Antragstellerin auf einem Markt der Telekommunikation.

Eine derartige Beeinträchtigung, die als selbständige Tatbestandsvoraussetzung des § 24 Abs. 2 Nr. 2 TKG unabhängig von dem weiteren Erfordernis fehlender sachlicher Rechtfertigung zu prüfen ist, liegt schon bei jeder für ein anderes Unternehmen wettbewerblich nachteiligen Maßnahme vor,

vgl.: Bechtold, Kartellgesetz, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 2. Aufl., § 19 Rn. 62; Schuster/Stürmer, in Beck`scher TKG-Kommentar, 2. Aufl., Rn. 42 zu § 24; ähnlich: Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, Rn. 21, 22 zu § 24; Möschel, in Immenga/Mestmäcker, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 3. Aufl., Rn. 112 zu § 19 GWB; Spoerr, in Trute/Spoerr/Bosch, Telekommunikationsgesetz mit FTEG, Rn. 72 zu § 24; Witte, in Scheurle/Mayen, Telekommuni- kationsgesetz, Rn. 92 zu § 24.

Dabei kommt es weder auf die Verfolgung wettbewerbsfremder oder sonstiger zu missbilligender Zwecke,

vgl.: Schuster/Stürmer, a.a.O.;Spoerr, a.a.O.,

noch darauf an, ob die Beeinträchtigung in erheblicher Weise erfolgt. In Abweichung von § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB hat der TKG-Gesetzgeber auf das Erheblichkeitskriterium bewusst verzichtet, um wegen der spezifischen Struktur des Telekommunikationsmarktes nicht nur den Marktzutritt neuer Unternehmen zu ermöglichen, sondern um auch ihre Wettbewerbsmöglichkeiten besonders zu schützen,

so: Begründung des Gesetzentwurfs: BT-Drs. 13/3609, S. 43 (zu § 23 Abs. 2).

Für die Antragstellerin ist der Abschlag bei der Flatrate wettbewerblich nachteilig, weil er die maßgebliche Kostengrenze nicht nur geringfügig, sondern - wie oben dargelegt - in großem Umfange unterschreitet. Um der Beigeladenen Marktanteile bei Deutschlandverbindungen abgewinnen oder einen Verlust von erworbenen Marktanteilen verhindern zu können, ist die Antragstellerin gezwungen, ihre Angebote ebenso weit, wenn nicht sogar noch weiter unterhalb der Kostendeckungsschwelle zu tarifieren. Der wettbewerbliche Nachteil liegt in einem derart krassen Fall auf der Hand. Davon geht auch die RegTP aus, wenn sie ausführt (Bescheid S. 23), es mache für den Kunden keinen Sinn, die von der Flatrate am Wochenende erfassten Verbindungsleistungen über einen anderen Anbieter zu beziehen. Wie das Bundeskartellamt in seiner Stellungnahme vom 29. August 2003 ausgeführt hat, geht von Freiminuten-Kontingenten und Flatrates zudem ein besonders hoher, sogar kartellrechtlich bedenklicher Anreiz aus,

kritisch auch: Monopolkommission, Wettbewerbsentwicklung bei Telekommunikation und Post 2001: Unsicherheit und Stillstand, S. 130.

Denn der Kunde wird diese Vergünstigung in größtmöglichem Umfang ausnutzen wollen, statt über andere Anbieter im Wege des Call by call zu telefonieren.

Die mit der Anreiz- oder Sogwirkung verbundene Wettbewerbsbenachteiligung wird auch nicht durch die Einführung der Carrier Selection im Ortsbereich infolge der Änderung des § 43 Abs. 6 TKG (Art. 2 Nr. 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes vom 21. Oktober 2002, BGBl. I 4186) ausgeglichen. Die wettbewerbsfördernden Möglichkeiten, die sich aus dieser Änderung ergeben, haben rechtlich nichts mit der hier allein maßgeblichen Frage der Wettbewerberbenachteiligung durch Preisdumping zu tun. Abgesehen davon erfasst diese Gesetzesänderung nur den Call by call-Sektor im Ortnetz, wohingegen der für den Kunden attraktive Teil der in Rede stehenden Flatrate die Deutschlandverbindungen betrifft.

Schließlich ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, dass die Antragstellerin selbst einen Optionstarif ("B. ISDN 765") mit einer Wochenend- Flatrate anbietet. Denn für die Frage der wettbewerblichen Benachteiligung kommt es nicht auf das Vorhandensein einer Flatrate als solcher an, sondern darauf, dass diese von der Beigeladenenen - weit - unterhalb der Kostendeckungsschwelle ange- boten wird.

3. Ein sachlich gerechtfertigter Grund ist nicht nachgewiesen.

Die Beigeladene hat in ihrem Entgeltantrag darauf verwiesen, es handele sich um ein Angebot für besonders preissensible Kunden. Diese Erwägung mag kaufmännischen Maßstäben entsprechen, doch genügt sie nicht den regulierungsrechtlichen Anforderungen an einen sachlich gerechtfertigten Grund. Anderenfalls könnte die gesetzlich gebotene Orientierung am Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (§ 24 Abs. 1 TKG) und damit der Schutz der Wettbewerber des Marktbeherrschers leicht unterlaufen werden,

vgl. auch: VG Köln, Beschluss vom 09. November 1999 -1 L 1213/99-.

Das Interesse der Endkunden an niedrigen Preisen ist nicht vorrangig gegenüber dem in § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG normierten gesetzlichen Ziel der Regulierung, einen chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb auf den Märkten der Telekommunikation sicherzustellen. Erst wenn solche Märkte als Ergebnis der Regulierung tatsächlich existieren, sind die Grundlagen für ein möglichst nachhaltiges niedriges Preisniveau gelegt.

4. Schließlich war die Verletzung der Anforderungen des § 24 Abs. 2 Nr. 2 TKG im maßgeblichen Zeitpunkt offenkundig.

Dieses Tatbestandsmerkmal ist erfüllt, wenn die Verletzung - schon - im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung erkennbar ist,

so: Begründung des Gesetzentwurfs: BT-Drs. 13/3609, S. 44 (zu § 26 Abs. 3)

Dies ist hier der Fall. Denn der sich aufdrängende Vergleich zwischen den Tarifen "AktivPlus xxl (neu)" und "AktivPlus" sowie der Umstand, dass Letzterer bestandskräftig genehmigt ist, lassen - wie oben dargelegt - das Vorliegen eines Abschlags sowie die davon ausgehende wettbewerbliche Benachteiligung der Antragstellerin ohne weiteres, d.h. ohne Durchführung weiterer Ermittlungen und ohne Beantwortung schwieriger Rechtsfragen, deutlich erkennen.

Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob die Genehmigung des Tarifs "AktivPlus xxl (neu)" Rechte der Antragstellerin auch wegen Verstoßes gegen die §§ 19 Abs. 4 Nr. 1 und 20 Abs. 1 GWB oder gegen Art. 82 EGV verletzt.

Spricht demnach Überwiegendes für ein Obsiegen der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren, war die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG, wobei die Kammer berücksichtigt, dass eine Aussetzung der Vollziehbarkeit der Genehmigung faktisch einer Vorwegnahme der Hauptsache gleich kommt.






VG Köln:
Beschluss v. 15.12.2003
Az: 1 L 2594/03


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