Landesarbeitsgericht Hamm:
Urteil vom 27. November 2003
Aktenzeichen: 4 Sa 767/03

(LAG Hamm: Urteil v. 27.11.2003, Az.: 4 Sa 767/03)

1. Bei Zustandekommen eines Interessenausgleichs mit Namensliste hat der Arbeitnehmer bei einer Betriebsveräußerung im Insolvenzverfahren eine (doppelte) Vermutung zu entkräften, nämlich

- daß die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nicht wegen des Betriebsübergangs erfolgt ist (§ 128 Abs. 2 InsO) und

- daß die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist (§ 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO).

2. Bei Zustandekommen eines Interessenausgleichs mit Namensliste kehrt sich im Kündigungsschutzprozeß, in dem der Insolvenzverwalter ansonsten gem. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG für das Vorliegen von dringenden betrieblichen Erfordernissen darlegungs€ und beweispflichtig ist, die Darlegungs€ und Beweislast um. Danach genügt es nicht, daß der Arbeitnehmer das Vorbringen des Arbeitgebers bloß erschüttert, sondern er muß hinsichtlich der gesetzlichen Vermutung den Gegenbeweis erbringen, diese also begründet widerlegen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 16.02.2003 (3 [2] Ca 1117/02) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 14.459,36 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des Beklagten zu 1) und die über die Frage des Übergangs des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf den Beklagten zu 2).

Der am 22.01.14xx geborene, verheiratete Kläger war aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 05.03.1985, seit dem 01.05.1985 als Verkäufer bei der H6xxxx H7xxxxxxx C1xxxxxxxx H8xxxxx G5xxxxxxxxxx L2. W3xxx GmbH & Co. tätig. Deren Rechtsnachfolgerin war die Insolvenzschuldnerin, die E1xxx M3xxxxxxxxxx Vertriebs GmbH. Mit Änderungsvertrag vom 09.01.2001 wurde der Kläger ab dem 01.01.2001 in der Filiale der Insolvenzschuldnerin in R1xxxx als Verkäufer beschäftigt, wo er ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 1.807,42 EUR zuzüglich 51,18 EUR Fahrtkostenerstattung bezog. Neben dem Kläger waren in dieser Filiale noch eine weitere Vollzeitkraft sowie eine Teilzeitkraft beschäftigt. Die Filiale in R1xxxx ist am Busbahnhof in der Nähe des Eingangs eines Einkaufszentrums gelegen.

Der Beklagte zu 1) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der folgenden Gesellschaften: D3xxxxxxx M5xxxxxxxx GmbH, G2xxxx G3xxx I1xxxxxxxx Vertriebs GmbH und E1xxx M3xxxxxxxxxx Vertriebs GmbH. Die D3xxxxxxx M5xxxxxxxx GmbH ist die 100%ige Gesellschafterin der beiden o.g. Gesellschaften und übt als Holdinggesellschaft zentrale Verwaltungs- und Steuerungsfunktionen des Einzelhandelsfilialisten, wie u. a. Einkauf, Warenwirtschaftsystem,

Controlling, Rechnungswesen, Personalwesen und Mietvertragsverwaltung für jeden einzelnen Standort aus. Über das Vermögen der Firma E1xxx M3xxxxxxxxxx Vertriebs GmbH wurde durch Beschluß des Amtsgerichts Düsseldorf vom 01.04.2000 (501 IN 12/00) das Insolvenzverfahren eröffnet. Die E1xxx M3xxxxxxxxxx Vertriebs GmbH und die G2xxxx G3xxx I1xxxxxxxxx Vertriebs GmbH, über deren Vermögen ebenfalls durch Beschluß des Amtsgerichts Düsseldorf vom 01.04.2000 (501 IN 13/00) das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, unterhielten bei Verfahrenseröffnung bundesweit ein Netz von 336 Einzelhandelsgeschäften zum Verkauf von Tabakwaren, Raucherzubehör, Geschenkartikeln, Telefonkarten sowie zum Teil zum Betrieb von Lotto/Toto-Annahmestellen.

Am 30.04.2002 bestanden noch 234 Filialen, von denen der Beklagten zu 1) in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter 83 mit Wirkung zum 01.05.2002 an die W4xxxxxx T1xxxxx GmbH aus hamburg, eine 100%ige Tochter er O2xxxxxxx D7xxxxxx G6xxx aus B8xxx, verkaufte. Die weiteren 151 Filialen wurden am 11.05.2002 geschlossen. Die unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren wurden an den Lieferanten zurückgegeben. Es wurden sämtliche Mietverträge mit dem jeweiligen Vermieter gekündigt. Des weiteren wurden sämtliche Arbeitnehmer freigestellt. Zu diesen 151 Filialen gehörte auch die Filiale in R1xxxx, in der der Kläger beschäftigt war. In dieser Filiale wurden sämtliche Warenbestände an diesem Tag und dem 13.05.2002 abtransportiert. Der Mietvertrag über die Räumlichkeiten wurde durch den Beklagten zu 1) fristgerecht zum 31.12.2002 gekündigt, wobei der Beklagte zu 1) auch einer Weitervermietung vor Ablauf der Kündigungsfrist zustimmte.

Mit Schreiben vom 11.06.2002 kündigte der Beklagte zu 1) sämtliche Beschäftigungsverhältnisse, der in denen am 11.05.2002 geschlossenen 151 Filialen beschäftigten Arbeitnehmer. Dem Kläger wurde ebenfalls mit Schreiben vom 11.06.2002 zum 30.09.2002 durch den Beklagten zu 1) gekündigt. Der Kündigung waren vorausgegangen der Abschluß eines Interessenausgleiches mit fest verbundener Namensliste aller zu kündigenden Arbeitnehmer mit dem Betriebsrat des gemeinsamen Betriebes der G1xxxxxxxxxxxx E1xxx M3xxxxxxxx Vertriebs GmbH, G2xxxx G3xxx I1xxxxxxxxx Vertriebs GmbH und D3xxxx M5xxxxxxxx GmbH und der Abschluß eines Sozialplanes. Im Interessenausgleich ist die Einstellung des Geschäftsbetriebes der noch verbleibenden 151 Filialen festgelegt. Mit Aufnahme der Verhandlungen über den Interessenausgleich leitete der Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 10.05.2002 gleichzeitig das Anhö-rungsverfahren nach §§ 102, 103 BetrVG ein. In Ziff. 5 des Interessenausgleiches ist festgehalten, daß der Betriebsrat die Unterrichtungen gemäß Anhörungsverfahren nach §§ 102, 103 BetrVG und nach § 17 Abs. 2 KSchG als abgeschlossen ansieht. Am 18.06.2002 erstattete der Beklagte zu 1) beim Arbeitsamt D2xxxxxxxx Massenentlassungsanzeige gemäß §§ 17, 18 KSchG.

Mit Datum vom 01.07.2002 unterschrieben der Beklagten zu 2) und dessen Sohn T4xxxxxx H2xxxx einen Mietvertrag mit Bezugsverpflichtung mit der Firma L3xxxxxxxx-T2xxxxxxxxx GmbH & Co. KG über die Mieträume M6xxxxxxxxxxxx 47 in R1xxxx. Die L3xxxxxxxx-T3xxxxxxxxx GmbH & Co. KG ist Zwischenvermieter. Der Mietvertrag enthält in § 2 als Vertragszweck die Regelung, daß die Vermietung ausschließlich zum Betrieb eines Ladenlokals Tabakwarenfachgeschäft erfolgt. In § 18 "Bezugsverpflichtung" heißt es unter anderem:

"Die Vertragsschließenden sind sich einig, daß der Mieter nach Maßgabe dieses Vertrages die Waren für seinen Gewerbebetrieb vom Vermieter bzw. von vom Vermieter benanntem Unternehmen bezieht und diese Bezugsverpflichtung das Eigeninteresse des Vermieters an diesem Vertrag darstellt.

Der Mieter verpflichtet sich, solange das Gewerbe von ihm in dem in § 1 genannten Mietobjekt betrieben wird, alle in seinem Gewerbebetrieb benötigten Waren der Warengruppe, die in den Sortimenten der nachstehend genannten Unternehmen vorhanden sind, ausschließlich von diesen zu beziehen.

Der Mieter verpflichtet sich, alle Tabakwaren, Rauchbedarfsartikel, Telefonkarten, CDs, Süßwaren, Speiseeis, Spirituosen und Getränke, sowie alle sonstigen im dem Mieter bekannten Warenangebot der Vermieterin enthaltenen Artikel ausschließlich bei dem Vermieter zu beziehen..."

