Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Februar 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 151/02

(BPatG: Beschluss v. 17.02.2004, Az.: 27 W (pat) 151/02)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 25 IR des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Mai 1999 und 2. April 2002 aufgehoben.

2. Der Marke IR 649 146 wird der Schutz in Deutschland für die Waren "vêtements, chaussures et chapellerie" verweigert.

GRÜNDE I.

Gegen die am Jahr 19. März 1996 veröffentlichte internationale Registrierung der Marke IR 649 146 für die in Deutschland neben Waren der Klasse 26 um Schutz nachgesucht wird für die Waren "25:vêtements, chaussures et chappellerie", ist - beschränkt auf die Waren der Klasse 25 - Widerspruch eingelegt worden aus der am 10. Januar 1991 eingetragenen Wortmarke 1 170 697 Fiamma, eingetragen für "Bekleidungsstücke und Schuhe".

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat auf die von der Widersprechenden eingereichten Glaubhaftmachungsunterlagen ihre Nichtbenutzungseinrede für die Waren "Schuhe" aufrechterhalten.

Die Markenstelle für Klasse 25 IR des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch zwei Beschlüsse, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, den Widerspruch zurückgewiesen. Auch wenn die Waren "Bekleidungsstücke", für die eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke anerkannt worden sie, von der angegriffenen Marke identisch erfasst seien, sei der Abstand zwischen den Marken groß genug, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Im Bekleidungssektor komme dem Kauf auf Sicht besondere Bedeutung zu. Hier seien der Bildbestandteil der jüngeren Marke und die Abweichung in der Wortmitte hinreichende Unterscheidungsmerkmale. Auch klanglich bestehe wegen des markanten zusätzlichen Vokals in der jüngeren Marke keine Verwechslungsgefahr.

Dagegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde, mit der sie die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse beantragt und ihr Begehren der Schutzversagung für die Waren der Klasse 25 weiter verfolgt.

Die Widersprechende sieht eine Verwechslungsgefahr zwischen der jüngeren Marke und ihrer prioritätsälteren Marke. Angesichts der Identität der von den Marken erfassten Waren und der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei ein erheblicher Abstand der Marken erforderlich, der aber nicht gegeben sei. Der Gesamteindruck der jüngeren Marke werde angesichts der einfachen grafischen Gestaltung mit einem verbrauchten Bildmotiv allein durch den Wortbestandteil bestimmt. Dieser sei mit der Widerspruchsmarke nahezu identisch. Der in der Wortmitte eingefügte Vokal "a" falle weder klanglich noch schriftbildlich ins Gewicht.

Die Inhaberin der jüngeren Marke ist dem entgegen getreten. Sie sieht zumindest im Hinblick auf die tatsächliche Benutzung der jeweiligen Marken in unterschiedlichen Warensegmenten keine Identität, sondern nur eine Ähnlichkeit der Waren. Den schriftbildlichen und klanglichen Unterschied zwischen den Marken hält sie für ausreichend.

II.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg, weil die Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken i.S.d. §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

Welchen Abstand Marken zueinander haben müssen, beurteilt sich unter Berücksichtigung der miteinander in einer Wechselbeziehung stehenden Kriterien der Ähnlichkeit der Waren sowie der Marken und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, wobei ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann (st.Rspr., vgl. EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; 1998, 922 - Canon; GRUR Int. 1999, 734 - Lloyd).

Die Waren "vêtements" der angegriffenen Marke sind mit den Waren "Bekleidungsstücke", für die eine Benutzung der Widerspruchsmarke auf die gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG zulässig erhobene Nichtbenutzungseinrede anerkannt worden ist, identisch. Der Ansicht der Widersprechenden, Identität liege auch hinsichtlich der Waren "chapellerie" der IR-Marke vor, weil sie von dem Oberbegriff "Bekleidungsstücke" der Widerspruchsmarke umfasst seien, kann allerdings nicht gefolgt werden. In Klasse 25 der internationalen Klasseneinteilung, die bei der Auslegung der dort aufgeführten Warenbegriffe heranzuziehen ist (vgl BpatGE 15, 85), sind "Kopfbedeckungen" - ebenso wie "Schuhwaren" - als eigener Warenbegriff neben "Bekleidungsstücken" aufgeführt und diesen gegenüber daher eindeutig abgegrenzt. Allerdings besteht unter Berücksichtigung der neueren Entwicklungen im Modebereich zwischen "Kopfbedeckungen" einerseits und Bekleidungsstücken" keine nur entfernte Ähnlichkeit, wie dies vom Senat früher angenommen worden ist (27 W (pat) 164/95 vom 19.11.1996, zitiert in Richter/Stoppel, die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S. 198). Kopfbedeckungen in Form von Mützen und Kappen, insbesondere Schildmützen und Baseballkappen werden heute von einer großen Zahl von (Sport-)Bekleidungsherstellern und Designern unter unter derselben Kennzeichnung wie Bekleidung als Accessoire insbesondere zu sportlicher Bekleidung angeboten (zB Esprit, Mexx, Burlington, Tommy Hilfiger, DKNY, Dolce&Gabbana, Prada, Helly Hansen, Adidas, Camel, Marc o' Polo, Nike) und zwar teilweise sogar aus demselben Stoff. Es ist daher von einem mindestens mittleren, wenn nicht engeren Ähnlichkeitsgrad der Waren auszugehen (in dieser Richtung bereits 28 W (pat) 209/94 vom 6.3.1996 - zitiert bei Richter/Stoppel aaO).