Nach Renovierungsarbeiten wurde das Ladengeschäft ab dem 07.07.2002 durch den Beklagten zu 2) als Tabakwarengeschäft mit Lottoannahmestelle betrieben. Zwei Mitarbeiterinnen, die bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt waren, Frau L4xxxxxx und Frau S5xxxx sind für den Beklagten zu 2) tätig.

Mit Anwaltsschreiben vom 11.06.2002 verlangte der Kläger vom Beklagten zu 2) die Weiterbeschäftigung als Verkäufer im Tabakwarengeschäft. Mit Schreiben vom 18.06.2002 wurde seitens des Beklagten zu 2) eine Weiterbeschäftigung abgelehnt und hilfsweise die ordentliche Kündigung eines etwa übergegangenen Arbeitsverhältnisses zum 31.07.2002 erklärt.

Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung durch den Beklagten zu 1) sei wegen des Betriebsüberganges auf den Beklagten zu 2) unwirksam. Er, der Kläger, habe sich zunächst selbst mit dem Gedanken getragen, die Filiale weiterzuführen. Deshalb habe er am 28. oder 29.05. mit Herrn W5xxxx, dem stellvertretenden Bezirksleiter der Firma W8xxxxxxx telefoniert. Dieser haben ihm mitgeteilt, daß der Beklagte zu 2) die Filiale fortführen würde. Er habe zusammen mit Frau S5xxxx am 29.05.2002 den Beklagten zu 2) und Frau L4xxxxxx in der Filiale angetroffen. Der Beklagte zu 2) sei dort mit Ausräum- und Umbauarbeiten beschäftigt gewesen. Des weiteren seien wesentliche Teile der Ladeneinrichtung geräumt und umgeräumt gewesen und vor dem Geschäft habe ein Schild mit der Aufschrift "Demnächst wieder Lotto" gehangen. Spätestens am 29.05.2002 habe festgestanden, daß der Beklagten zu 2) den Betrieb übernehmen würde. Es werde bestritten, daß der Beklagte zu 2) das Ladenlokal ohne Inventar übernommen habe. In dem von dem Beklagten zu 2) betriebenen Ladengeschäft würde das identische Warenangebot verkauft, wie vorher in der Filiale der Insolvenzschuldnerin. Der Beklagte zu 2) führe die bisherige organisatorische Einheit fort, da die gleichen identitätsbildenden Merkmale festgestellt werden könnten, wie insbesondere die Lage des Geschäftslokals, die gleichen Kunden- und Lieferantenbeziehungen, sowie das den Kundenkreis maßgeblich bestimmende Warensortiment.

Auch sei die Kündigung durch den Beklagten zu 2) vom 18.06.2002 sozial ungerechtfertigt. Auf den Beklagten zu 2) sei das Kündigungsschutzgesetz anwendbar, da dieser neben dem Tabakwarengeschäft noch drei weitere Einzelhandelsgeschäfte betreiben würde. Dazu gehöre ein Lottoladen, ein Geschäft für Geschenkartikel und Lebensmittel, sowie ein Obst- und Gemüsestand in

einem Einkaufszentrum. Insgesamt beschäftige der Beklagte zu 2) mindestens 11 Arbeitnehmer.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, daß das zwischen ihm und der E1xxx M3xxxxxxxxxx GmbH bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung des Beklagten zu 1) vom 11.06.2002 beendet worden ist, sondern über den 30.09.2002 hinaus fortbesteht;

2. festzustellen, daß das zwischen dem Beklagten zu 2) und dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten zu 2) vom 18.06.2002 beendet worden ist, sondern über den 31.07.2002 hinaus fortbesteht;

3. den Beklagten zu 2) zu verurteilen, den Kläger tatsächlich weiter zu beschäftigen als Verkäufer in der Filiale R2xxxxxxxxxxxx, M6xxxxxxxxxxxx 47, 48xxx R1xxxx auf der Basis des Anstellungsvertrages vom 05.03.1985 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 09.01.2001 zu einem monatlichen Bruttogehalt von 1.807,42 EUR zuzüglich Fahrtkostenzuschuß in Höhe von 51,13 EUR;

4. den Beklagten zu 2) zu verurteilen, das Angebot des Klägers auf Abschluß eines Arbeitsvertrages ab dem 01.07.2002 zu den Bedingungen des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 05.03.1985 anzunehmen und ihn tatsächlich weiter zu beschäftigen als Verkäufer.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) hat mit Nichtwissen bestritten, daß der Beklagte zu 2) in den Räumlichkeiten der Filiale R1xxxx ebenfalls ein Tabakgeschäft betreibe, und vorgetragen, er stehe in keinerlei Rechtsbeziehung mit der Beklagten zu 2) und dieser sei auch nicht sein Nachmieter. Mit Datum vom 11.05.2002 sei der Betrieb von ihm stillgelegt worden. Die Filiale sei komplett ausgeräumt worden. Hierbei habe er sich des bundesweiten Distributionsnetzes der Fa. L3xxxxxxxx-T2xxxxxxxxx GmbH & Co. KG bedient, da der wesentliche Warenbestand durch diese Firma geliefert worden sei und unter Eigentumsvorbehalt gestanden habe. Im Anschluß an die Räumung sei dann die Filiale dem Vermieter übergeben worden. Wenn sie tatsächlich wieder eröffnet worden sei und betrieben werde, so geschehe dies ohne jegliches Dazutun von seiner Seite. Das bestehende Mietverhältnis sei mit Schreiben vom 11.05.2002 zum 31.12.2002 gekündigt worden. Die Zustimmung zur fortzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses sei einzig und alleine aufgrund seiner Verpflichtung als Insolvenzverwalter, die aus den gekündigten Mietverhältnissen noch bis zum Kündigungszeitpunkt dem 31.12.2002 infolge Mietzinszahlungen bestehenden Massenverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 InsO nachhaltig zu reduzieren. An wen und zu welchem Zeitpunkt eine neue Vermietung erfolgt sei, entziehe sich jedoch seiner Kenntnis. Eine eigene funktionsfähige, betriebliche Einheit, die übernommen hätte werden können, sei nicht mehr vorhanden gewesen.

Es werde mit Nichtwissen bestritten, daß am 29.05.2002 der Kläger durch Herrn W5xxxx von der Lottogesellschaft erfahren habe, daß die Filiale durch den Beklagten zu 2) fortgeführt werde. Des weiteren könne von einer "Fortführung" nicht die Rede sein, da der Beklagte zu 2) die Filiale R1xxxx nicht von ihm, dem Beklagten zu 1), übernommen habe. Selbst wenn bereits am 29.05.2002 festgestanden haben sollte, daß der Beklagte zu 2) die Filiale der Insolvenzschuldnerin hat weiterbetreiben wollen, so stehe dies nicht im Gegensatz zu seiner Stillegungsabsicht als Insolvenzverwalter, da von ihm niemals beabsichtigt gewesen sei, eine Filiale wiederzuöffnen bzw. zu veräußern. Des weiteren führe der Beklagte zu 2) die bisherige organisatorische Einheit nicht fort. Die Verwaltungsfunktion zur Verwaltung und Steuerung des Einzelhandelsfilialisten sei zentral von der Holding Gesellschaft der D3xxxxxxx-M5xxxxxxxx GmbH ausgeübt worden. Nach Stillegung des gesamten Betriebes habe es keine funktionsfähige betriebliche Einheit mehr gegeben. Es werde mit Nichtwissen bestritten, daß der Beklagte zu 2) dieselben Kunden bzw. Lieferantenbeziehungen wie die Insolvenzschuldnerin habe. Die Insolvenzschuldnerin habe überhaupt einen eigenen Kundenstamm gehabt, da es sich bei der Filiale R1xxxx um eine Shopin-Shop-Filiale in einem Einkaufszentrum gehandelt habe, die ausschließlich von der Laufkundschaft des Einkaufszentrums lebe.

Der Beklagte zu 2) hat vorgetragen, es liege kein Betriebsübergang gemäß § 613a BGB vor. Er habe lediglich gemeinsam mit seinem Sohn T4xxxxxx H2xxxx

zum 01.07.2002 ein Mietvertrag über die Räumlichkeiten geschlossen. Dieser Mietvertrag beziehe sich ausschließlich auf die Räumlichkeiten ohne jegliches Inventar. Er habe die leeren Räumlichkeiten ohne Einrichtung und ohne jegliche Ware zum 01.07.2002 übernommen. Sodann habe er Verkaufstresen, Regale, Beleuchtung insgesamt die Ladeneinrichtung einbauen lassen. Die Gesamtinvestition habe etwa 60.000,00 EUR betragen. Die äußere und innere Gestaltung des Geschäfts weiche heute ganz erheblich von der früheren Gestaltung des Geschäftes ab. Das Sortiment überschneide sich nur zu einem kleinen Teil. In beiden Geschäften werden Lottescheine entgegengenommen. Gleichrangiges Angebot neben den übrigen Waren seien jetzt Süßwaren und Getränke. Diese seien in dem vorherigen Geschäft nur sehr gering angeboten worden. Geschenkartikel und Porzellan/Bestecke würden in seinem Geschäft überhaupt nicht mehr angeboten. Das gelte auch für Uhren, Schirme und Geldbörsen. Neben dem Lottobereich gebe es im Bereich Zeitschriften, Zeitungen und Tabakwaren Überschneidungen. Es liege kein Rechtsgeschäft im Sinne von § 613a BGB vor, da lediglich ein Mietvertrag über dieselben Geschäftsräume geschlossen worden sei.

Das Arbeitsverhältnis sei, falls es zu einem Betriebsübergang gekommen sei, jedenfalls durch die Kündigung vom 18.06.2002 zum 31.07.2002 beendet worden, da im streitbefangenen Betrieb weniger als fünf Arbeitnehmer beschäftigt würden. Bei seinen weiteren Betrieben handele es sich um eigenständige Betriebe. In dem streitgegenständlichen Lottogeschäft arbeiteten drei Mitarbeiter, und zwar Frau S5xxxx mit 130 Stunden pro Monat, entsprechend 30 Stunden pro Woche; Frau L4xxxxxx als Vollzeitkraft und Frau D4xxx als Kraft mit 70 Stunden pro Monat entsprechend 16,15 Stunden pro Woche; demnach 2,25 Arbeitskräfte im Sinne von § 23 KSchG. In dem weiteren Lottogeschäft arbeitete lediglich eine einzige Mitarbeiterin. Sie habe eine feste wöchentliche Arbeitszeit von 27,69 Stunden pro Woche, damit handele es sich um 0,75 Mitarbeiter im Sinne von § 23 KSchG. Die zwei weiteren Einzelhandelsgeschäfte könne man in keinster Weise mit den Lottogeschäften vergleichen, da es sich um Geschäfte aus dem Lebensmittelbereich handele, die ebenfalls eigenständig geführt würden.

Das Arbeitsgericht Rheine hat durch Urteil vom 16.04.2003 (3 [2] Ca 1117/02), auf welches vollinhaltlich Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Wert des Streitgegenstandes auf 14.459,36 EUR festgesetzt.

Gegen das am 30.04.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.05.2003 Berufung eingelegt und diese am 27.06.2003 begründet.

Er hält das angefochtene Urteil sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung für falsch und stellt es in vollem Umfang zur Überprüfung durch das Berufungsgericht. Zu Unrecht lege das Arbeitsgericht seine Entscheidung zu Grunde, daß der Betrieb "Filiale R1xxxx" durch den Beklagten zu 1) ernsthaft und endgültig stillgelegt worden sei, weshalb ein Betriebsübergang auf den Beklagten zu 2) ausscheide. Es lägen vielmehr sämtliche Merkmale eines Betriebsübergangs vor, weshalb gerade keine Stillegung und damit kein die Kündigung des Beklagten zu 1) sozial rechtfertigender betriebsbedingter Grund vorliege. Der Beklagte zu 2) habe - vermittelt durch die Zwischenvermieterin und Hauptlieferantin sowohl der Insolvenzschuldnerin als auch des Beklagten zu 2) - von dem Beklagten zu 1) eine ihre Identität bewahrende wirtschaftliche Einheit übernommen und fortgeführt. Diese wirtschaftliche Einheit sei gekennzeichnet durch den Betriebszweck, den Betriebsort, das Warensortiment, die Kundschaft, die Betriebseinrichtung und die Mitarbeiter. Diese Merkmale seien im wesentlichen auf den Beklagten zu 2) übergegangen und von ihm fortgeführt worden. Unstreitig wende sich der Beklagte zu 2) - wie auch die Insolvenzschuldnerin zuvor - in den gleichen Räumlichkeiten mit einem im wesentlichen gleichen Betriebszweck an eine im wesentlichen gleiche Kundschaft. Auch das über die Lottoannahmestelle hinausgehende Warensortiment sei im wesentlichen unverändert geblieben. Das werde auch dadurch unterstützt, daß der Beklagte zu 2) seine Ware im wesentlichen ebenfalls von der Firma L3xxxxxxxx-T3xxxxx GmbH & Co. KG, der Zwischenvermieterin, beziehe und insoweit auch eine Warenbezugsverpflichtung eingegangen sei. Hierin unterscheide er sich nicht von der Insolvenzschuldnerin, die ebenfalls ihre Ware überwiegend von dieser Hauptlieferantin bezogen habe. Gleichermaßen unstreitig sei, daß

der Beklagte zu 2) sein Zeitschriftensortiment ebenfalls von derselben Lieferantin beziehe, wie dies die Insolvenzschuldnerin zuvor getan habe. Schließlich sei auch zwischen den Parteien unstreitig, daß der Beklagte zu 2) auch den wesentlichen Teil der Belegschaft übernommen habe. Die bei der Insolvenzschuldnerin neben ihm tätigen beiden Mitarbeiterinnen S5xxxx und L4xxxxxx seien nämlich von dem Beklagten zu 2) übernommen worden. Demgegenüber träte in den Hintergrund die Behauptung des Beklagten zu 2), daß er angeblich einen "nackten" Geschäftsraum übernommen habe. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, was mit Nichtwissen bestritten werde, spiele dieses Kriterium bei einem Einzelhandelsgeschäft nur eine untergeordnete Rolle. Im wesentlichen komme es für die Frage der Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit daher in einem solchen Unternehmen darauf an, daß es sich an gleicher Stelle mit gleichem Produktsortiment an die gleiche Kundschaft wendet. Diese Merkmale könnten hier aufgrund der angebotenen Beweise sämtlich festgestellt werden.

Auf den Umstand, daß zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 2) keine rechtsgeschäftlichen Beziehungen bestünden, komme es letztlich nicht an. Es sei allgemein anerkannt, daß zwischen dem Betriebsveräußerer und dem Betriebserwerber keinerlei rechtsgeschäftliche Beziehung bestehen müßten. Ein Betriebsübergang könne bei einem Pächter- bzw. Vermieterwechsel ohne weiteres vollzogen werden, ohne daß zwischen dem alten Pächter/Mieter und dem neuen Pächter/Mieter irgendwelche rechtsgeschäftliche Beziehungen bestanden haben müßten. Zunächst wertete deshalb das Arbeitsgericht die Tatsache, daß der Beklagte zu 1) nicht habe wissen können, daß der Beklagte zu 2) in den Räumlichkeiten der Insolvenzschuldnerin ebenfalls ein Tabakgeschäft eröffnen würde, zu seinen, des Klägers, Lasten. Für einen Betriebsübergang und damit gegen eine Betriebsstillegung spreche eindeutig die nur sehr kurze Betriebsunterberechungszeit. Unstreitig habe der Beklagte zu 2) zumindest ab dem 01.07.2002 die am 11.05.2002 durch den Beklagten zu 1) zunächst geschlossenen Räumlichkeiten wiedereröffnet. Schon dieser Zeitpunkt liege noch innerhalb des Laufs der Kündigungsfrist, so daß dies an sich schon eine tatsächliche Vermutung für eine Betriebsübergang begründen könnte. Dies gelte umsomehr, als der Beklagte zu 2) schon sehr viel früher, nämlich spätestens ab 29.05.2002, also grade zwei Wochen nach der Schließung durch den Beklagten zu 1), die tatsächliche Leitungsmacht übernommen und schon in erheblichem Umfange Renovierungsmaßnahmen durchgeführt habe, um die zu diesem Zeitpunkt bereits im Einzelnen geplante Wiedereröffnung vorzubereiten. Damit stehe fest, daß die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 11.06.2002 wegen Verstoßes gegen § 613a Abs. 4 BGB unwirksam ist. Auch die Kündigung des Beklagten zu 2) vom 18.06.2002 sei unwirksam, weil sie nicht sozial gerechtfertigt sei. Zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes beziehe er sich insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Schriftsätze vom 27.11.2002 und 13.02.2003.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Rheine