Auch die Waren "chaussures" der angegriffenen Marke, die in der "JOHN LOBB"-Entscheidung (BGH GRUR 1999, 164, 166) noch als den Bekleidungsstücken unähnlich erachtet worden sind, weisen heute nicht unbeachtliche Überschneidungen mit dem Bekleidungsbereich auf. Wie der Senat in der "BLUE BROTHERS/BLUES BROTHER"-Entscheidung (27 W (pat) 246/00 vom 11.12.2001 - zitiert auf der PAVIS CD-ROM) ausgeführt hat, sind mittlerweile zahlreiche Hersteller von Markenbekleidung einschließlich Freizeitbekleidung (ua Wrangler, LEVIS; HIS, Lee, Esprit, Polo, Strenesse, Jil Sander, Joop, Aigner, Betty Barclay, bogner, Jack Wolfskin) dazu übergegangen, unter ihren eingeführten Marken auch Schuhe zu vertreiben, die in Design und Farbe zu der Kleidung passen (vgl auch LG Düsseldorf Mitt. 2001, 456, 458) und vor allem in den Designershops oder den nach dem Shopin-Shop-Prinzip gestalteten Modeabteilungen von Kaufhäusern unmittelbar zusammen mit der Kleidung angeboten werden. Unter diesen Umständen ist von einer etwa mittleren Ähnlichkeit von Bekleidung und Schuhwaren auszugehen.

In Wechselbeziehung zu der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und dem zumindest mittleren Ähnlichkeitsgrad von Bekleidung und Schuhwaren muss die angegriffene Marke einen zumindest mittleren Abstand zu der älteren Marke halten, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen. Dieser ist nach Ansicht des Senats nicht gewahrt und kann erst recht im Bereich der Bekleidungsstücke und Kopfbedeckungen nicht als ausreichend angesehen werden.

Die angegriffene Wort-Bildmarke wird in ihrem Gesamteindruck durch den Wortbestandteil "fimma" geprägt. An ihm orientiert sich der Verkehr in erster Linie, weil er die einfachste und naheliegendste Form der Bezeichnung der Waren im Geschäftsverkehr darstellt (stRspr., BGH GRUR 1996, 198 - Springende Raubkatze; 1999, 52, 53 - ECCO BLEIFREI; 2000, 506 - ATTACHÉ/TISSERAND; 2002, 809, 811 - Frühstücksdring I). Dem Bildelement, das auch einem Schmetterling auf einer Rosette beseht, wird der Betrachter dagegen in der Regel keine für die Kennzeichnung erhebliche Bedeutung beimessen, denn dieses Motiv wirkt gerade für modische Waren als Gestaltungsmittel mit bloßer schmückender Funktion, was durch die räumliche Anordnung in deutlichem Abstand von dem Wortbestandteil noch unterstrichen wird (vgl auch BGH GRUR 1999, 241, 244 - Lions). In seinem Gedächtnis bleibt daher im wesentlichen das Kennwort "fimma" haften. Dieses weist in seinem schriftbildlichen Eindruck eine starke Übereinstimmung mit der Widerspruchsmarke "Fiamma" auf, denn der einzige Unterschied in dem zusätzlichen Vokal "a" tritt in dem Gesamtwort mit seinen dominierenden Doppelbuchstaben "mm" und den Gemeinsamkeiten am Wortanfang und - ende optisch kaum hervor. Da die angesprochenen breiten Publikumskreise den einander gegenüber stehenden Zeichen in der Regel nicht gleichzeitig nebeneinander begegnen, sondern beim Zeichenvergleich auf ihre eher unsichere Erinnerung angewiesen sind, wobei die übereinstimmenden Merkmale erfahrungsgemäß stärker ins Gewicht fallen als die Abweichungen (vgl. EuGH GRUR Int. 1999, 734, Nr. 26 - Lloyd; BGH GRUR 1999, 578 - Cefallone; Mitt. 2003, 561 - Kelly), kann nicht angenommen werden, dass sie in der Lage sein werden, die Marken ohne die Gefahr von Verwechslungen schriftbildlich auseinander zu halten.

Der jüngeren Marke war nach alledem unter Aufhebung der Beschlüsse der Markenstelle der Schutz in Deutschland aufgrund des Widerspruchs aus der älteren Marke gemäß §§ 103, 114 Abs. 3 MarkenG zu verweigern.

Gründe, von der allgemeinen Kostentragungsregel des § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG abzuweichen, sind nicht ersichtlich.

Dr. Schermer Schwarz Dr. van Raden Na






BPatG:
Beschluss v. 17.02.2004
Az: 27 W (pat) 151/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/52e3a25975a0/BPatG_Beschluss_vom_17-Februar-2004_Az_27-W-pat-151-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share