1. festzustellen, daß das zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung des Beklagten zu 1) vom 11.06.2002 beendet worden ist, sondern über den 30.09.2002 hinaus fortbesteht,

2. festzustellen, daß das zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten zu 2) vom 18.06.2002 beendet worden ist, sondern über den 31.07.2002 hinaus fortbesteht,

3. den Beklagten zu 2) zu verurteilen, den Kläger tatsächlich weiter zu beschäftigen als Verkäufer in der Filiale R2xxxxxxxxxxxx; M6xxxxxxxxxxxx 47, 48xxx R1xxxx auf der Basis des Anstellungsvertrages vom 05.03.1985 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 09.01.2001 zu einem monatlichen Bruttogehalt von 1.807,42 EUR zzgl. Fahrtkostenzuschuß in Höhe von 51,13 EUR,

4. hilfsweise den Beklagten zu 2) zu verurteilen, das Angebot des Klägers auf Abschluß eines Arbeitsvertrages ab dem 01.07.2002 zu den Bedingungen des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 05.03.1985 anzunehmen und ihn tatsächlich weiter zu beschäftigen,

5. den Wert des Streitgegenstandes festzusetzen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen und den Wert des Streitgegenstandes festzusetzen.

Der Beklagte zu 1) verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, es möge sein, daß der Beklagte zu 2) ein Mietvertrag hinsichtlich der Filiale, in welcher der Kläger zuvor bei der Insolvenzschuldnerin tätig gewesen sei, mit der Firma L3xxxxxxxx-T3xxxxxxxxx GmbH & Co. KG als Zwischenvermieterin geschlossen habe, jedoch bei der Anmietung derselben Räumlichkeiten, die vorher die Insolvenzschuldnerin angemietet habe, alleine noch keine Übernahme einer wirtschaftlichen Einheit aus. Es möge auch sein, daß der Beklagte zu 2) seine Ware im wesentlichen von der Firma L3xxxxxxxx-T3xxxxxxxxx GmbH & Co. KG beziehe und insoweit eine Warenbezugsverpflichtung eingegangen sei, was jedoch mit Nichtwissen bestritten werde, aber auch dies mache eine Übernahme einer wirtschaftlichen Einheit noch nicht aus. In diesem Zusammenhang werde darauf hingewiesen, daß die Firma L3xxxxxxxx-T3xxxxxxxxx GmbH & Co. KG die Filiale R1xxxx, in welcher der Kläger zuvor tätig gewesen sei, nicht als Zwischenvermieterin an ihn, den Beklagten zu 1), vermietet gehabt habe, vielmehr habe ein Mietverhältnis zwischen ihm und dem Eigentümer der Filiale R1xxxx, nämlich der S6xx I2xxxxxxxx R3xxxxx-Z1xxxxx R1xxxx GmbH & Co. KG bestanden. Es habe auch keine Warenbezugsverpflichtung zwischen ihm und der Firma L3xxxxxxxx-T3xxxxxxxxx GmbH & Co. KG bestanden, vielmehr habe er einen reinen Liefervertrag mit der Lieferantin geschlossen gehabt. Zu einem vermeintlichen zwischen dem Beklagten zu 2) und dem Zeitschriftenlieferanten - wer auch immer dies sein möge - eingegangenen Vertrag sei auszuführen, daß in der Bundesrepublik Deutschland 94 Pressegrossisten existierten. Die Bundesrepublik Deutschland sei in 94 Vertriebsgebiete eingeteilt, in jedem dieser Vertriebsgebiete besitze der jeweilige Pressegrossist ein Liefermonopol. Die Zeitschriftenbezieher könnten daher jeweils nur mit dem Pressegrossisten Verträge abschließen, in dessen Gebiet ihr Geschäft liege. Insoweit bestehe für das jeweilige Betriebsgebiet eine Monopolstellung des jeweiligen Pressegrossisten. Eine Wahl der Bezieher bestehe daher nicht. Von einem Eintritt des Beklagten zu 2) in dem Vertrag zwischen ihm, dem Beklagten zu 1) und dem Pressegrossisten könne daher nicht die Rede sein. Zudem werde mit Nichtwissen bestritten, daß der Beklagte zu 2) dasselbe Sortiment beziehe, wie zuvor er der Beklagte zu 1). Auch werde mit Nichtwissen bestritten, wen der Beklagte zu 2) von der "alten Belegschaft" neu eingestellt habe. Insoweit werde nochmals darauf hingewiesen, daß die D8x die zentrale Verwaltungsfunktion zur Verwaltung und Steuerung des Einzelhandelsfilialisten ausgeübt habe, insbesondere den Verkauf, Warenwirtschaftssysteme, Controlling, Rechnungswesen, schlechte Finanzbuchhaltung, Personalwesen, Mietvertragsverwaltung für den einzelnen Standort. Die einzelnen Filialen seien in die Zentralverwaltung und Steuerung eingebunden gewesen und hätten über keinerlei eigene Ressourcen zur Erledigung des Einkaufs, der Warenbestandsverwaltung, des betrieblichen Rechnungswesens und der Personalverwaltung sowie Mietvertragsverwaltung verfügt. Die einzelnen Filialen hätten insoweit keine selbständigen Geschäftsstellen der Insolvenzschuldnerin dargestellt. Die gesamte Organisation, insbesondere auch alles, was den Einkauf und was das gesamte Warenwirtschaftssystem anginge, seien zentral von der D8x vorgenommen worden. Mit Stillegung des Gesamtbetriebes seien solche Organisationen nicht mehr vorhanden gewesen und habe auch nicht mehr im Zuge einer "Neueröffnung" einer einzelnen Filiale auf einen Neubetreiber übergehen können. Durch diese zentrale übergeordnete Organisation durch die D8x ergebe sich, daß es sich bei den einzelnen Filialen auch nicht um eine arbeitstechnische Organisation gehandelt habe. Der Beklagte zu 2) habe keine intakte Betriebsstruktur vorgefunden und übernehmen können, weil es eine solche nicht mehr gegeben habe. Er, der Beklagte zu 1), habe den Laden als Teil einer größeren betrieblichen Struktur mit vielen Läden 11/2 Monate vor Abschluß des Mietvertrages zwischen dem Beklagten zu 2) und Firma L3xxxxxxxx-T3xxxxxxxxx GmbH & Co. KG ausgeräumt, sämtliche Mitarbeiter freigestellt, die gesamte Arbeitsorganisation aufgelöst und den arbeitsorganisatorischen Zweck dieses Ladensystems aufgegeben. Er habe auch die gemietete Verkaufsfläche an die Mieterin zurückgegeben. Dies sei nicht nur zum Schein, sondern gewollt und im Rahmen einer notwendigen, insolvenzbedingten Entscheidung geschehen. Der Beklagte zu 2) habe nach Anmietung der Räumlichkeiten auf keine von ihm, dem Beklagten zu 1), hinterlassene oder über Dritte ihm überlassene Organisation irgendeiner Art zurückgreifen können und habe nichts aus dem früheren Geschäft übertragen erhalten. Insoweit könne nicht von einer wirtschaftlichen Einheit gesprochen werden. Der Beklagte zu 2) habe vielmehr mit neuer Führungs- und Personalstruktur eine eigene Arbeitsorganisation aufbauen müssen. Dazu habe er zwar die gemietete Fläche, welche zuvor von der Insolvenzschuldnerin angemietet gewesen sei, genutzt, aber keine einigermaßen intakte vorgegebene Betriebsstruktur oder Organisation übernommen. Die Kündigung vom 11.06.2002 sei wegen Betriebsstillegung sozial gerechtfertigt. Ein Verschulden entgegen des Kündigungsverbots des § 613a Abs. 4 BGB sei nicht ersichtlich.

Der Beklagte zu 2) verteidigt ebenfalls das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, er habe - entgegen dem Vorbringen des Klägers - keine intakte wirtschaftliche Einheit übernommen, sondern mehrere Wochen nach der Stillegung der Filiale R1xxxx durch den Beklagten zu 1) ein Geschäft "neu geschaffen". Das Warensortiment weiche in wesentlichen Punkten von dem Warensortiment des früheren Geschäftes ab. Die Kundschaft sei schon aufgrund der zentralen Lage des Geschäfts eine Laufkundschaft mit einer sehr geringen Kundenbindung. Es gebe hier keine Kundschaft, die vom vorherigen Geschäft habe "übernommen" werden können. Die Betriebseinrichtung sei definitiv nicht übernommen worden. Das Geschäft habe insgesamt neu eingerichtet werden müssen. Es werde mit Nichtwissen bestritten, daß die L3xxxxxxxx-T3xxxxxxxxx GmbH & Co. KG als Zwischenmieterin auch diejenige Firma gewesen sei, über die die Insolvenzschuldnerin ihre Ware überwiegend bezogen habe. Es möge sein, daß die Firma L3xxxxxxxx-T3xxxxxxxxx GmbH & Co. KG am Markt eine erhebliche Bedeutung als Lieferant für Geschäfte mit den Produkten "Tabak und Zeitschriften" habe. Die Marktbedeutung eines Zulieferanten sei kein Kriterium für die Frage des Betriebsübergangs. Er habe auch nicht den wesentlichen Teil der Belegschaft übernommen, sondern mit den Mitarbeiterinnen S5xxxx und L4xxxxxx neue Anstellungsverträge abgeschlossen. Er habe nicht nur angeblich, sondern tatsächlich einen "nackten" Geschäftsraum übernommen und Investitionen von 60.000,00 Euro getätigt. Das wesentliche Betriebsvermögen des Geschäfts stecke gerade in der neuen Betriebseinrichtung. Durch die neue Betriebseinrichtung stelle sich das Geschäft insgesamt anders dar, womit sich er, der Beklagte zu 2), auch an einen anderen Kundenkreis richte. Durch die Umbaumaßnahmen, die er in der Filiale vorgenommen habe, sei das vormalige einheitliche Auftreten der M3xxxxxxxxxx Vertriebs GmbH aufgehoben worden. Das einheitliche Auftreten einer Filiale der M3xxxxxxxxxx Vertriebs GmbH sei für die Kundenbindung entscheidend gewesen. Im Übrigen handelt es sich bei dem Zeitraum vom 11.05.2002 bis zum 01.07.2002 um keinen kurzen Zeitraum, denn bei einem Einzelhandelsgeschäft mit der Ausrichtung Lotto, Toto, Zeitungen, Zeitschriften, Tabak und Süßwaren sei ein Zeitraum von mehr als sieben Wochen ein langer Zeitraum. Wenn ein Geschäft mit dieser Ausrichtung geschlossen werde, orientierten sich die Kunden sofort um und suchten neuen Geschäfte. Tabakwaren, Lotto, Toto, Zeitungen und Zeitschriften würden permanent, zumindest wöchentlich bezogen. Es handele sich im Übrigen um eine typische Laufkundschaft, die sich kurzfristig umorientiere. Deshalb sei es keineswegs richtig, hier von einer "kurzen" Betriebsunterbrechungszeit nach der Schließung am 11.05.2002 zu sprechen. Von einer irgendwie gearteten Übernahme der Filiale R5xxx, in welcher der Kläger für die Insolvenzschuldnerin tätig gewesen sei, könne keine Rede sein. Vormals habe es sich bei dem Geschäft um die Filiale eines größeren Unternehmens mit vielen einzelnen Verkaufsstellen (Filialen) gehandelt. Heute handele es sich um ein Inhaber geführtes Einzelgeschäft. Eine Filiale sei grundsätzlich betrieblich anders organisiert als ein Inhaber geführtes Einzelgeschäft. Ein großer Unterschied in der Betriebsorganisation sei vor allem im Einkauf vorhanden. Bei der Insolvenzschuldnerin sei der Einkauf über die Zentrale erfolgt, während er, der Beklagte zu 2), den Einkauf unmittelbar selbst vornehme. Während die Insolvenzschuldnerin mit einem Warenwirtschaftssystem mittels EDV gearbeitet habe, dessen Ergebnisse dann jeweils die Grundlage für die Bedarfsanforderung bei der Zentrale gewesen seien, sei sein Geschäft so organisiert, daß die Bestellungen aufgrund des durch persönliche Inaugenscheinnahme festgestellten Bedarf vorgenommen würden. Außerdem würden die Geschäftszeiten erheblich differieren. In der Filiale der Insolvenzschuldnerin seien die Arbeitszeiten montags bis freitags von 09.00 Uhr bis 18.30 Uhr und samstags von 09.00 Uhr bis 13.00 Uhr gewesen, während die Öffnungszeiten nunmehr montags bis freitags von 07.30 Uhr bis 18.30 Uhr und samstags von 07.30 Uhr bis 15.00 Uhr seien.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Gerichtsakten gereichten Urkunden Bezug genommen.

Gründe

Die aufgrund entsprechender Beschwer statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sowie rechtzeitig ordnungsgemäß begründete Berufung des Klägers hat keinen Erfolg und führt deshalb zur Zurückweisung des Rechtsmittels.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Insolvenzschuldnerin ist durch die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 11.06.2002 wegen Stillegung der Filiale R1xxxx rechtswirksam zum 30.09.2002 beendet worden, ohne daß ein Betriebsübergang auf den Beklagten stattgefunden hat und ohne daß der Kläger eine Wiedereinstellungsanspruch hätte.

1. Bei Zustandekommen eines Interessenausgleichs mit Namensliste wird vermutet, daß die Kündigung der bezeichneten Arbeitnehmer aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durch dringende betriebliche Erfordernisse, die im Falle einer Beendigungskündigung seiner Weiterbeschäftigung entgegenstehen, bedingt ist (§ 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO). Im Falle eines Betriebsübergangs erstreckt sich diese Vermutung auch darauf, daß die Kündigung der Arbeitsverhältnisse nicht wegen des Betriebsübergangs erfolgt (§ 128 Abs. 2 InsO). In einem solchen Fall beschränkt sich die Darlegungs- und Beweislast des Erwerbers auf die "Vermutungsbasis", nämlich auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschriften des § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO (so zu § 1 Abs. 5 KSchG a.F. [1996] LAG Köln v. 01.08.1997 - 11 Sa 355/97, LAGE § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 1 = NZA-RR 1998, 160; bestätigt durch BAG v. 07.05.1998 - 2 AZR 55/98, NZA 1998, 1110 = ZIP 1998, 1885; ferner LAG Hamm v. 02.09.1999 - 4 Sa 962/99, ZInsO 2000, 352; so zu § 125 InsO LAG Hamm v. 06.07.2000 - 4 Sa 233/00, ZInsO 2001, 336; LAG Hamm v. 06.07. 2000 - 4 Sa 799/00, DZWIR 2001, 107 [Weisemann] = ZInsO 2000, 569):

- daß der Interessenausgleich wegen einer bestimmten Betriebsänderung rechtswirksam zustande gekommen ist,

- daß der Arbeitnehmer wegen der diesem Interessenausgleich zugrunde liegenden Betriebsänderung entlassen worden ist,

- ggf., daß der Arbeitnehmer einem bestimmten Betrieb oder Betriebsteil zugeordnet worden ist;

- daß der gekündigte Arbeitnehmer in diesem Interessenausgleich namentlich bezeichnet ist.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist festzustellen, daß der Vortrag des Beklagten zu 1) diesen Anforderungen genügt; wirksame Rügen gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen des Interessenausgleichs und/oder der Namensliste sind nicht erhoben worden. Der Kläger ist "wegen" der dem Interessenausgleich zugrunde liegenden Betriebsänderung entlassen worden und in der Namensliste genannt.

2. Bei Zustandekommen eines Interessenausgleichs mit Namensliste kehrt sich im Kündigungsschutzprozeß, in dem nach bisherigem Recht der Insolvenzverwalter gem. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG für das Vorliegen von dringenden betrieblichen Erfordernissen darlegungs- und beweispflichtig war (BAG v. 23.03.1984 - 7 AZR 407/82, AuR 1984, 154; BAG v. 23.03.1984 - 7 AZR 409/82, ZIP 1984, 1524, 1525), die Darlegungs- und Beweislast um (BAG v. 07.05.1998 - 2 AZR 536/97, NZA 1998, 933 = ZIP 1998, 1809; BAG v. 02.12.1999 - 2 AZR 757/98, NZA 2000, 531 = ZInsO 2000, 411 = ZIP 2000, 676).

2.1. Bei Zustandekommen eines Interessenausgleichs mit Namensliste hat der Arbeitnehmer bei einer Betriebsveräußerung im Insolvenzverfahren eine "doppelte" Vermutung zu entkräften (LAG Hamm, Urt. v. 04.06.2002 - 4 Sa 57/02, AR-Blattei ES 915 Nr. 21 = LAGReport 2003, 31 = ZInsO 2003, 52; LAG

Hamm, Urt. v. 04.06.2002 - 4 Sa 81/02, AR-Blattei ES 915 Nr.22 = LAGReport 2003, 14 = NZA-RR 2003, 293 = ZInsO 2003, 47; LAG Düsseldorf, Urt. v. 23.01.2003 - 11/12 Sa 1057/02, LAGE § 125 InsO Nr. 3 = ZInsO 2004, 402 = ZIP 2003, 817), nämlich

- daß die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nicht wegen des Betriebsübergangs erfolgt ist (§ 128 Abs. 2 InsO) und

- daß die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist (§ 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO).

Mit anderen Worten, der Arbeitnehmer muß bei Zustandekommen eines Interessenausgleichs i.S.d. § 125 InsO den Vollbeweis dafür erbringen, daß die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nicht "auf anderen Gründen" (§ 613a Abs. 4 Satz 2 BGB) beruht (siehe dazu Kraemer/Bertram, Handbuch zur InsO, Lsbl., Fach 6, Kap. 3 Rn. 112), sondern einen Verstoß gegen § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB darstellt). Bei der Regelung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO, auf die in § 128 Abs. 2 InsO verwiesen wird, handelt es sich zwar nur um eine widerlegliche Vermutung i.S.v. § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 292 Satz 1 ZPO, aber widerlegliche Vermutungen haben die Funktion von Beweislastregeln. Der bei widerleglichen Vermutungen offene Beweis des Gegenteils ist Hauptbeweis und erst dann geführt, wenn das Gericht vom Vorliegen eines Sachverhalts überzeugt ist, der das Gegenteil der Vermutung ergibt (ArbG Berlin v. 16.04.1997 - 69 Ca 49520/96, ZAP ERW 1998, 45 [Berscheid]; LAG Hamm v. 02.09.1999 - 4 Sa 962/99, ZInsO 2000, 352; LAG Hamm v. 06.07.2000 - 4 Sa 799/00, DZWIR 2001, 107 [Weisemann] = ZInsO 2000, 569).

2.2. Danach genügt es nicht, daß der Arbeitnehmer das Vorbringen des Arbeitgebers bloß erschüttert, sondern er muß hinsichtlich der gesetzlichen Vermutung den Gegenbeweis erbringen, diese also begründet widerlegen (ArbG Siegburg v. 17.07.1997 - 1 Ca 3510/96, MDR 1997, 1038 [Moll] = ZAP ERW 1998, 67 [Berscheid]; LAG Düsseldorf v. 02.09.1997 - 3/4 Sa 641/97, n.v.; ArbG Kiel v. 05.09.1997 - 4 Ca 3376c/96, AuA 1998, 28 = DB 1998, 926 = NZA-RR 1998, 67 = ZAP ERW 1998, 68 [Berscheid]; ArbG Kiel v. 06.03.1998 - 4 Ca 2458a/97, ZInsO 1998, 237; LAG Hamm v. 06.07.2000 - 4 Sa 799/00,

DZWIR 2001, 107 [Weisemann] = ZInsO 2000, 569). An den Vortrag des Arbeitnehmers sind die gleichen Maßstäbe anzulegen, die die Rechtsprechung (vgl. bspw. BAG v. 07.12.1978 - 2 AZR 155/77, NJW 1979, 1902 = SAE 1979, 141 [Herschel]; BAG v. 30.05.1985 - 2 AZR 321/84, AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung [V. Schmidt] = NZA 1986, 155) für die Substantiierung des Insolvenzverwaltervorbringens zum Vorliegen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 und 4 KSchG aufgestellt hat (ArbG Wesel v. 28.05.1997 - 6 Ca 389/97, AuA 1997, 428 = NZA-RR 1997, 341 = ZAP ERW 1998, 45 [Berscheid]; LAG Hamm v. 02.09.1999 - 4 Sa 962/99, ZInsO 2000, 352). Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Arbeitnehmers (LAG Hamm v. 02.09.1999 - 4 Sa 962/99, ZInsO 2000, 352).

3. Bei Anwendung dieser Grundsätze reicht das Vorbringen des Klägers, der in der Namensliste genannt ist, nicht aus, die "doppelte" Vermutungswirkung der §§ 128 Abs. 2, 125 Abs. 1 InsO zu widerlegen. Zur Frage eines Betriebsübergang bei Anmietung eines Ladengeschäfts ist zunächst festzuhalten, daß die Übertragung des Besitzes und der Nutzung leerer Geschäftsräume allein nicht genügend ist (LAG Frankfurt/Main v. 02.03.1984 - 13 Sa 975/83, ARST 1984, 115; LAG Frankfurt/Main v. 17.11.1986 - 13 Sa 490/86, LAGE § 613a BGB Nr. 8). Unter einem Betrieb versteht man die Summe der im Betrieb zusammengefaßten sachlichen und immateriellen Betriebsmittel dergestalt, daß der Übernehmer mit dem, was er übernommen hat, den Betrieb ohne weiteres fortsetzen könnte. Der übernommene Betrieb muß also als Betrieb weiterhin voll funktionsfähig sein, sobald er mit dem notwendigen Personal ausgestattet wird (LAG Baden-Württemberg v. 19.06.1984 - 12 Sa 39/84, ARST 1985, 34 = BB 1985, 123).

3.1. Der Betrieb kann auch von einem Pächter (BAG v. 26.02.1987 - 2 AZR 768/85, AP Nr. 59 zu § 613a BGB; BAG v. 22.05.1997 - 8 AZR 118/96, ZInsO 1998, 93) oder Mieter (BAG v. 31.01.1991 - 2 AZR 346/90, RzK I 5f Nr. 13; BAG v. 22.05.1997 - 8 AZR 88/96, RzK I 5f Nr. 25) stillgelegt werden. Allein

die Tatsache, daß der Nachmieter vom Eigentümer die Betriebsräume anmietet, die zuvor der Vormieter angemietet hatte, reicht für einen Betriebsübergang nicht aus. Bei der Frage, welche Betriebsmittel auf den Nachfolger übergehen müssen, um von einem Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB ausgehen zu können, muß auf den arbeitstechnischen Zweck eines Ladengeschäftes abgestellt werden, der darin besteht, mit Hilfe von Arbeitnehmern Ware vom Großhändler oder Erzeuger anzukaufen und an den Endverbraucher zu verkaufen. Entscheidend für den Betrieb eines Ladengeschäftes sind damit zum einen die Lieferverträge und zum anderen die Rechtsbeziehungen zu der Kundschaft, die jeweils die angebotene Ware kauft. Entscheidend für den Betriebsübergang eines Ladengeschäftes ist stets, ob der Kundenkreis erhalten bleibt, was von folgenden Faktoren abhängt (BAG v. 30.10.1986 - 2 AZR 696/85, BB 1987, 970 = DB 1987, 992 = MDR 1987, 610): Der Einzelhandelskaufmann schafft sich durch die Anmietung der Betriebsräume in einer bestimmten Geschäftslage, durch die von ihm gewählte Betriebsform (Warenhaus, Fachgeschäft, Spezialgeschäft, Supermarkt, Selbstbedienungsladen usw.) sowie durch ein bestimmtes Warensortiment einen Kundenkreis. Deshalb müssen insbesondere die Bestandteile des Betriebes auf den Erwerber übergehen, die es ermöglichen, den Kundenkreis zu halten. Anders als bei Produktionsbetrieben sind dabei die Betriebsräume wegen der Geschäftslage von großer Bedeutung. Das Einzelhandelsgeschäft, das in anderer Lage weitergeführt wird, kann Laufkundschaft, aber auch Stammkundschaft verlieren oder dazugewinnen, so daß der Kundenstamm verändert wird. Insofern wird in der Regel ein Betriebsübergang bei einem Ladengeschäft nicht vorliegen, wenn die Geschäftsräume nicht übernommen worden sind, es sei denn, das Geschäft wird in der Nachbarschaft wiedereröffnet oder es handelt sich um ein Geschäft mit reiner Stammkundschaft, die völlig unabhängig von der Geschäftslage wegen einer besonderen Betriebsform bzw. eines bestimmten Warensortiments in diesem Geschäft kauft (z. B. Spezialgeschäfte wie Seglerbedarf, medizinische Geräte). Der Erwerber muß auch das gleiche bzw. ein gleichartiges Warensortiment führen. Das Warensortiment bestimmt die Kundschaft und bildet daher ein Kernstück des Betriebes. Vom gleichen Warensortiment kann nicht schon gesprochen werden, wenn Waren der gleichen Branche vom Erwerber geführt werden, sondern es muß sich darüber hinaus um Waren derselben Qualitätsstufe handeln. So ändert sich der Kundenkreis eines Textilgeschäftes, wenn vor der "Betriebsübernahme" Markenware wie Lacoste, Boss usw. geführt wird, danach aber billige Massenwaren verkauft werden (BAG v. 30.10.1986 - 2 AZR 696/85, BB 1987, 970 = DB 1987, 992 = MDR 1987, 610). Entscheidend für die Erhaltung des Kundenkreises ist neben dem Warensortiment auch die Übernahme der Betriebsform, wobei die Betriebsform vielfach schon vom Warensortiment abhängig ist (Fachgeschäft - Spezialgeschäft). Andererseits sind jedoch auch Fälle denkbar, in denen das gleiche Warensortiment in einer anderen Betriebsform weitergeführt wird (Warenhaus - Fachgeschäft - Discounter). Kunden, die sich vom Fachpersonal beraten lassen wollen, kaufen nicht ohne weiteres ihre Waren in einem Selbstbedienungsladen, so daß die Änderung der Betriebsform auch eine Veränderung des Kundenkreises nach sich ziehen kann. Für die Bedeutsamkeit der Betriebsform und des Warensortiments für den Betriebsübergang eines Ladengeschäftes spricht auch, daß je nach Betriebsform und Branche bzw. Warensortiment unterschiedlich qualifizierte Arbeitskräfte benötigt werden. Betriebsübernahme bedeutet insofern auch Übernahme der Funktionalität der eingerichteten Arbeitsplätze. Es ist auch kaum denkbar, daß z.B. die Verkäuferin in einer Metzgerei übergangslos als Verkäuferin im Textil-Einzelhandel die Kunden über Herstellungsart, Qualitäten und Bezeichnungen von Kunstgeweben sowie über deren Behandlungs- und Waschvorschriften aufklären und modisch beraten kann. Ebenso dürfte die bisher bei einem Lebensmittel-Discounter beschäftigte Verkäuferin Schwierigkeiten haben, die Kunden eines Delikateß-Fachgeschäftes zu beraten (BAG v. 30.10.1986 - 2 AZR 696/85, BB 1987, 970 = DB 1987, 992 = MDR 1987, 610).

3.2. Bei Ladengeschäften besteht der arbeitstechnische Zweck darin, mit Hilfe von Arbeitnehmern Ware vom Großhändler oder Erzeuger anzukaufen und an Endverbraucher zu verkaufen. Entscheidend sind damit zum einen die Lieferverträge und zum anderen die Rechtsbeziehungen zu der Kundschaft. Wesentliche Betriebsmittel für ein Ladengeschäft sind die Geschäftsräume, das Warensortiment und die Betriebsform, da sie darüber entscheiden, ob der Kun-

denkreis erhalten bleibt. Das Fortbestehen des Betriebs hängt gleichsam vom Erhalt des Kundenstamms ab (BAG v. 18.05.1995 - 8 AZR 741/94, AR-Blattei ES 500 Nr. 119 = EzA § 613a BGB Nr. 139; LAG Hamm v. 07.01.1999 - 4 Sa 2350/97, ZInsO 1999, 363). Der Kundenkreis des Einzelhandelskaufmanns wird geschaffen durch die Geschäftslage, die Betriebsform sowie durch ein bestimmtes Warensortiment. Deshalb müssen insbesondere die Bestandteile des Betriebs auf den Erwerber übergehen, die es ermöglichen, den Kundenkreis zu halten (BAG v. 26.11.1987 - 2 AZR 260/87, juris KARE326800235). Der Kläger beruft sich darauf, daß der Beklagte zu 2) sich "- wie auch die Insolvenzschuldnerin zuvor - in den gleichen Räumlichkeiten mit einem im Wesentlichen gleichen Betriebszweck an eine im Wesentlichen auch gleiche Kundschaft" wende. Der Beklagte zu 2) wendet dagegen ein, es gäbe hier keine Kundschaft, die vom vorherigen Geschäft habe "übernommen" werden können, es handele sich vielmehr um "eine Laufkundschaft mit einer sehr geringen Kundenbindung". Nach der Zivilrechtsprechung ist die "Stammkundschaft" von der übrigen "unzuverlässigen, nicht zu erfassenden Kundschaft", der nur gelegentlich abschließenden "Laufkundschaft", abzugrenzen (BGH v. 29.11.1984 - I ZR 149/82, BB 1985, 353 = DB 1985, 748 = MDR 1985, 645). Im Tankstellenbereich wird sogar zwischen drei Kundengruppen (Mehrfachkunden mit einer Stammtankstelle, Mehrfachkunden mit zwei oder drei Stammtankstellen, "Laufkunden") unterschieden (BGH v. 12.02.2003 - VIII ZR 130/01, BGHReport 2003, 876 = NJW-RR 2003, 821; BGH v. 07.05.2003 - VIII ZR 263/02, BGHReport 2003, 958 = MDR 2003, 942 = NJW-RR 2003, 1340). Der Stammkunde zeichnet sich dadurch aus, daß er pro Zeiteinheit häufiger Geschäfte tätigt als der Laufkunde (BGH v. 06.08.1997 - VIII ZR 150/96, BB 1997, 2607 = DB 1997, 2268 = MDR 1997, 1134), wobei allerdings offen bleibt , wann und wodurch aus einem gelegentlichen Laufkunden ein Stammkunde wird. Die geringere Tankhäufigkeit des einzelnen Laufkunden wird dadurch ausgeglichen, daß eine größere Anzahl von Laufkunden die Tankstelle aufsucht (BGH v. 10.07.2002 - VIII ZR 58/00, BGHReport 2002, 1089 = MDR 2002, 1381 = NJW-RR 2002, 1548; BGH v. 10.07.2002 - VIII ZR 158/01, BGHReport 2002, 1086 = MDR 2002, 1379). Dieser Rechtssatz läßt sich zwar auf ein Einzelhandelsgeschäft mit der Ausrichtung Lotto, Toto, Zeitungen, Zeitschriften, Tabak und Süßwaren übertragen. Wenn ein Geschäft mit dieser Ausrichtung allerdings geschlossen wird, orientieren sich die Kunden sofort um und suchen neuen Geschäfte. Zu Recht weist der Beklagte zu 2) daraufhin, daß Tabakwaren, Lotto, Toto, Zeitungen und Zeitschriften "permanent", zumindest wöchentlich bezogen werden. Die typische Laufkundschaft orientiert sich kurzfristig um und muß bei einer Neueröffnung oder Wiedereröffnung erst wieder zurückgewonnen werden. Die Rechtsbeziehungen des Einzelhandelskaufmanns zu seinen Kunden sind in der Regel keine Dauerbeziehungen, sondern eine Vielzahl von einzelnen Rechtsgeschäften, die täglich neu mit den einzelnen Stammkunden oder den Laufkunden abgeschlossen werden. Während der Erwerber eines Betriebes in bestehende Dauerverträge (z.B. Lieferantenverträge) des Vorbesitzers ohne weiteres eintreten kann, ist das bei den einzelnen Rechtsgeschäften mit den Kunden eines Ladengeschäftes nicht möglich (BAG v. 30.10.1986 - 2 AZR 696/85, BB 1987, 970 = DB 1987, 992 = MDR 1987, 610). Von einer irgendwie gearteten "Übernahme" der Kundschaft der Insolvenzschuldnerin durch den Beklagten zu 2) kann mithin keine Rede sein.

3.3. Es ist zwar Art. 1 Abs. 1 RL 77/187/EWG und damit auch § 613a BGB dahin auszulegen, daß diese Vorschriften auch auf den Fall anwendbar sind, daß bspw. ein Unternehmen, das eine Berechtigung zum Vertrieb von Kraftfahrzeugen für ein bestimmtes Gebiet besitzt, seine Tätigkeit einstellt und die Vertriebsberechtigung sodann auf ein anderes Unternehmen übertragen wird, das - ohne Übertragung von Aktiva - einen Teil der Belegschaft übernimmt und für das bei der Kundschaft geworben wird (EuGH v. 07.03.1996 - verb. Rs. C-171/94 und C-172/94, NZA 1996, 413 = ZIP 1996, 882), jedoch ist die vorliegende Fallgestaltung damit nicht vergleichbar. Mit Datum vom 01.07.2002 unterschrieben der Beklagten zu 2) und dessen Sohn T4xxxxxx H2xxxx zwar einen Mietvertrag mit Bezugsverpflichtung mit der Firma L3xxxxxxxx-T2xxxxxxxxx GmbH & Co. KG über die Mieträume M6xxxxxxxxxxxx 47 in R1xxxx. Die L3xxxxxxxx-T3xxxxxxxxx GmbH & Co. KG ist Zwischenvermieter, dieser Mietvertrag enthält aber in § 2 als Vertragszweck lediglich die Regelung, daß die Vermietung ausschließlich zum Betrieb eines Ladenlokals Tabakwarenfachgeschäft erfolgt. Auch hat der Beklagte zu 2) sich nach § 18 als Mieter verpflichtet, "alle Tabakwaren, Rauchbedarfsartikel, Telefonkarten, CDs, Süßwaren, Speiseeis, Spirituosen und Getränke, sowie alle sonstigen im dem Mieter bekannten Warenangebot der Vermieterin enthaltenen Artikel ausschließlich bei dem Vermieter zu beziehen", jedoch dürfen hier "Bezugsverpflichtung" und "Warensortiment" nicht gleichgesetzt werden. Tabak und Süßwaren sind nur ein Teil des Warensortiments und ob sie mit den zuvor von der Insolvenzschuldnerin verkauften Waren weitgehend identisch sind, ist nicht substantiiert vorgetragen worden. Desweiteren ist zu beachten, daß der Beklagte zu 2) noch eine Lotto- und Totoannahmestelle hat und ferner Zeitungen und Zeitschriften verkauft. Anders als die Nutzungsmöglichkeit von einer Fernverkehrskonzessionen läßt sich die Erlaubnis zum Betreiben eine Lotto- und Totoannahmestelle weder übertragen noch umschreiben, sie ist vielmehr neu von der Westlotto zu erwerben, ohne daß sich von vornherein abschätzen ließe, ob in dem Geschäftslokal, das die Insolvenzschuldnerin angemietet hatte, wieder eine Lotto- und Totoannahmestelle hineinkäme. Was den Zeitschriftenlieferanten angeht, weist der Beklagte zu 2) daraufhin, daß die Bundesrepublik Deutschland in 94 Vertriebsgebiete eingeteilt ist und daß in jedem dieser Vertriebsgebiete der jeweilige Pressegrossist ein Liefermonopol besitzt. Die Zeitschriftenbezieher können daher jeweils nur mit dem Pressegrossisten Verträge abschließen, in dessen Gebiet ihr Geschäft liegt. Insoweit besteht für das jeweilige Betriebsgebiet eine Monopolstellung des jeweiligen Pressegrossisten. Im Raume M2xxxxx .sind Zeitschriften von L5xxxxxxxx zu beziehen, eine Wahl der Bezieher besteht insoweit nicht. Dies alles ist nicht ausschlaggebend, denn es handelt sich weder bei den von L3xxxxxxxx-T3xxxxxxxxx GmbH & Co. KG bezogenen Waren noch bei den von L5xxxxxxxx bezogenen Zeitschriften um Alleinverkaufsberechtigungen des Beklagten zu 2). Gleiches gilt sinngemäß für die Lotto- und Totoannahme, denn es gibt in R1xxxx eine ganze Reihe von Lotto- und Totoannahmestellen. Entscheidend ist vielmehr, ob der Beklagte zu 2) ein nämliches Waren- und Zeitschriftensortiment besitzt wie die Insolvenzschuldnerin und ob er aufgrund des Erscheinungsbildes seines Ladengeschäftes die nämliche Kundschaft anspricht. Hier hat der Kläger sich nicht einmal die Mühe gemacht, nach einem Besuch an seiner ehemaligen Arbeitsstelle dem Gericht wenigstens die wichtigsten Waren und Zeitschriften aufzulisten und dieser Liste in einer Synopse die Waren und Zeitschriften der Insolvenzschuldnerin gegen zu setzen. Das Berufungsgericht kann sich hier kein Bild davon machen, was vorher war und jetzt ist. Die Vermutungswirkungen der §§ 128 Abs. 2 und 125 Abs. 1 InsO sind daher nicht widerlegt. Mithin scheidet ein Verstoß gegen das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB aus.

4. Da die Kündigungsfrist des § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO a.F. von drei Monaten zum Monatsende eingehalten ist, ist das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Insolvenzschuldnerin durch die ordentliche Kündigung des Beklagten zu 1) vom 11.06.2002 zum 30.09.2002 beendet worden ist. Mangels Betriebsübergangs kommt es auf die Kündigung des Beklagten zu 2) vom 18.06.2002 zum 31.07.2002 nicht an. Auch der Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung, , der nach heutigem Verständnis zusammen mit dem Vergütungsanspruch eine Einheit bildet und in der Bündelung dieser Berechtigungen den Hauptanspruch des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 611 BGB ausmacht (LAG Hamm v. 05.05.1983 - 8 Sa 255/83, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 52; LAG Hamm v. 11.03.1999 - 4 Sa 34/98, ZInsO 1999, 424; LAG Hamm v. 11.03.1999 - 4 Sa 966/98, ZInsO 1999, 424; LAG Hamm v. 24.02.2000 - 4 Sa 1731/99, ZInsO 2000, 467; LAG Hamm v. 04.12.2003 - 4 Sa 900/03, LAGE § 623 BGB Nr.3 = NZA-RR 2004, 189 = ZInsO 2004, 163), kann -wenn die Wirksamkeit der Kündigung festgestellt wird - nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden. Der Weiterbeschäftigungsantrag setzt nämlich ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis voraus (BAG v. 27.02.1985 - GS 1/84, NZA 1985, 702 = ZIP 1985, 1214). Die Klage mußte daher auch insoweit ohne Erfolg bleiben.

5. Dem Kläger steht kein durchsetzbarer Wiedereinstellungsanspruch gegen den Beklagte zu 2) zu. Außerhalb der Insolvenz wird ein Wiedereinstellungsanspruch bejaht,

- wenn der Arbeitgeber sich zunächst entschieden hatte, eine Betriebsabteilung stillzulegen, sich dann aber noch während der Kündigungsfrist entschließt, die Betriebsabteilung mit einer geringeren Anzahl von Arbeitneh-

mern doch selbst fortzuführen (BAG v. 04.12.1997 - 2 AZR 140/97, MDR 1998, 723 = NZA 1998, 701; BAG v. 02.12.1999 - 2 AZR 757/98, NZA 2000, 531 = ZIP 2000, 676),

- wenn es nach Zugang der Kündigung wegen ursprünglich beabsichtigter Betriebsstillegung noch während des Laufs der Kündigungsfrist zu einem Betriebsübergang auf einen neuen Betriebsinhaber kommt (BAG v. 27.02.1997 - 2 AZR 160/96, MDR 1997, 749 = NZA 1997, 757; BAG v. 13.11.1997- 8 AZR 295/95, MDR 1998, 420 = NZA 1998, 249 = ZIP 1998, 344).

Es bestehen erhebliche rechtliche Bedenken, diese Grundsätze auf eine Betriebsveräußerung in der Insolvenz zu übertragen (so LAG Frankfurt/Main v. 25.01.2001 - 11 Sa 908/99, ZInsO 2002, 48; Hanau, ZIP 1998, 1817, 1820; a.A. LAG Hamm v. 11.11.1998 - 2 Sa 1111/98, InVo 1999, 384 = NZA-RR 1999, 576 = ZInsO 1999, 302; Raab, RdA 2000, 147, 159/160). Vorliegend kann diese Frage jedoch dahingestellt bleiben, da es an einem Betriebsübergang mangelt.

6. Nach alledem hat die Berufung des Klägers ohne Erfolg bleiben müssen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Wert des Streitgegenstandes war nach § 25 Abs. 1 GKG, § 9 BRAGO in Verbindung mit § 12 Abs. 7 ArbGG und §§ 3 ff. ZPO auf erstinstanzlich zutreffend ermittelten Wert festzusetzen. Der Streitwertbeschluß hat mit der Urteilsformel verbunden werden können. Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 1 ArbGG ist bei der vorliegenden Einzelfallgestaltung nicht ersichtlich.

Berscheid Feldkamp Berhorst

/Woi.






LAG Hamm:
Urteil v. 27.11.2003
Az: 4 Sa 767/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/51ae5c7efede/LAG-Hamm_Urteil_vom_27-November-2003_Az_4-Sa-767-03




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